Parusieverzögerung II

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Savonlinna
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#41 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Savonlinna » So 17. Mai 2015, 21:49

Salome23 hat geschrieben:
Kannst Du diesen Unterschied erfassen, münek?
Münek meint aber mit der Parusie das Wiederkommen des Christus in den Wolken und nicht wie du das Reich Gottes aus Lukas 17
Darf er ja auch meinen. Aber das ist eben nur EINE Deutung.
Die Forschung weiß aber um mehrere, und darum argumentiert die Forschung differenzierter, und es besteht kein Konsens darin, dass Jesus sich geirrt hat.

Salome23 hat geschrieben:[Seit Eröffnung des Parusiethreads (1) wird durcheinander gewürfelt-wie immer halt...
Das wird aber wohl doch noch zu klären sein.

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Münek
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#42 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » So 17. Mai 2015, 21:49

Ich bringe hier mal einen Auszug aus einem Aufsatz/Vortrag (2006) eines Hochschullehrers für systematische Theologie, der hier bisher noch nicht genannt wurde: Prof. Dr. Rolf Pöhler. Thema des Aufsatzes "Die Bedeutung der Parusiehoffnung für Glaubenslehre und Praxis":


"Seit Johannes Weiß (1892) und Albert Schweitzer (1901,1906) hat sich in der Theologie die Erkenntnis durchgesetzt, dass die biblische Rede vom nahe bevorstehenden, ohne menschliches Zutun in die Geschichte einbrechenden und die Gestalt dieser Welt beendenden Gottesreich zum Kern der jesuanischen Verkündigung gehörte und auch Glaube und Leben der Urchristenheit bestimmte...

Die Erwartung der baldigen, persönlichen und sichtbaren Ankunft (griech.: paru-
sia; lat.: adventus) Jesu Christi, des auferstandenen und erhöhten Herrn der Kir-
che durchzieht das gesamte Neue Testament. Sie ist ein Kennzeichen der urch-
ristlichen Zukunftshoffnung und prägte Leben und Mission der Apostel sowie der
frühen Kirche.


Der Gebetsruf "Maranatha" ("Unser Herr, komm!" - 1 Kor 16,22), die "apokalyptisch konstituierte Christologie" des Paulus sowie die abschließende Zusage in der Johannesapokalypse "Ja, ich komme bald!" (Offb 22,20) bringen dies beispielhaft zum Ausdruck. Die unterschiedlichen Ausprägungen dieser Adventhoffnung lassen dennoch ein Gemeinsames erkennen: die apokalyptisch geprägte Erwartung der ersten Christen, dass der auferstandene und erhöhte Christus in naher Zukunft sichtbar erscheinen und sein Heilswerk vollenden wird.

Zweifellos hat diese Zukunftserwartung ihre Wurzeln im Leben und LEHRE JESU;
sie stellt keine nachträgliche Konstruktion der urchristlichen Gemeinde dar. Je-
sus selbst
sprach wiederholt vom Kommen des Menschensohnes und vom NAHEN
ENDE DER WELT(-ZEIT)
. Mehrere Texte legen die Vermutung nahe, dass er diese Er-
eignisse noch zu Lebzeiten seiner Jünger erwartete. Damit hat Jesus selbst das Pro-
blem der Parusieverzögerung verursacht
, auf das die Schreiber des Neuen Testaments
unterschiedliche Antworten geben."

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#43 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von 2Lena » So 17. Mai 2015, 21:53

Salome, das hast du gut zusammengestellt...
Nur, was heißt das alles mit Zweit- und Drittbedeutungen.

Nimm an, es passiert in Kürze, die Auserwählten werden gesammelt.
Und dann?
Hat man da Angst oder entscheidet etwa in Vernunft oder mit vermehrter Gegenwehr, ganz verstockt?

Eine Form sagt, dass die Zeichen für das Verständnis sichtbar werden und Reaktionen passieren. Ein Uiii geht durch die Reihen und Herrlichkeit erscheint...
Aber es gibt noch schwärzere, absolut dunkle Katastrophen, wenn das nicht gemerkt wird.

