Parusieverzögerung

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closs
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#1571 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von closs » Sa 16. Mai 2015, 15:05

Savonlinna hat geschrieben:Ob eine historische Figur Auslöser war für die Texte der Evangelien oder nicht, spielt für die Entstehung des Archetypus "Jesus Christus" keine Rolle.
Da sind wir uns auf ziemlich komplizierte Weise einig - aber einfach so zustimmen würde ich nicht, weil es missverstäündlich sein könnte.

Savonlinna hat geschrieben:Erst durch den historisch-kritischen Weg ist klar, dass man Jesus nie anders als geistig aufgefasst hat.
Dass es keine Sinn macht, ihn anders als geistig aufzunehmen, ist aus meiner Sicht klar. - Warum diese Klarheit erst durch den historisch-kritischen Weg möglich sei, verstehe ich jedoch nicht.

Savonlinna hat geschrieben:Der konsequente Hinweis der historisch-kritischen Forschung, dass nur Texte zur Verfügung stehen, trennt die historische Figur von dem Archetypus.
Ja - dann aber ist es um so unverständlicher, wenn man seine Einigkeit, Jesus habe selbst eine Naherwartung gehabt, historisch-kritisch begründet. - Denn wenn nur Texte zur Verfügung stehen, kann man keine sicheren Aussagen über die Person selbst simulieren, die lediglich in Texten an einzelnen Stellen nahegelegt wird und an anderen nicht. - Allenfalls könnte man sagen, dass die Texte Anlass geben, auf eine Naherwartung Jesu zu schließen - gaaanz vorsichtig.

Savonlinna hat geschrieben:Insofern ist die historisch-kritische Textanalyse ganz selbstverständlich geistig.
Wahrscheinlich müsste man time out machen und "Geist" definieren - soviel vorab: Intellektualität und Geist sollte man nicht als Synonym verstehen.

Unabhängig davon: Wenn man historisch-kritische Textanalyse geistig betreibt, stimmt ja Deine Aussage. - Nur kommt immer wieder der Verdacht auf, dass atheistischer-seits jegliche Geistigkeit als unwissenschaftlich verstanden wird.

Savonlinna hat geschrieben:Da sie zu unterscheiden vermag, was ein historischer Jesus ist und ein geistiger Jesus-Christus, besitzt sie das Rüstzeug für geistige Fragen.
Verständnisfrage: Hältst Du es für möglich, dass historischer und geistiger Jesus dieselbe Person sind?

Savonlinna hat geschrieben:Aber verstehen tue ich das letztlich dann doch nicht, denn es ist ja jeder Mensch auch geistig.
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sven23
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#1572 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 16. Mai 2015, 15:18

closs hat geschrieben:Was haben diese Zitate mit meiner Aussage zu tun?.
Sie widersprechen deiner Behautpung, daß alles in der Schwebe sei, denn
"Die neutestamentliche Forschung ist sich einig, dass der Hauptinhalt der Predigt Jesu in der Ankündigung des nahen Gottesreichs bestand, wie es z.B. in Mk 1,15 ausgedrückt wird: „Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen.“"
Dr. Kubitza, (der Jesuswahn)


closs hat geschrieben: Joh. 8:
21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Ich gehe hinweg, und ihr werdet mich suchen und in eurer Sünde sterben. Wo ich hin gehe, da könnet ihr nicht hin kommen. (Johannes 7.34-35) (Johannes 13.33) 22 Da sprachen die Juden: Will er sich denn selbst töten, daß er spricht: "Wohin ich gehe, da könnet ihr nicht hin kommen"? 23 Und er sprach zu ihnen: Ihr seid von untenher, ich bin von obenher; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt. (Johannes 3.31) 24 So habe ich euch gesagt, daß ihr sterben werdet in euren Sünden; denn so ihr nicht glaubt, daß ich es sei, so werdet ihr sterben in euren Sünden.
25 Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du denn? Und Jesus sprach zu ihnen: Erstlich der, der ich mit euch rede. 26 Ich habe viel von euch zu reden und zu richten; aber der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, und was ich von ihm gehört habe, das rede ich vor der Welt. 27 Sie verstanden aber nicht, daß er ihnen von dem Vater sagte.


