Magdalena61 hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Mein Diskussionsansatz ist der, dass es durchaus möglich ist, dass ein Mensch in diesen Listen wie in einen "Spiegel" einige Laster, aber auch ein paar positive Früchte erkennt, die er offenbart. Das könnten auch Völlerei, Liebe und Sanftmut sein. In dem Fall wäre es sehr löblich, dass er Liebe und Sanftmut hervorbringt, sollte aber an dem Problem der Völlerei arbeiten.
Natürlich begünstigen gewisse Werke und Früchte einander, andere sind direkt einander entgegengesetz. Wer z.B. seine Selbstbeherrschung verbessert, dem dürfte es leichter fallen, die Völlerei zu unterlassen.
Ich sehe da ein Problem.
Absichtliches Fehlverhalten kann man durch Willensentscheidungen abstellen oder eindämmen.
Aber viele der menschlichen "Schwächen" und unangepassten Verhaltensweisen entstehen aus Minderwertigkeitsgefühlen und tatsächlichen Defiziten heraus. "Herzenshärtigkeit" nannte Jesus dieses Problem. Mit anderen Worten: (unabsichtliches) menschliches Versagen.
Damit hast Du sicher recht, aber ich denke, dass die meisten Menschen im Stande sein sollten, an sich zu arbeiten und sich zu verbessern. So wie man einen rauen Stein bearbeitet, um aus ihm ein Juwel zu formen.
Magdalena61 hat geschrieben:Man fragt sich: Warum lag bei den Gemeinden in Galatien denn ein solcher Lasterkatalog vor, sodass Paulus hier konkret werden und die Gemeinden darüber belehren musste, was falsch lief und korrigiert werden musste?
Was war in Galatien eigentlich Sache gewesen? -- Irgendwelche Judenmacher waren nach Paulus durch das Land gezogen, die den frisch bekehrten Christen erzählten, sie müssten außerdem noch das Gesetz des Mose befolgen.
Nur: WENN die Galater diese Gesetze in vollem Umfang realisiert hätten, dann wäre das ja nicht ganz so schlecht gewesen, als Verhaltenskodex, natürlich nicht als Mittel zur Rechtfertigung. Im mosaischen Gesetz gibt es keinerlei Erlaubnis oder Duldung des von Paulus thematisierten Lasterkatalogs.--
Wie konnte oder kann jemand, der das Gesetz ernst nimmt, guten Gewissens diese im Eingangspost aufgezählten Kategorien von Sünden pflegen?
LG
Das ist eine berechtigte Frage. Vielleicht waren die judaisierenden Missionare in Galatien deswegen der Meinung, dass die Torah die galatischen Heidenchristen auf "Kurs" bringen würde. Die christliche Freiheit kann schnell als Freibrief für zügellose Sünde missverstanden werden.
Der Galaterbrief war offenbar ein Rundschreiben, welches an mehrere Gemeinden in Galatien gerichtet war. Darin nimmt die paulinische Rechtfertigungslehre, ähnlich wie im Römerbrief, eine zentrale Rolle ein.
Im 3. Jhd. v. Chr. hatten sich in der Provinz Kelten angesiedelt, die von den Griechen
Galátai genannt wurden. Da sie i.d.R. unter sich heirateten, waren die Galater auch noch zu Pauli Zeit europäisch.
Ihr letzter König, Amyntas, starb 25 v. Chr. und wurde mit erweiterten Grenzen zur römischen Provinz Galatien.
Paulus und Barnabas gründeten Gemeinden in Galatien (s.
Apg 18:23). In seinem ersten Brief an die Urchristen in Korinth führte Paulus die christlichen Geschwister aus Galatien sogar als Vorbild an:
Zitat aus
1Kor 16:1:
1 Was aber die Sammlung für die Heiligen angeht: Wie ich in den Gemeinden in Galatien angeordnet habe, so sollt auch ihr tun!
Auf seiner zweiten Missionsreise besuchten die Apostel Paulus und Barnabas die Städte Lystra (in der Paulus einen Lahmen heilte), das
pisidische Antiochia (nicht das syrische, in dem die Anhänger des neuen
Weges erstmal als
Christen bezeichnet wurden), Derbe und
Ikonion (s. Apg 13:14, 51; 14:1, 5, 6).
Zur Orientierung habe ich mal zwei Karten rausgesucht.
Grafikquelle
Wie in der Karte gesichtlich, liegt Galatien inmitten von Kleinasian, der heutigen Türkei. In der zweiten Karte ist die Hauptstadt Ankyra eingezeichnet, das heutige Ankara. Südöstlich von Galatien liegt Pauli Geburtsstadt Tarsus.
Grafikquelle
Später schrieben Paulus und Petrus Rundschreiben an die Gemeinden in Galatien (Gal 1.1 u.
1Pe 1:1.). Bemerkenswert finde ich, dass Paulus gem.
Gal 6:11 den Brief eigenhändig schrieb (irgendwann im Zeitraum von 50/52-55 n. Chr.) und diesmal nicht einem Sekretär diktierte.
Unter den Werken des Fleisches wird von Paulus auch
Götzendienst genannt, welcher in Galatien offenbar zur religiösen Kultur gehörte. Als Paulus in Lüstra einen Lahmen geheilt hatte, wurden Paulus und Barnabas für Zeus und Hermes gehalten (s. der Bericht in
Apg 14:8-18).
Paulus appelierte, sich selbst einschließend, an die Gemeinden in Galatien, dass sie
der Armen gedenken.
Aus den Reihen der Galater kamen sogar so prominente Christen wie Timotheus und Gajus (Apg 16:1; 20:4).
In
Bibelwissenschaft wird angemerkt:
Die Adressaten des Briefes waren Heidenchristen (4,8; 5,2; 6,12). Man muß sie unter der hellenistischen Bevölkerung der Städte Galatiens suchen, da die Rezeption des Briefes eine gewisse Bildung voraussetzt.
Dennoch könnte das Temperament der Kelten unter den galatischen Urchristen dazu beigetragen haben, dass Paulus 15 Werke des Fleisches auflistete. Ihre soziokulturrelle Prägung war sicher sehr verschieden von den Judenchristen in der Diaspora.