Sein und Wahrnehmung II

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Pluto
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#91 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Pluto » Do 26. Nov 2015, 12:36

Thaddäus hat geschrieben:Das bedeutet: wenn Person X, die nur Schwarz-Weiß sehen kann, aber alles Theoretische über das Farben-Sehen weiß, plötzlich Farben sehen können sollte, dann weiß sie als Farben-Sehende nicht mehr als vorher, als sie nur Schwarz-Weiß gesehen hat, weshalb sich für sie auch nichts ändern würde, wenn sie plötzlich Farben sehen könnte.
Mit Verlaub, aber diese Sichtweise ist absurd und war immer schon absurd. Auch wenn Daniel Dennett diesen Unsinn vertritt.
Du hast vollkommen Recht. Ich habe Dennetts Argumentation auch nie nachvollziehen können.
Wenn wir eine bunte Welt erleben, so ist das auf einen evolutiven Vorteil zurückzuführen (rote Früchte sind reifer als Grüne), sonst wäre Farbsicht in Primaten nicht entstanden. (q.e.d.)

Thaddäus hat geschrieben:Durch die Qualität von Sinneseindrücken und Sinnesempfindungen als etwas, das sich so und so anfühlt oder mir qualitativ als so oder so erscheint, wird kein Geist in irgendwas hineingeheimnist, sondern schlicht und einfach festgestellt, dass Sinneseindrücke sinnliche Empfindungen sind, die einen qualitativen Charakter haben.
Wie es zu diesen Qualia kommt, mag durchaus nicht so einfach neurophysiolgisch zu erklären sein. Das bedeutet aber nicht, dass es sie nicht gibt!
Dass es Qualia gibt, ist meines Erachtens unbestritten. Z. Bsp. ist ein empfundener Schmerz ist ein außerordentlich wichtiges Signal an den Körper.
Dennoch bestehen Empfindungen (Qualia) nicht aus Substanzen, es sei denn man bezeichnet synchrone Schwingungen von neuronalen Netzwerken als etwas Substanzielles.

Thaddäus hat geschrieben:Exakt aus den von mir oben genannten Grund können Schacomputer nicht Schach spielen. Denn sie wissen buchstäblich nicht, was sie eigentlich tun, wenn sie Schach "spielen".
Genau. Der Computer folgt nur den Regeln seines Programms.
Und nun schau dir die Neuronen an, aus denen sich unser Gehirn zusammensetzt. Welche der Neuronen können Schach spielen? Erst der Mensch als Ganzes kann das.

Thaddäus hat geschrieben:Es steuert z.B. mein Bewusstsein, mein Denken, meine Sprache, mein musikalisches Verständnis, dass ich tanzen kann und und und ...
Logisch. Aber es gibt kein Bewusstsein oder Verständnis, ja es gibt keinen Denkvorgang ohne den Körper. Der Körper ist immer involviert.
Gedanken und Bewusstsein verleihen dem Körper schließlich seine Intentionalität.

Thaddäus hat geschrieben:Würde das Gehirn nur die elementaren Körperfunktionen vergleichbar einer Leber oder Niere steuern, dann bräuchten wir nur Rückenmark und Stammhirn. Evolutionär wäre das Großhirn also völliger Unsinn bzw. ein überflüssiger Luxus. Insofern ist Dick mit seiner Behauptung also tatsächlich ein Ignorant.
Dennoch bleibt das Gehirn ein Körperorgan dessen Aufgabe es ist Gedanken zu erzeugen, und somit den Körper in seinen Funktionen zu unterstützen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#92 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Sa 28. Nov 2015, 01:28

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Das bedeutet also, du leugnest nicht, dass du dich selbst dabei beobachten kannst, wie du etwas tust oder denkst oder empfindest
Mit deiner Formulierung des „Leugnens“ kann ich nichts anfangen.
Dein Versuch, meine Vermutung in irgendeine philosophische Schublade zu packen, ist lustig.
Ich versuche nicht, deine Vermutung in irgendeine philosophische Schublade zu stecken, sondern ich versuche herauszufinden, ob du deine Fähigkeit, dich selbst zu beobachten, leugnest?
Es ist dabei zunächst ganz unerheblich, wie du zu dieser Fähigkeit kommst und was sie bewirkt. Es geht lediglich darum, ob du die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung leugnest oder nicht-leugnest.
Dein Versuch, dich einer klaren Antwort zu entziehen, zeigt mir lediglich, dass du ahnst, wie schwierig es werden wird, eine solche Leugnung zu begründen, denn sie widerspricht natürlich einer intuitiven und unmittelbaren Wahrnehmung eines jedes Menschen, nämlich der, sich selbst beobachten zu können.

