Pluto hat geschrieben:Wenn wirklich methodisch sauber gearbeitet wurde, dann darf keine Weltanschauung einfließen, sonst wäre es nicht wissenschaftlich.
Aus der Praxis her sehe ich es anders:
Die methodische Arbeit ist wissenschaftlich sauber, ist aber in Fragestellungen und Schlussfolgerungen weltanschaulich umrahmt. - Insofern geht es hier nie um Kritik an der Wissenschaft als solche, sondern um Kritik an der weltanschaulichen Umrahmung von Wissenschaft.
Nach Deinem strengen Modell könnte es keine HKM als Wissenschaft geben - was schade wäre. - Nochmals: Wir sind hier nicht in der Naturwissenschaft, sondern in der Geisteswissenschaft - letztere kann sich und muss sich zwar wissenschaftlicher Methodik bedienen, ist aber selbst immer beeinflusst von der Weltanschauung des Untersuchenden.
Ein bereits gebrachtes Beispiel: Hätten ein Wessie und ein Ossi exakt dieselben historischen Kenntnisse, könnten deren Interpretationen trotz sauberer wissenschaftlicher Arbeit meinetwegen zum Thema "BRD von 1945 - 1990" vollkommen unterschiedlich sein. - Bei gleicher wissenschaftlicher Meisterschaft und gleicher persönlicher Redlichkeit.
Und das gilt auch für das Parusie-Thema: Ein Agnostiker und ein Christ werden mit einiger Wahrscheinlichkeit bei denselben historischen Kenntnissen bei gleicher wissenschaftlicher Meisterschaft und gleicher persönlicher Redlichkeit zu diametral unterschiedlichen Ergebnissen zur Person Jesu und dessen Aussagen kommen.
Das ist normal. - Geschichtsschreibung ist doch nicht deshalb in jeder Epoche anders, weil immer mehr Wissen dazu kommt, sondern weil die jeweils geschichts-schreibende Epoche anders denkt und deshalb anders interpretiert.
In der Theologie hat es in diesem Sinne eine Epoche gegeben, die radikal historisch-kritisch war - heute sieht man es wieder weitgehend anders. - In 50 Jahren wird es nochmal anders sein - dementsprechend unterschiedlich werden die Schlussfolgerungen aus wissenschaftlichen Beobachtungen sein, die selbst methodisch absolut sauber sind.
Insofern ist der Hinweis auf Bücher, wie jemand methodisch arbeitet, erst dann sinnvoll, wenn die Basis verstanden ist, auf der wissenschaftlich-methodische Arbeit beruht. - Nochmals: Geisteswissenschaft ist etwas anderes als Naturwissenschaft.