Die Früchte des Reduktionismus.

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#61 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Di 23. Dez 2014, 15:42

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Der Kontext wird vom Gehirn selbst hinzu "konstruiert", obwohl er gar nicht vorhanden ist.
Ein Phänomen wird um einen Kontext ergänzt, damit sich ein Sinn daraus ergibt. - Das KANN schiefgehen,
Mehr wollen die Beispiele nicht zeigen, als dass man sich mit der Wahrnehmung irren kann.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: in diesem Fall ist es keine Täuschung!
Schon verstanden - es ging hier darum, dass - 5° Celsius in einem Fall etwas anderes bedeuten als im anderen - eine reduktiv verengte Sichtweise reicht hier also nicht aus.
Nochmals: Das Beispiel der Unterkühlung hat mit Wahrnehmung nichts zu tun.
Es handelt sich um einen rein physikalischen Prozess des Wärmeverlustes. Temperatur und Wind sowie Luftfeuchtigkeit spielen da eine entscheidende Rolle.

closs hat geschrieben:Der lebenserprobte Mensch weiss ganz einfach, dass er bei - 5° nicht rausgeht, wenn es windet, weil er weiss, dass es dann sehr viel gefährlicher ist als bei Windstille und denselben - 5°.
Amerikanische Meteorologen haben dafür den "chill factor" eingeführt. Dies ist ein sehr viel besseres Maß, weil es alle wesentlichen Faktoren (Wind und Feuchtigkeit) berücksichtigt. Erfreulich, dass unserer Meteorologen auch dazu übergehen, in dem sie die "gefühlte" Temperatur einführen.

closs hat geschrieben:Wenn der Kontext nahelegt, die beiden Quadrate unterschiedlich hell erscheinen zu lassen, kann es auch einen guten, überlegenen Grund haben.
Nein. Das sind Beispiele die zeigen, wie das Gehrin objektiv falsch liegen kann. Daraus entsteht: "Irren ist menschlich".

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Dieser ist offenbar weniger anfällig auf "Bestechung" als die Verarbeitung (Konstruktion) im Gehirn.
Dieser Zugang ist aber auch von Natur aus doof...
Wieso doof? Wenn ich überlege, ob ein Schrank in eine Nische passt, dann ist der Griff zum Zollstock ganz und gar nicht "doof".
closs hat geschrieben:man darf Messungen nicht zum Herrn, sondern muss sie zum Diener des Urteils machen.
Einverstanden.

closs hat geschrieben:Wenn Menschen glaubwürdig (gar intersubjektiv) sagen, dass es die Realität des Wärme-Spürens oder Kälte-Spürens bei derselben Temperatur 10° gibt: Wie nennt man das? - "Gefühl" ist mir zu wenig - "Gefühl" klingt zu sehr nach: "Ich bin in Olga aus dem Nachbarhaus verliebt".
Gefühle sind für mich Interpretationen von (sinnlichen) Wahrnehmungen, die auch durch Erinnerungen hervorgerunfen werden können. Dein Beispiel mit der Olga würde ist so gesehen auch ein Gefühl.

closs hat geschrieben: Aber im Normalfall ist die Bezugs-Verarbeitung eine anspruchsvollere Wahrnehmungs-Form als die Messung.
Im Normalfall ist das auch richtig und fürs Überleben auch sinnvoll. Doch in all den Beispielen geht es um Gedankenexperimente die zeigen, wie sich das Gehirn auch mal irren kann. Ist nicht weiter schlimm, zeigt uns aber wie schnell wir an die Grenzen der Wahrnehmung stoßen. Wenn wir uns nicht einen weiteren Zugang zur Realität erschaffen (z. Bsp. Messung), sind wir möglicherweise der Willkür ausgesetzt, und merken es nicht einmal.

closs hat geschrieben:Wie siehst Du eigentlich Karikaturen: 5 oder 8 Linien - und schon erkennst Du Helmut Schmitt oder Angela Merkel. - Sinnestäuschung?
Ja. Man kann durchaus Karikaturen als absichtlich herbeigeführte Sinnestäuschungen bezeichnen. Der Mensch soll dabei an etwas Erkennbares erinnert werden.

