Alles Teufelszeug? VIII

closs
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#501 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » Sa 6. Jan 2018, 20:42

sven23 hat geschrieben:Nein, du bestehst doch nach wie vor auf der Setzung, dass Jesus göttlich ist, oder distanzierst du dich jetzt davon?
Ich bestehe nach wie vor darauf, dass zur Ermittlung des wirklichen Jesus in der Geschichte sowohl die nicht-falsifizierbare Version "nur Mensch" als auch die ebenfalls nicht-falsifizierbare Version "auch göttlich" berücksichtigt werden muss, will man ergebnisoffen sein.

sven23 hat geschrieben: Der Glaube darf aber in der historischen Forschung keine Rolle spielen.
Aber realistische historische Optionen sollten eine Reoll spielen.

sven23 hat geschrieben:Wenn Jesus göttlich ist, hat er sich ziemlich dumm angestellt.
Auf welcher Basis willst Du das beurteilen?

sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:

sven23 hat geschrieben:
Aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so.

Nein. - Du meinst eine Wahrscheinlichkeit auf Basis Deiner Setzungen. - WENN diese Setzungen richtig sind, stimme ich Dir sogar zu - aber SIND sie richtig?


Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.
Und Du sprichst bei ANDEREN von Glaubensdogmatik?

sven23 hat geschrieben: Über die Diskrepanz zwischen historischem Jesus und kerygmatischen Christus wurde schon oft genug gesprochen.
Methodisch ist das ja richtig - wir sind inzwischen bei der Frage nach der Wirklichkeit Jesu.

sven23 hat geschrieben:Eben, es ist eine Fata Morgana, die nur in die Irre führt.
Halten wir fest: "Das, was der Fall ist", ist eine Fata Morgana, die nur in die Irre führt. - Und jetzt?

SilverBullet
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#502 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von SilverBullet » Sa 6. Jan 2018, 21:25

closs hat geschrieben:Ich bestehe nach wie vor darauf, dass zur Ermittlung des wirklichen Jesus in der Geschichte sowohl die nicht-falsifizierbare Version "nur Mensch" als auch die ebenfalls nicht-falsifizierbare Version "auch göttlich" berücksichtigt werden muss, will man ergebnisoffen sein.
Ich vermute, du bestehst dann auch bei der langen Liste von Pharaonen auf das „göttlich“, denn immerhin ist das Konzept des Gottmenschen schon ein „paar Tage“ alt (sagen wir mind. 5000 Jahre).

Auszug aus wiki:
Seit der frühdynastischen Zeit verstand sich der König (Pharao) als Sohn der Himmelsgottheiten; er war zugleich ihr Bevollmächtigter, Abgesandter, Partner und Nachfolger. Die letztgenannte Gleichsetzung bezieht sich auf die Regierungszeit der Götter, die nach altägyptischer Mythologie zuvor auf der Erde herrschten. Die in der Vergangenheit öfter postulierte göttliche Identifikation mit Horus entspricht nicht der Quellenlage und dem Weltbild, das aus drei Ebenen bestand. Vielmehr sah sich der König auf einer eigenen Ebene zwischen dem göttlichen Himmel und den auf der Erde befindlichen Menschen. Dem König wurde mit seiner Krönung das Amt des „göttlichen Horus“ übertragen. Dieser Vorgang manifestierte sich im Horusnamen. Damit übernahm der König als irdischer Herrscher das „väterliche Amt des Horus“ und galt ergänzend seit der 4. Dynastie als „Sohn des Re“.[3]

Jaja, die Söhne der Götter sind reich an der Zahl…

closs
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#503 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » Sa 6. Jan 2018, 22:09

SilverBullet hat geschrieben:Ich vermute, du bestehst dann auch bei der langen Liste von Pharaonen auf das „göttlich“
Nicht auf das "göttlich", sondern auf die Frage, ob es Sinn macht, eine Göttlichkeit der Pharaonen als mögliche historische Version miteinzubeziehen. - Allerdings müsste man dann erst mal klären, was bei Jesus und was bei Pharaonen mit "göttlich" gemeint war.

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Münek
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#504 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Münek » So 7. Jan 2018, 06:32

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was sind denn nicht-falsifizierbare Glaubensprämissen wert? Nichts. Nothing..
??? - Es ist auch nicht falsifizierbar, dass Jesus nur Mensch war.
Jesus wurde von einem Weib geboren (Paulus), lebte etwa dreißig Jahre und starb. Dass er von (einem geglaubten) Gott von den Toten auferweckt worden sein soll, beruht auf den Glauben einiger seiner Anhänger, die meinten, dass er ihnen nach seinem Tod erschienen
sei. Das ist alles. Und das ist nicht viel.


closs hat geschrieben:Im übrigen ist Deine Aussage verräterisch, weil Du damit einmal mehr zeigst, dass Du "Realität" jenseits menschlicher Falsifizierungs-Möglichkeit verdrängst - als ob das die "Realität" interessieren würde.
Der Glaube an die Existenz himmlischer Mächte oder dass beispielsweise die Gestirne das menschliche Schicksal beeinflussen, interessiert die "Realität" nicht. Glauben und setzen kann man alles - auch wenn die "Realität" dabei die Augen verdreht. :roll: :roll: :roll:

closs hat geschrieben:Es reicht doch das Wissen, dass jegliche Aussage nur unter dem Vorbehalt der Setzung gilt.
Auf unserem Planeten werden täglich Milliarden von Aussagen getroffen. Und die sollen nur unter dem Vorbehalt von Setzungen GELTEN? :o Geht's noch?