Hier geht es um "Juden" und nicht um die Jünger - es gibt auch Stellen, an denen die Jünger nicht checken, was los ist. - Im Grunde ist das dasselbe bis zum Pfingst-Erlebnis dasselbe. - Übrigens: Danach checken die Jünger immer noch nicht alles.
Und was hat das mit der Parusie zu tun.
Und mal ganz ehrlich, hättest du Jesus verstanden? Er erweist sich hier als ziemlich hölzern in seinen Erklärungen gegenüber einfachen Fischern und Bauernburschen.
Zudem sagt er nichts darüber aus, wann er wiederkommen wird, bzw. wann das ersehnte Reich Gottes kommt. Deine Argumentation läuft hier ins Leere.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Hemul
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#1573 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Hemul » Sa 16. Mai 2015, 15:23

Hebräer 10:8-13,
8 Zuerst sagte er: "Opfer und Gaben hast du nicht verlangt, über Brand- und Sündopfer freust du dich nicht", obwohl diese Opfer doch vom Gesetz vorgeschrieben sind. 9 Und dann fährt er fort: "Hier bin ich! Ich bin gekommen, um deinen Willen zu tun." Auf diese Weise hebt er die erste Ordnung auf, um die zweite in Kraft zu setzen. 10 Und aufgrund dieses Willens sind wir geheiligt, weil Jesus Christus seinen Leib ein für allemal als Opfer dargebracht hat. 11 Jeder andere Priester steht Tag für Tag vor dem Altar und bringt Gott viele Male die gleichen Opfer, die doch niemals Sünden wegnehmen können. 12 Dieser Hohe Priester aber hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht und sich dann für immer auf den Ehrenplatz an Gottes rechter Seite gesetzt. 13 Dort wartet er, bis Gott ihm seine Feinde als Schemel unter die Füße legt.
Diese Worte schrieb Paulus 61 n.Chr. u. zeigt in Vers 13 unmissverständlich auf, dass er die Aufrichtung des "REICHES-GOTTES"
unmöglich in dieser Zeit erwartet haben kann. Aber was sagt Münek&Co dazu? Welche Ausrede mögen die Experten hier wohl haben? :roll:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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sven23
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#1574 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 16. Mai 2015, 15:31

Hemul hat geschrieben: Dort wartet er, bis Gott ihm seine Feinde als Schemel unter die Füße legt.[/color]

Paulus hielt nicht viel von Jesu Feindesliebe.

Hemul hat geschrieben: Diese Worte schrieb Paulus 61 n.Chr. u. zeigt in Vers 13 unmissverständlich auf, dass er die Aufrichtung des "REICHES-GOTTES"
unmöglich in dieser Zeit erwartet haben kann. Aber was sagt Münek&Co dazu? Welche Ausrede mögen die Experten hier wohl haben? :roll:
Das ist doch gerade ein Beispiel für die Parusieverzögerung durch Paulus, denn in den 50-er Jahren hat er noch ganz anders geschrieben:
"Die Jesusbewegung war von einer starken Naherwartung geprägt. Man erwartete das Kommen Jesu nahezu stündlich. Die erste Generation der Christen lebte in der Hoffnung, noch im eigenen Leben das Kommen des Reiches Gottes zu erleben (1 Thess 4,13-17 EU). Dass einige Christen schon gestorben sind, bevor die Parusie eingetreten ist, ist für Paulus zunächst die Ausnahme. Da die Zahl der Todesfälle anstieg, musste Paulus reagieren. In 1 Kor 15,51f EUf geht er wohl schon davon aus, dass die meisten vor der Parusie sterben werden, dass einige sie aber wohl noch erleben werden. In 2 Kor 5,1-10 EU scheint eine zunehmende Verzögerung ins Bewusstsein zu rücken. Daraus entwickelt Paulus die Vorstellung, dass jeder Christ bei seinem Tod einen verwandelten Leib erhält und dass das Kommen Jesu in eine fernere Zukunft rückt.[6]

Der Wandel im Glaubensverständnis, der durch die Parusieverzögerung hervorgerufen wurde, hat sich wohl allmählich vollzogen und ist nicht als ein abrupter Bruch vorstellbar."

