Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Philosophisches zum Nachdenken
JackSparrow
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#131 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von JackSparrow » Sa 29. Nov 2014, 03:29

Andreas hat geschrieben: Tief verstandenes Christentum könnte ein Teil der notwendigen Lösungen sein
Vorher muss es allerdings die passenden Probleme bereitstellen.

Die gesellschaftlich relevanten Entscheidungen fallen auf ganz anderer Ebene.
Ja, und die zur Verfügung stehenden Optionen heißen Angriff, Flucht und Schreckstarre. Bevor sie in wohlklingende philosophische Sätze umgeformt werden, um die eigene Handlung vor seinen Mitmenschen nachträglich rechtfertigen zu können.


closs hat geschrieben:Wie stellt ein Mann unter Abertausenden von Frauen fest, welche die Richtige ist?
Er orientiert sich an seinen persönlichen Vorlieben.

closs
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#132 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » Sa 29. Nov 2014, 07:21

JackSparrow hat geschrieben:Er orientiert sich an seinen persönlichen Vorlieben.
Klingt nach Einstellungs-Gespräch - möglicherweise in Zukunft assistiert von einem Personaler mit Psychologiestudium.

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sven23
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#133 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von sven23 » Sa 29. Nov 2014, 09:52

closs hat geschrieben:Mir würde es schon reichen, dass man Sein als autonome Größe verstünde und sich davon überraschen lassen könnte, selbst wenn man es nicht objektivieren kann. - Allein diese Offenheit wäre ausreichend - Religion kommt viel später.

Vielleicht sollte man mal begreifen, daß alles, was wir uns ausdenken können, sei es Religion, Götter, Esoterik, Transzendenz, ja sogar das postulierte SEIN, Phänomene des Daseins sind.
Es sind keine Phänomene bekannt, die nicht Teilmenge des Daseins wären.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Salome23
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#134 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Salome23 » Sa 29. Nov 2014, 10:36

[color=#0000BF][b]closs[/b][/color] hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Wie stellt ein Mann unter Abertausenden von Frauen fest, welche die Richtige ist?
Er orientiert sich an seinen persönlichen Vorlieben.
Klingt nach Einstellungs-Gespräch - möglicherweise in Zukunft assistiert von einem Personaler mit Psychologiestudium.
Was wäre deine Antwort, wenn man dir die Frage stellen würde? :D

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Savonlinna
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#135 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Savonlinna » Sa 29. Nov 2014, 11:07

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Mir würde es schon reichen, dass man Sein als autonome Größe verstünde und sich davon überraschen lassen könnte, selbst wenn man es nicht objektivieren kann. - Allein diese Offenheit wäre ausreichend - Religion kommt viel später.
Vielleicht sollte man mal begreifen, daß alles, was wir uns ausdenken können, sei es Religion, Götter, Esoterik, Transzendenz, ja sogar das postulierte SEIN, Phänomene des Daseins sind.
Es sind keine Phänomene bekannt, die nicht Teilmenge des Daseins wären.
So, wie Du es schreibst - mit einer Ausnahme allerdings -, würde ich es auch schreiben. Denn was immer man nennt an wahrgenommenen Phänomenen, es ist immer aufzeigbar, dass ein Mensch das wahrgenommen, gedacht oder notiert hat.

NUR, und jetzt kommt das große Nur:
Und ich benutze dafür jetzt mal ein Wort, das mir bislang nicht eingefallen war, und das, wie alle Wörter, nur bedingt tauglich ist, aber als Analogie vielleicht doch nützlich ist; ein Wort, das ich jetzt ein bisschen zweckentfremde, in einem Sinn, den ich gleich noch erklären will:
Parallelwelt.

Ich habe mal ziemlich lange für mich zu klären versucht, was ich eigentlich genau tue, wenn ich Anleihen bei unserer realen Wirklichkeit mache und daraus eine Theateraufführung bastele. Statt realer Häuser angemalte Häuser aus Sperrholz auf die Bühne stelle. Was verlange ich da dem Zuschauer ab? Soll er sich echte Häuser dabei denken oder was?
Ich hatte da eine echte Krise, weil ich mein Tun inzwischen etwas albern fand, wollte so'n Quatsch nicht mehr weiterführen.

Bis mir dann - und das dauerte Jahre - aufdämmerte, dass man mit sowas keineswegs unsere reale Wirklichkeit auf äußerst unzulängliche Weise imitiert, sondern im Zuschauer eine andere Form von Wahrnehmungsorganen aktiviert.

Deutlicher beschreiben kann ich das mit einem anderen Beispiel, das mir das mit der "Parallelwelt" klar gemacht hat.
Ich komme müde und erschossen von der Arbeit, habe mich aber am Abend mit Freunden in einem Gartenrestaurant verabredet.
Wir betreten den Garten des Gartenrestaurants, das sehr geschickt mit indirekten Lampen hinter den Büschen beleuchtet ist, dazu eine sanfte Musik von einem Orchester und das leise heitere Plaudern der Gäste miteinander:

und schlagartig fällt meine Müdigkeit und gestresste Laune ab, ich atme tief durch, bin plötzlich glücklich. Ich habe eine "Parallelwelt" betreten und meine Arbeitswelt abgelegt.
Erzeugt worden ist das durch ein geschicktes Arrangement (Pflanzen, Beleuchtung, Musik, plaudernde Menschen), aber was das in mir ausgelöst hat, ist eine eigene, in sich ruhende Welt.