Im Übrigen schafft man mit Setzungen keine Realitäten. Da kannst Du setzen was oder soviel Du willst - der "Realität" ist das völlig schnuppe.
:)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du selbst forderst doch ständig, Exegese müsse die Göttlichkeit Jesu voraussetzen.
Das habe ich noch NIE gesagt: Meine Aussage ist immer, dass die Göttlichkeit Jesu als historische Option berücksichtigt werden müsse, WENN Exegese ergebnisoffen sein wolle.
Ich werde zukünftig, wenn wieder mal ein Gewitter mit Blitz, Donner und Sturm über meinem Haus tobt, die "historische Option" der Existenz des germanischen Donnergottes Thor berücksichtigen - und daraus die entsprechenden Konsequenzen ziehen.

Ich werde mich in meinen Garten begeben, im prasselnden Regen ehrfurchtsvoll mein Arme gegen den dunklen Himmel strecken und laut rufen: "Thor, Thor, ich verehre Dich" - und mich dreimal verneigen. Wer weiß, wozu diese Ergebnisoffenheit gut ist?

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sven23
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#505 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von sven23 » So 7. Jan 2018, 07:49

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Ich vermute, du bestehst dann auch bei der langen Liste von Pharaonen auf das „göttlich“
Nicht auf das "göttlich", sondern auf die Frage, ob es Sinn macht, eine Göttlichkeit der Pharaonen als mögliche historische Version miteinzubeziehen. - Allerdings müsste man dann erst mal klären, was bei Jesus und was bei Pharaonen mit "göttlich" gemeint war.
Auch da hat die Forschung nicht auf closs gewartet, sondern die Fragen schon lange gelöst.

https://de.wikipedia.org/wiki/Sohn_Gottes

Ob Jesus diesen Ehrentitel überhaupt für sich beansprucht hat, ist umstritten. Wenn überhaupt, dann im jüdischen Sinn und nicht im späteren christlichen Sinne. Damit man das gegenüber Kritikern glaubhaft machen konnte, wurden Jahrzente nach dem Tod des Wanderpredigers die Geburtslegenden erfunden. Aber eher schlecht als recht.
"Nicht mal das habt ihr geschickt auszuführen vermocht", schreibt ein zeitgnössischer Kritiker.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#506 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von sven23 » So 7. Jan 2018, 07:58

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, du bestehst doch nach wie vor auf der Setzung, dass Jesus göttlich ist, oder distanzierst du dich jetzt davon?
Ich bestehe nach wie vor darauf, dass zur Ermittlung des wirklichen Jesus in der Geschichte sowohl die nicht-falsifizierbare Version "nur Mensch" als auch die ebenfalls nicht-falsifizierbare Version "auch göttlich" berücksichtigt werden muss, will man ergebnisoffen sein.
Was soll das bringen? Wenn du bei einer Rechenaufgabe ein falsches und ein richiges Ergebnis hast, bringt es nichts, aus beiden Ergebnissen den Mittelwert zu bilden. Das Ergebnis ist dann trotzdem falsch. :lol:
Deshalb kann sich die Forschung solchen laienhaften Vorstellungen nicht anschließen.

Der Quellenwert der Jesusüberlieferung wird mit genau denselben Methoden überprüft wie jeder andere antike Text über jede andere Person. Wichtig sind genaue Vergleiche zwischen den Evangelien; sie lassen Gemeinsamkeiten und Unterschiede erkennen, die historisch bewertet werden müssen. Durch sprachliche Analysen am Urtext lässt sich – mit großer Vorsicht – in einer Reihe von Fällen vom überlieferten Evangeliumstext auf eine ältere Version schließen, die eingearbeitet worden ist. Ganz wichtig ist es, Jesus in das Judentum seiner Zeit einzuordnen: vom Gottesdienst bis zur Arbeitswelt. Weil im Falle Jesu die Erwartungen, Verlässliches zu erkennen, besonders hoch sind, muss auch die wissenschaftliche Sorgfalt besonders hoch sein.
Die Quellen erlauben es nicht, eine umfassende Biographie Jesu zu schreiben; aber sie liefern eine Grundlage, um Eckdaten seines Lebens und vor allem zentrale Themen seiner Verkündigung zu beschreiben.

