Die Früchte des Reduktionismus.

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#71 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Di 23. Dez 2014, 20:51

sven23 hat geschrieben: Schönes Beispiel war die Homöopathie.
Ach Du lieber Gott. - Esoterik wird aber in der Bevölkerung anders verstanden - eher in Richtung religiös.

Nach Deiner Definition wäre man schon esoterisch, wenn man sich verliebt. - Denn auch da muss man sich ungeprüft auf seine Wahrnehmung verlassen. :lol:

sven23 hat geschrieben:Was ist die Realtität? Die realen Kreise oder die Spirale, die unser Gehirn daraus macht?
Das ist eine gute Frage. - Was ist Realität? Der aus Konsonanten und Vokalen bestehende Satz oder die inhaltliche Bedeutung, die man darin zu erkennen glaubt?

sven23 hat geschrieben:Eine Fata Morgana ist keine Veredelung, sondern ein Trugbild, das schon manchem das Leben gekostet hat.
Eine runde Bleistift Linie aus Pixeln, die untereinander naturgemäß Zwischenraum haben, wäre demnach eine Täuschung, wenn man sie als "Kreis" bezeichnet. - Irgendwo passt da was nicht.

sven23 hat geschrieben:Ein Ingenieur weiß doch auch, daß ein Motor mehr als die Summe seiner Teile ist.
Natürlich weiss er es - weil er schlauer ist, als er weiß. - Rein reduktionistisch dürfte er es NICHT wissen.

closs
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#72 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Di 23. Dez 2014, 20:54

sven23 hat geschrieben: die zeigt, wie unterschiedlich das Gehirn den gleichen Grauwert interpretiert, weil derselbe Grauwert in unterschiedlicher Umgebung liegt.
Das passiert doch bei meinem Beispiel auch - mit GUTEM (!) Grund.

sven23 hat geschrieben:Wie alle optischen Täuschungen geben solche Versuchsaufbauten gute Rückschlüsse über die Arbietsweise des menschlichen Gehirns.
Richtig - und anstatt es "Getäuscht-Werden" zu nennen, könnte man es genauso als "Schlau-Sein" bezeichnen.

Wenn das Gehirn den Farbwert RAL 1023 einmal so und einmal anders sieht, dann nicht, weil es doof ist, sondern weil es schlau ist. - Wenn das Gehirn denselben Grauton im Schatten anders sieht als ohne Schatten, dann nicht, weil es doof ist, sondern weil es schlau ist.

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#73 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Di 23. Dez 2014, 21:04

closs hat geschrieben:Ach Du lieber Gott. - Esoterik wird aber in der Bevölkerung anders verstanden - eher in Richtung religiös.

Ok, meinetwegen auch pseudoreligiöser Aberglaube, auf jeden Fall aber falsche Wahrnehmung.

closs hat geschrieben: Nach Deiner Definition wäre man schon esoterisch, wenn man sich verliebt. - Denn auch da muss man sich ungeprüft auf seine Wahrnehmung verlassen. :lol: .

Gefühle mit dem Verstand kontrollieren zu wollen- und das noch in der Liebe- das funktioniert natürlich nicht und ist imo auch gar nicht notwendig. Ganz andere Baustelle.

closs hat geschrieben: Das ist eine gute Frage. - Was ist Realität? Der aus Konsonanten und Vokalen bestehende Satz oder die inhaltliche Bedeutung, die man darin zu erkennen glaubt?

Du weichst der Frage aus. Ist das statische Bild die Realtiät oder das bewegte Bild, das uns unser Gehirnkino vorspielt?

closs hat geschrieben: Natürlich weiss er es - weil er schlauer ist, als er weiß. - Rein reduktionistisch dürfte er es NICHT wissen.

Warum das denn nicht? Wenn er aus Einzelteilen einen Motor basteln will oder ein ganzes Auto, muß er auch holistisch denken. Beides zusammen ergibt das Gesamtwerk. Nicht entweder oder, sondern sowohl als auch.
Zuletzt geändert von sven23 am Di 23. Dez 2014, 21:32, insgesamt 1-mal geändert.
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#74 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Di 23. Dez 2014, 21:11

closs hat geschrieben:Richtig - und anstatt es "Getäuscht-Werden" zu nennen, könnte man es genauso als "Schlau-Sein" bezeichnen.

