Parusieverzögerung III

Themen des Neuen Testaments
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sven23
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#181 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Di 7. Jul 2015, 12:14

closs hat geschrieben:Stimmt - aus Sicht Jesu gab es das in Zusammenschau aller diesbezüglicher Textstellen nicht, weil dann eine unmittelbare Rückkehr nicht geplant war - und was nicht geplant ist, kann sich nicht verzögern.
Das stimmt so nicht, wenn man die Ergebnisse der neutestamentlichen Forschung berücksichtigt. Sein eigene Wiederkehr muß man ja im Zusammenhang mit dem nahen Gottesreich sehen und da ist das Ergebnis eindeutig:
"Die neutestamentliche Forschung ist sich einig, dass der Hauptinhalt der Predigt Jesu in der Ankündigung des nahen Gottesreichs bestand,...."
Dr. Kubitza: Der Jesuswahn

closs hat geschrieben: - Aus Sicht einiger Textverfasser gab es diese Verzögerung sehr wohl, weil sie offenbar selbst eine Naherwartung hatten.
Natürlich gab es die, weil Jesus ihnen das nahe Gottesreich immer wieder versprochen hatte. Anhänger folgen ihrem Guru, das war damals nicht anders als heute.

closs hat geschrieben: Somit haben wir ein textkritisches Problem. - Einerseits verbietet die Gesamtschau eine zeitnahe Wiederkunft und somit deren Verzögerung - andererseits legt es das Verständnis einiger Textverfasser nah. - Und somit kann man je nach Perspektive und Methodik postulieren, dass es eine Naherwartung/Verzögerung gab oder nicht gab.
Unter "Gesamtschau" meinst du aber das nach 2000 Jahren unschwer zu erkennende Problem der nicht eingetroffenen Wiederkehr. :lol:
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R.F.
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#182 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von R.F. » Di 7. Jul 2015, 13:05

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closs
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#183 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Di 7. Jul 2015, 16:08

sven23 hat geschrieben:Das stimmt so nicht, wenn man die Ergebnisse der neutestamentlichen Forschung berücksichtigt.
Das ist EINE Perspektive, die richtig oder falsch ist. - Die Falle besteht hier aus meiner Sicht darin, dass man die Naherwartung Jesu setzt und daraus schließt, dass sich diese Naherwartung nicht erfüllt hat, also verzögert ist.

Die Setzung ist aus meiner Sicht sehr angreifbar, die Schlussfolgerung daraus ist selbstverständlich richtig: Wenn man die Setzung akzeptiert, kann man nur so schlussfolgern.

sven23 hat geschrieben: weil Jesus ihnen das nahe Gottesreich immer wieder versprochen hatte
So viel zum Thema "Setzung". - Du schließt aus den Texten Parusie-Gläubiger, dass Jesus parusie-gläubig war - ein Zirkelschluss.

sven23 hat geschrieben:Unter "Gesamtschau" meinst du aber das nach 2000 Jahren unschwer zu erkennende Problem der nicht eingetroffenen Wiederkehr.
Nein - sondern ein heilsgeschichtliches Verständnis, in dem "Zeit" überhaupt keine Rolle spielt. - Unter heilsgeschichtlichen Gesichtspunkten ist die Frage "Kommt er früh zurück/Kommt er spät zurück" vollkommen irrelevant. - Die Naherwartung ist an sich ein Griff ins Klo.

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sven23
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#184 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Di 7. Jul 2015, 16:37

closs hat geschrieben: So viel zum Thema "Setzung". - Du schließt aus den Texten Parusie-Gläubiger, dass Jesus parusie-gläubig war - ein Zirkelschluss.
Nein, kein Zirkelschluss, sondern eine folgerichtige Ableitung. Welchen Grund sollten die Schreiber haben, die Naherwartung überhaupt zu thematisieren, wenn sich sich schon zum Zeitpunkt der Evangelien als falsch erwiesen hat?
"Für die Historizität dieser Worte spricht, dass sie sich schon bei Abfassung des ältesten Evangeliums quasi als falsch erausgestellt hatten und überholt waren. Sie hätten schwerlich später erfunden werden können, ihr Niederschlag in den Evangelien ist überhaupt nur zu verstehen, wenn sie die Autorität Jesu haben beanspruchen können."
Dr. Kubitza, der Jesuswahn
Apropos Zirkelschluss: Da Jesus selbst nichts Schriftliches hinterlassen hat, sind wir auf die Schreiber angewiesen. So gesehen wäre das gesamte Neue Testament ein einziger Zirkelschluss.