2Lena
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#44 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von 2Lena » So 17. Mai 2015, 21:55

Münek hat geschrieben:Von Seiten unserer Diskussionspartner, die den diesbezüglich bestehenden Konsens bestreiten, kommt außer unbelegten Behauptungen leider nichts...
Wie stellst du dir das vor Müneki?
Wenn all die Formulierungen nichts fruchteten ...
Einheitlich = (Bibeltext) ist ungleich alter Bestand.

Groß genug - zum erkennen?
An was willst du dich hängen, an den Bibeltext, die Mehrheit, hunderte geschriebene Bücher ...
oder an VERNÜNFTIGE ÜBERLEGUNG vielleicht?
Zuletzt geändert von 2Lena am So 17. Mai 2015, 21:58, insgesamt 1-mal geändert.

Anton B.
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#45 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Anton B. » So 17. Mai 2015, 21:58

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Dagegen zeigt Deine Begründung, warum eine solche "Erkenntnis" nicht extrahiert werden kann
Widerspruch, Euer Ehren. - Es ist aus meiner Sicht ein Gebot intellektueller Präzision, dass man die Aussage eines Autoren x in einem Text y in der Zeit z nicht gleichsetzt mit der im Text behandelten Person p in der Zeit q.
Widerspruch abgelehnt, weil in's Leere zielend: Niemand setzt "... die Aussage eines Autoren x in einem Text y in der Zeit z ..." mit einer "... im Text behandelten Person p in der Zeit q" gleich. Ganz im Gegenteil: Die Aussage des Autors wird kritisch betrachtet, wird in Relation mit anderem Aussagen im gleichen Text, mit Texten anderer Autoren, sowie weiterem Wissen gesetzt. Daraus ergibt sich möglicherweise, dann aber immer begründet, Wissen über die Person p. Wissen, welches von der Intention der Darstellung des Autoren x beliebig abweichen darf.

Deshalb werden auch die Lobhudeleien eines Gregors von Tours nicht einfach so in die Geschichtsbücher kopiert, obwohl sich aus den Lobhudeleien Wissen über den großen Chlodwig generieren lässt. Und selbst die Beschreibungen innerhalb der Tagebücher des famosen Cäsar werden -- obwohl vom besten Cäsar-Kenner aller Zeiten selber erstellt -- nicht einfach so als historische Tatsachen interpretiert. Nein, aufgrund verschiedener Querbeziehungen unterstellt die historische Wissenschaft sogar manche Flunkerei, obwohl der Cäsar tunlichst nichts von eigenen Flunkereien explizit ausplaudert.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#46 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » So 17. Mai 2015, 22:21

Samantha hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Und er hat ein mindestens zweisemestriges "Heimbibelstudium" absolviert; er darf sich also mit Fug
und Recht zu den "Großen" in der Theologie zählen. :lol:
Da habe ich aber weit mehr geschafft ... äh ... ertragen. :angel:

Naja, Schatz, Du hast es ja ohne große Schäden überlebt... :thumbup:

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#47 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » So 17. Mai 2015, 22:37

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann gilt das auch für Aussagen wie "sie verstanden ihn nicht".
Selbstverständlich - es gilt für alles. - Deshalb muss man interpretieren, was streng genommen bereits ein Überschreiten der kritisch-historischen Methodik ist.

Nee, nee.

Selbstverständlich werden biblische Texte von den wissenschaftlich forschenden Theologen "interpretiert".
Deswegen heißt es ja auch "historisch-kritische Auslegung". Exegese ist "Interpretation". ;)

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#48 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » So 17. Mai 2015, 22:42

Münek hat geschrieben:Ich bringe hier mal einen Auszug
Das ist ja nachvollziehbar und spiegelt die Meinung von Theologen zum Ausdruck. - Falls sich diese Deutungs-Version durchgesetzt hat, ist dies zur Kenntnis zu nehmen - vorher wäre diese Behauptung zu prüfen.

Pöhler ist Adventist ("Als Adventisten (von lat. adventus „Ankunft“) bzw. Milleriten wurden Anhänger einer christlichen, religiösen Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts in den USA bezeichnet, für die die Lehre vom zweiten Advent, d. h. von der nahen Wiederkunft Jesu Christi, zu jener Zeit eine zentrale Rolle spielte" wik). - Es ist naheliegend, dass er seinen Glauben wissenschaftlich belegen will.

