Was genau ist denn Geist?

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closs
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#81 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Mi 19. Nov 2014, 11:02

Savonlinna hat geschrieben:Ich dachte also, Du meinst, der Naturwissenschaftler könnte gar nicht anders, als die Welt auf Materie reduzieren.
Vielleicht hast Du mich doch nicht ganz missverstanden: Der Naturwissenschaftler kann als solcher nicht anders, als das Sein auf das zu reduzieren, was es für ihn prinzipiell wissenschaftlich nachweisbar ist - so war es gemeint.

Savonlinna hat geschrieben: Verlässt er diese streng wissenschaftlichen Kriterien, verlässt er die Wissenschaft.
Genau.

Savonlinna hat geschrieben:Die Kriterien für Ideologie wären hier klar gegeben.
Es sei denn, man bewertet nicht. - Wie würdest Du die Disziplin nennen, die interdisziplinär alles in sich vereint - also eine Metaebene - wer also Geisteswissenschaft und persönliche Erfahrungen und Naturwissenschaft und Mathematik, etc. nebeneinanderstellt und beurteilt???

Wie auch immer diese Disziplin hieße: Sie würde feststellen, dass - und damit stoßen wir zurück ins Thread-Thema - "Geist" in Naturwissenschaft, Geisteswissenschaft und christlicher Erfahrung erheblich anders definiert wird - und dementsprechend "Seele" auch.

Lena
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#82 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Lena » Mi 19. Nov 2014, 11:10

Etwas weniges - können wir erahnen. Niemals, was der Geist - genau - ist.

Gott ist zu viel
für die Fähigkeit des Menschen
über ihn zu denken

Geist - das unsichtbare Kommunikationsmittel zwischen dem Erbauer und dem Produkt.

Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind.
Röm. 8,16

und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes;
Luk. 1,47


Gott soll im Herzen der Menschen Wohnung nehmen, die ihn willkommen heissen. Vielleicht ist auch der Geist des Menschen da verborgen wo kein Mensch ihn finden kann - nur Gott allein.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

closs
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#83 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Mi 19. Nov 2014, 11:24

Lena hat geschrieben:Geist - das unsichtbare Kommunikationsmittel zwischen dem Erbauer und dem Produkt.
Auf christlicher Ebene ist Dir da nur zuzustimmen. - Der Punkt hier auf dem Forum ist, dass sich hier Naturwissenschaftler, Agnostiker, Atheisten und Christen tummeln, die dieses Wort aufgrund ihrer jeweiligen Ausgangslage ganz anders besetzen.

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Savonlinna
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#84 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » Mi 19. Nov 2014, 12:04

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich dachte also, Du meinst, der Naturwissenschaftler könnte gar nicht anders, als die Welt auf Materie reduzieren.
Vielleicht hast Du mich doch nicht ganz missverstanden: Der Naturwissenschaftler kann als solcher nicht anders, als das Sein auf das zu reduzieren, was es für ihn prinzipiell wissenschaftlich nachweisbar ist - so war es gemeint.
Okay. Dann widerspreche ich Dir also doch. :) Ich denke, es ist falsch, was Du sagst. Oder es klingt falsch.

Wer Naturwissenschaft studiert, interessiert sich für die naturwissenschaftliche Seite des Lebens, wahrscheinlich. Aber das ganze Sein naturwissenschaftlich zu deuten - das ist ein anderer Snack. Da teilt sich sofort Mensch X in seine Rolle als Wissenschaftler und in seine Rolle als Weltdeuter.
Was ist mit denen, die Philosophie und Physik gleichzeitig studieren? Oder Literatur und Medizin?

Das kann ein nicht-ideologisch veranlagter Mensch doch ohne Mühe:
Sich klar machen, dass er jetzt untersucht, wie ein Baum auf der Basis der wissenschaftlich definierten "Natur" funktioniert, und wie er in seinen Träumen funktioniert, und wie der Baum auf ihn wirkt, wenn er die Methode des wissenschaftlichen Betrachtens fort lässt und ihn "selber" auf sich wirken lässt.