Das hatten wir doch schon geklärt. Die autovervollständigen Funktion ist eine sehr sinnvolle und hat sich im Laufe der Evulotion bewährt. Trotzdem kann man das Gehirn in bestimmten Situationen täuschen, d. h. man kann sich nicht bedingunglos auf seine Interpretation/Wahrnehmung verlassen.

Diese Fehlleistungen gefährden aber nicht die Erhaltung der Art. ;)

Ein anderes Feld wären die unbewußten Selbsttäuschungen, denen sicher auch schon mal jeder erlegen ist.
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#75 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Di 23. Dez 2014, 21:25

closs hat geschrieben:Der Unterschied, ob auf etwas ein dunkler Schatten fällt oder nicht, ist virtuell? :o
So ist es! Schau dir das Bild nochmal in Ruhe an.
Bild
[ Quelle: Wikimedia commons ]

Das Gehirn wird durch den Kontext dazu verleitet, die Quadrate falsch einzuordnen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Worin besteht denn der Unterschied zwischen physikalischer- und Lebens-Wirklichkeit?
Dass man ein von der Sonne erleuchtetes Ding mit der Farbe RAL 1023 anders wahrnimmt als dasselbe Ding mit RAL 1023, auf das ein Schatten fällt.
Das entspricht nicht den Tatsachen. Es geht um gleiche Grauschattierungen oder um Unterkühlung.
In beiden Fällen wird in der Warhnehmung etwas vom Gehrin konstruiert. Im Fall der Graufärbung, wird das eine Quadrat als "weiß" gekenntzeichnet, das andere als "schwarz". Im Fall der Unterkühlung stimmt die Wahnehmung der der Kälte mit der Realität überein.
In beiden Fällen ist es Kontruktion des Gehirns einer realen Situation.
Aber es gibt keinen Unterschied zwischen physikalischer- und Lebens-Wirklichkeit.

closs hat geschrieben:Das Phänomen der Unterkühlung des Körpers ist trotzdem ein rein physikalischer Vorgang.
Das ist eh nicht bestritten - es geht darum, dass dies nur ermittelbar ist, wenn man zur Information "- 5 °C" weitere Informationen heranzieht[/quote] Das stimmt zwar, ist aber physikalischer Fakt, und wird auch vom Gehirn richtig interpretiert. Ich sehe das Problem nicht.

closs hat geschrieben:Und da meine ich eben, dass die Antwort auch eine sein kann, bei der das Gehirn gut wegkommt - also dass es nicht "getäuscht" wurde, sondern "weitergedacht" hat.
Das hat es bestimmt auch, nur hat es die falsche Schlussfolgerung gezogen, so dass am Ende die Warhnehmung voll an der Realität vorbei geht. Shit happens, wie man sagt, oder Irren ist menschlich.

closs hat geschrieben:Verstehe hier nicht die Frage nach der Intentionalität. - Entweder das Gehirn wird getäuscht oder nicht.
Getäuscht ist hier vielleicht das falsche Wort. Das Gehirn konstruiert in beiden Fällen ein mentales Bild. Im Fall des "Lila Rings" war es die Intention des Autors die Illusion deutlich zu machen. Im Fall dr Bleistiftzeichnung, wollte der Autor einfach nur die Zeichnung vorlegen.
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#76 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Di 23. Dez 2014, 21:45

Pluto hat geschrieben:Wir konstatieren: Es gibt keinen Unterschied zwischen physikalischer- und Lebens-Wirklichkeit.
Jein - würde ein Mensch in der Natur genau in derselben Position stehen wie der Betrachter des Bildes, hast Du recht: Denn dann müsste sich das Auge für EINE Blende entscheiden (weil ja beide Motive da sind: "Q in Licht" und "Q in Schatten". - In diesem Fall würde B dunkler erscheinen als hier auf dem Bild. - Stünde aber der Beobachter im Schatten des Zylinders, würde er aufgrund einer anderen Blende B heller sehen.

