Alles Teufelszeug? III

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NIS
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#631 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von NIS » Di 19. Jul 2016, 16:50

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die an den theologischen Fakultäten arbeitenden Exegeten betreiben keine "geistig-substanzielle Auslegung", sondern bekanntlich eine "historisch-kritische Textinterpretation".
Dann sollen sie sich dran halten und nicht interpretieren.
Textauslegung IST Textinterpretation - nur ohne dogmatische Glaubensbrille.
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closs
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#632 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 19. Jul 2016, 16:58

Münek hat geschrieben:Wenn es um HISTORISCHE Bibelstudien geht, ist nicht der Dogmatiker gefragt, sondern der Historiker.
Historisch = uns interessiert nur, was methodisch gewesen sein kann?

Münek hat geschrieben:Textauslegung IST Textinterpretation
Es ist Wort-Auslegung - wie willst Du komplexe geistige Zusammenhänge per HKM behandeln?

Münek hat geschrieben:Die "selbstverschuldete Unmündigkeit" trifft allein auf die Dogmatiker zu
Du deutest damit mit dem Finger auf Dich.

Münek hat geschrieben:Der in den Wissenschaften praktizierte methodische Atheismus berührt die Ergebnisoffenheit ihrer Forschungen NICHT.
Nicht IHRER Forschungen - aber der Wirklichkeit.

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Münek
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#633 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Di 19. Jul 2016, 19:47

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn es um HISTORISCHE Bibelstudien geht, ist nicht der Dogmatiker gefragt, sondern der Historiker.
Historisch = uns interessiert nur, was methodisch gewesen sein kann?
Unter wissenschaftlich-historischen Gesichtspunkten geht es nun mal nicht anders. Im Übrigen gibt es ja noch den "Katholischen Katechismus". An diesem kirchlich entfachten Glaubensfeuerchen kann der Gläubige jederzeit sein spirituelles Herz erwärmen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Textauslegung IST Textinterpretation
Es ist Wort-Auslegung - wie willst Du komplexe geistige Zusammenhänge per HKM behandeln?
Der einfache, unverbildete Christ würde niemals von "geistig komplexen Zusammenhängen" sprechen, wenn er seinen Glauben meint. Und wie bereits mehrfach erwähnt, enthält sich die neutestamentliche Forschung bei biblisch überlieferten Gottes-, Teufels-, Engel- und sonstigen Wundergeschichten jeglichen interpretativen Kommentars.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die "selbstverschuldete Unmündigkeit" trifft allein auf die Dogmatiker zu
Du deutest damit mit dem Finger auf Dich.
Achwas - für mich gibt es keine absolut gültigen Wahrheiten. Dieses Privileg überlasse ich den kirchlichen Dogmatikern.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der in den Wissenschaften praktizierte methodische Atheismus berührt die Ergebnisoffenheit ihrer Forschungen NICHT.
Nicht IHRER Forschungen - aber der Wirklichkeit.
Huch! "Ergebnisoffenheit der Wirklichkeit" ? Was in Dreiteufelsnamen soll das denn nun wieder sein? :o

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Münek
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#634 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Di 19. Jul 2016, 20:46

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben, deshalb gilt das Johannesevangelium als das historisch unzuverlässigste in Bezug auf Jesus.
Wir verstehen unter "Jesus" Unterschiedliches: Du meinst damit "historisch-kritisch", ich meine damit "was wirklich war" (auch unbekannterweise).
Die langen Monologe und sonstigen Aussprüche Jesu im Johannesevangelium gelten als Eigenkompositionen eines unbekannten, gnostisch angehauchten Schreibers gegen Ende des 1. Jahrhunderts. Hat mit dem historischen Jesus und damit mit der Wirklichkeit absolut nichts zu tun.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Also ist die HKM eine Disziplin, die diesbezügliche äußere Umstände beobachten und beschreiben kann, nicht aber sachgerecht interpretieren kann. - Und hier sind wir wieder bei Ratzinger: Ich verstehe ihn immer mehr so, dass er dies ändern wollte, damit die HKM aufgewertet wird.
Die HKM braucht nicht aufgewertet zu werden, da sie bereits als DIE Standardmethode der biblischen Textauslegung an den Universitäten etabliert ist. Und natürlich sind die Neutestamentler als professionelle Experten höchst befähigt, Bibeltexte sachgerecht zu interpretieren. Das ist doch schließlich ihre Hauptaufgabe.
Zuletzt geändert von Münek am Di 19. Jul 2016, 21:16, insgesamt 1-mal geändert.