Wenn Wissenschaft anfängt, eine ganze Kultur zu beherrschen, dann geht möglicherweise tatsächlich verloren, die Natur nicht mehr nur unter dem Aspekt des Untersuchens und des Nutzens zu betrachten.
Karl Marx nennt das Entfremdung, Goethe beschreibt das in seinem Gedicht "Ich ging im Walde so für mich hin", und Erich Fromm bezeichnet diesen Unterschied als "Haben oder Sein".

Blöde Analogie vielleicht, aber ein Bäcker, der sechs mal in der Woche Brötchen backt, meint sicher auch nicht, dass Fleisch letztendlich aus Brötchen besteht.


closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Die Kriterien für Ideologie wären hier klar gegeben.
Es sei denn, man bewertet nicht. - Wie würdest Du die Disziplin nennen, die interdisziplinär alles in sich vereint - also eine Metaebene - wer also Geisteswissenschaft und persönliche Erfahrungen und Naturwissenschaft und Mathematik, etc. nebeneinanderstellt und beurteilt???
Auf jeden Fall würde ich sie nicht "Naturwissenschaft" nennen...
Auch so eine Metawissenschaft könnte nicht davon absehen, Prämissen zu formulieren, die die Perspektive, aus der heraus das alles gesammelt, geordnet und miteinander verglichen wird, festlegt.


closs hat geschrieben: Wie auch immer diese Disziplin hieße: Sie würde feststellen, dass - und damit stoßen wir zurück ins Thread-Thema - "Geist" in Naturwissenschaft, Geisteswissenschaft und christlicher Erfahrung erheblich anders definiert wird - und dementsprechend "Seele" auch.
Ja. - Und jetzt verstehe ich besser, was Du mit dieser Metawissenschaft meintest. Sie untersucht die Bedingungen alles dessen, was "erscheint" - vielleicht?

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#85 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Pluto » Mi 19. Nov 2014, 12:21

closs hat geschrieben:Der Punkt hier auf dem Forum ist, dass sich hier Naturwissenschaftler, Agnostiker, Atheisten und Christen tummeln, die dieses Wort aufgrund ihrer jeweiligen Ausgangslage ganz anders besetzen.
Ich glaube, das hat weniger mit "Besetzung" zu tun. (der Begriff ist mir zu vage), als mit der eigentlichen Definition von Geist zu tun.
Also zurück zur Thread-Frage, "Was genau ist Geist?".

Meine Antwort darauf ist, Geist ist ein Prozess und kein "Etwas".
Ohne diese Einsicht, wüsste ich nicht wie das Geist/Körper Problem lösbar wäre.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#86 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Mi 19. Nov 2014, 13:31

Pluto hat geschrieben:Ich glaube, das hat weniger mit "Besetzung" zu tun. (der Begriff ist mir zu vage), als mit der eigentlichen Definition von Geist zu tun.
Die "eigentliche Definition" ist abhängig von der "Besetzung" - das ist doch das Problem. - Mit anderen Worten: Es gibt keine setzungsunabhängige "eigentliche" Definition.

Aus christlicher/spiritueller Sicht ist der (Heilige) Geist ein immaterielles Sein (also unabhängig von uns und unserer Wahrnehmung), das in der Materie des Menschen wirkt. - Die Wirkungsweise selbst kann man sicherlich als "Prozess" bezeichnen.

Dein Anliegen, WIE dies verbunden ist, ist ungeklärt - deshalb der Vorschlag eines Brainstormings unter Beteiligung christlicher Wissenschaftler. - Ich vermute, dass es im Menschen angelegt und deshalb responsefähig ist für geistige Einflüsse im Leben und sich dann der dafür vorgesehenen Mechanismen (Neuronen & Co) bedient.

