lovetrail hat geschrieben:Ich denke, was überwunden ist, das ist ein eindimensionaler Idealismus, bei dem nur der Geist real wäre. Das andere Extrem ist der heutzutage herrschende ontologische Naturalimus, bei dem Geist/Bewusstsein/Bedeutung/Sinn als Produkt des Gehirns aufgefasst werden.
Alleine schon das Alltagsverständnis widerlegt eine solche These, da wir ständig damit konfrontiert sind, wie unsere Gedanken Wirklichkeit werden. (unsere Wünsche, Ängste, Vorstellungen...).
Ja, es ist zweifelsfrei korrekt, dass wir mit unseren Gedanken, Wünschen, Ängsten und Vorstellungen konfrontiert werden, doch diese Erfahrungen offenbaren uns meines Erachtens noch nicht, ob es sich dabei um natürliche oder übernatürliche Phänomene handelt. Wir erfahren erst einmal nur, dass Gedanken und Geist existieren.
Vielleicht sollten wir es aus einer anderen Perspektive betrachten. Damit spiele ich auf die
Ebenen des Diskurses an.
Das Problem ist meiner Meinung nach ein semantisches, denn der Begriff "Geist" ist ein
Polysem. Daher erscheint mir eine
Begriffsanalyse notwendig, also die Frage zu stellen:
Was ist Geist? Mein Vorschlag ist einfach die im Vorsatz verlinkte Quelle als Grundlage zu verwenden.
Was hat eine "Erscheinung", ein
Gheis, vor dem man erschaudert, mit den
Gedanken eines Menschen zu tun? Die Verwirrung entsteht meiner Meinung nach dadurch, dass wir aus historischen Gründen das selbe Wort mit
verschiedenen Bedeutungen verwenden.
Gott ist ein
Geistwesen, so wie die Engel
Geister sind. Dies bestätigt auch
Wikipedia:
Gott als die Quelle der rûah ist selbst
Geistwesen.
Dies solle man meiner Meinung nach streng vom Begriff des menschlichen Geistes trennen, denn die Erfahrung der Hirnforschung legt nahe, dass der menschliche Geist direkt mit dem Gehirn zusammenhängt. Diesbezüglich verweise ich auf folgendes Zitat aus dem Buch
Wille und Gehirn:
Zitat aus Wille und Gehirn (Seiten 87-88):
In der inneren Führung durch Willen im Bunde mit der schöpferischen Fähigkeit des Frontalhirns liegt die Freiheit zu neuen Lösungen, Freiheit nicht gegen, sondern mit der Natur. Ausstieg aus der Natur ist unmöglich; auch für geistige Tätigkeit, die ja Informationsverarbeitung durch Ordnungsänderung ist, ist Energie nötig. Der Wille steht nicht über dem Gehirn, der Geist sitzt nicht hinter dem Gehirn. Bei einer Verletzung der Retina des Auges z.B. sieht das Sehhirn (der visuelle Cortex) den Defekt als dunkles Skotom. Hingegen wird ein akuter Ausfall der ganzen Sehrinde (durch bilateralen Gefäßinsult der Arteria calcarina) nicht wahrgenommen: Der Patient ist blind, ohne dies zu sehen (Rindenblindheit, auch Seelenblindheit genannt). ... Das Seelische lebt nicht außer dem Gehirn, sondern es ist der Innenaspekt der Informationsverarbeitung im Menschengehirn, das bewusste Sehen ist beim Menschen eine Funktion der Hirnrinde (...). Ähnlich ist es mit dem Gewissen: wenn es durch Läsion des Frontalhirns verschwindet, merkt der Mensch den Verlust zunächst nicht; er kann sich sogar fröhlich einer Witzelsucht hingeben, durch leidvolle Erfahrung und Übung kann er aber einsichtiger werden.
Spricht dies nicht für eine
kausale Korrelation von
Geist und
Gehirn? Muss man
Geist zwingend als übernatürlich oder "feinstofflich" begreifen? Ich meine, der menschliche Geist ist kein "Stoff" irgendweiner Art, sondern ein System hochkomplexer Hirnprozesse.
Um dies zu untermauern, führe ich einige Zitate aus meinen Buch an, indem es um die kausalen Beziehungen zwischen Hirn-Läsionen und Störungen des Geistes geht.
Zitat aus Wille und Gehirn (Seiten 43-44):
Wir kennen die Lokalisation des Willens im Frontalhirn vor allem aus den Folgen von Hirnläsionen beim Menschen, gewisser Vorstufen des Willens aber auch aus Hirnläsionen, Faserverbindungen (Jones & Powell 1970, Nauta 1971, Kawamura 1977, Pandya & Yeterian 1990) und Nervenzelltätigkeit (Fuster & Rolls) im Gehirn von Affen, seit 1965 aber auch aus den elektrischen Hirnpotentialen und Hirnmagnetfeldern beim Menschen (Kornhuber & Deecke, Lang et al.) sowie in letzter Zeite auch aus bildgebenden Verfahren, ...
Die Farbmakierungen sind von mir.
Zitat aus Wille und Gehirn(Seiten 46):
Aber auch diese Erfahrungen nahm man seltsamerweise kaum zur Kenntnis, denn bis vor kurzem wurde die Diskussion in den USA über die Funktion des präfrontalen Cortex oft durch den Begriff "working memory" (...) beherrscht, der von Goldman-Rakic eingeführt wurde, aber nur eine Umbenennung der 1935 von Jacobsen bei Affen entdeckten Störung des Kurzzeitgedächnisses durch Läsionen der fronto-lateralen Konvexität war.
Zitat aus Wille und Gehirn (Seite 54 ):
Weiter gelten als Frontalhirntests der Contingency Naming Test, der Rey Complex Figure Test (Anderson et al. 2002) und der Trail Making Test (Moll et al. 2002) Erhöhte Ablenkbarkeit nach präfrontalen Läsionen wurde auch bei Affen bestätigt (Grüninger & Pribram 1969).
Auf Seite 67f. wird u.a. auf die Auswirkungen im Sozialverhalten bei Läsionen der Amygdala bei Affen eingegegangen:
- Ausschaltung der Amygdala bei erwachsenen Affen führt zu weniger Misstrauen (daher bei Kameraden beliebt)
-
"beidseitige Läsionen der Amygala bei Affen in früher Kindheit (Alter 2 Wochen)" führt zu
"Enttäuschungen durch zu große Sorglosikeit" und somit kausal zu mehr Ängstlistkeit im Sozialverhalten, aber keineswegs autistisch und ansonsten unaufällig. (
Prather et al. 2001).