SilverBullet hat geschrieben: In meiner Vermutung kommt es über neuronale Abläufe zu Bedeutungszusammenhängen, aus denen Verstehfähigkeiten hervorgehen.
Das „ich beobachte mich“ ist ein Verstehenszusammenhang, sozusagen eine Art Ergebnisablauf, aber es ist kein Vorgang, bei dem ein „Ich“ über eine „Beobachtungshoheit“ verfügt.
Wenn Etwas sich selbst beobachten kann - in seinen Handlungen, seinem Denken, seinen Empfindungen und seinen Vorstellungsbildern etc. -, dann muss es dieses Etwas auch geben, was immer es genau ist und wie immer man es bezeichnen will. Die schlichte Äußerung: "Ich habe Zahnschmerzen" präsupponiert, also setzt voraus!, dass es Etwas gibt, welches Zahnschmerzen erleidet. Etwas, dass nicht existiert, kann auch keine Zahnschmerzen haben. Ganz einfach. Wir wissen aus Erfahrung, dass Personen diese Aussage äußern und man kann auch selbst diese Aussage wahrheitsgemäß machen. Wenn du bestreitest, dass es ein Etwas gibt, welches diese Aussage machen kann, dann bestreitest du, dass diese Aussage überhaupt gemacht werden kann. Eine offensichtlich absurde Konsequenz.

SilverBullet hat geschrieben: Könnte ein „Ich, sich beobachten“, dann müsste es irgendwie Kontakt zu elektrischen Impulsen aufbauen können, denn diese Impulse sind exakt dort (zwischen den Ohren), wo sich dieses „Ich“ beheimatet fühlt – Fehlanzeige.
So, und das ist nun ein klassischer Kategorienfehler, wie man ihn schöner nicht finden kann.
Ein Kategorienfehler liegt vor, wenn man die Identität zweier Aussagen behauptet, die zwei ganz unterschiedlichen ontologischen Bereichen angehören. Z.B.: (1)"Der Fußballer Lionel Messi ist Stürmer" und (2)"Der Fußballer Lionel Messi ist der Mannschaftsgeist".
(2) verwechselt offenbar den Mannschaftsgeist einer Fußballmannschaft mit der Funktion eines Spielers. Man kann nicht sinnvoll aussagen, jemand sei Stürmer und der Mannschaftsgeist. Mannschaftsgeist ist keine Spielerfunktion im Fußball.

Du gehst offenbar davon aus, dass die mentale Eigenschaft y einer Person X, nämlich z.B. die, über Selbstbeobachtung zu verfügen, identisch ist mit der Aussage: "Die Person X befindet im neurophysiologischen Zustand y".
Damit vertrittst du eine Identitätstheorie mentaler Zustände mit gewissen physiologischen Prozessen.

Diese beiden Aussagen können aber nicht etwas IDENTISCHES zum Ausdruck bringen. Denn man kann nicht sinnvoll sagen, meine Selbstbeobachtung findet im vorderen linken Stirnlappen statt. Die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung ist eine Eigenschaft (einer Person), die nicht "links" oder "rechts" stattfindet, wo auch immer im Körper. Diese Eigenschaft hat keinen bestimmten Ort (so, wie die Fähigkeit hoch springen zu können, keinen Ort im Körper hat). Man kann aber sehr wohl sinnvoll sagen, ein neurophysiologischer Vorgang findet im linken vorderen Stirnlappen statt.
Darum ist eine mentale Eigenschaft nicht identisch mit einem physiologischen Hirnprozess! In diesem Falle liegt ein Kategorienfehler vor. Identität von a und b liegt nur dann vor, wenn a und b eben identische Eigenschaften aufweisen.
Die Philosophie hat festgestellt - und das ist ein echter philosophischer Erkenntnisgewinn - dass mentale Eigenschaften darum nur mit Eigenschaften hirnphysiologischer Prozesse identisch sein können (aber eben nicht mit den hirnphysiologischen Prozessen selbst). Nur dann liegt kein Kategorienfehler vor.

Man kann also nur z.B. sagen: Die Eigenschaft eine Temperatur von ca. 22 Grad (als angenehm) fühlen zu können, ist identisch mit der Eigenschaft eines Gases, dass die mittlere Energie seiner Moleküle so und so viel Joule beträgt (aber nicht, dass sich subatomar oder auf Molekülebene das und das physikalisch abspielt).

SilverBullet hat geschrieben: Ein Datenverarbeitungsprozess kann „sich nicht selbst beobachten“, weil er ansonsten „in sich selbst ablaufen müsste“ – das geht nicht.
Das ist richtig!
Sagen wir: Zahnschmerzen werden ausgelöst durch die Aktivität von C-Nervenfasern in meinem Kiefer, die ins Gehirn verlaufen.
Dann kann ich zwar sinnvoll sagen: "Ich spüre einen pochenden Zahnschmerz." Ich kann aber nicht sagen: "Ich spüre, dass die C-Nervenfasern in meinem Kiefer aktiv sind, die sich in mein Gehirn verzweigen."Ich spüre zwar meinen pochenden Zahnschmerz, ich spüre aber nicht die Aktivität meiner C-Nervenfasern. Ich spüre also nicht, was sich in meinem Gehirn abspielt, wenn ich Zahnschmerzen habe, ich spüre aber, dass ich Zahnschmerzen habe!

