Pluto hat geschrieben: Könnte das eine Erklärung sein?
Von der Substanz her ein guter Ansatz.
Um es einmal ohne Nachweise rein inhaltlich nachzuzeichnen:
Es gibt laut Bibel das Erscheinen Jesu am Ende unserer "normalen" Weltzeit - siehe Offenbarung. - Dieses Erscheinen ist unbestimmt - bis dahin muss laut Bibel vieles passieren.
Gleichzeitig gibt es laut Bibel "die Nähe des Gottesreichs".
Nun kann man beides zusammenwerfen - dann ist "die Nähe des Gottesreichs" identisch mit Jesu Erscheinen am Ende unserer "normalen" Weltzeit. - So scheinen es die Verfechter der Hypothese zu verstehen, Jesus habe eine Naherwartung gehabt: Das Ende unserer "normalen" Weltzeit sei unmittelbar bevorstehend.
Andere unterscheiden insofern zwischen dem Ende der "normalen" Weltzeit und "der Nähe des Gottesreichs", dass durch Jesu Kommen und seiner Aufersthehung selbst das Gottesreich nahe sei - und zwar in jedem Menschen, der dies erkenne. - "Nähe" ist in diesem Sinne sowohl zeitlich als auch geistig-emotional gemeint: Jesus ist kurz vor der Auferstehung und somit ist die Nähe zeitlich nahe - die Präsenz Gottes in einem selbst ist durch Jesu Anwesenheit nah, also unmittelbar greifbar, also geistig-emotional nah.
Letztere Denkweise ist dem AT ziemlich fremd - der heutigen Zeit auch. - Und dort wie hier zieht man das "haptische" Verständnis dem geistigen Verständnis vor. - Es ist also (jetzt kommt Deine Argumentation) ein geistiger Prozess, das "haptische" Verständnis in ein geistiges Verständnis zu transponieren.
Dementsprechend gab es ständig Missverständnisse zwischen den Jüngern und Jesus ("Mein Reich ist nicht von dieser Welt" - "Gottes Gedanken sind nicht Menschen-Gedanken" - "Und sie verstanden ihn nicht" - "Sie fragten ihn, aber er schwieg" - etc.). - Diese Missverständnisse begannen, mit dem Pfingsterlebnis ausgeräumt zu werden - die Jünger checken langsam, was da abgegangen war und gehen damit missionierend in die Welt. - Wie es aussieht, haben sie (oder ein Teil von ihnen) immer noch im "haptischen" Sinne missioniert - also im Sinne der Aussage (arg grob skizziert): "Leute, in spätestens 20 Jahren sind die Römer weg und das Gottesreich ist da". - Mit dem Ergebnis, dass bei den Urchristen eine Naherwartung da war.
Katholische, evangelische und orthodoxe Bibel-Forschung kommt unterm Strich zum Schluss, dass die "haptische Wiederkehr" Jesu am Ende der Weltzeit und "geistig-emotionale Nähe des inwenigen Gottesreichs" zwei vollkommen unterschiedliche Phänomene sind, sehen aber natürlich auch, dass die Jünger und Urchristen das am Anfang noch nicht unterscheiden konnten. - Insofern ist die Naherwartung der Urschristen selbstverständlich anerkannt.
Andere Forscher kommen - wie die Urchristen - zum Schluss, dass "haptische Wiederkehr" und "geistig-emotionale Nähe des inwenigen Gottesreichs" nicht zu trennen seien, Jesus also selbst gemeint habe, er käme in den nächsten Jahrzehnten mit Glanz und Gloria auf die Weltbühne zurück.
Der Unterschied zwischen beiden "Forscher-Fraktionen" besteht darin, dass die eine Fraktion (überm Daumen) sagt: "Wir haben nur die Bibel-Texte über Jesus und setzen diese gleich mit der Meinung Jesu". - Während die andere Fraktion sagt: "Moment - zur Klärung dieser Frage muss das Verständnis der gesamten Bibel miteinbezogen werden wie auch das Fehlverständnis der Jünger, was ja ebenfalls textlich nachweisbar ist". - Polemisiert wird diese Diskussion dadurch, dass die eine Seite der anderen Seite Wissenschaftlichkeit abspricht, wenn sie übergeordnete Parameter des Textverständnisses miteinfließen lässt.
Ist das eine Zusammenfassung, lieber Pluto, die Dir ein überzeugendes Gesamt-Bild vermittelt?