Dieses Bild macht im Grund etwas, was es in der Natur nicht gibt (insofern hast Du recht): Es arbeitet quasi mit zwei Blenden zum selben Zeitpunkt. - Die Frage: Ist das nun "Täuschung", wenn das Gehirn sagt: "Passt - so sehe ich zwei Blenden in einem, die ich in der Natur nur in zwei Positionen sehen könnte." ---?--- Denn authentisch ist es ja in Bezug auf die beiden Persüektiven.

Pluto hat geschrieben: so dass am Ende die Warhnehmung voll an der Realität vorbei geht.
Das mag philosophisch klingen: Aber wie kann man voll an der Realität vorbeigehen, wenn man sie im Grunde trifft? - Nur dass die Konstellation in der Natur so nicht vorkommen könnte.

Pluto hat geschrieben:Was will dir der Autor der Illusion des "Lila Rings" sagen?
Der Autor will mir sagen, dass das Gehirn sich täuscht. - Aber das ist doch irrelvant. - Fakt ist, dass es auch bei der Bleistift-Zeichnung strenggenommen eine Täuschung ist. - Auch das Fernsehen ist eine Täuschung - man lässt pro Sekunde 20 Standbilder durchlaufen (so war es früher) - der Mensch sieht es als Kontinuum. - Das Gehirn wurde getäuscht? - Nein, das Gehirn hat etwas gecheckt und daraus Schlussfolgerungen gezogen, die es umsetzt.

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#77 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Di 23. Dez 2014, 21:58

closs hat geschrieben: - Auch das Fernsehen ist eine Täuschung - man lässt pro Sekunde 20 Standbilder durchlaufen (so war es früher) - der Mensch sieht es als Kontinuum. - Das Gehirn wurde getäuscht? - Nein, das Gehirn hat etwas gecheckt und daraus Schlussfolgerungen gezogen, die es umsetzt.

Ich würde eher sagen, daß Auge und die Informationsverarbeitung ist an seine Grenze gestoßen. Bei weniger Bilder ruckelt der Film, bei mehr erscheint der Film verlangsamt. Die Bildwiederhohlrate ist eine Anpassung an unsere Sehleistung, nicht umgekehrt. siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Flimmerver ... gsfrequenz
Eine Fliege hat eine ganz andere Wahrnehmung von Bewegung, für sie bewegen wir uns in Zeitlupe, weshalb es so schwer ist, sie zu erwischen.
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#78 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Di 23. Dez 2014, 22:14

closs hat geschrieben:In diesem Fall würde B dunkler erscheinen als hier auf dem Bild. - Stünde aber der Beobachter im Schatten des Zylinders, würde er aufgrund einer anderen Blende B heller sehen.

Dieses Bild macht im Grund etwas, was es in der Natur nicht gibt (insofern hast Du recht): Es arbeitet quasi mit zwei Blenden zum selben Zeitpunkt. - Die Frage: Ist das nun "Täuschung", wenn das Gehirn sagt: "Passt - so sehe ich zwei Blenden in einem, die ich in der Natur nur in zwei Positionen sehen könnte." ---?--- Denn authentisch ist es ja in Bezug auf die beiden Perspektiven.
Dabei ist es ganz einfach.
Es gibt in Wirklichkeit keinen Unterschied im Grauton. Die Illusion wird durch den Kontext des Schachbrettmusters erzeugt. Statt Realität wird der Schein wahrgenommen.

closs hat geschrieben:Das mag philosophisch klingen: Aber wie kann man voll an der Realität vorbeigehen, wenn man sie im Grunde trifft?
Die konstruktiven Prozesse des Gehirns machens möglich.
closs hat geschrieben:Nur dass die Konstellation in der Natur so nicht vorkommen könnte.
So ist es. Weil diese Dinge in der Natur nicht so vorkommen, zieht das Gehirn in seiner Verwirrung falsche Schlüsse.