SilverBullet hat geschrieben: “Beobachten“ wird es, wenn das Gehirn bestimmte Datenverarbeitungsprozesse koordiniert und so eine „Überzeugung von Etwas“ aufbaut: -> Bewusstsein.
Was bedeutet es, wenn du sagst, ein Gehirn könne eine „Überzeugung von Etwas“ aufbauen?
Ein Gehirn kann keine Überzeugungen haben, insbesondere dann, wenn es als graue Masse nur Daten verarbeitet. Das ist so, als würdest du behaupten: "Nein, nicht Ich habe Überzeugungen. Nur mein Gehirn hat Überzeugungen." Offenbar ist etwas gewaltig schief an dieser Aussage.

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#93 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Sa 28. Nov 2015, 14:45

Thaddäus hat geschrieben:Dein Versuch, dich einer klaren Antwort zu entziehen, zeigt mir lediglich, dass du ahnst, wie schwierig es werden wird, eine solche Leugnung zu begründen, denn sie widerspricht natürlich einer intuitiven und unmittelbaren Wahrnehmung eines jedes Menschen, nämlich der, sich selbst beobachten zu können.
Wenn ich sage, dass für mich nur das aktive Gehirn, ohne Zustandekommen/Unterstützung von weiteren Existenzen, notwendig für die mentalen Fähigkeiten ist, dann ist das aus meiner Sicht eine sehr klare Aussage.

Selbstverständlich habe ich das Problem, dass ich die konkrete/exakte Herstellung, nicht nachbauen kann.
Dennoch ergibt sich aus dem vorhandenen, neuronalen Netz, der Verarbeitung von elektrischen Impulsen und den dort vorhandenen Bedeutungszusammenhängen, ein klarer Rahmen, der nicht einfach durch Formulierungen wie „intuitive und unmittelbare Wahrnehmung eines jeden Menschen“ verändert werden kann.

Du machst den Anfängerfehler, dass du dich nicht auf das beschränkst, was da ist, sondern eine alt hergebrachte Idee annimmst und diese voraussetzt.

Tatsache ist:
Wenn es innerhalb einer Wahrnehmung zu dem Bedeutungszusammenhang „ich beobachte mich“ kommt, dann kann man nur sagen, dass es zu diesem Bedeutungszusammenhang kommt.
Wie und Wo das geschieht und welche Existenzen beteiligt sind, ist dadurch in keiner Weise festgelegt.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn Etwas sich selbst beobachten kann - in seinen Handlungen, seinem Denken, seinen Empfindungen und seinen Vorstellungsbildern etc. -, dann muss es dieses Etwas auch geben, was immer es genau ist und wie immer man es bezeichnen will
Es hat sich innerhalb der Wahrnehmungsauswertung als praktisch erwiesen, den Bedeutungszusammenhang aufzustellen, dass eine „Handlung“ einen „Handelnden“ benötigt.

Eine Überblicksposition, bei der diese Taktik, als „universell gültig“ festgelegt wird, kann ein Wahrnehmungssystem aber nicht einnehmen.
Der Bedeutungszusammenhang darf zu einem Verdacht führen, aber er ist erst bestätigt, wenn er für jeden konkreten Fall nachgewiesen ist.

Im Fall des Bewusstseins und der „dort“ stattfindenden Bedeutungszusammenhänge über das Bewusstsein, muss man vorsichtig sein, denn es gibt keinen Beweis dafür, dass die jeweilige „verstandene Handlung“ vorliegt.
Der Bedeutungszusammenhang „ich beobachte mich“ muss keine Handlung durch ein „Ich“ zur Grundlage haben.
Es reicht vollkommen aus, wenn der Bedeutungszusammenhang durch eine Datenverarbeitung (aktives Gehirn) zustande kommt.

Dein Versuch, aus der Sprache heraus einen Beweis zu führen, läuft vollkommen ins Leere, denn Sprache kommt auf Basis der Bedeutungszusammenhänge zustande.
Du beweist damit letztlich nur, dass die Bedeutung „Ich beobachte mich“ tatsächlich bedeuten soll, dass „ein Ich sich beobachtet“ – mehr bringt das aber nicht.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du bestreitest, dass es ein Etwas gibt, welches diese Aussage machen kann, dann bestreitest du, dass diese Aussage überhaupt gemacht werden kann
Falsch, ich bestreite in keiner Weise, dass es ein Etwas gibt, das die Aussage macht.

Es gibt das aktive Gehirn, das die Bedeutungszusammenhänge stattfinden lässt und letztlich den restlichen Körper so steuert, dass es zu der Aussage kommt.

Die Aussage „Ich beobachte mich“ zu machen und den Vorgang des Beobachtens wirklich durchzuführen sind aber zwei komplett unterschiedliche Handlungen.

Das „Beobachten“ wurde bisher nicht bewiesen.

Thaddäus hat geschrieben:So, und das ist nun ein klassischer Kategorienfehler, wie man ihn schöner nicht finden kann.
Ein Kategorienfehler liegt vor, wenn man die Identität zweier Aussagen behauptet, die zwei ganz unterschiedlichen ontologischen Bereichen angehören
So so, ein ganz „klassischer Kategorienfehler“.
Konntest du deshalb gleich mal gar nicht darstellen, um welche Kategorien es sich handeln soll?