closs hat geschrieben: - Die Naherwartung ist an sich ein Griff ins Klo.
Tja, dann sag das mal den inspiritierten Bibelschreibern oder Jesus selbst.
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Zeus
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#185 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Zeus » Di 7. Jul 2015, 17:18

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben: So viel zum Thema "Setzung". - Du schließt aus den Texten Parusie-Gläubiger, dass Jesus parusie-gläubig war - ein Zirkelschluss.
Nein, kein Zirkelschluss, sondern eine folgerichtige Ableitung. Welchen Grund sollten die Schreiber haben, die Naherwartung überhaupt zu thematisieren, wenn sich sich schon zum Zeitpunkt der Evangelien als falsch erwiesen hat?
"Für die Historizität dieser Worte spricht, dass sie sich schon bei Abfassung des ältesten Evangeliums quasi als falsch erausgestellt hatten und überholt waren. Sie hätten schwerlich später erfunden werden können, ihr Niederschlag in den Evangelien ist überhaupt nur zu verstehen, wenn sie die Autorität Jesu haben beanspruchen können."
Dr. Kubitza, der Jesuswahn
Ob der closs das jemals begreifen wird?
Kurtchen, du bist doch nicht etwa mit unserem seevogel verwandt? :P
sven23 hat geschrieben:Apropos Zirkelschluss: Da Jesus selbst nichts Schriftliches hinterlassen hat, sind wir auf die Schreiber angewiesen. So gesehen wäre das gesamte Neue Testament ein einziger Zirkelschluss.
Sieht aus wie ein Eigentor vom closs. :grins:
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#186 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Hemul » Di 7. Jul 2015, 17:23

Kein Zirkelschluss sondern schlüssig u. deshalb Fakt:
http://4religion.de/viewtopic.php?f=10& ... 70#p149263
:Smiley popcorn:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#187 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von R.F. » Di 7. Jul 2015, 17:34

sven23 hat geschrieben: - - -
Unter "Gesamtschau" meinst du aber das nach 2000 Jahren unschwer zu erkennende Problem der nicht eingetroffenen Wiederkehr. :lol:
sven23 hat geschrieben: - - -
Um es noch einmal als abschließendes Fazit mit Bultmann und Rahner zu sagen:

„Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
(Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S.22)

"...daß wir.....unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, daß es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die so....sich nicht erfüllt hat"
(Karl Rahner, kath. Theologe)

Die apokalyptische und die gnostische Eschatologie ist insofern entmythologisiert, als die Heilszeit für den Glaubenden schon angebrochen, das Zukunftsleben schon Gegenwart geworden ist. Am radikalsten ist diese Konsequenz bei Johannes gezogen, der die apokalyptische Eschatologie überhaupt eliminierte. Das Weltgericht ist nicht ein bevorstehendes kosmisches Ereignis, sondern ist die Tatsache, dass Jesus in die Welt gekommen ist und zum Glauben gerufen hat (Joh. 3,19; 9,39; 12,31). Wer glaubt, der hat schon das Leben, der ist vom Tode zum Leben hinübergeschritten (5,24 f. usw.). Äußerlich ist für den Glaubenden nichts anders geworden, aber sein Weltverhältnis ist ein anderes: die Welt kann ihm nichts mehr anhaben; der Glaube ist der Sieg über die Welt (1. Joh. 5,4). *)

*) Rudolf Bultmann: Neues Testament und Mythologie. München 1985, S. 36.