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#635 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Halman » Di 19. Jul 2016, 20:58

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Textauslegung IST Textinterpretation
Es ist Wort-Auslegung - wie willst Du komplexe geistige Zusammenhänge per HKM behandeln?
Der einfache, unverbildete Christ würde niemals von "geistig komplexen Zusammenhängen" sprechen, wenn er seinen Glauben meint. Und wie bereits mehrfach erwähnt, enthält sich die neutestamentliche Forschung bei biblisch überlieferten Gottes-, Teufels-, Engel- und sonstigen Wundergeschichten jeglichen interpretativen Kommentars.
Da wäre ich mir aber nicht so sicher, lieber Münek. Da unterschätzt Du meiner Meinung nach die Anthropologisierung der Exegese.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#636 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Di 19. Jul 2016, 21:21

Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Es ist Wort-Auslegung - wie willst Du komplexe geistige Zusammenhänge per HKM behandeln?
Der einfache, unverbildete Christ würde niemals von "geistig komplexen Zusammenhängen" sprechen, wenn er seinen Glauben meint. Und wie bereits mehrfach erwähnt, enthält sich die neutestamentliche Forschung bei biblisch überlieferten Gottes-, Teufels-, Engel- und sonstigen Wundergeschichten jeglichen interpretativen Kommentars.
Da wäre ich mir aber nicht so sicher, lieber Münek. Da unterschätzt Du meiner Meinung nach die Anthropologisierung der Exegese.
Worüber genau wärest Du Dir nicht so sicher? Was verstehst Du unter "Anthropologisierung der Exegese"?

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#637 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 19. Jul 2016, 22:30

Münek hat geschrieben:Unter wissenschaftlich-historischen Gesichtspunkten geht es nun mal nicht anders.
Eben - als methodisches Konstrukt ist es ja auch gut durchdacht UND hat sicherlich in vielen Dingen gute Chancen, authentisch zu Wirklichkeit zu stehen.

Münek hat geschrieben:Der einfache, unverbildete Christ würde niemals von "geistig komplexen Zusammenhängen" sprechen, wenn er seinen Glauben meint.
Wir sprechen hier DARÜBER. - Innerhalb des Christentums gibt es solche Diskussionen nicht - da lebt und erlebt man.

Münek hat geschrieben:"Ergebnisoffenheit der Wirklichkeit" ? Was in Dreiteufelsnamen soll das denn nun wieder sein?
Der Wirklichkeit gegenüber. - Man sollte methodisch sicher stellen, dass man dem tatsächlich Geschehenen gerecht werden kann und sollte deshalb nichts dogmatisch ausschließen.

Münek hat geschrieben:Die langen Monologe und sonstigen Aussprüche Jesu im Johannesevangelium gelten als Eigenkompositionen eines unbekannten, gnostisch angehauchten Schreibers gegen Ende des 1. Jahrhunderts.
Gut möglich. - Wenn dies tatsächlich so ist, ist es nicht historisch. - Entscheidend wäre aber, ob diese Eigenkomposition zu dem, was Jesus wirklich gesagt und gemeint hat, authentisch ist - diese Frage ist historisch-kritisch nicht beantwortbar.

Trotzdem:
Die Aussage, dass eine nachweisliche Eigenkomposition nicht historisch in Bezug auf das Leben Jesu ist, ist korrekt.

Münek hat geschrieben:Die HKM braucht nicht aufgewertet zu werden, da sie bereits als DIE Standardmethode der biblischen Textauslegung an den Universitäten etabliert ist. Und natürlich sind die Neutestamentler als professionelle Experten höchst befähigt, Bibeltexte sachgerecht zu interpretieren.
Sie können sprachwissenschaftlich, etc. interpretieren, aber nicht substantiell-inhaltlich, wenn sie gleichzeitig bis auf den Gegenbeweis (also immer, weil es diesen Gegenbeweis nicht geben kann) Jesus als Nur-Wanderprediger verstehen. - Das ist so, als würde man einen Schriftsetzer bei guter Arbeit zum Schriftsteller erheben.

