Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

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Halman
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#471 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Halman » Fr 24. Jul 2015, 23:49

Münek hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das ist den ergebnisoffen forschenden Neutestamentlern selbstverständlich mehr als bekannt.
Je mehr ich den Diskussionen hier folge, je weniger kann ich mich des Eindrucks erwehren, dass auf Basis des Positivismus und Hegel die Bibel bis zur Unkenntlichkeit „entmythologisiert“ wurde, so dass im fragmentarischem Kern nur noch Tiefenpsychologie und Anthropologie bleibt. Wo ist in dieser [der offenbar der „pyrrhonischen Skepsis“ verpflichteten] historisch-kritischen Exegese noch Raum für Gott?

"Gott" - eine numinose Wesenheit - kann unmöglich Gegenstand historisch-wissenschaftlicher Forschung sein.


Dass ein intelligenter, sehr belesener Mensch wie Du das nicht einzusehen vermagst,
erstaunt mich über alle Maßen.
Vielen Dank für das Kompliment. - Nun, so dumm, zu fordern, Gott müsste Gegenstand der historisch-kritischen Forschung sein, bin ich auch nicht. Dies habe ich mit keiner Silbe gefordert. Ich frage, wo da noch Raum für Gott bleibt. (Meine Formulierung (s. o. Zitat) hatte ich schon so bewusst gewählt.)

Wenn denn die HKM über Gott keine Aussagen tätigt, so bleibt grundsätzlich auch dem Exegeten und jenen, welche die HKM befürworten, Raum für einen religiösen Glauben an Gott. Nur seltsamerweise darf dieser Gott nach Hegel nicht in die Welt eingreifen. Dieses Denken sitzt - so meine Wahrnehmung - jedenfalls sehr tief. Wieso eigentlich nicht? Dies ist einer Weltanschaung geschuldet, die man ja nicht zwingend vertreten muss. Dass nenne ich nicht ergebnisoffen.
Je mehr ich hier die Beiträge lese, in denen auf Berufung auf die HKM religiöse Sichtweisen scharf kritisiert werden, je mehr erhalte ich den Eindruck, dass kaum mehr Raum für Religiösität und den Glauben an Gott verbleibt, weil dieser offenbar nicht für intellektuell vertretbar gehalten wird.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Münek
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#472 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Fr 24. Jul 2015, 23:51

Martinus hat geschrieben:100 Minuten haben wir noch :thumbup: ob am Ende das Tages was bleibt :?:

Ja, ich natürlich...

Denn wie heißt es in der Bergpredigt: Wer schreibt, der bleibt!

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Halman
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#473 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Halman » Sa 25. Jul 2015, 00:03

Pluto hat geschrieben:Klonen ist schließlich die einzig mögliche Alternative zur Parthenogenese, doch aus einem unerfindlichen Grund lehnen die Christen das immer wieder kategorisch ab.
Wie sollte das Klonen funktionieren? Wenn man Maria klont, erhält man ein Mädchen, oder nicht? Jesus wurde aber als Junge geboren.

Du führst zwei biologische Möglichkeiten auf. Doch gem. Lukas (dem Engel Gabriel) geht Jesu Zeugung über Biologie hinaus, oder fällt der Heilige Geist in den Geltungsbereich der Biologie? Somit haben wir hier eine "Größe", die jenseits aller bedingt-bedingenden Kräfte (K. Barth) liegt und somit jenseits des Geltungsbereiches der Biologie.
Freilich, wenn man dies aufgrund einer szientistischen Weltanaschauung negiert, verbleibt nur die Biologie. Da Gott kein biologisches Wesen ist, würde damit auch die Größe "G" entfallen.

Die Fragen sind also: Gibt es Gottes Heiligen Geist (auf den sich laut Lukas Gabriel bezog)?
Und wenn: Was traue ich Gottes Heiligen Geist zu?
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Münek
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#474 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Sa 25. Jul 2015, 00:08

Halman hat geschrieben:Wenn denn die HKM über Gott keine Aussagen tätigt, so bleibt grundsätzlich auch dem Exegeten und jenen, welche die HKM befürworten, Raum für einen religiösen Glauben an Gott.