Hätte Bultmann verinnerlicht, dass Johannes an anderer Stelle sehr wohl von der erwarteten Rückkehr Jesu schrieb, und hätte er darüber hinaus die Aussagen der Johannes-Botschaft mit denen der synoptischen Evangelien verglichen, wäre ihm - vielleicht - die Haltlosigkeit seiner obigen Ausführungen bewusst geworden.

Unbestritten ging Jesu Umgebung von Seiner baldigen Rückkehr und der anschließender Übernahme der politischen Macht zumindest über die Stämme Israels (nicht allein “Judas”) aus. Liest man die entsprechenden Texte etwas genauer, wird auch klar, dass Jesus offensichtlich mit Absicht nicht deutlicher geworden ist. Zu schnell wäre das Feuer der Erwartung in der Ur-Gemeinde erloschen. Dazu muss man sich vergegenwärtigen, was nach Überzeugung der Ur-Gemeinde die Weltgemeinschaft erwarte. Ihre Vertreter sahen ihre Aufgabe vorrangig darin, das physische Überleben der Einsichtigen zu sichern. Kann man unter anderem aus folgender Schriftstelle schließen.
1. Petrus 4,17-18 (Luther):
Denn es ist Zeit, dass anfange das Gericht an dem Hause Gottes. So aber zuerst an uns, was will's für ein Ende werden mit denen, die dem Evangelium nicht glauben ?
Und so der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen ?
Mit Rettung ist hier nicht etwa eine “Flucht in den Himmel” gemeint, höchstens von einer nur Tage andauernde Evakuierung, wovon an andere Stelle zu lesen ist.

Wie sich das Feuer der Erwartung auf den Eifer vieler Verbreiter der Botschaft auswirkte, darüber ist in den kirchlichen Aufzeichnungen viel zu wenig zu lesen. Dahinter scheint Absicht zu stecken. Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass etwa Britannien oder Irland zum ersten Mal von Katholiken über das nah-östliche Geschehen im 1. Jahrhundert hörten.

Vorhergesagt sind übrigens Ereignisse, die erst seit wenigen Jahren, wenn nicht gar erst seit Monaten vorstellbar sind. Die Hauptrolle wird - man kann es kaum glauben - Europa als kommende Weltmacht spielen. Deren mangelnder Einigungswille der Politiker - alles "überzeugte Europäer" - ist bekannt. Die Schrift sagt, dass diese Verweigerer keine Chance haben. Das Europa der Schrift ist jedenfalls anders als das derzeitige. Ich sehe im Griechenland-Debakel eine Art Initialzündung für das weitaus mehr militärisch ausgerichtete Europa.

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#188 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Di 7. Jul 2015, 19:11

sven23 hat geschrieben:Welchen Grund sollten die Schreiber haben, die Naherwartung überhaupt zu thematisieren, wenn sich sich schon zum Zeitpunkt der Evangelien als falsch erwiesen hat?
Genau so war es aber vermutlich: Bereits zur Zeit der Evangelien war die Naherwartung ein Irrtum, der als solcher nicht erkannt wurde.

sven23 hat geschrieben: Da Jesus selbst nichts Schriftliches hinterlassen hat, sind wir auf die Schreiber angewiesen.
Genau das ist ja die Masche: Man sagt: "Falls sich die Schreiber geirrt haben, muss sich auch Jesus geirrt haben". - In sich folgerichtig ist das bei entsprechender Methodik ja - aber halt nicht mehr als das.

sven23 hat geschrieben:So gesehen wäre das gesamte Neue Testament ein einziger Zirkelschluss.
Prüfet alles und behaltet das Gute. - Man wird in den SChriften viel Irrtum und viel Wahrheit finden.

Zeus hat geschrieben: "Ihr Niederschlag in den Evangelien ist überhaupt nur zu verstehen, wenn sie die Autorität Jesu haben beanspruchen können"
Kubitza übersieht hier, dass sich die Schreiber selber etwas vorgemacht haben könnten (auch diese Version gehört übrigens textkritisch berücksichtigt) - natürlich legen manche Textstellen nah, dass die Schreiber glaubten, sich mit ihrer Version auf Jesus zu beziehen. - Aber sie klären nicht, was Jesus selber gemeint hat.