Diese Welt hat eine andere Seinsform als die Arbeitswelt, weil da andere Wahrnehmungsorgane aktiviert sind.
Diese anderen Wahrnehmungsorgane kreieren eine unterschiedlich empfundene Welt.
So auch, wenn man Musik hört.
Diese andere Welt sucht man ja auch bewusst auf, wenn man zum Beispiel in einem Wald spazieren geht und keinen Autolärm mehr hören will, sondern nur Vogelgezwitscher.

Insofern sind das zwei unterschiedliche Dinge:
das, was die Wahrnehmung einer Parallelwelt ausgelöst hat, ist klar beschreibbar und ist materiell. Das, was da ausgelöst wurde, ist nicht materiell, und was genau da entstanden ist - danach fragen wir ja die ganze Zeit. in diesem Thread und auch in dem "Geist"-Thread.

Eins scheint mir sonnenklar:
es sind zwei unterschiedliche "Seins"formen.
Und etwas anderes ist ebenfalls sonnenklar:
es ist nicht "ausgedacht", wie sven23 behauptet.

Die ewige Frage von closs, wie man unterscheiden kann, ob bloßes Ausdenken vorliegt oder nicht, kann schon mit der Kritik an solchen Aussagen wie "alle Phänomene sind von Menschen "ausgedacht" beginnen:

es ist eben nicht ausgedacht, sondern es geschieht. Es ist vorhanden, real vorhanden.
Kein Psychologe würde behaupten, dass ein Trauma ausgedacht ist, dass ein Glücksgefühl ausgedacht ist.
Der Vorwurf des Ausgedachtseins beruht auf ungenauer Beobachtung. Er ist schon mit wissenschaftlichen Mitteln widerlegbar.

Klar gibt es auch ein Ausdenken. Aber das, was in dem Gartenlokal ausgelöst wurde, war ja nicht ausgedacht. Es wurde eine Welt wahrgenommen - man war in sie abgetaucht -, in der die Alltagsprobleme plötzlich lösbar schienen.

Und so kann auch eine gemalte Kulisse eines Hauses auf der Bühne in dem Zuschauer ein Verstehen dafür auslösen, dass man "behaust" oder "unbehaust" leben kann. Die künstliche Kulisse kann das Wesentliche eines empirischen Hauses bewusst machen.

Kommt das dem nahe, was Du suchst, closs?

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#136 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » Sa 29. Nov 2014, 11:17

Salome23 hat geschrieben:Was wäre deine Antwort, wenn man dir die Frage stellen würde?
Es tut einen Schlag oder nicht.

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#137 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » Sa 29. Nov 2014, 11:31

Savonlinna hat geschrieben:Kommt das dem nahe, was Du suchst, closs?
Bin noch nicht ganz sicher.

Dass man in andere Welten abtauchen kann, ist sicher richtig. - Die Frage ist, ob das ein rein psychologischer oder ein (spirituell) geistiger Vorgang ist - der Unterschied: "psychologisch" ist durch und durch daseins-/diesseits-mäßig begründbar - spirituell-geistig NICHT.

Sven bezieht hier eine klare Haltung: Geist = aus Materie = ohne Materie gibt es Geist nicht = nach Ableben der MAterie ist auch der menschliche Geist/die menschliche Existenz weg. - Bei Dir weiß ich noch nicht, wo Du diesbezüglich stehst.

In Bezug auf Dein beobachtetes Phänomen sind wir uns einig - dessen Deutung ist jedoch noch unklar. - Das von Dir gewählte Beispiel wäre durchaus rein psychologisch deutbar. - Aber wie ist es etwa bei Bachs Musik: Wäre sie rein psychologisch als "Parallel-Welt deutbar oder muss man sie spirituell-geistig verstehen? (Wobei "spirituell" aus meiner Sicht beinhaltet, dass die "Parellel-Welt" transzendenter NAtur/Genese ist).
Zuletzt geändert von closs am Sa 29. Nov 2014, 11:57, insgesamt 2-mal geändert.

Salome23
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#138 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Salome23 » Sa 29. Nov 2014, 11:38

closs hat geschrieben:
Salome23 hat geschrieben:Was wäre deine Antwort, wenn man dir die Frage stellen würde?
Es tut einen Schlag oder nicht.
Und diese Antwort gilt dann auch für Plutos Frage betreff der Spuren?
Pluto hat geschrieben:Wie stellt man denn unter Abertausenden von Spuren fest, welche die Richtige ist?

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#139 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » Sa 29. Nov 2014, 12:02

Salome23 hat geschrieben:Und diese Antwort gilt dann auch für Plutos Frage betreff der Spuren?
Man muss das Wort "Schlag" nicht zu wörtlich nehmen - ansonsten im Prinzip ja. - Man wird erfasst oder nicht. - "Wenn Ihr's nicht fühlt, Ihr werdet's nicht erjagen".