Du appelierst hier lediglich an das Bauchgefühl deiner Zuhörer.

Das Mentale, das Bewusstsein wird gerne als „eigene Kategorie“ dargestellt, aber es gibt keine Vergleichsgrundlage mit anderen Kategorien.

Man kann mentale Vorgänge nicht neben materielle Vorgänge stellen und von aussen über die Unterschiedlichkeit urteilen, so dass eine Kategorieneinteilung vorgenommen werde kann.

"Mentale Vorgänge spielen nur für die mentalen Vorgänge eine Rolle", also für die, die nicht wissen, was sie sind – es fehlt die Verbindung zur Aussenwelt.
Aus diesem Grund ist die Herstellung der entscheidende Vergleichsfaktor.
Und exakt hier findet man nur das aktive Gehirn.

Thaddäus hat geschrieben:Du gehst offenbar davon aus, dass die mentale Eigenschaft y einer Person X, nämlich z.B. die, über Selbstbeobachtung zu verfügen, identisch ist mit der Aussage: "Die Person X befindet im neurophysiologischen Zustand y".
Damit vertrittst du eine Identitätstheorie mentaler Zustände mit gewissen physiologischen Prozessen.
Schwupps, schon wird meine Haltung wieder in eine Schublade gesteckt…

Es ist aber natürlich falsch, denn die Handlung, „sich selbst zu beobachten“ ist für das Zustandekommen des Bedeutungszusammenhanges „ich beobachte mich“ nicht notwendig.
Egal, ob es eine Handlung gibt oder nicht, das Urteil „ich beobachte mich“ ist immer der zweite Schritt, sozusagen die „Bedeutungsreaktion“.

Eine Bedeutungsreaktion kann durch Abläufe in einer Schalttechnik ausgedrückt werden. Die Bedeutungsreaktion findet dann aber nur innerhalb der Wechselwirkungen im Schaltablauf statt – virtuell.

Auf dieser Basis kann ich gar nicht von einer Identität mit dem Gehirn ausgehen.

Thaddäus hat geschrieben:…man kann nicht sinnvoll sagen, meine Selbstbeobachtung findet im vorderen linken Stirnlappen statt.
Für die „vermutete Handlung“ hinter den Bedeutungszusammenhängen des „Beobachtens“ stimmt das, aber für die Bedeutungszusammenhänge selbst, stimmt es nicht.

Hier ist es sogar so, dass wir nur die Datenverarbeitungstechnik kennen, um den Auswerteanteil eines Wahrnehmungssystems zu realisieren.

Der Ort des Zustandekommens von Bedeutungszusammenhängen spielt dabei keine Rolle.
Es kann sich um ein beliebig verteiltes System handeln – Stichwort: Bindungsproblem.

Thaddäus hat geschrieben:Die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung ist eine Eigenschaft (einer Person), die nicht "links" oder "rechts" stattfindet, wo auch immer im Körper. Diese Eigenschaft hat keinen bestimmten Ort (so, wie die Fähigkeit hoch springen zu können, keinen Ort im Körper hat).
Hier zeigt sich deutlich dein zentrales Problem:
- du setzt eine Handlung voraus, die du nicht beweisen kannst
- als „Erklärung“ lieferst du nur einen Zusammenhang, um den es nicht gehen soll
Dieses „Eis“ ist so dünn, dass es zu keinerlei Tragfähigkeit kommt.

Ich wiederhole:
Man sollte nur vom „Stattfinden der Bedeutungszusammenhänge“ ausgehen, aber nicht vorschnell, „konkrete“ Handlungen als bewiesen voraussetzen.

Thaddäus hat geschrieben:Darum ist eine mentale Eigenschaft nicht identisch mit einem physiologischen Hirnprozess! In diesem Falle liegt ein Kategorienfehler vor.
Möchtest du wirklich eine anfängliche Phantasievorstellung, für die, hinter dem Bedeutungszusammenhang „ich beobachte mich“ stehende Handlung, als eigene Kategorie mit vorhandenen Gehirnabläufen vergleichen, obwohl du keine Idee hast, wie und vom wem aus, diese Handlung durchgeführt werden soll?

Thaddäus hat geschrieben:Man kann also nur z.B. sagen: Die Eigenschaft eine Temperatur von ca. 22 Grad (als angenehm) fühlen zu können, ist identisch mit der Eigenschaft eines Gases, dass die mittlere Energie seiner Moleküle so und so viel Joule beträgt (aber nicht, dass sich subatomar oder auf Molekülebene das und das physikalisch abspielt).
Das sollte man aber besser nicht sagen, denn das „Fühlen“ ist ein Bedeutungszusammenhang in einer Wahrnehmungsauswertung und die Bewegungsenergie von Molekülen ist ein physikalischer Modellzusammenhang, der für, von aussen beobachtbare Sachverhalte stehen soll.