closs hat geschrieben:Warum wäre es dann eine Täuschung, wenn er in dem "lila Kreis" einen Kreis erkennt? Wenn die Pixel so angelegt sind, dass dies naheliegt, ist es doch keine Täuschung.
Weil der "lila Kreis" eine Konstruktion des Gehirns ist der in Wirklichkeit nicht existiert.
closs hat geschrieben:Auch eine mit dem Bleistift gezeichneter Kreis besteht mikroskopisch aus Pixeln? Täuschung, wenn man darin einen Kreis erkennt?
Ja natürlich. Nur hier stimmt die Konstruktion mit der Suggestion überein.

Alles in allem ein Grund mehr, der für (m)einen kompromisslosen Konstruktivismus spricht.

closs hat geschrieben:Dein "Erstgeburtsrecht" der geistigen Urteilskraft eintauschen gegen das "Pflaumengericht" der bewusstlosen Messbarkeit?
Ich verstehe nicht was du mit diesem Gleichnis aussagen willst.
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sven23
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#62 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Di 23. Dez 2014, 16:36

closs hat geschrieben:Nein - es ist ein Instrument, um mit dem Gesamtbild abzugleichen. - Stimmen reduktive und holistische Betrachtung nicht überein, muss man ganz neu nachdenken: Welche Betrachtung ist in dieser speziellen Situation vorzuziehen?

Dazu muß man erst mal reduktiv vorgehen. Bei der Spirale käme man gar nicht auf die Idee, daß es sich um eine Sinnestäuschung handelt, sondern sie als ein Faktum akzeptieren.
Nehmen wir als Parallele die Bibel. Auch sie wurde lange Zeit aus einem holistischen Glaubensverständnis heraus als unumstößliches Faktum akzeptiert. Mit der reduktiven Methode (historisch-kritische Betrachtungsweise) kann man nun Teile untersuchen und dann zu einem neuen Gesamteindruck kommen.


closs hat geschrieben: Sicherlich nicht dadurch, dass das Gehirn Phänomene des Daseins komplex wahrnimmt.

Ich würde eher sagen, genau dadurch kann Aberglaube entstehen, besonders dann, wenn man glaubt, auf Überprüfung verzichten zu können.
So werden z. B. Koinzidenzen beobachtet und daraus eine Regel postuliert.
Magiere wissen das Täuschungspotential des Gehirns für ihre Zwecke zu nutzen. Man kann einen Trick 5 mal anschauen und kommt immer noch nicht dahinter.

Fazit: unsere Wahrnehmung der Welt ist zwar gut, aber nicht fehlerfrei.
Wahrnehmung kann täuschen.
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#63 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Di 23. Dez 2014, 16:48

sven23 hat geschrieben:So werden z. B. Koinzidenzen beobachtet und daraus eine Regel postuliert.
Warum erinnert mich das an die Experimente von B.F. Skinner?

Eine Skinner-Box ist ein Käfig mit einem Fütterungsapparat, der in zufälligen Zeitabständen Nahrung ausspuckt. Bei solchen Experimenten stellte sich heraus, dass das eingesperrte Tier nicht selten "glaubte", dass eine Kausalität zwischen der Aktion, die es gerade ausführte, und der im selben Augenblick zufällig hereinfallenden Nahrung bestand. Das Tier "war der Meinung", dass seine Tat die Nahrung herbeigeholt hatte, obwohl lediglich der Zufall am Werke war. Resultat: Das Tier wiederholte seine Aktion "im Glauben", dass dadurch erneut Futter zu ergattern war (Tauben etwa nickten in spezifischer Weise immer wieder mit dem Kopf oder führten immer gleiche Drehbewegungen aus). Auf dem Menschen lässt sich das leicht übertragen. Führt ein Indianer gerade einen Tanz auf und es fängt zufällig an zu regnen, so könnte ihn das durchaus dazu veranlassen, eine vermeintliche Korrelation zu erkennen, die eigentlich gar nicht besteht.
Und voila: Der Regentanz ist geboren. Ganz ähnliche Verhaltensweisen kann man auch bei uns "zivilisierteren" Menschen sehr häufig beobachten. Z.B. neigen manche Raucher dazu am Zigarettenautomaten ein Geldstück am Automatengehäuse zu reiben, wenn es erst nicht angenommen wird. Oder man spuckt auf Würfel, oder meint, aus dümmlichen Horoskopen etwas Wahres herauslesen zu können. Das bemerkenswerte sowohl bei "höheren" Tieren, als auch beim Menschen ist, dass beide die unzähligen Male, in denen die imaginäre Kausalität nicht funktioniert, zu "vergessen" oder verdrängen scheinen und stattdessen die seltenen zufälligen Male, wo es doch klappt, ganz besonders in Erinnerung behalten.
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#64 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Di 23. Dez 2014, 17:01