Quelle: Wikipedia
Danke Hemul für dieses schöne Beispiel der Parusieverzögerung durch Paulus. :thumbup:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#1575 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von closs » Sa 16. Mai 2015, 15:45

sven23 hat geschrieben:Sie widersprechen deiner Behautpung, daß alles in der Schwebe sei, denn ...
Es wird hier immer wieder unterschlagen, dass es neben der von Dir zitierten Theologie auch noch eine evangelische, katholische und orthodoxe Theologie gibt, die im folgenden katholischer-seits allgemein-verständlich vermittelt ist:

"Der Zeitpunkt der Wiederkunft Jesu ist den Menschen unbekannt (Sent. Certa). - Jesus hat den Zeitpunkt der Parusie unbestimmt gelassen. Am Schluss der Parusierede erklärte er: „Jenen Tag aber und die Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel und auch nicht der Sohn, sondern nur der Vater" (Mk 13,32; im Paralle text Mt 24,36 fehlen in einem Teil der Textzeugen die Worte "auch nicht der Sohn“). Kurz vor der Himmelfahrt erklärte Jesus seinen Jüngern: "Euch steht es nicht zu, die Zeiten und Fristen zu kennen, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat" (Apg 1,7).

Dass Jesus nicht mit einer sehr baldigen Wiederkunft rechnete, zeigen mehrere Äußerungen der Parusierede (Mt 24, 14. 21. 31; Lk 21, 24; vgl. Lk 17, 22; Mt 12, 41), die Wiederkunftsgleichnisse, die eine lange Abwesenheit des Herrn nahe legen (vgl. Mt 24, 48; 25, 5; 25,19: .Nach langer Zeit kam der Herr jener Knechte zurück und hielt Abrechnung mit ihnen"), und die Gleichnisse vom allmählichen Wachsen des irdischen Gottesreiches (Mt 13, ?-4-33). An mehreren Stellen ist das Kommen Jesu im uneigentlichen Sinne zu verstehen von der Offenbarung seiner Macht, sei es zur Bestrafung seiner Feinde (Mt 10,23: Zerstörung Jerusalems) oder zur Ausbreitung seines Gottesreimes auf Erden (Mt 16, 28; Mk 9, 1; Lk 9,27) oder zur Belohnung seiner Getreuen in der Seligkeit des Himmels (Jo 14, 3. 18. 28; 21, 22). Das Wort Mt 24, 34: „Wahrlich, im sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dieses alles geschieht“, ist auf die Vorzeichen der Parusie zu beziehen. Nach anderer Auslegung ist der Ausdruck „dieses Geschlecht“ nicht von den Zeitgenossen Jesu, sondern vom Geschlecht der Juden, d. h. vom jüdischen Volk zu verstehen (vgl. Mt 11,16; Mk 8,12)" (kathpedia).


Auch meine Anfragen in den letzten Wochen bei Theologen evangelischer und katholischer Provenienz haben allseits Abwinken ausgelöst - ja, die Urchristen hätten tatsächlich an eine schnelle weltliche Wiederkunft Jesu geglaubt, weil sie einfach noch nicht gelernt hätten, verinnerlicht zu denken. - Die Beschneidung des Herzens wurde noch nicht kapiert, sondern nur die äußere Beschneidung. - Insofern scheint es "in der Theologie" mitnichten Einigkeit zu dieser Frage zu geben.

Allerdings (und zum 756. Mal): Wenn man geistigen Kontext ausblendet UND die (nachweisbare) Erwartungs-Haltung der Urchristen wie auch EINIGE (beileibe nicht alle) naherwartungs-verdächtige Aussagen zum Maßstab (!!!!!!) für Jesu eigenes Denken nimmt, dann sind das Prämissen, unter denen man sich schon in Einigkeit sammeln kann. - Aber das ist nicht DIE Theologie, auch nicht die wissenschaftliche Theologie, sondern ein ganz spezieller Ansatz innerhalb der wissenschaftlichen Theologie. - Bis zum 757. Mal.