closs hat geschrieben:Auch das Fernsehen ist eine Täuschung - man lässt pro Sekunde 20 Standbilder durchlaufen (so war es früher) - der Mensch sieht es als Kontinuum.
Ganz richtig.
Das menschliche Auge hat eine Latenzzeit von etwa einem 12-tel einer Sekunde, dehalb erkennt es schnellere Bildfolgen als Bewegung.

closs hat geschrieben:Das Gehirn wurde getäuscht?
So ist es!
closs hat geschrieben:Nein, das Gehirn hat etwas gecheckt und daraus Schlussfolgerungen gezogen, die es umsetzt.
Objektiv wissen wir, dass es sich um Standbilder handelt, die wir zu einer Bewegung zusammensetzen. Ich sehe nicht, was an dieser Vorstellung falsch oder gar schlimm sein sollte. Das ist normaler Alltag.
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#79 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Di 23. Dez 2014, 22:24

Pluto hat geschrieben:Statt Realität wird der Schein wahrgenommen.
Aber das ist doch in der "Realität" genauso - Dein Hemd sieht für Dich im Keller anders aus als dasselbe Hemd im Garten bei Sonnenschein.

Pluto hat geschrieben: Die Illusion wird durch den Kontext des Schachbrettmusters erzeugt.
Wirklich? - Ich sehe den "Täter" im SChatten des Zylinders - oder nicht?

Pluto hat geschrieben:Das menschliche Auge hat eine Latenzzeit von etwa einem 12-tel einer Sekunde, dehalb erkennt es schnellere Bildfolgen als Bewegung.
Dummes, getäuschtes Gehirn? - Natürlich meinst Du das nicht. - Aber wie willst Du unterscheiden - Fakt ist nun mal, dass wir nur Standbilder sehen und diese "irrtümlich" für einen Film halten - irrtümlich?

Pluto hat geschrieben:Objektiv wissen wir, dass es sich um Standbilder handelt, die wir zu einer Bewegung zusammensetzen.
Eben - das ist, was wir hier "holistisches Denken" nennen. - Das Gehirn würde sich veräppelt fühlen, wenn man ihm vorwerfen würde, es hätte deshalb nicht alle Tassen im schrank.

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#80 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Di 23. Dez 2014, 22:51

closs hat geschrieben:Dein Hemd sieht für Dich im Keller anders aus als dasselbe Hemd im Garten bei Sonnenschein.
Richtig! Es sieht so aus; ist es aber nicht. Farben sind IMMER Wahrnehmung. Die Welt ist nicht bunt. Nur gewisse Dinge reflektieren andere Teile des elektromagnetischen Spektrums. Farbe ist Wahrnehmung und wird vom Gehirn konstruiert.

Eine Rose ist nicht rot; sie sieht nur aus... wie rote Dinge eben aussehen.

closs hat geschrieben:Ich sehe den "Täter" im SChatten des Zylinders - oder nicht?
Ich sehe gar keinen "Täter". Wenn überhaupt dann ist der Autor der "Täter". Er will uns mit der Zeichnung zeigen wie leicht sich das Gehirn täuschen lässt.

Pluto hat geschrieben:Fakt ist nun mal, dass wir nur Standbilder sehen und diese "irrtümlich" für einen Film halten - irrtümlich?
Hast du mal einen alten Zelluloidstreifen in der Hand gehabt? Er besteht aus lauter Standbilder, die schnell hintereinander projiziert werden. Erst im Gehirn entsteht durch die Bildsequenzen die Illusion der Bewegung. Hast du mal einen alten Film von Laurel und Harvey angeschaut? Die laufen alle viel zu schnell, weil man früher weniger Standbilder verwendete.
Das Wort Kino kommt von Kinematographie. In dem Wiki Artikel wird alles erklärt.

closs hat geschrieben:Das Gehirn würde sich veräppelt fühlen, wenn man ihm vorwerfen würde, es hätte deshalb nicht alle Tassen im schrank.
Das Gehirn fühlt gar nichts, lieber closs. Es ist nur ein Organ; der Produzent unserer Gefühle.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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