Pluto hat geschrieben:Warum erinnert mich das an die Experimente von B.F. Skinner?

Genau daran mußte ich auch denken. Selbst Tiere können Aberglaube lernen.
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#65 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Di 23. Dez 2014, 17:40

Pluto hat geschrieben:Wie dass denn?
Wenn es darum geht, Unterschiede dazustellen und nicht absolute Werte, ist die Wahrnehmung korrekt. - Es hängt von der Fragestellung ab.

Pluto hat geschrieben:Das ist die Wahrnehmung. Die Wirklichkeit ist eine andere.
Die physikalische Wirklichkeit ist eine andere - die Lebens-Wirklichkeit ist aber so wie beschrieben.

Pluto hat geschrieben: Im Grunde seid ihr euch einig, dass Reduktion ein Werkzeug, bzw. Instrument der Analyse sist.
Ja - ein Instrument - nicht mehr und nicht weniger.

Pluto hat geschrieben:Wirklich? Bist du dir da ganz sicher?
Bin etwas verwirrt, weil die Verbindung von Aberglaube und Daseins-Wahrnehmung irgendwie nicht passt. - Aberglaube ist aus meiner Sicht ein Phänomen bei transzendenten Fragestellungen, die hier überhaupt keine Rolle spielen.

Pluto hat geschrieben:Das Beispiel der Unterkühlung hat mit Wahrnehmung nichts zu tun.
Also wenn man nicht einmal Realität wahrnehmen darf, fällt mir nichts mehr ein.

Pluto hat geschrieben: Das sind Beispiele die zeigen, wie das Gehrin objektiv falsch liegen kann.
Hast Du schon mal dran gedacht, dass das Gehirn auch "absichtlich" Messungen ignoriert, weil es ihm um etwas anderes geht?

Pluto hat geschrieben:Man kann durchaus Karikaturen als absichtlich herbeigeführte Sinnestäuschungen bezeichnen.
Aus meiner Sicht ist es eine Höchstleistung der Reduktion auf Wesentliches - also eine geistige Leistung. - Mich stört, dass man solche Leistungen in der Konnotation der "Täuschung" kommuniziert - warum nicht Veredelung"?

Pluto hat geschrieben: Nur hier stimmt die Konstruktion mit der Suggestion überein.
Sicher? - Mit dem Mikroskop könnte man Dir nachweisen, dass zwischen Pixeln Luft ist, die Du dazu-"phantasierst", um Deinen Wunschkreis zu erhalten - also eine Täuschung. - So geht's doch nicht.

Pluto hat geschrieben:Ich verstehe nicht was du mit diesem Gleichnis aussagen willst.
Wenn man komplexe Denkvorgänge Einzel-Messungen unterordnet, gibt man seine Urteils-Möglichkeiten an der Garderobe ab.

