Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Anton B.
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#811 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Anton B. » Di 4. Aug 2015, 02:26

Hallo closs,

ich hatte Dich vor geraumer Zeit folgendes gefragt:

Anton B. hat geschrieben:Was ist denn so schwer für Dich, folgendes zu sagen:

closs, der Intersubjektive, hat geschrieben:Die Theologie in ihrer historisch-kritischen Ausrichtung vertritt diese und jene wissenschaftlichen Theorien. In den Theologischen Fakultäten der großen Hochschulen sind diese Theorien Teil des Lehrkanons. Es gibt auch abweichende, ja kritische Meinungen, die allerdings nicht die Verbreitung und die Anerkennung der etablierten Theorien erreicht haben.

Im übrigen bin ich, closs, der Meinung, die HKM-Rekonstruktion des historischen Jesus ist falsch und dogmatisch ist und der Paradigmenwechsel vor der Türe steht.
Ist das ein Angebot, welches Freude bereitet?
Wie sieht es aus? Ist das keine Basis, um mittels Positionszuschreibungen wieder festes Land zu gewinnen?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Novas
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#812 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Novas » Di 4. Aug 2015, 05:30

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:kannst Du uns auch verklickern, was Du an der sog. "universalen Ergebnisoffenheit" der Bibelwissenschaft "zum Mäusemelken" (Du meinst wahr-scheinlich "zum Kotzen") findest?
Dass Du meinst, es gäbe sie. - Zum Kotzen ist, dass Du und andere den Eindruck erwecken, die von Dir favorisierte Hermeneutik sei eine objektive im Gegensatz zu anderen Hermeneutik-Ansätzen. - Das ist Ideologie pur und grenzt an Dogmatik.

So ist es. :thumbup:

closs
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#813 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Di 4. Aug 2015, 08:15

Anton B. hat geschrieben:Wissenschaftlich ist aber nur, was prinzipiell falsifizierbar ist.
Wenn es so ist (was ich nicht in Abrede stellen will), gibt es keine Geisteswissenschaft - es sei denn, es ginge um die Falsifizierung als logisch behaupteter SChlussfolgerungen. - Dann aber gibt es viele nicht falsifizierten AUssagen zu dem selben Sachverhalt, weil es viele Modelle dazu gibt. - Meinst Du es so?

Anton B. hat geschrieben:Denn Theißen, Merz und Schnelle legen in ihren Werkchen dar, was die erarbeiteten Ergebnisse bedeuten: Es sind wissenschaftliche Modelle, Theorien!
Kommuniziert wird es anders - da heisst es dann: "Es darf als sicher angenommen werden, dass Jesus eine Naherwartung hatte". - Es wird NICHT kommuniziert: "Nach unserem Modell hatte Jesus eine Naherwartung".

Anton B. hat geschrieben:HKM bedeutet Wissenschaft, kanonische Hermeneutik bedeutet das "Wissen" der HKM + Dogmatik.
Genau. - Davon abgesehen, dass "Dogmatik" in sich auch logisch sein muss, ist diese Trennung zwischen Wissenschaft und Weltanschauung unbedingt nötig. - Mein Vorwurf an all die Kubitzas ist, dass sie diese Trennung NICHT machen.

Anton B. hat geschrieben:Und diese weltanschauliche Deutung ist ja nun gerade nicht Teil der HKM, wie wir wissen.
Das ist UNSERE Meinung, nicht aber derer, die Hermeneutik als Teil der HKM sehen - genauso wurde es hier mehrfach zitiert.

Anton B. hat geschrieben:Natürlich sind nur die gemeint, welche sich ein qualifiziertes Wissen über die Methoden und Abgrenzungen der HKM z.B. durch den Genuss eines Lehrbuches erarbeitet haben.
Da kann, eigentlich MUSS man selber drauf kommen.

Anton B. hat geschrieben: gibt ihm den fundierten Hintergrund, um über die Trennung von Wissenschaft und Weltanschauung zu sinnieren.
Ja - das würde ich von einem intellektuell anspruchsvollen Menschen erwarten - dazu bedarf es keiner Lehrbücher, weil man ohne diese 1 und 1 zusammenzählen können müsste.

Anton B. hat geschrieben: Ist das keine Basis, um mittels Positionszuschreibungen wieder festes Land zu gewinnen?
Wieso "wieder"? - Davon abgesehen: In dem von Dir zitierten Text kann ich bislang kein Problem sehen. - Habe ich etwas übersehen?