Das „Fühlen“ ist eine reine „Verstehreaktion“, die in der Regel (im Idealfall) eine Verursachung durch Ausseneinwirkung hat, aber natürlich nicht haben muss.
Z.B. gehe ich davon aus, dass man ohne Probleme eine Person hypnotisieren kann, so dass sie 22Grad fühlt, obwohl sie in der Kälte steht.
(ich meine auch gehört zu haben, dass man grosse Kälte durchaus auch selbstständig falsch verstehen kann und sich fatalerweise, wie bei Wärme verhält)

Thaddäus hat geschrieben:Was bedeutet es, wenn du sagst, ein Gehirn könne eine „Überzeugung von Etwas“ aufbauen?
„Aufbauen“ bedeutet nicht „Haben“.

Datenverarbeitungen berücksichtigen (über Algorithmen) Bedeutungszusammenhänge, so dass es zu einem Zustandekommen dieser Zusammenhänge, innerhalb der Abläufe kommt: es baut sich eine Fähigkeit auf.
Zwar „nur“ virtuell, also nur innerhalb der „Bedeutungswelt“, die in den Abläufen berücksichtigt wird, aber dennoch mit konkreten Funktionsleistungen.

Dazu ist natürlich die Aktivität, also das Ablaufen der Algorithmen notwendig.
Über die Zeit hinweg, findet auf diese Weise eine Fähigkeit statt – sie wird aufgebaut, sie kommt zustande.

Das Gehirn hat natürlich keine Überzeugungen.
Aber wenn das Gehirn aktiv ist, kommt es (so vermute ich) innerhalb der Schaltvorgänge zu bestimmten Wechselwirkungskonstellationen:
„Überzeugung von Etwas“, dem Verstehen.
(aber wiederum nur innerhalb der „Bedeutungswelt“)

Die gigantische Preisfrage ist natürlich, nach welchen Regeln (sozusagen den grundlegenden Bedeutungszusammenhängen) dies abläuft.

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#94 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Sa 28. Nov 2015, 18:31

SilverBullet hat geschrieben: Wenn ich sage, dass für mich nur das aktive Gehirn, ohne Zustandekommen/Unterstützung von weiteren Existenzen, notwendig für die mentalen Fähigkeiten ist, dann ist das aus meiner Sicht eine sehr klare Aussage.
Nein, das ist keine sehr klare Aussage, sondern lediglich eine ebenso vage wie banale Behauptung.
Niemand bestreitet, dass mentale Fähigkeiten irgendwie mit dem Gehirn zu tun haben. Damit ist aber noch gar nichts erklärt.

SilverBullet hat geschrieben: Selbstverständlich habe ich das Problem, dass ich die konkrete/exakte Herstellung, nicht nachbauen kann.
Dennoch ergibt sich aus dem vorhandenen, neuronalen Netz, der Verarbeitung von elektrischen Impulsen und den dort vorhandenen Bedeutungszusammenhängen,
Wenn du die "Verarbeitung von elektrischen Impulsen" mit "Bedeutungszusammenhängen" in eine Beziehung setzen möchtest, dann musst du erklären können, wie diese Beziehung aussehen soll, sonst ist das nur eine Hypothese.

SilverBullet hat geschrieben: ... ein klarer Rahmen, der nicht einfach durch Formulierungen wie „intuitive und unmittelbare Wahrnehmung eines jeden Menschen“ verändert werden kann.

Du machst den Anfängerfehler, dass du dich nicht auf das beschränkst, was da ist, sondern eine alt hergebrachte Idee annimmst und diese voraussetzt.
Die unmittelbare Wahrnehmung sensorischer Data als Empfindungen ist ein empirischer Erfahrungswert. Das kannst du selbst an dir empirisch überprüfen oder auch andere Befragen oder ihre Hirnmuster studieren, z.B. in dem Augenblick, wenn sie Schmerzen haben oder depressiv sind etc. Dadurch wird aber immer noch nicht verständlich, warum du zwar Zahnschmerzen spüren kannst, nicht aber, dass deine C-Nervenfasern aktiv sind.

SilverBullet hat geschrieben: Tatsache ist:
Wenn es innerhalb einer Wahrnehmung zu dem Bedeutungszusammenhang „ich beobachte mich“ kommt, dann kann man nur sagen, dass es zu diesem Bedeutungszusammenhang kommt.
Das ist tautologisch: Zahnschmerzen hat, wer Zahnschmerzen hat. A=A. Eine Identitätsaussage ohne Erkenntniswert.

SilverBullet hat geschrieben: Es gibt das aktive Gehirn, das die Bedeutungszusammenhänge stattfinden lässt und letztlich den restlichen Körper so steuert, dass es zu der Aussage kommt.
Ja, das ist banal und nicht das Interessante. Interessant ist es zu fragen, wie das funktioniert.
Du begreifst nicht annähernd die Komplexität des Themas. Du scheinst davon auszugehen, dass die Aussage: "Ich habe Zahnschmerzen" oder "Ich kann mich selbst beobachten", schon mit der schlichten Feststellung hinreichend erklärt ist, dass man eben ein Gehirn hat.
So wird das nichts.

SilverBullet hat geschrieben: Das „Beobachten“ wurde bisher nicht bewiesen.
Doch, du kannst es dir sogar jederzeit selbst beweisen.