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#638 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Halman » Di 19. Jul 2016, 23:11

Münek hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Der einfache, unverbildete Christ würde niemals von "geistig komplexen Zusammenhängen" sprechen, wenn er seinen Glauben meint. Und wie bereits mehrfach erwähnt, enthält sich die neutestamentliche Forschung bei biblisch überlieferten Gottes-, Teufels-, Engel- und sonstigen Wundergeschichten jeglichen interpretativen Kommentars.
Da wäre ich mir aber nicht so sicher, lieber Münek. Da unterschätzt Du meiner Meinung nach die Anthropologisierung der Exegese.
Worüber genau wärest Du Dir nicht so sicher? Was verstehst Du unter "Anthropologisierung der Exegese"?
Dass man die "biblisch überlieferten Gottes-, Teufels-, Engel- und sonstigen Wundergeschichten" vom Menschen her erklärt und nicht von Gott her. Aus Sicht von Rationalisten, die meiner Meinung nach noch im Positivismus und mechanistischen Denken verhaftet sind, können Wunder niemals passiert sein und sind somit als unhistorisch zu werten. Daher wäre ich mir gar nicht so sicher, dass Exegeten darüber keine Aussagen tätigen.
An dieser Stelle möchte ich den Exegeten und Neutestamentler Prof. em. Klaus Berger zu Wort kommen lassen:
Zitat von Klaus Berger:
Die Absicht Bultmanns war es, protestantische Theologie bzw. Exegese als Wissenschaft an der Universität zu etablieren bzw. überhaupt zu halten. Bis heute ist ihm das gelungen. Der Preis, den er dafür zahlte, bestand darin, dass die philosophische Anthropologie Martin Heideggers als Filter vor alle Theologie gesetzt wurde. Auch das wird bis heute vielfach nachgeahmt, indem zum Beispiel Psychologie, Soziologie, Religionstheorie oder Friedensethik zu Vehikeln der Theologie gemacht werden. Ähnlich hatte schon Thomas von Aquin die Philosophie des Aristoteles im 13. Jahrhundert zum hermeneutischen Medium der Theologie gemacht. Das waren immer mutige Versuche, die als Befreiungsschläge verstanden wurden, in Wirklichkeit aber die Theologie in neue, ganz unfromme Systeme einspannten. Der Absicht Bultmanns habe ich daher zeitlebens widersprochen; die Gefahr des Aristotelismus besteht genauso und würde in einer Verfälschung der Schrift enden. Mit dem anspruchsvollen Wort „Entmythologisierung“ meint man die Befreiung der Texte von mythologischen Vorstellungen der Antike, um dann den Kern eines Textes ungehindert mit philosophischer Anthropologie füllen zu können. Ich muss gestehen, dass mir antike Mythen sympathischer sind, als die Bevormundung durch ein Gemisch aus Rationalismus plus Hegel in der „humanwissenschaftlich“ orientierten Exegese. Im Gegensatz zu Schweitzer und besonders zu von Harnack schien Bultmann eine Befreiung zu wahrhaft theologischer Rede zu garantieren. Doch das war eine Mogelpackung, denn bis heute entstand lediglich ein neues Theologen-​Kauderwelsch auf den Schultern Bultmanns.
Zitatquelle

So wie ich ihn in seinem Buch "Die Bibelfälscher" und seinen Interviews verstehe, wird in der "Exegese" sehr wohl etwas über die "biblisch überlieferten Gottes-, Teufels-, Engel- und sonstigen Wundergeschichten ausgesagt und zwar in der Form, dass diese nie stattfanden und somit anthropologisch und tiefenpsychologisch zu erklären sind. In der Redaktionskritik nimmt man - sofern ich recht informiert bin - an, dass im Laufe der Redaktion die Wunder durch Mythologisierung immer stärker werden, oder etwa nicht?
Auferstehungsgeschichten, Engelserscheinungen usw. gelten als mythologische Ausformungen und somit als Glaubenszeugnisse, die allenfalls einen historischen Kern haben.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#639 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Halman » Di 19. Jul 2016, 23:13