Selbstverständlich. Du hast meine vollste Zustimmung.

Ich verweise hierzu auf das SPIEGEL-Interview mit dem gläubigen Theologieprofessor Andreas Lindemann,
Mitautor des bekannten "Arbeitsbuches zum Neuen Testament" (mittlerweile 14. Auflage :thumbup: ).

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#475 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » Sa 25. Jul 2015, 00:24

Halman hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Klonen ist schließlich die einzig mögliche Alternative zur Parthenogenese, doch aus einem unerfindlichen Grund lehnen die Christen das immer wieder kategorisch ab.
Wie sollte das Klonen funktionieren? Wenn man Maria klont, erhält man ein Mädchen, oder nicht? Jesus wurde aber als Junge geboren.
Ja. Der Nachwuchs wäre dann weiblich.

Der Mensch besteht aus Zellen. Die meisten Zellen sind diploide Zellen und enthalten 46 Chromosomen. Einzige Ausnahme sind die Samen- und Eizellen, die haploid sind, d.h. sie enthalten nur 23 Chromosomen (die Hälfte). Erst durch die Vereinigung einer Samenzelle mit einer Eizelle, kann ein normales Embryo entstehen.

Halman hat geschrieben:Doch gem. Lukas (dem Engel Gabriel) geht Jesu Zeugung über Biologie hinaus, oder fällt der Heilige Geist in den Geltungsbereich der Biologie? Somit haben wir hier eine "Größe", die jenseits aller bedingt-bedingenden Kräfte (K. Barth) liegt und somit jenseits des Geltungsbereiches der Biologie.
Richtig! Genau dieses "über die Biologie hinausgehen" ist für mich eine reine Behauptung des Evangelisten, die wissenschaftlich nicht nachvollziehbar ist. Solche Behauptungen werden üblicherweise als Dogmen des Glaubens bezeichnet.

Halman hat geschrieben:Die Fragen sind also: Gibt es Gottes Heiligen Geist (auf den sich laut Lukas Gabriel bezog)?
Und wenn: Was traue ich Gottes Heiligen Geist zu?
Das sind Fragen die nur durch Glaube (und Dogmen) zu beantworten sind.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#476 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Sa 25. Jul 2015, 06:35

closs hat geschrieben: Mit Verlaub: Dann weßt Du wirklich nicht, wie Wissenschaft funzt. - Selbstverständlich gibt es innerhalb EINER wissenschaftlichen Disziplin unterschiedliche Ansätze UND Ergebnisse zum SELBEN Thema.
Kann es sein, daß du das mit der Theorienbildung verwechselst?


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Es ist die selbstverständliche Grundlage kritischer Wissenschaft, dass sie sich nicht über ihre Ergebnisse definiert, sondern allein darüber, ob diese methodisch an den dafür in Frage kommenden Fakten geprüft wurden."
Ebenfalls korrekt - hat aber nichts mit dem Thema hier zu tun..
Oh doch, das scheint mir gerade bei dir der Knackpunkt zu sein und es zeigt mir, daß du immer noch nicht verstanden hast, worum es geht.
Es gibt keine "weltanschaulichen Modelle" innerhalb der HKM, entweder werden die Kriterien erfüllt oder nicht.
Das heißt, im Falle der Naherwartung müßtest du nachweisen, daß methodisch unkorrekt gearbeitet wurde. Wenn du das hinbekommst, wäre die Naherwartung zu überdenken, bzw. zu verwerfen. Viel Glück. :thumbup:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#477 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Sa 25. Jul 2015, 06:47

Martinus hat geschrieben:100 Minuten haben wir noch :thumbup: ob am Ende das Tages was bleibt :?:
Tja, ich fürchte, von dem mythischen, biblischen Jesus bleibt nicht mehr viel übrig.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#478 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Sa 25. Jul 2015, 07:24