SilverBullet hat geschrieben: So so, ein ganz „klassischer Kategorienfehler“.
Konntest du deshalb gleich mal gar nicht darstellen, um welche Kategorien es sich handeln soll?
Das abe ich oben getan. Du hast es nur nicht verstanden. Kategorienfehler.

SilverBullet hat geschrieben: Du appelierst hier lediglich an das Bauchgefühl deiner Zuhörer.
Ich habe oben versucht zu erklären, was ein Kategorienfehler ist. Das ist kein Appell an das Bauchgefühl.


Ich denke, unsere Diskussion führt zu nichts, weil du meine Beiträge offenbar als persönliche Angriffe auf dich missdeutest. Du verteidigst deine Position wie eine Glaubenshaltung, aber nicht wie ein komplexes philosophisches Problem, in dem es nicht darum geht, seine Position auf Biegen und Brechen zu behaupten, sondern es im gemeinsamen argumentativen Für und Wider zu klären und zu erklären, so dass man am Ende gemeinsam zu einer guten und möglichst plausiblen Erklärung gelangt.
Ich habe oben deshalb besonders hervorgehoben, wo unsere wichtigste gemeinsame Überzeugung liegt: nämlich darin, dass alle mentalen Fähigkeiten letztlich ihre Ursachen in den Eigenschaften von Hirnprozessen haben (aber nicht unbedingt in den physiologischen und neuronalen Prozessen selbst). Ich habe das auch begründet. Das hast du aber nicht verstanden.

Du hast auch immer noch nicht verstanden, dass wir grundsätzlich nur einen sprachlich und mental vermittelten Zugang zur Welt haben. Wir nehmen nicht unmittelbar wahr, wie die Welt/die Natur funktioniert, sondern wir entwickeln mathematische und andere sprachliche Modelle und Theorien, die nötig sind, damit wir die Welt beschriben und verstehen können. Du sprichst über Bedeutungszusammenhänge, verstehst aber nicht, dass du damit nicht über Physik, physikalische Prozesse oder Neurophysiologie sprichst, sondern eben über Bedeutung und Verstehen. Deshalb siehst du auch nicht, wo du Kategorienfehler begehst.

ich stecke dich und deine Antworten auch nicht in Schubladen, sondern ich versuche dir unmittelbare Konsequenzen deiner Sichtweise nahe zu bringen, - was mir aber offenbar nicht gelingt. Die von dir vertretene Postion ist in der Philosophie auch nicht neu, sondern altbekannt, weshalb sie mit bereits vorhandenen Philosophen und gängigen philosophischen Positionen in Verbindung gebracht werden kann sowie mit den bisherigen Ergebnissen der Diskussion um diese deine Position.

Zum Trost kann ich dir sagen, dass wir hier eines der schwierigsten Themen der Philosophie besprechen, dass überhaupt existiert und welches bereits seit 2500 Jahren ein Problem ist.
Die Diskussion hierum wird in der modernen Philosophie mittlerweile mit außerordentlich diffizilen Argumentationen geführt, die ich dir leider nicht ersparen kann, weil das Für und Wider mittlerweile eben eine solche Tiefe erreicht hat.

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#95 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Sa 28. Nov 2015, 20:39

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du die "Verarbeitung von elektrischen Impulsen" mit "Bedeutungszusammenhängen" in eine Beziehung setzen möchtest, dann musst du erklären können, wie diese Beziehung aussehen soll, sonst ist das nur eine Hypothese.
Wenn ein bedingter Schalter mit Eingangsdaten konfrontiert wird und abhängig von der aktuellen Situation, die gesammelten Daten weiter gibt oder nicht, dann hat dieser Vorgang eine Bedeutung innerhalb des Gesamtablaufes. Wenn es keine Bedeutung hat, dann braucht man diesen Schalter nicht.

Um was es sich bei dieser Bedeutung handelt, wird durch den Zusammenhang im Gesamtablauf festgelegt.
Bei einem kleinen Wurm, legt ein Schalter im Kopfbereich z.B. die Bedeutung „vor mir ist ein Hindernis“ fest und das Lebewesen schlängelt sich anschliessend in einer anderen Richtung weiter.
Sitzt der Schalter aber im Ende des Wurms, bedeutet das Weiterschalten „feindlicher Angriff“ und das Lebewesen macht sich nach vorne, auf und davon. Die beiden Schalter (Neuronen) sind baugleich, tragen aber auf Grund ihrer Verschaltung zu unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen bei.

Programmierer von modernen Datenverarbeitungen verwenden Daten- und Ablaufbedeutungen um eine, für den Computer geeignete, Schritt-für-Schritt-Abfolge aufzubauen.
Wenn ich einem Programmierer erzählen würde, dass ich da eine „Hypothese über eine Beziehung zwischen einer Schaltverarbeitung und Bedeutungen“ habe, dann lacht der mich aus: „wieso Hypothese, das mache ich doch jeden Tag“

Thaddäus hat geschrieben:Dadurch wird aber immer noch nicht verständlich, warum du zwar Zahnschmerzen spüren kannst, nicht aber, dass deine C-Nervenfasern aktiv sind.
Das liegt nur daran, weil du das „Spüren von Schmerzen“ als einen Vorgang betrachtest, bei dem eine „Instanz, Schmerzen beobachtet“.
Wenn man es aber als einen Bedeutungszusammenhang “ich habe Schmerzen“ (natürlich wieder nicht in Form von Sprache) ansieht, dann braucht man exakt die eingehenden Daten und selbstverständlich werden diese Daten niemals zu etwas anderem aufgearbeitet – es bleiben Daten und durch die Auswertung findet, innerhalb der Auswertungsbedeutungsmöglichkeiten, der Ablauf „ich habe Schmerzen“ statt.