@Münek

Schauen wir uns mal an, was ein alter Freund von mir, der über theologische Fachkenntisse verfügt, bspw. über den brennenden Dornbusch bei Moses sagt:
Zitat von Logan5:
Wenn Mose in der Bibel die Stimme Gottes aus einem brennenden Dornbusch sprechen hört, denkt der aufgeklärte Mensch des 21. Jahrhunderts:"So ein Unsinn. Das gibt's ja gar nicht. Wer glaubt denn so etwas?" Nur dass diese Geschichte niemals als historische Wahrheit - wie wir das heute verstehen - gedacht war und auch gar nicht von allen Gläubigen (Juden wie Christen) auf diese Art rezipiert wird. Viel Wichtiger als die Historizität ist hier die theologische Substanz, die in der Symbolsprache steckt.

Wieso spricht Gott z.B. ausgerechnet aus einem Dornbusch und warum brennt dieser. Wie steht dieses Bild in Verbindung mit der Lebenssituation Moses und Israels? Es ist ein Sinnbild für eine subjektive Offenbarungserfahrung. Es ist eine Metapher für die Ambivalenz zwischen Angst, Schmerz, Wut, Tatkraft und Hoffnung und Glaube.
Etwas ausführlicher erklärte er es mal auf folgende Weise:
Zitat von Logan5:
... Was ich aber sagen kann ist, dass dort vieles, was uns heute unglaublich kryptisch erscheint, unter Kenntnis damaliger Verhältnisse wesentlich verständlicher wird.

Ein gutes Beispiel für ein Symbol ist in meinen Augen die Begegnung Mose mit dem brennenden Dornbusch. Hier wird versucht, eine symbolische Darstellung dessen zu finden, was Mose bewegt hat, zurück zu kehren und sein Volk zu befreien. Der Dornbusch wurde gezielt für diese Darstellung gewählt. Es hätte nicht einfach ein leuchtender Stein sein können oder irgend ein Tier etc. Es geht gewissermaßen um Moses inneren Konflikt.

Eine mögliche Auslegung wäre, dass die Dornen dafür stehen, dass Mose sich im übertragenen Sinne nicht stechen möchte, er sich also bewusst ist, dass es für ihn böse ausgehen kann, wenn er sich mit den Ägyptern anlegt. Andererseits - und deshalb brennt der Busch - spürt er in sich das Feuer, den Wunsch, das Verlangen, seinen Leuten zu helfen. Sein Gewissen verbietet ihm, nur an sich selbst zu denken. Dieses Erlebnis ist für ihn eine Begegnung mit Gott, der aus seinem angefachten Gewissen zu ihm spricht, ihn auffordert, zu handeln und ihm gleichzeitig das dafür nötige Gottvertrauen abverlangt.

Das Symbol des brennenden Dornbuschs weist darauf hin, dass Mose hier eine persönliche Begegnung mit Gott hat, der sich ihm in besonderer Weise offenbart. Was hier geschieht, lässt sich schwer in rationale Begriffe fassen, also verwendet man für die Darstellung dieser Offenbarungserfahrung ein Bild, dass Assoziationen auslöst und das nur gefühlsmäßig vollständig erfassbar ist, ohne in seiner Gesamtheit konkret sprachlichen Ausdruck zu finden. Mit anderen Worten, das Symbol transportiert eine Wahrnehmungsebene, die über das rein Begriffliche hinaus geht.

In solchen Symbolen zu denken und sie intuitiv zu erfassen ist dem Menschen der Antike ein vertrauter, geradezu alltäglicher Vorgang, während der moderne Mensch mit seiner rationalen Denkweise diesen Zugang erst mühsam finden muss. Deshalb sage ich, dass biblische Texte auch als Schriften in mythischer Sprache gesehen werden müssen und man sie entsprechend von der Denkweise der Antike aus betrachten muss, um sie zu erschließen.

Das NT ist da in seiner Sprache für den modernen Menschen bereits wesentlich einfacher zugänglich, als es im AT der Fall ist.
Allgemeiner umreißt er die biblische Geschichte Israels im folgenden Beitrag:
Logan5:
Nehmen wir zum Beispiel den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Historisch betrachtet hat es die Massenflucht eines versklavten Volkes, wie es das Alte Testament darstellt, in dieser Form nie gegeben und die Existenz des biblischen Mose ist immerhin umstritten - zumal dessen Name eigentlich ägyptischer Herkunft ist, auch wenn die Bibel ihn hebräisch umdeutet.