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#66 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Di 23. Dez 2014, 17:44

sven23 hat geschrieben:Mit der reduktiven Methode (historisch-kritische Betrachtungsweise) kann man nun Teile untersuchen und dann zu einem neuen Gesamteindruck kommen.
Ja - aber das macht nur dann Sinn, wenn man über das Reduktive hinaus weiss, um was es prinzipiell geht.

sven23 hat geschrieben:Ich würde eher sagen, genau dadurch kann Aberglaube entstehen
Ja - aber das ist halt Risiko. - Würde man sich nur auf Reduktionismus verlassen, würde sich der Mensch geistig auf den Level eines Computers zurück-definieren - was ja lustigerweise gelegentlich gutgeheißen wird. - Insofern hat der Wahnsinn Methode.

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#67 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Di 23. Dez 2014, 18:19

closs hat geschrieben:Wenn es darum geht, Unterschiede dazustellen und nicht absolute Werte, ist die Wahrnehmung korrekt.
Wie ist das möglich, wo es doch nachweislich keine Farb- oder Kontrastunterschied gibt. Solche Unterschiede werden nur durch das Gehirn hinzu konstruiert.

closs hat geschrieben:Die physikalische Wirklichkeit ist eine andere - die Lebens-Wirklichkeit ist aber so wie beschrieben.
Worin besteht denn der Unterschied zwischen physikalischer- und Lebens-Wirklichkeit?

closs hat geschrieben:Bin etwas verwirrt, weil die Verbindung von Aberglaube und Daseins-Wahrnehmung irgendwie nicht passt. - Aberglaube ist aus meiner Sicht ein Phänomen bei transzendenten Fragestellungen, die hier überhaupt keine Rolle spielen.
Aus der Falschinterpretation der Realität kann Aberglaube entstehen (s. meine Erklärung)

closs hat geschrieben:Also wenn man nicht einmal Realität wahrnehmen darf, fällt mir nichts mehr ein.
Du darfst doch...
Das Phänomen der Unterkühlung des Körpers ist trotzdem ein rein physikalischer Vorgang. Um ihn zu erklären, braucht es die Wahrnehmung nicht.

closs hat geschrieben:Hast Du schon mal dran gedacht, dass das Gehirn auch "absichtlich" Messungen ignoriert, weil es ihm um etwas anderes geht?
Das Gehirn weiß im Moment der Wahrnehmung nichts von der Messung. Das ist gerade der Grund für den nachträglichen "Aha" Effekt.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Nur hier stimmt die Konstruktion mit der Suggestion überein.
Sicher? - Mit dem Mikroskop könnte man Dir nachweisen, dass zwischen Pixeln Luft ist, die Du dazu-"phantasierst", um Deinen Wunschkreis zu erhalten - also eine Täuschung. - So geht's doch nicht.
Du übersiehst den Faktor der Intentionlität.
Was will dir Jemand sagen, der dir die Lila-Ring-Täuschung vorführt? Was wil dir Jemand sagen, der dir eine Bleistiftzeichnung mit Kreisen zeigt?

closs hat geschrieben:Wenn man komplexe Denkvorgänge Einzel-Messungen unterordnet, gibt man seine Urteils-Möglichkeiten an der Garderobe ab.
Wenn man erkennt, dass eine Wahrnehmung falsch ist, ist es u.U. sogar sehr sinnvoll sich des nutzlosen Ballasts zu entledigen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#68 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Di 23. Dez 2014, 20:30

Pluto hat geschrieben:Solche Unterschiede werden nur durch das Gehirn hinzu konstruiert.
Der Unterschied, ob auf etwas ein dunkler Schatten fällt oder nicht, ist virtuell? :o

Pluto hat geschrieben:Worin besteht denn der Unterschied zwischen physikalischer- und Lebens-Wirklichkeit?
Dass man ein von der Sonne erleuchtetes Ding mit der Farbe RAL 1023 anders wahrnimmt als dasselbe Ding mit RAL 1023, auf das ein Schatten fällt.

Pluto hat geschrieben:Das Phänomen der Unterkühlung des Körpers ist trotzdem ein rein physikalischer Vorgang.
Das ist eh nicht bestritten - es geht darum, dass dies nur ermittelbar ist, wenn man zur Information "- 5 °C" weitere Informationen heranzieht - d.h.: Komplexe Herangehensweise, bei denen die Außentemperatur - 5° C EINE Information ist, kann zu anderen Ergebnissen führen als, als wenn man ausschließlich die Information "- 5 ° C" zur Kenntnis nähme.