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Es ist die selbstverständliche Grundlage kritischer Wissenschaft, dass sie sich nicht über ihre Ergebnisse definiert, sondern allein darüber, ob diese methodisch an den dafür in Frage kommenden Fakten geprüft wurden."
Ebenfalls korrekt - hat aber nichts mit dem Thema hier zu tun..
Oh doch, das scheint mir gerade bei dir der Knackpunkt zu sein und es zeigt mir, daß du immer noch nicht verstanden hast, worum es geht.
Es gibt keine "weltanschaulichen Modelle" innerhalb der HKM, entweder werden die Kriterien erfüllt oder nicht.
Das heißt, im Falle der Naherwartung müßtest du nachweisen, daß methodisch unkorrekt gearbeitet wurde. Wenn du das hinbekommst, wäre die Naherwartung zu überdenken, bzw. zu verwerfen. Viel Glück. :thumbup:

Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Genau sooo ist es.. :thumbup:

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#479 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Queequeg » Sa 25. Jul 2015, 08:17

Halman hat geschrieben:
Je mehr ich den Diskussionen hier folge, je weniger kann ich mich des Eindrucks erwehren, dass auf Basis des Positivmus und Hegel die Bibel bis zur Unkenntlichkeit „entmythologisiert“ wurde, so dass im fragmentarischem Kern nur noch Tiefenpsychologie und Anthropologie bleibt. Wo ist in dieser [der offenbar der „pyrrhonischen Skepsis“ verpflichteten] historisch-kritischen Exegese noch Raum für Gott? Klaus Berger sagte hierzu:
Mit dem anspruchsvollen Wort „Entmythologisierung“ meint man die Befreiung der Texte von mythologischen Vorstellungen der Antike, um dann den Kern eines Textes ungehindert mit philosophischer Anthropologie füllen zu können.
Wer möchte, kann ich selbst sehen und hören:

Gemacht getan.

Ich habe mir das Video dann angeschaut und fand die dort besprochene Thematik nicht uninteressant.
(Klaus Berger sagte dort, unter anderem: "Es gibt inzwischen mehr fromme Physiker als fromme Theologen", was wohl nicht ganz von der Hand zu weisen wäre.)

Und da ich diesen Mann noch nicht kannte, so machte ich mich dann im Internet ein wenig schlau und gelangte schließlich auf Youtube zu folgendem Beitrag:

Eine Diskussion über das Zölibat mit Eugen Drewermann, Friedrich Schorlemmer und natürlich Klaus Berger:

https://www.youtube.com/watch?v=ad4CXzOd2cs

im zweiten oder dritten Teil dieses Videos wird es dann sehr arg, mit diesem Herrn Berger. Die Unbedingtheit und der Dünkel dieses Theologen bestätigte dann mein Bild, das ich im allgemeinen über Theologen habe und man möchte am ende sagen - das Schlagen unter die Gürtellinie ist nicht unbedingt die Domäne der Boxer.

Und lässt mich dann am ende noch einmal den Satz sagen, den ich schon an closs schrieb:

Die Philosophie ist die Feinmechanik unter den Geisteswissenschaften, die Theologie die Dampframme.

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sven23
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#480 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Sa 25. Jul 2015, 08:58

Queequeg hat geschrieben: im zweiten oder dritten Teil dieses Videos wird es dann sehr arg, mit diesem Herrn Berger. Die Unbedingtheit und der Dünkel dieses Theologen bestätigte dann mein Bild, das ich im allgemeinen über Theologen habe und man möchte am ende sagen - das Schlagen unter die Gürtellinie ist nicht unbedingt die Domäne der Boxer.
Berger steht wohl für das Rückständige der Kirche wie kein anderer, was auch am Zölibat deutlich wird.
In der Diskussionsrunde sagt er aber etwas Bemerkenswertes: nach eigener Aussage wollte Berger Priester werden, was ihm aber seitens der Kirche verweigert wurde wegen (wörtlich) "mangelndem Antijudaismus".
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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