Um es christlich zu sagen: Geistige Erkenntnis (dazu gehört auch das, was man "wahre Liebe" nennt) ist eine Begnadung - zumindest der Funke dazu, zu dessen Auflodern man im zweiten Schritt seinen Beitrag leisten kann. - Kannst Du damit was anfangen?

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Savonlinna
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#140 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Savonlinna » Sa 29. Nov 2014, 12:16

@ closs

Ich versuche es von unten aufzubauen, Schritt für Schritt.
Ich will ja nicht ein bestimmtes Ergebnis haben, sondern möchte die Abläufe in ihrer Eigenart durch genaue Beobachtung verstehen.

Mir ging es erst einmal darum, nachzuweisen, dass der Vorwurf - "alles nur ausgedacht" - nicht haltbar ist.

Wenn ich zu lange posts schreibe, werde ich nicht mehr gelesen, glaube ich, darum habe ich erst mal nur die ersten Schritte gemacht.

closs hat geschrieben:Die Frage ist, ob das ein rein psychologischer oder ein (spirituell) geistiger Vorgang ist - der Unterschied: "psychologisch" ist durch und durch daseins-/diesseits-mäßig begründbar - spirituell-geistig NICHT.
Das wäre dann der nächste Schritt bzw. der übernächste.
Nach C.G.Jung geht das Psychische über in das Geistige.
Wie kann man den Unterschied erspüren? Das ist jetzt auch eine Frage an Dich, oder an andere. Wie kann man den Unterschied erspüren?

Ich glaube sogar, dass das, was ich beschrieben habe, geistiger Natur ist. Hängt natürlich davon ab, wie man die Begriffe versteht. Die Nachwehen eines Traumas sind psychischer Natur, würde ich formulieren.
Das Erspüren und Wahrnehmen, dass es ein "Unbehaustsein" gibt und ein "Behaustsein" gibt, eher geistiger Natur.

closs hat geschrieben:Sven bezieht hier eine klare Haltung: Geist = aus Materie = ohne Materie gibt Geist nicht = nach Ableben der MAterie ist auch der menschliche Geist/die menschliche Existenz weg. - Bei Dir weiß ich noch nicht, wo Du diesbezüglich stehst.
Das sind aber doch nur abstrakte Formulierungen. Geht es Dir darum, welche Begrifflichkeiten ich bevorzuge? Oder welches Konstrukt ich mir zurecht gelegt habe?
Ich habe keine Konstrukte mehr. Entweder ich finde auf meinem Weg - indem ich die menschliche Wahrnehmung hochsensibel abtaste auf das, was da abläuft - auch das, was viele als "Gott" bezeichnen, oder aber ich muss feststellen, dass jeder Gläubige lediglich Konstrukte braucht.

closs hat geschrieben:In Bezug auf Dein beobachtetes Phänomen sind wir uns einig - dessen Deutung ist noch unklar. - Das von Dir gewählte Beispiel wäre durchaus rein psychologisch deutbar.
Meine Erkenntnis ist: nichts ist nur auf einer Ebene deutbar.
Wenn Du das Beispiel mit dem Gartenlokal meinst: es hat natürlich auch eine psychische Seite. So wie es eine physische Seite hat. Aber es hat eben auch eine geistige Seite.
Die geistige Seite habe ich eher mit dem Theater-Beispiel einzukreisen versucht.

Diese "Parallweiten" durchdringen einander, sind jede Sekunde für uns vorhanden.
Wir richten nur den Fokus meist nur auf eine davon.
Aber man kann die Wahrnehmung schulen.
So wie der Ungeschulte bei einer Sinfonie vielleicht erst mal nur ununterscheidbare Geräusche hört.
Dann verfeinert sich seine Wahrnehmung, und er hört Flöten heraus.
Irgendwann hört er vielleicht alle Instrumente einzeln heraus und später sogar das Zusammenspiel als Komponiertes heraus.
Und irgendwann hört er gar nicht mehr die Instrumente als Instrumente, sondern das, wofür das Gehörte ein Sinnbild ist, er erkennt eine gedeutete Wirklichkeit.

closs hat geschrieben:- Aber wie ist es etwa bei Bachs Musik: Wäre sie als "Parallel-Welt deutbar oder muss man sie spirituell-geistig verstehen? (Wobei "spirituell" aus meiner Sicht beinhaltet, dass die "Parellel-Welt" transzendenter NAtur ist).
Die spirituell-geistige Wahrnehmung WÄRE dann eine Parallelwelt. Eine wahrgenommene Entität. Kein abstrakter Begriff, der nur die Verstandestätigkeit aktiviert, sondern eine lebendige Form, in der man ganz selbstverständlich lebt.
Die immer schon da war, nur übersehen war.

Ja, man muss "transzendieren", wenn man eine dieser Welten wahrnehmen will. Es ist immer ein Transit von der einen Welt zur anderen.

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