Pluto hat geschrieben:Das Gehirn weiß im Moment der Wahrnehmung nichts von der Messung.
Natürlich nicht - aber nachdem in anderen Situationen Wahrnehmung und Messung im wesentlichen zusammenpassen, kann man fragen, warum es in unserem Fall hier NICHT der Fall ist. - Und da meine ich eben, dass die Antwort auch eine sein kann, bei der das Gehirn gut wegkommt - also dass es nicht "getäuscht" wurde, sondern "weitergedacht" hat.

Pluto hat geschrieben:Du übersiehst den Faktor der Intentionlität.
Verstehe hier nicht die Frage nach der Intentionalität. - Entweder das Gehirn wird getäuscht oder nicht.

Pluto hat geschrieben:Wenn man erkennt, dass eine Wahrnehmung falsch ist, ist es u.U. sogar sehr sinnvoll sich des nutzlosen Ballasts zu entledigen.
Das KANN der Fall sein - man sollte es aber nicht tun, bevor man ausgeschlossen hat, dass das Gehrin vielleicht nicht doch einen guten Grund hatte, es so zu sehen.

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#69 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Di 23. Dez 2014, 20:31

closs hat geschrieben:Bin etwas verwirrt, weil die Verbindung von Aberglaube und Daseins-Wahrnehmung irgendwie nicht passt. - Aberglaube ist aus meiner Sicht ein Phänomen bei transzendenten Fragestellungen, die hier überhaupt keine Rolle spielen.

Das würde ich so nicht sagen. Aberglaube entsteht, wenn man sich vorbehaltlos auf seine Wahrnehmung verläßt, ohne Überprüfung, ob die Wahrnehmung überhaupt korrekt ist. Schönes Beispiel war die Homöopathie.

closs hat geschrieben: Also wenn man nicht einmal Realität wahrnehmen darf, fällt mir nichts mehr ein.

Was ist die Realtität? Die realen Kreise oder die Spirale, die unser Gehirn daraus macht?
Das statische Bild oder die Bewegung, die uns unser Gehirn vorgaukelt?

closs hat geschrieben: Mich stört, dass man solche Leistungen in der Konnotation der "Täuschung" kommuniziert - warum nicht Veredelung"?

Wenn man Täuschung mit Veredelung bezeichnet, dann ja.
Ene Bewegung, die es in der Realität nun mal nicht gibt, ist eine Täuschung. Zwar ein netter Effekt, aber eine Täuschung.
Eine Fata Morgana ist keine Veredelung, sondern ein Trugbild, das schon manchem das Leben gekostet hat.

closs hat geschrieben:Würde man sich nur auf Reduktionismus verlassen, würde sich der Mensch geistig auf den Level eines Computers zurück-definieren - was ja lustigerweise gelegentlich gutgeheißen wird. - Insofern hat der Wahnsinn Methode.

Das verlangt doch niemand. Ein Ingenieur weiß doch auch, daß ein Motor mehr als die Summe seiner Teile ist. Erst im Zusammenspiel der Teile kann der Motor seine Kraft entfalten. Ist der Motor defekt, ist reduktionistische Fehlersuche angesagt.
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#70 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Di 23. Dez 2014, 20:42

closs hat geschrieben:Dass man ein von der Sonne erleuchtetes Ding mit der Farbe RAL 1023 anders wahrnimmt als dasselbe Ding mit RAL 1023, auf das ein Schatten fällt.

Nur im echten Leben muß niemand ein Schachbrett nachlackieren, damit ein richtiger Farbon entsteht.
Das ist eine zugegeben recht trickreiche grafische Gestaltung, die zeigt, wie unterschiedlich das Gehirn den gleichen Grauwert interpretiert, weil derselbe Grauwert in unterschiedlicher Umgebung liegt.
Wie alle optischen Täuschungen geben solche Versuchsaufbauten gute Rückschlüsse über die Arbietsweise des menschlichen Gehirns.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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