Savonlinna hat geschrieben:Die Naturwissenschaft erklärt natürlich auch nicht die Welt, sondern nur nach selbstgewählter Auswahl einen Mini-Teil der Welt. Und "erklären" kann man dazu auch nicht sagen. Sie zeigt Zusammenhänge auf. Woher die stammen, weiß keiner.
Dass die Naturwissenschaft, welche insbesondere durch Biologie, Chemie und Physik vertreten wird, aber auch durch Geologie, nur einen Mini-Teil der Welt erklärt, halte ich für eine recht kühne Aussage. Unter diesen ist die Physik die fundamentalste aller Naturwissenschaften und sie erklärt uns in theoretischen Modellen die Wechselwirkungen, die diese Welt beherrschen, den Aufbau der Materie und des Universums. Dies würde ich nicht als Mini-Teil bezeichnen, dafür ist das Wissensfeld, welches uns die Physik erhellt, zu groß - zu fundamental. Sie dringt bis zu den vorletzten Fragen vor - das ist eine bemerkenswerte Leistung.
Daraus würde ich aber kein atheistisches Weltbild herleiten. Naturwissenschaft ist nicht religiös oder antireligiös, sie ist areligiös.
Da dieser Thread im Grunde ein Parallelthema zu meinen Thread
Neuer Atheismus - The Brights ist (man könnte sie im Grunde auch zusammenfassen), werde ich mal auf einige meiner Beiträge dort hier bezug nehmen. In diesem Beitrag stellte ich kurz
the Four Horsemen der Neuen Atheisten vor, ergänzende Informationen zu den
Brights hatte ich
HIER zusammengetragen, insbesondere bezüglich der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS), deren gesellschaftlichier Einfluss meiner Meinung nach nicht zu untertschätzen ist.
Die Argumente der Neuen Atheisten sind im Grunde nicht neu, doch die militante Art und Weise,
wie sie in der Öffentlichkeit auftreten ist in dieser Form neu. Diesbezüglich verweise ich in diesem
Beitrag auf die Kritik des Humanisten und Philosophen
Joachim Kahl.
Zitat von Joachim Kahl:
„Richard Dawkins’ Buch Der Gotteswahn, das ich hier als Hauptbeispiel des neuen Atheismus heranziehe, … ist ein charakteristisches Dokument intellektuellen Cäsarenwahns. Cäsarenwahn hat – nach dem Historiker Ludwig Quidde, der den Begriff 1894 geprägt hat – zwei sich ergänzende Merkmale: triumphalistische Selbstüberschätzung und abgründige Realitätsblindheit.“
Besonders lesenswert finde ich seine 17-seitige PDF-Datei
Eine Kritik des „neuen Atheismus“ aus der Sicht eines Vertreters des „alten Atheismus“, aus dem ich im Folgenden zitiere. Darin kritisiert der Vertreter des klassischen Atheismus, der sich bewusst in Abgrenzung zum Neuen Atheismus als „alter Atheist“ bezeichnet, besonders Dawkins (der insbesondere für sein Buch von der
gbs den Descher-Preis bekam) mit deutlichen Worten:
Dawkins’ nassforsche Haltung des „Hoppla, jetzt komm ich“ verrät auf Schritt und Tritt eine bodenlose Unkenntnis in Sachen Religion und Religionskritik und enthüllt ein fatales Nichtverstehen ihrer geschichtlichen Entwicklungen und ihrer inhaltlichen Komplexität. Wer nur vom „Laster der Religion“ schwadroniert (18) oder den jüdisch-christlichen Gott hämisch als „das Monster aus der Bibel“ (66) verunglimpft, der hat von der Janusköpfigkeit von Religion und von ihren Ambivalenzen keine Ahnung.
Diese Janusköpfigkeit wird von den Neuen Atheisten (Neo-Atheisten) schlicht ignoriert. Anstelle einer differenzierten Kritik erfolgt eine eindimensionale Sichtweise, welche der Komplexität der Thematik "Religion" insgesamt und auch der Vielschichtigkeit zugrundeliegender religiöser Texte (hier insbesondere der Bibel), die voller Symbolsprache ist, nicht gerecht wird und die verschiedenen Rezeptionsebenen verkennt.
Joachim Kahl bringt es meiner Meinung nach mit folgenden Worten auf den Punkt:
Wer meint, als eine spezifische Gestalt nötiger „Bewusstseinserweiterung“ den „atheistischen Stolz“ (15) hervorkehren zu müssen, aber auf über 570 Seiten weder die Namen noch die Denkfiguren eines Epikur, eines Feuerbach, eines Sigmund Freud kennt, der entlarvt die Hohlheit diese Stolzes. ... Aber im Sinne Dawkins’ jeglichen
Gottesglauben als Gotteswahn zu verteufeln, ist plumper Krawallatheismus.
Dieser Krawallatheismus scheint aber immer mehr salonfähig zu sein und ich befürchte, dass er massenwirksam ist, jedenfalls macht er sich in Foren breit - so auch hier.
Dr. Dr. J. Kahl ist freilich auch ein Religionskritiker, daher begrüße ich es, dass seine Kritik nicht von "außen" an die Atheisten herangetragen wird, sondern hier von einem „alten Atheisten“ kommt, der in aller Deutlichkeit seine Kritik formuliert:
Zitat von Joachim Kahl:
Mit derlei vulgären Kraftsprüchen verwandelt sich der Atheismus unter der Hand in Antitheismus. Von oben herab wird Religion als Humbug abgekanzelt. Erforderlich wäre es dagegen, sie gedanklich zu durchdringen, ihren historischen Werdegang und ihre gesellschaftliche Funktion zu erklären und in einen kritischen, auch polemischen Dialog mit ihren Anhängern zu treten.
Interessant finde ich, dass er auch einen polemischen Dialog einschließt, der ja auch zur Kultur der freien Meinungsäußerung gehört. Doch nicht in der arroganten Form, mit welcher der Krawallatheimus in der Öffentlichkeit ohne jede Scham auftritt.
Zitat von Joachim Kahl:
An drei Beispielen möchte ich den penetranten Eifer Richard Dawkins’ zur Besserwisserei, Bevormundung und willkürlichen Beanspruchung anderer für die eigene Position aufzeigen.
Neugierig geworden? Dann schaut bitte in die oben verlinkte PDF-Datei.
Übrigens, die Brights (Neue Atheisten) haben auch ein eigenes Symbol:
Sonnengraphikquelle