Thaddäus hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Das „Beobachten“ wurde bisher nicht bewiesen.
Doch, du kannst es dir sogar jederzeit selbst beweisen.
Gut, dann weise bei einem anderen Menschen nach, dass in seinem Körper (über ein aktives Gehirn hinaus) "ein Ich, beobachtend aktiv ist".
Wenn dir das gelingt, werde ich noch mal prüfen, ob du sinnvolle Kategorien aufstellen kannst.

Thaddäus hat geschrieben:Du hast auch immer noch nicht verstanden, dass wir grundsätzlich nur einen sprachlich und mental vermittelten Zugang zur Welt haben. Wir nehmen nicht unmittelbar wahr, wie die Welt/die Natur funktioniert, sondern wir entwickeln mathematische und andere sprachliche Modelle und Theorien, die nötig sind, damit wir die Welt beschriben und verstehen können.
Na ja, ich betrachte die zur „Selbstbeobachtung fähige Instanz“ lediglich als Modell, als eine Form des Verstehens – deshalb spreche ich vom Bewusstsein als einer „Verstehanimation“.
Deinen Anspruch, dass Alles ein Modell sein kann, ausser dieser konkreten Instanz, kann ich nicht nachvollziehen.

Thaddäus hat geschrieben:Die Diskussion hierum wird in der modernen Philosophie mittlerweile mit außerordentlich diffizilen Argumentationen geführt, die ich dir leider nicht ersparen kann, weil das Für und Wider mittlerweile eben eine solche Tiefe erreicht hat.
Sehr gut, dann bin ich auf deinen Ablauf gespannt, wie du beweisen möchtest, dass in einem anderen Menschen tatsächlich eine „Mentalinstanz“, einen „Beobachtungsvorgang auf sich selbst“ durchführt.

Auch nach 2500 Jahren des Problems und hunderten Jahren Philosophie kennen wir keine Wahrnehmungstechnik, in der es zu einer Instanz-Existenz kommt, die sich selbst „beobachtend“ bestätigen könnte.

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#96 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Münek » So 29. Nov 2015, 03:55

SilverBullet hat geschrieben:Auch nach 2500 Jahren des Problems und hunderten Jahren Philosophie kennen wir keine Wahrnehmungstechnik, in der es zu einer Instanz-Existenz kommt, die sich selbst „beobachtend“ bestätigen könnte.

Zur "Wahrnehmungs-Technik" möchte ich nichts sagen.

Aber mich "selbst-beobachten", das kann ich schon. Das kann wahrscheinlich jeder. Wo der lokale Sitz
meines "Ichs" in meinem Gehirn ist, weiß ich nicht. Vielleicht gibt es den gar nicht.

Ich kann da auch schlecht nachgucken. Im Gehirn herrscht absolute Dunkelheit. Und über eine "spirituel-
le Taschenlampe" verfüge ich nicht - die hat nur closs. ;)

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#97 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » So 29. Nov 2015, 11:47

Münek hat geschrieben:Aber mich "selbst-beobachten", das kann ich schon. Das kann wahrscheinlich jeder. Wo der lokale Sitz
meines "Ichs" in meinem Gehirn ist, weiß ich nicht. Vielleicht gibt es den gar nicht.
Ich bestätige, dass es zu einem Verständnis, also einem Zusammenhang, kommt, „dass die Ich-Perspektive, bei der eigenen Arbeit, aus genau dieser Perspektive beobachtet wird“.
Dies ist immer relevant, wenn die kurz zurückliegende Ich-Situation reflektiert wird (Beispiel: „ich hatte gerade diesen oder jenen konkreten Gedanken“).

Die Frage ist aber:
handelt es sich hierbei um ein reines Verstehkonstrukt (z.B. zur Koordination einer Aktivitätssituation im Gehirn) oder ist es ein Verstehkonstrukt, das als Reaktion auf eine tatsächlich vorausgehende Handlung stattfindet.

Man muss sich klar machen, dass der Aufbau eines Verständnisses der zuletzt durchgeführten „Ich“-Perspektiv-Situation zwar die Rolle eines „Beobachtens“ spielen kann, aber tatsächlich kein „Beobachten“ sein muss.

Interessant dabei ist, dass der Vorgang, also der Ablauf des Beobachtens, nicht analysiert werden kann. Es liegen zwar „Beobachtungsergebnisse“ vor, aber durch welche Aktion der „Ich“-Perspektive diese Ergebnisse zustande kommen, ist vollkommen unklar – es ist sogar eher so, dass es gar keine Aktion zu geben scheint.
Wenn die zurückliegenden Situationen im Bewusstsein durch Aufmerksamkeit und Konzentration eine Rolle spielen sollen, dann scheint dies einfach ohne Ablauf zu funktionieren.