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sven23
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#189 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Di 7. Jul 2015, 19:38

closs hat geschrieben:Genau so war es aber vermutlich: Bereits zur Zeit der Evangelien war die Naherwartung ein Irrtum, der als solcher nicht erkannt wurde.
Natürlich wurde es Jahrzehnte später als Irrtum erkannt. Sonst müßten wir uns gar nicht über die dann aufkommende Parusieverzögerung unterhalten.

closs hat geschrieben: Genau das ist ja die Masche: Man sagt: "Falls sich die Schreiber geirrt haben, muss sich auch Jesus geirrt haben".
Kann ja sein, daß sich die Bibelschreiber alles ausgedacht haben, aber dann ist das ganze NT nichts weiter als ein Märchenbuch.

closs hat geschrieben: - Man wird in den SChriften viel Irrtum und viel Wahrheit finden.
Yo, das gilt aber auch für jeden guten Groschenroman. :lol:

closs hat geschrieben: Kubitza übersieht hier, dass sich die Schreiber selber etwas vorgemacht haben könnten (auch diese Version gehört übrigens textkritisch berücksichtigt) - natürlich legen manche Textstellen nah, dass die Schreiber glaubten, sich mit ihrer Version auf Jesus zu beziehen. - Aber sie klären nicht, was Jesus selber gemeint hat.
Vormachen tun sich nur jene etwas, die die Verkündigung des nahen Gottesreiches durch Jesus ignorieren.
Kubitza hat mir übrigens geschrieben, daß er niemanden in der neutestamentlichen Forschung kennt, der nicht die Verkündigung des nahen Gottesreiches als zentrale Botschaft Jesu ansieht.
Wenn du einen authentischen Zeugen brauchst, dann vergiß Paulus und nimm Petrus. Kaum einer war wohl näher am Geschehen dran wie er. Und er streitet die Naherwartung Jesu nicht ab, sondern erfindet das "göttliche Zeitmaß", was ja nichts anderes ist als eine Entschuldigung für die Parusieverzögerung.
„Sie werden sich über euch lustig machen und sagen: Er hat doch versprochen wiederzukommen! Wo bleibt er denn? Inzwischen sind unsere Väter gestorben, aber alles ist noch so, wie es seit Beginn der Welt war... “
2. Petrusbrief 3, 3-4
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#190 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Di 7. Jul 2015, 20:00

sven23 hat geschrieben:Natürlich wurde es Jahrzehnte später als Irrtum erkannt.
Aus meiner Sicht spricht vieles dafür, dass die Naherwartung auch zur Zeit Jesu ein Irrtum war.

sven23 hat geschrieben:Kann ja sein, daß sich die Bibelschreiber alles ausgedacht haben
Nein - sie haben falsch rezipiert - verständlicherweise. - Sie haben von Anfang an falsch verstanden - warum, wurde mehrfach begründet.

Wie auch immer: Wir haben es hier mit einer Glaubenssache zu tun. - Du glaubst dieses, ich glaube jenes. An sich ist das nicht beunruhigend.

sven23 hat geschrieben: das gilt aber auch für jeden guten Groschenroman.
Das gilt für alles.

sven23 hat geschrieben:Und er streitet die Naherwartung Jesu nicht ab
Der Schreiber des Petrus-Briefes (wer auch immer das war) scheint geglaubt zu haben, dass Jesus sein zeitlich nahes, irdisches Kommen selbst verkündet hat - in der Tat. - Mehr nicht.

Aus meiner Sicht liegt des Rätsels Lösung in der Verwechslung von innerer Nähe/innerem Kommen und zeitlicher Nähe/zeitlichem Kommen. - Auch hier: Glaubenssache. - Denn man kann aus den Texten nicht ermitteln, ob es diese Verwechslung gibt. Insofern muss dies auch kritische Textarbeit offen lassen.

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