Parusieverzögerung III

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Münek
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#581 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Mi 15. Jul 2015, 20:38

Samantha hat geschrieben:Wenn jemand sich im Kreise dreht, dann Du, ScryptOn! Du bist lernresistent, und die Theologen passen sich dem Mainstream an, weil sie auch nicht mehr glauben können. Sie machen nur noch einen Job, wollen schlau wirken und glaubwürdig sein. Da passen Wunder nicht ins Konzept.

Woran könnte es nach Deiner Auffassung liegen, dass Theologen (angeblich) nicht mehr glauben KÖNNEN?

closs
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#582 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Mi 15. Jul 2015, 20:41

Münek hat geschrieben:Es gibt keinen Grund, dem Prof. Lindemann seine selbsterklärte Gottesgläubigkeit abzusprechen.
Das darf man nie, da der Mensch in intime geistige Dinge nicht reinzufuchteln hat. - Allerdings sieht es von außen so aus, als gäbe es eine kognitive Dissonanz zwischen persönlichem Glauben und wissenschaftlicher Überzeugung - das ist KEIN Kompliment.

Sowohl Lindemann als auch Küng scheint die Begrenztheit des HKM-Wirkungsbereichs nicht bewusst zu sein - das hat nichts mit Intelligenz zu tun, das kann dem größten Genie passieren. - Man darf nicht vergessen, dass die HKM im Umfeld eines "romantischen" Bibel-Verständnis vor einigen Jahrzehnten bitter nötig war - das kann sehr prägend sein und sich sozusagen in einem verselbstständigen.

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sven23
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#583 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Mi 15. Jul 2015, 20:50

closs hat geschrieben:Das darf man nie, da der Mensch in intime geistige Dinge nicht reinzufuchteln hat. - Allerdings sieht es von außen so aus, als gäbe es eine kognitive Dissonanz zwischen persönlichem Glauben und wissenschaftlicher Überzeugung - das ist KEIN Kompliment.

Sowohl Lindemann als auch Küng scheint die Begrenztheit des HKM-Wirkungsbereichs nicht bewusst zu sein - das hat nichts mit Intelligenz zu tun, das kann dem größten Genie passieren. - Man darf nicht vergessen, dass die HKM im Umfeld eines "romantischen" Bibel-Verständnis vor einigen Jahrzehnten bitter nötig war - das kann sehr prägend sein und sich sozusagen in einem verselbstständigen.
Ich glaube, es geht auch um prinzipiell was anderes. Der Theologe Bultmann glaubte an einen Gott, hatte aber allergrößte Probleme mit dem mystifizierten Jesus. Betrachtet man die Ergebnisse der NT-Forschung, dann ist man wohl geneigt, ihm zuzustimmen.
Das erkannte auch schon ein hochgeistiger Mann wie Goethe:
"Du hältst das Evangelium, wie es steht, für die göttliche Wahrheit. Mich würde eine vernehmliche Stimme vom Himmel nicht überzeugen, dass das Wasser brennt und dass das Feuer löscht, dass ein Weib ohne Mann gebiert und dass ein Toter aufersteht. Vielmehr halte ich dieses für Lästerungen gegen den großen Gott und seine Offenbarung in der Natur".
(Goethe, an Lavater, 9.8.1782)

"Die Geschichte des guten Jesus hab ich nun so satt, dass ich sie von keinem, außer von ihm selbst, hören möchte".
(Johann Wolfgang von Goethe, dt. Dichter, 1749-1832)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Münek
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#584 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Mi 15. Jul 2015, 20:52

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die vorliegenden Quellen werden ja vorurteilslos äußerst akribisch untersucht.
Die Glaubwürdigkeit bezieht sich nicht an die historisch-kritische Authentizität der Quellen, sondern auf die exegetische Aussage - das ist doch etwas ganz anderes.

Dann verstehe ich nicht, dass Du den Neutestamentlern wahrheitswidrig vorwirfst, sie würden erst
nach Setzung einer Prämisse und auf dieser Grundlage ihre exegetischen Forschungen betreiben.

Gerade die ergebnisoffen forschenden Theologen machen dies - im Gegensatz zu ihren Kollegen, den
Dogmatikern - aus Gründen der intellektuellen Redlichkeit eben nicht.

Samantha

#585 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Samantha » Mi 15. Jul 2015, 21:00

Münek hat geschrieben:Woran könnte es nach Deiner Auffassung liegen, dass Theologen (angeblich) nicht mehr glauben KÖNNEN?
Religion ist nicht mehr zeitgemäß, und die Wissenschaft ist weit fortgeschritten. Wer die Wissenschaft ausklammert, ist dumm, und wer sie akzeptiert, lässt sich leicht verwirren durch so viel unfassbares Wissen. Wir Menschen haben auch nicht mehr genug Zeit für Glauben.

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#586 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Mi 15. Jul 2015, 21:01

sven23 hat geschrieben:Das erkannte auch schon ein hochgeistiger Mann wie Goethe
Hoch-geistige Menschen neigen dazu, solche Volks-Chiffren nicht zu goutieren. - Es gibt andere Aussagen, in der Goethe das Christentum ganu hoch hebt. - Und vor allem: Goethe meint das deskriptiv (ich kann auch einige kirchlichen Standard-Sätze nicht mehr hören, weil sie nicht der Substanz, sondern dem Ritual dienen).