Lena
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#87 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Lena » Mi 19. Nov 2014, 13:50

closs hat geschrieben:...ihrer jeweiligen Ausgangslage ganz anders besetzen.

Die Antwort hat mit der Grundlage über den Anfang des Menschen zu tun. Wo sich die Ansicht schon von Beginn an teilt, werden unterschiedliche Schienen, zu nicht demselben Ziel, befahren. Man redet zueinander, nicht aber miteinander. Wie sollte man sich auch noch hören und verstehen, wo die Richtung so unterschiedlich verläuft. Nicht allen gefällt die Vorstellung, dass der Mensch ein Kunstwerk, das Produkt eines dem Menschen weit überlegenen Meisters ist. Und das er ohne Ihn - Staub ist, der zu Staub zerfällt. Gott ist Geist und Leben.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
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#88 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Mi 19. Nov 2014, 14:03

Savonlinna hat geschrieben:Aber das ganze Sein naturwissenschaftlich zu deuten - das ist ein anderer Snack.
Zustimmung - neue Formulierung: Der Mensch ist seiner Funktion als Naturwissenschaftler denkt und bewertet anders als derselbe Mensch in seiner Funktion als "Weltdeuter".

In der Funktion als Naturwissenschaftler muss er dem Gebot des methodischen Atheismus folgen - alles andere wäre (buchstäblich) un-diszipliniert. - Sobald er als "nach Feierabend" den Wissenschafts-Kittel auszieht, bildet er sich eine Meinung, die nicht dem Gebot des methodischen Atheismus unterliegt.

Kommt er zum Ergebnis, dass das naturwissenschaftliche Bild gleichzusetzen sei mit seinem Weltdeutungs-Bild, ist er Naturalist/Materialist/etc.. - Kommt er aus geistigen Weltdeutungs-Erkenntnissen zum Ergebnis, dass das naturwissenschaftliche Bild nur einen Ausschnitt des Seins/der Realität betrifft, ist er bspw. Christ. - Wärest Du damit einverstanden?

Savonlinna hat geschrieben:Auf jeden Fall würde ich sie nicht "Naturwissenschaft" nennen...
Bingo. - Ich würde es "Ontologie" nennen - die Lehre vom Sein an sich - ganz wertfrei: "Was kann Sein sein". - Jedenfalls wäre es eine philosophische Disziplin.

Savonlinna hat geschrieben:Auch so eine Metawissenschaft könnte nicht davon absehen, Prämissen zu formulieren
Genau so ist es.

Im Sinne von Augustinus und Descartes ist die einzige prämisse-freie Aussage das "Cogito ergo sum" (bzw. "Si enim fallor, sum"), weil dies die einzige Aussage ist, bei der Subjekt (= Ich= Wahrnehmung) und das Objekt (= das Beobachtete/die Realität/das Sein) identisch sind (Descartes macht da zwar noch eine Einschränkung, die ich allerdings für irrig und somit überflüssig halte)

In diesem Forum wurde dies lange diskutiert - mit dem Ergebnis, dass Pluto es als Fortschritt sieht, diese Erkenntnis mit der Philosophie des 20./21. Jh. überwunden zu haben - eben dieses ist aus meiner Sicht ein Rückschritt.

Savonlinna hat geschrieben:Metawissenschaft ... Sie untersucht die Bedingungen alles dessen, was "erscheint" - vielleicht?
Sie untersucht, welche Aussage über "Realität" welcher Prämissen bedarf.

Im Grunde sind wir jetzt volle Kanne in der Romantik (die ja in ihrer Frühphase alles andere ist als das, was man heute unter "romantisch" versteht) - nämlich in der Auflösung jeglichen Fixpunkts. - Dies führt zum "Zauberlehrung" und zu Friedrich Schlegel - denn:

Es ist die Orientierungslosigkeit der erzwungenen Selbst-Vermaßstabung, die in Goethes „Zauberlehrling“ zur Katastrophe führt, wodurch sich der Zauberlehrling allerdings (insofern eine letzte Flucht zum fixen Maßstab) am Ende wieder an den Herrn und Meister wendet: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los". - Der Meister/der Maßstab/Gott endet schließlich den Spuk: “In die Ecke, Besen! Besen! Seids gewesen. Denn als Geister ruft euch nur, zu diesem Zwecke, erst hervor der alte Meister.”