„ich beobachte mich sozusagen, ohne mich zu beobachten“

Diese Konstellation ist sehr verräterisch.

Man kann z.B. auch stundenlang auf eine Farbfläche schauen, was ja nun wirklich ein „Beobachten“ sein soll, aber es kann kein Vorgang festgestellt werden, wodurch die konkrete Farbe „genauso erkannt“ wird, während eine andere Farbe daneben, ganz anders „erkannt“ wird.

Die „Bewusstseinsinhalte“ werden sozusagen ohne Vorgang „beobachtet“.

Daraus ziehe ich die Konsequenz, dass es keine „Beobachtungs“-Handlung ist, sondern nur ein reines Verstehkonstrukt.

Man kann somit in keiner Weise festlegen, dass eine „Ich-Instanz“ vorhanden sein muss, die sich selbst beobachtet.

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#98 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » So 29. Nov 2015, 20:33

SilverBullet hat geschrieben: Man kann somit in keiner Weise festlegen, dass eine „Ich-Instanz“ vorhanden sein muss, die sich selbst beobachtet.
Doch, genau das ist es, was man sogar unzweifelhaft feststellen kann. Was man dagegen nicht weiß ist, wie diese Sich-selbst-beobachten-könnende-Ich-Instanz genau funktioniert.
Es ist völlig ausschichtslos, die Fähigkeit des Menschen zur unmittelbaren Selstbeobachtung leugnen zu wollen, - einfach deshalb, weil jeder Mensch genau diese introspektive Erfahrung macht. Dabei macht es auch gar nichts, dass ich nicht in die Köpfe anderer Menschen hineinsehen und an der Selbstbeobachtung anderer Menschen intersubjektiv teilhaben kann. Die unmittelbare Selbstanschauung ist viel zu überzeugend, um hier Zweifel aufkommen zu lassen. Das ist ein Fakt, der zur Kenntnis genommen werden muss.

Eine andere Frage ist es, wie das funktionieren kann? Man muss keinen Humunculus im eigenen Hirn annehmen, um diese Fähigkeit zur unmittelbaren Selbstbeobachtung erklären zu können. Kant hat hier bereits die beste Vorarbeit geleistet, indem er analysiert, dass das transzendentale (nicht transzendente!) Ego lediglich ein Prozess bzw. eine Instanz des Verstandes ist.

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#99 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von closs » So 29. Nov 2015, 21:16

Thaddäus hat geschrieben:Kant hat hier bereits die beste Vorarbeit geleistet, indem er analysiert, dass das transzendentale (nicht transzendente!) Ego lediglich ein Prozess bzw. eine Instanz des Verstandes ist.
Und wo kommt das "a priori" dazu her?

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#100 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » So 29. Nov 2015, 21:34

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Kant hat hier bereits die beste Vorarbeit geleistet, indem er analysiert, dass das transzendentale (nicht transzendente!) Ego lediglich ein Prozess bzw. eine Instanz des Verstandes ist.
Und wo kommt das "a priori" dazu her?
A priori bedeutet keine merkürdigen Substanzen oder dergleichen. A priori bedeutet lediglich vor aller Erfahrung. So ist die Aussage: "Alle Junggesellen sind unverheiratet" a priori wahr, denn seine Wahrheit ergibt sich analytisch bereits aus der Defintion der Begriffe "Junggeselle" und "unverheiratet". Um die tautologsiche Wahrheit des Satzes bestimmen zu können, bedarf es keiner bestimmten Erfahrungen in der Welt. Die Wahrheit des Satzes ergibt sich vielmehr bereits aus der definitorischen Bestimmung der Begriffe. Alle logischen und mathematischen Gesetze sind apriorisch wahr.

Transzendental bedeutet: etwas ist eine Voraussetzung der Erfahrung, als Bedingung zur Erkenntnis. Das ist nicht zu verwechseln mit transzendent. Transzendent ist etwas, das über alle Erfahrung hinausgeht, wie z.B. jede Definition von Gott. Transzendente Entitäten sind jenseits aller Erfahrung. Transzendental ist dasjenige, welches wir annhemen müssen, damit Wahrnehmung und Erfahrung überhaupt möglich sind. So sind für unsere Wahrnehmung und Erfahrung Raum und Zeit sowohl apriorisch als auch transzendental, denn um überhaupt wahrnehmen zu können und damit wir überhaupt Erfahrungen machen können, müssen wir innerhalb von Raum und Zeit wahrnehmen. Ist etwas Gedachtes außerhalb von Raum und Zeit, können wir es per Defintion nicht wahrnehmen und wir können auch keine Erfahrungen damit machen.

Das transzendentale Ego ist nach Kant also eine Instanz unseres Bewusstseins, welches wir annehmen müssen, damit Wahrnehmung und Erfahrung überhaupt möglich sind. Denn es muss etwas geben, was wahrnimmt und Erfahrungen machen kann.

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