Ein Volk Israel gab es zu der Zeit, in der das Buch Exodus angesiedelt ist noch gar nicht. Es gab allerdings viele unterschiedliche Nomadenstämme, die sich aus existentiellen Gründen auch oft auf ägyptischem Gebiet ansiedelten
und später vereinzelt vor ägyptischer Herrschaft geflohen sind. Gleichzeitig gab es die kanaanitischen Stadtstaaten, aus denen Teile der weniger begüterten Bevölkerung ihr Heil in der Abwanderung in die Wüste sahen oder auch dorthin verbannt und ausgestoßen wurden.

Im Laufe vieler, vieler Jahre haben sich diese verschiedenen Volksgruppen in der Wüste gefunden und sich durch den am Berg Sinai entstandenen Glauben an Jahwe allmählich als ein einziges Volk gesehen und verstanden. Gemeinsam war ihnen die Erfahrung der Unterdrückung durch mächtige Herrscher und das Gefühl, von ihrem persönlichen Gott zusammengeführt und geleitet worden zu sein.

In ägyptischen Schriften findet sich zudem tatsächlich ein Ägypter namens Mose, der mit einem Sklavenaufstand verbunden wurde. Dieser wurde allerdings nieder geschlagen.

Aus verschiedenen, mündlich tradierten Legenden wurde allmählich das Amalgam vom Exodus-Mythos, der fortan für die Israeliten grundlegende Bedeutung hatte. Wichtig ist dabei nicht die tatsächlich historische Begebenheit und es handelt sich auch um weit mehr, als ein Märchen, dass eine bestimmte Lebensweisheit konservieren möchte. Hier geht es um die gemeinsamen Erfahrungswerte einer gesamten Bevöklerungsgruppe, auf denen sich eine ganze Kultur inklusive ethischer Werte, Lebensbetrachtungen und Weltanschauungen begründet.

Dieser Mythos entsteht aus dem Spannungsverhältnis zwischen der Unterdrückungserfahrung und dem gleichzeitigen Vertrauen in eine höhere Macht, zuerst schriftlich festgehalten zu einer Zeit, in der aus dem Volk Israel ein beachtliches Königreich geworden ist, mit dem Ziel, auszusagen, dass das Vertrauen in besagte Macht gerechtfertigt ist und sich aus der Befreiungstat, die der Gott Israels an seinem Volk begangen hat eine Reihe von Verhaltensweisen für die Israeliten ergeben, um ihrem Gott ewige Dankbarkeit dafür zu erweisen.
Wie versehst Du diese Form der Exegese, wenn auch hier für Laien in einfachen Worten dargelegt, in Bezug auf unsere Fragestellung, ob die Exegese anthropologisiert wurde oder nicht und ob Exegeten auf Basis der HKM Aussagen über biblische Wunder-Narrationen tätigen?
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#640 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 19. Jul 2016, 23:58

Halman hat geschrieben:Mit dem anspruchsvollen Wort „Entmythologisierung“ meint man die Befreiung der Texte von mythologischen Vorstellungen der Antike, um dann den Kern eines Textes ungehindert mit philosophischer Anthropologie füllen zu können.
Super Satz, den da Berger sagt - das ist exakt das, was ich mit "Anthropozentrismus der sog. Aufklärung" mehrfach zu erklären versucht habe.

Zur Ehrenrettung Heideggers:
Seine Anthropologie meint nach meinem Verständnis: Der Mensch hat nichts als seine Wahrnehmung - er muss "Sein" per Wahrnehmung thematisieren, um dessen überhaupt bewusst werden zu können - da würde auch Berger nicht widersprechen. - Instrumentalisiert wird Heidegger durch die Interpretation: Da wir nur unsere Wahrnehmung haben, ist Wahrnehmung Maßstab fürs "Sein" - genau das meint Heidegger NICHT. - Er will vielmehr darauf hinweisen, dass Wahrnehmung immer NUR Wahrnehmung ist - auch wenn sie intersubjektiv darstellbar ist.

Aber, lieber Halman, Du hast mit Deinem Zitat (wieder mal) exakt das belegt, was ich seit Jahren ziemlich erfolglos versuche zu vermitteln.

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