Das tun die Katholiken genauso - und die Atheisten auch. - Man versucht, unter Wahrung wissenschaftlicher Regeln seinen persönlichen Glauben wissenschaftlich zu belegen - dies ist an sich noch nicht unredlich, kann sogar ein weites Spektrum an wissenschaftlichen Arbeiten zur Folge haben, die zur selben Frage ganz unterschiedliche Antworten finden. - Insofern kann man den Ball erst mal flach halten.

Anton B. hat geschrieben:Niemand setzt "... die Aussage eines Autoren x in einem Text y in der Zeit z ..." mit einer "... im Text behandelten Person p in der Zeit q" gleich.
Sollte man meinen - es gibt Darstellungen hier im Thread, die genau dies nahelegen ("Wir haben doch nichts anderes als die Texte"), und alles andere als geistigen Glaubenskram bezeichnen, der nichts in der Wissenschaft zu suchen habe.

Anton B. hat geschrieben:Daraus ergibt sich möglicherweise, dann aber immer begründet, Wissen über die Person p. Wissen, welches von der Intention der Darstellung des Autoren x beliebig abweichen darf.
Einverstanden - außer, dass mich das Wort "Wissen" stört. - Denn "Wissen" impliziert, dass es kein dazu widersprüchliches "Wissen" (zur selben Fragestellung) geben könne. - Genau das ist aber der Fall.

"Begründete Schlussfolgerungen" wäre mir lieber (und erschiene mir auch wissenschaftlicher), weil damit alles erlaubt wäre, was gut begründet ist.

Anton B. hat geschrieben:Und selbst die Beschreibungen innerhalb der Tagebücher des famosen Cäsar werden -- obwohl vom besten Cäsar-Kenner aller Zeiten selber erstellt -- nicht einfach so als historische Tatsachen interpretiert. Nein, aufgrund verschiedener Querbeziehungen unterstellt die historische Wissenschaft sogar manche Flunkerei, obwohl der Cäsar tunlichst nichts von eigenen Flunkereien explizit ausplaudert.
Genau so - DAS ist kritische Textarbeit, wie es uns beigebracht wurde.

Andere Beispiele dafür sind übrigens "Dichtung und Wahrheit" von Goethe und Adenauers Autobigrafie.

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#49 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » So 17. Mai 2015, 22:45

Münek hat geschrieben:Selbstverständlich werden biblische Texte von den wissenschaftlich forschenden Theologen "interpretiert". Deswegen heißt es ja auch "historisch-kritische Auslegung". Exegese ist "Interpretation".
OK - da kommen wir zusammen. - Trotzdem sollten objektive Beobachtungen und subjektive Interpretation als solche gekennzeichnet sein. - Und vor allem sollten Interpretationen nicht als "Wahrheit" missverstanden werden - denn Interpretationen haben viel mit der Zeit zu tun, in der sie stattfinden. - So etwas kann sich in wenigen Jahren drehen - INNERHALB der Wissenschaft.

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#50 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » So 17. Mai 2015, 23:16

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Man sagt, "Auf Grund des Textes, erscheint es wahrscheinlich, dass der Autor bei Jesus eine Naherwartung hatte".
Verstehe rein sprachlich nicht ganz, was Du sagst. - Ich verstehe Dich folgendermaßen: "Auf Grund des Textes, erscheint es wahrscheinlich, dass der Autor bei Jesus eine Naherwartung annahm".

Falls Du das meinst: Das ist die Lehrmeinung quer durch alle Fraktionen - das weiss jeder Absolvent der katholischen oder evangelischen Theologie. - Hier wurde aber kolportiert, dass es als so gut wie sicher sei, dass Jesus selbst diese Naherwartung HATTE - das ist eine komplett andere Aussage, die so tut, als sei sie historisch-kritisch aus den entsprechenden Texten zwingend zu erschließen. - Das ist allein aus methodischen Gründen fragwürdig und zudem aus mehrfach benannten Gründen inhaltlich unwahrscheinlich.

Dass Jesus diese Naherwartung tatsächlich hatte, dass sie sogar im Zentrum seiner Verkündigung
stand, wird in der Forschung als äußerst wahrscheinlich angesehen. Davon ist sie in der Tat über-
zeugt
.

Es gibt andererseits viele Aussprüche Jesu in den Evangelien, deren Authentizität von den Exegeten
bezweifelt (als unecht angesehen) wird.

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