Münek hat geschrieben:Dann verstehe ich nicht, dass Du den Neutestamentlern wahrheitswidrig vorwirfst, sie würden erst nach Setzung einer Prämisse und auf dieser Grundlage ihre exegetischen Forschungen betreiben.
Woher willst Du wissen, dass es wahrheitswidrig ist? - Wie auch immer:

Die Prämisse besteht darin, dass man zu setzen scheint, man können Tatsachen-Behauptungen vom Schlage "Jesus hatte eine eigene Naherwartung" mit HKM-Mitteln in die Welt setzen. - Man definiert (setzt) also die HKM so, als könne sie geistige Aussagen treffen.

Dass die HKM INNERHALB ihrer Tätigkeit ergebnisoffen beschreibt, bestreite ich nicht. - Ich bestreite allerdings, dass die SChlussfolgerungen daraus nicht ergebnisoffen sind - denn: Wenn man "ergebnisoffen" mit "religiös ungebunden" gleichsetzt, kann man gar nicht geistig schlussfolgern - also ist man auch nicht ergebnissoffen, sondern beschränkt sich auf ein bestimmtes Terrain, auf der die Lösung sein MUSS.

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#587 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Mi 15. Jul 2015, 21:02

closs hat geschrieben:Sowohl Lindemann als auch Küng scheint die Begrenztheit des HKM-Wirkungsbereichs nicht bewusst zu sein

Du kannst davon ausgehen, dass sich die beiden über die Begrenztheit der "historisch-
kritischen Methode" sehr wohl bewusst sind.


Deine diesbezüglichen Unterstellungen sind abwegig.

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#588 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Scrypt0n » Mi 15. Jul 2015, 21:03

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Dann verstehe ich nicht, dass Du den Neutestamentlern wahrheitswidrig vorwirfst, sie würden erst nach Setzung einer Prämisse und auf dieser Grundlage ihre exegetischen Forschungen betreiben.
Woher willst Du wissen, dass es wahrheitswidrig ist?
Das wurde hier bereits belegt.
Einzigst deine Glaubensdogmen sind damit nicht im Konsens, aber das ist eben nicht relevant. :)

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#589 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Mi 15. Jul 2015, 21:10

closs hat geschrieben: Dass die HKM INNERHALB ihrer Tätigkeit ergebnisoffen beschreibt, bestreite ich nicht. - Ich bestreite allerdings, dass die SChlussfolgerungen daraus nicht ergebnisoffen sind - denn: Wenn man "ergebnisoffen" mit "religiös ungebunden" gleichsetzt, kann man gar nicht geistig schlussfolgern - also ist man auch nicht ergebnissoffen, sondern beschränkt sich auf ein bestimmtes Terrain, auf der die Lösung sein MUSS.
Warum sollen NT-Forscher keine Schlussfolgerungen ziehen dürfen? Wenn sich ein Text als Fälschung erwiesen hat, warum soll sie dann nicht den Schluß ziehen dürfen, daß der Inhalt höchstwahrscheinlich nicht der Wahrheit entspricht.
Denn wir wollen doch wissen, was "der Fall" ist, und dabei hilft die Forschung.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#590 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Mi 15. Jul 2015, 21:43

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Dann verstehe ich nicht, dass Du den Neutestamentlern wahrheitswidrig vorwirfst, sie würden erst nach Setzung einer Prämisse und auf dieser Grundlage ihre exegetischen Forschungen betreiben.
Woher willst Du wissen, dass es wahrheitswidrig ist? - Wie auch immer:

Die Prämisse besteht darin, dass man zu setzen scheint, man können Tatsachen-Behauptungen vom Schlage "Jesus hatte eine eigene Naherwartung" mit HKM-Mitteln in die Welt setzen. - Man definiert (setzt) also die HKM so, als könne sie geistige Aussagen treffen.

Mensch Kurt, mach Dich doch bitte nicht lächerlich... 8-)

Es ist doch keine Prämisse, wenn Neutestamentler nach sorgfältiger und akribischer Forschungstätigkeit letztendlich einvernehmlich zu dem Ergebnis gelangen, Jesus habe aller Wahrscheinlichkeit nach den unmittelbar bevorstehenden Anbruch der Gottesherrschaft gepredigt und sich diesbezüglich wie der Täufer geirrt. Eine Prämisse ist eine gesetzte Vorannahme (Voraussetzung), aus der Schlussfolgerungen gezogen werden. Eine Vorannahme (Prämisse) liegt doch hier bei der Suche nach geschichtlicher Wahrheit überhaupt nicht vor. :shock:

Du liegst auch völlig daneben mit Deiner Auffassung, dass die Frage, was Johannes und Jesus dem Volk verkündet haben, eine "geistige Frage", also eine Frage des (christlichen) Glaubens ist. Nichts könnte falscher sein. Die neutestamentliche Forschung versucht mit wissenschaftlichen Mitteln herauszufinden, was Johannes und Jesus damals tatsächlich (d.h. mit allergrößter Wahrscheinlichkeit) dem Volk als "Frohe Botschaft" verkündet haben. Das ist keine geistige Frage, sondern eine historische, also eine reine Sachfrage.

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