closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Unter Allgemeines zur HKM heißt es: "Wissenschaftliches Arbeiten ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich nicht über seine Ergebnisse definiert, sondern darüber, dass alle in Frage kommenden Fakten mit intersubjektiv nachvollziehbaren Methoden geprüft werden und gegebenenfalls falsifiziert werden können".
Was wäre falsifizierbar über ein methodisches Sammeln von Erkenntnissen hinaus? - Nicht viel, meine ich. - Denn:
Feststellen, dass der 2. Petrusbrief dann oder dann entstanden ist oder es vor 2000 Jahren die Essener gab, ist das eine (= HKM). - Daraus zu schließen, dass Jesus eine eigene Naherwartung hatte, ist das andere (= Hermeneutik).
Dies ist eine gängige Interpretation, die mit dem Zusammenhängt, was Berger als "Ostergraben" bezeichnet. Dahinter stecken Grundannahmen. Die Bibelkritik entwickelte sich in der Zeit der Aufklärung und wurde höchstwahrscheinlich auch vom Positivismus beeinflusst (jedenfalls laut Berger und ich stimme ihm zu, weil es mir plausibel erscheint).
Sicher ist, dass die Naherwartung von Anfang an ein brisantes Thema in den urchristlichen Gemeinden war, angefangen bei den Aposteln bis ihn zu den hellenistischen Heidenchristen (dies folgere ich aufgrund dessen, was in der Apostelgeschichte und den apostolischen Briefen dokumentiert ist). Hier zeichnet das NT aber keinesfalls ein einheitliches Bild, viel mehr ein ambivalentes, sogar bei Paulus. Es gibt stellen, die auf die Hoffnung einer Naherwartung hindeuten, aber auch stellen, in denen Paulus offenbar mit seinem Tod vor der Widerkunft Christie rechnete. Dies alles hatte ich hier schon wiederholt im Forum angeführt und verwies auch auf die entsprechenden Bibelstellen. Langsam werde ich dessen müde.
closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben:In diesen beiden hermeneutischen Methoden, welche die Grundlage der historisch-kritischen Exegse bilden, vermag ich noch keine Weltanschauung zu erkennen.
Aber nur dann, wenn man (siehe Anton) ständig darauf hinweist, dass es sich hierbei um Modell-Aussagen handelt: "Im Sinne unseres (VORHER!!!) definierten Modells hatte Jesus eine Naherwartung". - Also eine Modell-Aussage und keine Wirklichkeits-Aussage.
In der Fachwelt wird man da sicher differenzierter formulieren, doch ganz allgmein - und insbesondere im Bereich der Religions- und Bibelkritik - werden in der populärwissenschaftlichen Aufbereitung aus Hypthesen
Theorien und aus Theorien
Fakten. Aus
"dürfte ihm die postmortale eschatologische Parusie-Hoffnung seiner Person fremd gewesen sein" wird dann schnell: 'Jesus war die "Ankunft Christi" fremd, die Entzeitrede in Mt 24,3ff hatte er nie gehalten und ist eine nachösterliche Dichtung seiner Jünger"' Natürlich steht es so nicht im fachlichen Abschnitt
Zur Entstehung der Sprache von einer Parusie Christi im Urchristentum, sondern ist eine Verzerrung. Aber so wird uns Exegese vermittelt und dies ist es, was die Massen erreicht und die Menschen beeinflusst.
Hier der fachliche Text:
Da das Anliegen des 'Historischen Jesus' die personale Vermittlung der gegenwärtig ankommenden Gottesherrschaft für → Israel war (vgl. Lk 11,20; 17,20f), deren geschichtlich wirkmächtiger Anfang (vgl. Mk 4,31.32a) sich trotz seines Todes in Vollendung durchsetzen wird (vgl. Mk 14,25), dürfte ihm die postmortale eschatologische Parusie-Hoffnung seiner Person (vgl. die Parusie des Menschensohn-Christus Mt 24,3ff) fremd gewesen sein.
Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass von der Ankunft Christi erst in der nachösterlichen → Gemeinde gesprochen wurde, die ihre Hoffnung im Kontext einer röm.-hell. Umwelt artikulierte. Infrage kommen dafür die sich durch → Stephanus' Mission (vgl. Apg 6,8-10) rasch durch aus der hell. Diaspora stammenden Israelchristen vergrößernde, auch griechisch sprechende Jerusalemer Gemeinde (vgl. Apg 6,1-7) wie auch die von (ehemaligen) Stephanusanhängern vgl. (Apg 8,1; 11,19f) in der → syrischen → Diaspora gegründeten christlichen Gemeinden (z.B. in → Damaskus, → Antiochia).
Durch Vermittlung der antiochenischen Christenheit (vgl. Apg 11,26; 13,1) dürfte Paulus Begriff wie Vorstellung einer ‚Parusie Christi’ erhalten haben, denn dieser Genitivausdruck stellt in seinen Schriften keine sprachliche Neuprägung dar.
Dies ist die Exegese auf Basis der historisch-kritischen Methode. Was meinst Du dazu?
closs hat geschrieben:Nun kann selbstverständlich beides übereinstimmen, aber diese Übereinstimmung kann nicht postuliert werden ("Wir definieren, dass unser Modell nicht nur Modell ist, sondern die Wirklichkeit gepachtet hat"

).
Genau darum geht es aber, um den Anspruch, die korrekte Lehrmeinung unter das Volk zu bringen. Abweichler werden als "erzkonzervativ", "fundamentlistisch" und "ignorant" abgestempelt. Das hat
System, sogar hier im Forum (jedenfalls nehme ich dies aus meiner subjektiven Perspektive so war).
closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Das Gegenteil davon ist die Eisegese.
Man muss dann aber aufpassen, dass nicht jegliche Auslegung außer derjenigen, die von der HKM modell-haft beansprucht wird, als Eisegese gelten muss. - Eigentlich ist aus Sicht der HKMler jegliche Auslegung, die nicht dem eigenen Modell entspricht, als Eisegese zu verstehen - sonst könnte man es nicht als Eisegese bezeichnen, wenn eine andere Bibel-Hermeneutik zum Ergebnis kommt, dass Jesus KEINE Naherwartung hatte. - Und daher kommt mein Vorwurf der Ideologisierung der HKM.
Dies scheint mir eine Folge der Vereinfachung der Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung zu sein. Dann wird aus dem Konjunktiv schnell der Indikativ. Darum verwies ich ja wiederholt auf die PDF-Dokumente zum Theologie-Examen von Zenger. So kann man die fachlichen Artikel direkt lesen, die zugebenermaßen nicht leicht zu verstehen sind.
closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben: narrativen Exegese
Guter Hinweis

- das scheint mir der Bibel-Realität sehr nahe zu kommen.
Diese Exegese scheint mir iaußerhalb der Fachwelt kaum bekannt zu sein.
Willst Du mal lesen, wie ein Agnostiker schreibt, der dank Studensemester über theologisches Fachwissen und Kenntisse der Literaturwissenschaft verfügt? Dies kannst Du
HIER. Ein Zitat daraus:
Zitat von Logan5:
... Es geht nicht darum, dass der Mensch der Antike in allem etwas "Mystisches" gesehen hätte, sondern dass sein Weltbild mythologisch geprägt ist. Für ihn ist der Glaube an höhere Mächte Realität und wenn er über sie und seine Rolle in einem solchen Weltbild spricht, redet er in Symbolen. Das Besondere an einem Symbol ist, dass es zwar etwas Greifbares bezeichnet, aber gleichzeitig weit darüber hinaus weist, ohne die Bindung an das Greifbare zu verlieren.
Wenn also beispielsweise im Alten Testament die Rede davon ist, dass Moses in der Wüste eine Begegnung mit einem brennenden Dornbusch hat, aus dem die Stimme Gottes spricht, darf man nicht davon ausgehen, dass der antike Rezipient dies für bare Realität im modernen Sinne gehalten hat. Daran und auch an faktenorientierter Geschichtsaufzeichnung, wie wir es heute betreiben, hatte er wenig Interesse. Der brennende Busch ist für ihn Symbol - beispielsweise für das "Feuer" dass der Glaube in Mose geweckt hat, zurück zu kehren und sein Volk zu befreien - nicht Historie oder tatsächlich wörtlich zu Nehmendes.
Was meinst Du dazu?