Anton B.
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#814 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Anton B. » Di 4. Aug 2015, 12:32

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:HKM bedeutet Wissenschaft, kanonische Hermeneutik bedeutet das "Wissen" der HKM + Dogmatik.
Genau. - Davon abgesehen, dass "Dogmatik" in sich auch logisch sein muss, ist diese Trennung zwischen Wissenschaft und Weltanschauung unbedingt nötig. - Mein Vorwurf an all die Kubitzas ist, dass sie diese Trennung NICHT machen.
Also da, wo ich herein geschaut habe, also in die aktuellen, im Theologiestudium angesagten Lehrbücher über diesen Zweig der Theologie, da wird diese Trennung gemacht. Außerdem wird dort die Trennung erklärt, und der weltanschauliche "Aufsatz" außen vor gelassen. Ganz unabhängig davon, was Du hier als "die HKM sagt" an Zuweisungen im Forum findest. Einfach mal sich selber in einer vernünftigen Tiefe zu informieren, kann durchaus konstruktiv sein.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Natürlich sind nur die gemeint, welche sich ein qualifiziertes Wissen über die Methoden und Abgrenzungen der HKM z.B. durch den Genuss eines Lehrbuches erarbeitet haben.
Da kann, eigentlich MUSS man selber drauf kommen.

Anton B. hat geschrieben: gibt ihm den fundierten Hintergrund, um über die Trennung von Wissenschaft und Weltanschauung zu sinnieren.
Ja - das würde ich von einem intellektuell anspruchsvollen Menschen erwarten - dazu bedarf es keiner Lehrbücher, weil man ohne diese 1 und 1 zusammenzählen können müsste.
Ein extraorbitanter Geist wie Du und die Erwins dieser Welt können das natürlich. Wir anderen Kleingeister nehmen zur Kenntnis, dass das -- was Wissenschaft ist -- mindestens seit Aristoteles diskutiert wird, viele befähigte Geister die Fallstricke analysiert und behandelt haben und mit Popper die Geschichte noch immer nicht zu Ende gebracht wurde. Und weil wir Kleingeister uns außer auf der Metaebene auch in den schmutzigen Details der Niederungen suhlen, nehmen wir Deine allfälligen Abweichungen im Verständnis zu dem wahr, was die Philosophen bis dato über das Wesen der Wissenschaften herausgefunden haben.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#815 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Di 4. Aug 2015, 13:04

Anton B. hat geschrieben:Ein extraorbitanter Geist wie Du und die Erwins dieser Welt können das natürlich.
Das ist keine sachliche Antwort.

Dein Ablenken in Wissenschafts-Theorien hat im wesentlichen nichts mit unserem Thema hier zu tun - unser Thema hier ist, dass wissenschaftliche und weltanschauliche Aussagen von denen, die sich der historisch-kritischen Hermeneutik verschrieben haben, offensichtlich nicht sauber getrennt werden. - Da ist die kanonische Hermeneutik weiter.

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#816 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Rembremerding » Di 4. Aug 2015, 13:32

closs hat geschrieben:unser Thema hier ist, dass wissenschaftliche und weltanschauliche Aussagen von denen, die sich der historisch-kritischen Hermeneutik verschrieben haben, offensichtlich nicht sauber getrennt werden. - Da ist die kanonische Hermeneutik weiter.
Zu Bedenken ist zudem, dass das Wort historisch innerhalb der HKM schon seit Bultmann zu kurz kommt (Bultmann weigerte sich das Hl. Land zu besuchen). Die archäologischen Funde im Hl. Land widerlegen seit Jahren die Behauptungen Bultmanns und jener, die innerhalb der HKM die Entmythologisierung der Hl. Schrift im Sinne Bultmanns weiterführen und auch keine Augenzeugenschaft der Evangelisten annehmen. Dies ist sehr bedauerlich, denn es diskreditiert die HKM im höchsten Maße.
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#817 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » Di 4. Aug 2015, 13:54

Rembremerding hat geschrieben:Die archäologischen Funde im Hl. Land widerlegen seit Jahren die Behauptungen Bultmanns
Welche archäologischen Funde denn?

Rembremerding hat geschrieben:...jener, die innerhalb der HKM die Entmythologisierung der Hl. Schrift im Sinne Bultmanns weiterführen und auch keine Augenzeugenschaft der Evangelisten annehmen.
Meiner Meinung nach waren die Evangelisten auch keine Augenzeugen. Sie sind eher in der Position eines heutigen Autors gewesen, der über Ereignisse in WK-II schreibt. Hörensagen, gespickt mit einzelnen Zeugenaussagen. Die Archäologie ist eigentlich alles was wir haben.