sven23 hat geschrieben:Und mal ganz ehrlich, hättest du Jesus verstanden?
Danals weiss ich nicht - heute auf Anhieb.

sven23 hat geschrieben:Zudem sagt er nichts darüber aus, wann er wiederkommen wird, bzw. wann das ersehnte Reich Gottes kommt.
Darum geht es auch nicht - es geht darum, dass das "Sie verstanden ihn aber nicht" ein Kernmotiv der Kommunikation zwischen Jesus und seinen Hörern war. - Deshalb ist es historisch-kritisch (!) angebracht, dies auch auf die Naherwartung zu übertragen, zu der es innerhalb der Texte so widersprüchliche Äußerungen gibt.

Hemul
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#1576 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Hemul » Sa 16. Mai 2015, 15:49

sven23 hat geschrieben: "Die Jesusbewegung war von einer starken Naherwartung geprägt. Man erwartete das Kommen Jesu nahezu stündlich. Die erste Generation der Christen lebte in der Hoffnung, noch im eigenen Leben das Kommen des Reiches Gottes zu erleben (1 Thess 4,13-17
Danke Hemul für dieses schöne Beispiel der Parusieverzögerung durch Paulus. :thumbup:

Freue Dich mal nicht zu früh- aber der Reihe nach.
1.Thessalonicher 4:13-17,
13 Wir wollen euch aber, Brüder, nicht in Unkenntnis lassen über die Entschlafenen, damit ihr nicht betrübt seid wie die Übrigen, die keine Hoffnung haben. 14 Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, wird auch Gott ebenso die Entschlafenen durch Jesus mit ihm bringen. 15 Denn dies sagen wir euch in einem Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. 16 Denn der Herr selbst wird beim5 Befehlsruf, bei6 der Stimme eines Erzengels und bei dem Schall der Posaune Gottes herabkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; 17 danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen8 in die Luft; und so werden wir allezeit beim Herrn sein.

Wieso soll das ein Beweis dafür sein, dass Paulus hier eine Naherwartung hatte? :roll:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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Savonlinna
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#1577 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Savonlinna » Sa 16. Mai 2015, 15:50

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ob eine historische Figur Auslöser war für die Texte der Evangelien oder nicht, spielt für die Entstehung des Archetypus "Jesus Christus" keine Rolle.
Da sind wir uns auf ziemlich komplizierte Weise einig - aber einfach so zustimmen würde ich nicht, weil es missverstäündlich sein könnte.
Einverstanden.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Erst durch den historisch-kritischen Weg ist klar, dass man Jesus nie anders als geistig aufgefasst hat.
Dass es keine Sinn macht, ihn anders als geistig aufzunehmen, ist aus meiner Sicht klar. - Warum diese Klarheit erst durch den historisch-kritischen Weg möglich sei, verstehe ich jedoch nicht.
Weil man davor die Texte so las, als seien sie keine Texte, sondern historische Aussagen.
Sie sind in unsere Kultur hineingebracht worden, und man verstand sie dann gleich im Sinne unserer Kultur.
Und daraus ist viel Unheil entstanden.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Der konsequente Hinweis der historisch-kritischen Forschung, dass nur Texte zur Verfügung stehen, trennt die historische Figur von dem Archetypus.
Ja - dann aber ist es um so unverständlicher, wenn man seine Einigkeit, Jesus habe selbst eine Naherwartung gehabt, historisch-kritisch begründet.
Man rekonstruiert u.a. das geistige Klima der damaligen Zeit und hält es für möglich, dass eine eventuelle historische Figur gemäß dieses geistigen Klimas gedacht hat. Oder sich davon abgehoben hat.

closs hat geschrieben:- Denn wenn nur Texte zur Verfügung stehen, kann man keine sicheren Aussagen über die Person selbst simulieren, die lediglich in Texten an einzelnen Stellen nahegelegt wird und an anderen nicht. - Allenfalls könnte man sagen, dass die Texte Anlass geben, auf eine Naherwartung Jesu zu schließen - gaaanz vorsichtig.
Ja. Und so geschieht das auch.
Aber es ist schon spannend, dass man auf Grund des in den Texten enthaltenen Gedankengutes beurteilen kann, was aus der Zeit selber stammen könnte, was erst aus der Zeit der Evangelien stammen könnte.
Aber immer nur "könnte".

