Halman hat geschrieben:Savonlinna, gibt es sowas wie einen Mainstream unter den Exegeten?
'Das weiß ich nicht. Ich kenne auch keinen Begriff "historisch-kritische Exegese".
Halman hat geschrieben:Wie werden Wunder bewertet? Fanden sie niemals statt, weil Wunder unmöglich sind, oder wird ihre Möglichkeit in Erwägung gezogen? (bspw. die Auferstehung Jesu)
Solche Fragen fallen nicht in die historisch-kritische Forschung.
Es kann nur untersucht werden, was in den Texten steht, wie es möglicherweise gemeint ist und aus welchem geistig-mentalen Umfeld die Aussagen stammen.
Bei der "Auferstehung Jesu" zum Beispiel weiß man, dass sie eben erst nach dem Tod Jesu verschriftlicht wurde.
Zeugen gibt es ja auch laut Bibel nicht, glaube ich, sondern höchstens Zeugen für das leere Grab.
Da gerade diese Erzählungen für mich von hohem literarischen Wert sind - wundervoll komponiert -, nehme ich an, dass sie Glaubensaussagen sind.
Von letzterem geht die moderne Theologie eigentlich fast grundsätzlich aus.
Und "Glaubensaussagen" heißt oft
nicht unbedingt, dass die Auferstehung physisch statt fand.
Ich denke aber, dass es jede Menge Literatur geben wird, die das Wunderverständnis jener Zeit untersucht hat.
Man hat zum Beispiel später jede Menge Legenden erfunden, wo schon der kleine Jesus "Wunder" verbrachte, wie zum Beispiel, dass er Tontauben plötzlich losflattern lassen konnte. Solche Erzählungen gibt es in den Apokryphen, so weit ich mich erinnere. Sie sind Ergebnis des "wundersüchtigen Volks", wie Goethe den Begriff mal prägte.
Diejenigen, die die Bibel zusammenstellten, haben solche leichtgewichtigen Wunder-Erzählungen nicht in das Neue Testament genommen, sondern nur die, die einem bestimmten Jesus-Bild entsprachen, das sie wahrscheinlich für wertvoller hielten und wohl auch wertvoller sind.
Halman hat geschrieben:Nachtrag:
Eine fachliche Bitte habe ich noch: Bist Du so nett, mir im Groben kurz zu erläutern, was ich mir unter der
literaturkritischen Exegese vorzustellen habe? Ich frage deshalb, weil mein "alter Freund"
HIER davon sprach. Damals hatte ich leider vergessen, danach zu fragen.
Ich kenne auch den Begriff "literaturkritische Exegese" nicht - aber so, wie Dein Freund den Begriff erläutert, kann meines Achtens damit nur "literaturkritsche Interpretation oder "literaturkritische Deutung" gemeint sein.
Das gleiche gilt dann für "historisch-kritische Exegese", die er ja parallel benutzt.
Um das mal an einer biblischen Erzählung deutlich zu machen - jetzt ist mir blöderweise entfallen, ob es sich um die Opferung Isaaks oder doch eine andere handelte, aber egal -: da hat die Forschung herausgefunden, dass diese uralte Erzählung während der babylonischen Gefangenschaft umgearbeitet wurde, um dem mutlos und auch götzendienerisch gewordenen Volk Israels Ziele zu geben und aufzuzeigen, für die es sich lohnte, dem Einen Gott treu zu bleiben.
Und dabei benutzten sie alte Erzähltraditionen der Alten Propheten; folgten also Erzählmustern, die allgemein bekannt waren und feste Topoi enthielten, deren Eigenart und Aussagekraft allgemein bekannt war.
Welche Erzählmuster das waren, fand die Forschung heraus, und sieht die "Exegese", also die Deutung dieser Texte, natürlich ganz anders aus, als wenn man wörtlich liest.
In der deutschsprachigen literaturkritischen Deutung oder Analyse oder Auslegung haben wir so alte Texte gar nicht, aber im Prinzip ist es da auch so: will man verstehen, wie ein Text im 9. Jahrhundert gemeint sein könnte, muss man zu rekonstruieren versuchen, an welche Erzähtraditionen der Autor anknüpfte und bei seiner Leserschaft voraussetzen konnte.
Das könnte also mit "historisch-kritischer Bibelexegese/literaturkritischer Exegese" gemeint sein.