Salome23 hat geschrieben:Was sahen sie denn, dass du es als "Reich Gottes" bezeichnest?
Ich beschreibe dir, was ich aus den Verklärungstexten an eigenen Erfahrungen wiedererkenne. Ich trage die Stellen mal aus Mt, Mk und Lk zusammen:
Sie kamen in einen anderen Bewusstseinszustand ...
Petrus aber und die bei ihm waren, waren voller Schlaf. Als sie aber aufwachten, sahen sie, wie er verklärt war
... was auch eine veränderte Wahrnehmungsfähigkeit zur Folge hat.
Intensivere Wahrnehmung von Farben - andere "Optik":
und seine Kleider wurden hell und sehr weiß, wie sie kein Bleicher auf Erden so weiß machen kann.
und sein Gewand wurde weiß und glänzte.
und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne
Wer schon mal mit LSD Erfahrungen gemacht hat, kennt solche Effekte. Ich meine jetzt aber keine Halluzinationen, bei denen man Sachen sieht, die nicht da sind. Es sieht alles so aus wie immer, nur die Farben sind anders, intensiver (aber nicht bunter), tiefer (aber nicht dunkler) irgendwie leuchtender und strahlender.
Ein anderer Effekt: Die Gesichter von Menschen verlieren irgendwie ihre "Fassade".
Sie erschienen verklärt
sahen sie, wie er verklärt war, und die zwei Männer, die bei ihm standen.
wurde das Aussehen seines Angesichts anders
Man erkennt das eigentliches "Wesen" der anderen viel deutlicher. Die kleinsten Gefühlsregungen des anderen "springen einen förmlich an" - stark gesteigerte Empathie (sehr aktive Spiegelneuronen?). Es ist, als würden die Gefühle des anderen auf einen selbst übertragen.
Die "normale" Distanz zum anderen bietet dem "Ich" einen gewissen Schutz, einen eigenen Raum. Diese Distanz verschwindet immer mehr. Man bekommt eine starke Verbindung, als wäre man "ein Fleisch". Den oder die anderen so "intim" zu erleben ist sehr ungewohnt. Manche erschreckt diese ungewöhnliche Intimität zunächst.
denn sie waren ganz verstört.
Wenn man sich ein wenig daran gewöhnt hat, weicht die Angst und man beginnt diese Nähe zu den anderen zu genießen. Diese Intimität wird immer umfassender, dehnt sich immer weiter aus, auf Pflanzen, Tiere selbst auf Steine, auf die ganze Umgebung, man steht auf "heiligem Boden" - diese liebevolle Intimität wird immer weiter, umfängt das gesamte Universum - bis man Eins mit Allem ist. Das sind die schönsten Erlebnisse, die ich je hatte - ohne Drogen und Jahrzehnte nach meinen spärlichen LSD Erfahrungen.
Der Begriff "Reich Gottes" trifft den Nagel auf den Kopf. Die Zeit steht still. Alles ist gut.
Und Petrus fing an und sprach zu Jesus: Rabbi, hier ist für uns gut sein.
Der Petrus will gar nicht mehr weg, will sich hier gleich mit den anderen häuslich einrichten - weil er sich da zu Hause fühlt, seine "Heimat" wiedergefunden hat.
Wir wollen drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.
Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Moses eine und Elia eine.
Das geht natürlich nicht, weil den drei Aposteln "das gelobte Land in dem Milch und Honig fließt" zunächst nur gezeigt wird, wie einst Abraham und Mose - wirklich hinein und für immer bleiben dürfen sie noch nicht.
Aus dieser Fülle wieder ins normale Bewusstsein zurückzukehren ist zunächst ebenfalls erschreckend.
Und auf einmal, als sie um sich blickten, sahen sie niemand mehr bei sich als Jesus allein.
Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!
Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.
Diese Qualität des Erlebens wird immer weniger, geht immer mehr verloren, es ist als würde man beraubt, man ist dem so ausgeliefert, man kann nichts dagegen tun. Dann ist alles wieder "normal" - nur die Erinnerung bleibt und das schmerzliche Gefühl des davon Getrenntseins.
In manchen Kulturen werden Drogen, z.B. Peyote in einem religiösen Kontext genutzt. Andere erleben so etwas durch Meditation oder Exerzitien. Wieder anderen wurden solche Geschenke spiritueller Erfahrungen einfach so, "aus heiterem Himmel" gemacht und viele bringen das nicht mal mit Religion in Verbindung. Die christlichen Mystiker scheinen irgendwie aus der Mode gekommen zu sein.
Hier in der Bibel wird bei der Verklärung sicher kein Drogentrip beschrieben sondern ein Geschenk, dass Jesus seinen Jüngern machte.
Zum Thema Naherwartung: "Das Reich Gottes ist nahe." Das ist nicht zeitlich gemeint. Es ist immer da - Hier und Jetzt auch. Wir leben jetzt "im Garten Eden", im "gelobten Land, wo Milch und Honig fließt", im "Sein" - nur unsere Wahrnehmung ist eingeschränkt auf die materiellen Erscheinungen, das "Dasein". Nur das können wir im Augenblick wahrnehmen. Unser Blick - auf das "Sein", das uns umfängt - ist durch unser Ego verstellt, behindert, getrennt und irgendwie in der Materie gefangen.
Im Markus Evangelium schließt die "Verklärung" unmittelbar an die "Nachfolge" an. Das ist kein Zufall.
Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's erhalten. Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden?
Dieses "der verleugne sich selbst" meint unser Ego, unser verhaftet sein in der Welt, das diese scheinbare Distanz von Gott verursacht.
Die "Nachfolge" wiederum schließt direkt an die erste Ankündigung des Leidens und der Auferstehung an und endet mit
Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh weg von mir, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.
Das muss man alles im Zusammenhang sehen, dann wird auch klar, warum Jesus den Petrus mit auf den Berg nimmt: Damit er einen Blick für das Göttliche bekommt, und das Menschliche nicht mehr so wichtig nimmt.
Ist jetzt ein wenig lang geworden. Macht nix, wird bestimmt gleich wieder mit einem Zweizeiler "pulverisiert".