Die im „Zauberlehrling“ versinnbildlichte Selbst-Normierung der Aufklärung und deren Scheitern ist geistesgeschichtlich besonders treffend in die Wende zwischen „Klassik“ und „Romantik“, also etwa um die Jahre 1795 - 1805, zu datieren. Dies ist die Zeit, in der nicht nur der „Zauberlehrling“ entsteht, sondern auch der Philosoph Gottlieb Fichte feststellt, dass ihn nicht interessiert, ob seine Philosophie christlich sei, wie es einen Mathematiker ebenso nicht interessiert, ob ein Kreis grün sei. Das heißt für unsere Zwecke: Der Erkenntnis – in der Sprache Heideggers – der ontologischen Differenz zwischen Sein und Dasein folgt beim „Zauberlehrling“ die Demut („Herr, die Not ist groß!“), bei Fichte die Selbstbehauptung/Selbst-Vermaßstablichung.

Diese Selbstbehauptung menschlichen Denkens unausgerichtet an Gott führt konsequenterweise beim Philosophen Friedrich Schlegel ihn dieser Zeit zu folgender Aussage: „Ein freier Mensch müsste sich selbst nach Belieben philosophisch oder philologisch, kritisch oder poetisch, historisch oder rhetorisch, antik oder modern stimmen können, ganz willkürlich, wie man ein Instrument stimmt, zu jeder Zeit und zu jedem Grade.“ (55. Lyceumsfragment). – Es bleibt einem ja nichts mehr anderes übrig.

Folgerichtig gibt es dann nach der Klassik verschiedenste Literatur-Ausrichtungen: Grabbe/Satire - Büchner/Politik - Eichendorff/christlich - etc. - Am Ende steht die Ver-Biedermeierung mit Mörike und C.D.Friedrich: Man ist zu müde geworden und zieht sich in sein (schein-)idyllisches Schneckenhaus zurück - die großen Fragen gibt es nicht mehr. - Ob es diese seitdem überhaupt nochmals gab (mal Th. Mann ausgenommen), wäre ein eigenes Thema.

Oje - jetzt war das aber arg weit ausgeholt. :oops:
Zuletzt geändert von closs am Mi 19. Nov 2014, 14:05, insgesamt 1-mal geändert.

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#89 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Mi 19. Nov 2014, 14:04

Lena hat geschrieben:Die Antwort hat mit der Grundlage über den Anfang des Menschen zu tun. Wo sich die Ansicht schon von Beginn an teilt, werden unterschiedliche Schienen, zu nicht demselben Ziel, befahren.
Stimmt - falsche Weichenstellungen ganz am Anfang führen in eine ganz andere Richtung. - Das gilt übrigens auch inner-christlich.

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#90 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Pluto » Mi 19. Nov 2014, 14:07

closs hat geschrieben:Dein Anliegen, WIE dies verbunden ist, ist ungeklärt - deshalb der Vorschlag eines Brainstormings unter Beteiligung christlicher Wissenschaftler.
Naja... christlicher Wissenschaftler...?
Wäre das dann nicht eine klar ideologisch unterlegte Diskussion? Genau das sollte man meiden.

closs hat geschrieben: Ich vermute, dass es im Menschen angelegt und deshalb responsefähig ist für geistige Einflüsse im Leben und sich dann der dafür vorgesehenen Mechanismen (Neuronen & Co) bedient.
Genau, diese Erklärung fehlt, wenn man die Frage spirituell angeht.
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[Quelle: http://cafehayek.com]
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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