closs hat geschrieben:Unabhängig davon: Wenn man historisch-kritische Textanalyse geistig betreibt, stimmt ja Deine Aussage. - Nur kommt immer wieder der Verdacht auf, dass atheistischer-seits jegliche Geistigkeit als unwissenschaftlich verstanden wird.
Verbal klingt das so, ja. Aber kein Wissenschaftler wird leugnen, dass Analysen mit der mens gemacht werden und nicht mit dem Körper.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Da sie zu unterscheiden vermag, was ein historischer Jesus ist und ein geistiger Jesus-Christus, besitzt sie das Rüstzeug für geistige Fragen.
Verständnisfrage: Hältst Du es für möglich, dass historischer und geistiger Jesus dieselbe Person sind?
Das ist ja vermutlich der Sinn dieser ganzen langen Rezeptionsgeschichte: ein imago zu entwickeln, das bewusst macht, dass wir als historische Menschen Archetypen in uns tragen, die wir andauernd auf andere projizieren - und durch die Projektion überhaupt erst entdecken.

closs
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#1578 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von closs » Sa 16. Mai 2015, 16:08

Savonlinna hat geschrieben:Weil man davor die Texte so las, als seien sie keine Texte, sondern historische Aussagen.
OK - aber dann heisst es doch umgekehrt: Wenn die kritisch-historische Exegese die Bibel-Texte so liest, als seien sie KEINE historischen Texte: Wie kann man dann überhaupt auf die Idee kommen, daraus zu schließen, dass der historische Jesus eine Naherwartung hatte. - Das ist doch ein Widerspruch par excellence.

Savonlinna hat geschrieben:an rekonstruiert u.a. das geistige Klima der damaligen Zeit und hält es für möglich, dass eine eventuelle historische Figur gemäß dieses geistigen Klimas gedacht hat.
Als Spekulation ist das ok.

Savonlinna hat geschrieben:Aber kein Wissenschaftler wird leugnen, dass Analysen mit der mens gemacht werden und nicht mit dem Körper.
Das nicht - aber er wird bei entsprechender mentaler Konstitution "Geist" mit "Intellektualität" gleichsetzen.

Savonlinna hat geschrieben:ein imago zu entwickeln, das bewusst macht, dass wir als historische Menschen Archetypen in uns tragen, die wir andauernd auf andere projizieren - und durch die Projektion überhaupt erst entdecken.
Eigentlich klingt das wieder platonisch und sogar heideggerisch - gleichzeitig bezeichnest Du Dich als Nominalisten. - Da sehe ich noch Klärungs-Bedarf.

Ansonsten kann ich Dir hier inhaltlich folgen.

Anton B.
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#1579 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Anton B. » Sa 16. Mai 2015, 16:21

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Weil man davor die Texte so las, als seien sie keine Texte, sondern historische Aussagen.
OK - aber dann heisst es doch umgekehrt: Wenn die kritisch-historische Exegese die Bibel-Texte so liest, als seien sie KEINE historischen Texte: Wie kann man dann überhaupt auf die Idee kommen, daraus zu schließen, dass der historische Jesus eine Naherwartung hatte. - Das ist doch ein Widerspruch par excellence.
Natürlich sind es als schriftliche Zeitzeugen historische Texte. Nur wird nicht davon ausgegangen, das es antike Historiker waren, die nach den Maßstäben heutiger historischer Wissenschaften diese Texte schufen. Heutige Historiker erforschen diese Texte wie andere schriftliche Zeugnisse auch und publizieren Erkenntnisse aus ihrer Disziplin heraus. Wo liegt das Problem?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#1580 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von closs » Sa 16. Mai 2015, 16:23

Anton B. hat geschrieben:Wo liegt das Problem?
Nicht in der Methode, sondern in der Schlussfolgerung. - Wenn man die Bibel-Texte als "Fiction" versteht, kann man nicht gleichzeitig historische Schlussfolgerungen daraus ziehen (wie: "Jesus hatte selbst eine Naherwartung").

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