Dazu empfehle ich dir die Lektüre des Buches Keine Posaunen vor Jericho, Die archäologische Wahrheit über die Bibel. Das Buch wurde von einem Experten der Archäologie seines Landes, dem israelischen Prof. Israel Finkelstein verfasst.

Zitat aus der Buchbeschreibung:
Bisher diente biblische Archäologie zum Beweis der Heiligen Schrift, jetzt haben zwei international renommierte Archäologen den Spieß umgedreht und lassen die Ausgrabungen eine eigene Sprache sprechen. Ihr dramatisch neues Bild von der Geschichte Israels zwingt zum Umdenken: Den Auszug aus Ägypten, die Einnahme Kanaans, das Großreich unter König David und den Tempelbau in Jerusalem unter König Salomon, bisher auch von den kritischsten Wissenschaftlern als gesichert angesehen, gab es ebenso wenig wie die Posaunen vor Jericho.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#818 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Di 4. Aug 2015, 15:06

Pluto hat geschrieben: Keine Posaunen vor Jericho, Die archäologische Wahrheit über die Bibel.
Allein schon wieder der Untertitel; "Die archäologische WAHRHEIT über die Bibel". - Allein in diesem Titel wird wieder einmal deutlich, dass sich ein Status Quo der Wissenschaft als "Wahrheit" versteht - "Status" wäre aus meiner Sicht wissenschaftlicher: "Der archäologische Status zur Bibel".

Davon abgesehen, gibt es auch solche Meldungen (die ich nicht nachprüfen kann):
"Die Inschrift auf dem Sandstein geht auf König Jehoasch zurück, der im 8. Jahrhundert v.Chr. 40 Jahre lang regierte. Die Szene wird im Alten Testament in Kapitel zwölf des 2. Buches der Könige beschrieben. Darin gibt Jehoasch Priestern den Auftrag, alles auszubessern, „was baufällig ist am Hause“. Der Tempel soll der Überlieferung nach von König Salomon (965 bis 926 v.Chr.) gebaut und das erste Mal von den Babyloniern 587 v.Chr. zerstört worden sein." (FAZ, 14.1.2003)

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#819 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » Di 4. Aug 2015, 15:42

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Keine Posaunen vor Jericho, Die archäologische Wahrheit über die Bibel.
Allein schon wieder der Untertitel; "Die archäologische WAHRHEIT über die Bibel". - Allein in diesem Titel wird wieder einmal deutlich, dass sich ein Status Quo der Wissenschaft als "Wahrheit" versteht - "Status" wäre aus meiner Sicht wissenschaftlicher: "Der archäologische Status zur Bibel".
Das ist dichterische Freiheit. Muss man nicht so ernst nehmen.
Dennoch wurden die Mauern von Jericho vermutlich durch ein Erdbeben zerstört, und nicht weil irgendeiner in ein Horn pustete.

closs hat geschrieben:Davon abgesehen, gibt es auch solche Meldungen (die ich nicht nachprüfen kann):
"Die Inschrift auf dem Sandstein geht auf König Jehoasch zurück, der im 8. Jahrhundert v.Chr. 40 Jahre lang regierte. Die Szene wird im Alten Testament in Kapitel zwölf des 2. Buches der Könige beschrieben. Darin gibt Jehoasch Priestern den Auftrag, alles auszubessern, „was baufällig ist am Hause“. Der Tempel soll der Überlieferung nach von König Salomon (965 bis 926 v.Chr.) gebaut und das erste Mal von den Babyloniern 587 v.Chr. zerstört worden sein." (FAZ, 14.1.2003)
Aber du weißt, dass die Echtheit der Inschrift hoch umstritten ist? Die israelische Antikenbehörde IAA erklärte die Inschrift im April 2003 als Fälschung.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Anton B.
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#820 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Anton B. » Di 4. Aug 2015, 16:16

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Ein extraorbitanter Geist wie Du und die Erwins dieser Welt können das natürlich.
Das ist keine sachliche Antwort.

Dein Ablenken in Wissenschafts-Theorien hat im wesentlichen nichts mit unserem Thema hier zu tun - unser Thema hier ist, dass wissenschaftliche und weltanschauliche Aussagen von denen, die sich der historisch-kritischen Hermeneutik verschrieben haben, offensichtlich nicht sauber getrennt werden. - Da ist die kanonische Hermeneutik weiter.
Du bist informationsresistent, was die HKM sagt und was sie nicht sagt, Du bist informationsresistent, was Wissenschaft ist und was sie nicht ist. Auf diesem Fundament kommst Du zu Aussagen wie "Da ist die kanonische Hermeneutik weiter" und "... dass wissenschaftliche und weltanschauliche Aussagen [...] offensichtlich nicht sauber getrennt werden."
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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