Quelle: katholisch.de

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Der Glaube darf aber in der historischen Forschung keine Rolle spielen.
Aber realistische historische Optionen sollten eine Reoll spielen.
Eben, realistische Optionen, und keine Legenden, Mythen und Märchen. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Über die Diskrepanz zwischen historischem Jesus und kerygmatischen Christus wurde schon oft genug gesprochen.
Methodisch ist das ja richtig - wir sind inzwischen bei der Frage nach der Wirklichkeit Jesu.
Die wirkliche Wirklichkeit oder die closssche Wirklichkeit, die Wirklichkeit des dogmatischen Christentums?
Bleiben wir doch beim historischen Jesus, der sich aus der Quellenlage ergibt. Mehr kann man redlicherweise sowieso nicht tun.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben, es ist eine Fata Morgana, die nur in die Irre führt.
Halten wir fest: "Das, was der Fall ist", ist eine Fata Morgana, die nur in die Irre führt. - Und jetzt?
Nein, dein ewiger Verweis auf die ontische Realität führt in jeder historischen Betrachtung in eine Sackgasse. Die Karte ziehst du ja eh immer nur dann, wenn dir die Ergebnisse nicht gefallen. Bei Kanonikern kämst du sicher nicht auf die Idee.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#507 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » So 7. Jan 2018, 09:08

Münek hat geschrieben:Dass er von (einem geglaubten) Gott von den Toten auferweckt worden sein soll, beruht auf den Glauben einiger seiner Anhänger, die meinten, dass er ihnen nach seinem Tod erschienen sei. Das ist alles. Und das ist nicht viel.
Unter geistig komplexen Gründen spricht aber einiges dafür, dass es "real" ist. - Nicht Teil der Geschichte sein muss, aber sein kann.

Münek hat geschrieben:Im Übrigen schafft man mit Setzungen keine Realitäten.
Wie wahr - aber auch das gilt für beide Seiten.

sven23 hat geschrieben:Auch da hat die Forschung nicht auf closs gewartet, sondern die Fragen schon lange gelöst.

https://de.wikipedia.org/wiki/Sohn_Gottes
Das ist nicht die Ebene, die wir hier brauchen - natürlich ist erforschbar, wie mit dem Topos "Sohn Gottes" in Geschichte und Mythologie umgegangen wurde. - Ist damit verstanden, wie es bei Jesus WIRKLICH war?

sven23 hat geschrieben: Wenn du bei einer Rechenaufgabe ein falsches und ein richiges Ergebnis hast, bringt es nichts, aus beiden Ergebnissen den Mittelwert zu bilden. Das Ergebnis ist dann trotzdem falsch.
Bingo. - Aber WELCHES ist falsch?

sven23 hat geschrieben:Deshalb kann sich die Forschung solchen laienhaften Vorstellungen nicht anschließen.
Und danach zitierst Du etwas, was inhaltlich vollkommen richtig ist und NICHT das Problem ist. - Dieses Zitat hat überhaupt nichts mit dem Thema zu tun.

sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:

sven23 hat geschrieben:
Der Glaube darf aber in der historischen Forschung keine Rolle spielen.

Aber realistische historische Optionen sollten eine Reoll spielen.


Eben, realistische Optionen, und keine Legenden, Mythen und Märchen.
Wer entscheidet, was "realistisch" ist und was nicht? - Wie auch immer: Du merkst doch jetzt langsam selber, dass es eine ganze Menge Setzungen in Deinem Exegeseverständnis gibt.

Da wird vorab entschieden, was "realistisch" ist und was nicht - die Geschichte habe zudem einen durchgehenen naturalistischen Wirkungszusammenhang zu haben - alles, was nicht falsifizierbar sei, sei irrelevant - etc.

sven23 hat geschrieben:Die wirkliche Wirklichkeit oder die closssche Wirklichkeit, die Wirklichkeit des dogmatischen Christentums?
Bleiben wir doch beim historischen Jesus, der sich aus der Quellenlage ergibt.
Du willst also beim methodischen Jesus der HKM bleiben - kann man machen. - Aber dann darf man keine Deutungshoheit über den wirklichen Jesus beanspruchen. - Reicht es nicht zu sagen: "Auch wir haben aus unserer Perspektive etwas beizutragen?"

sven23 hat geschrieben:Die Karte ziehst du ja eh immer nur dann, wenn dir die Ergebnisse nicht gefallen. Bei Kanonikern kämst du sicher nicht auf die Idee.
1) Diese Karte muss man IMMER ziehen: Menschliche Wahrnehmung (alias "Wissenschaft" ist IMMER selektiv und perspektivisch und nie ganzheitlich.
2) Natürlich gilt das auch für die kanonische Exegese.

Allerdings gibt es da einen ganz entscheidenden Unterschied:
Dort steht alles Gesagte unter dem Glaubensvorbehalt - dort hat man also bereits kapiert, dass man selektiv und perspektivisch und nie ganzheitlich wahrnimmt und forscht.

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sven23
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#508 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von sven23 » So 7. Jan 2018, 10:07

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch da hat die Forschung nicht auf closs gewartet, sondern die Fragen schon lange gelöst.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sohn_Gottes
Das ist nicht die Ebene, die wir hier brauchen - natürlich ist erforschbar, wie mit dem Topos "Sohn Gottes" in Geschichte und Mythologie umgegangen wurde. - Ist damit verstanden, wie es bei Jesus WIRKLICH war?
Da man den galiläischen Wanderprediger innerhalb seiner jüdischen Religion sehen muss, sind die Begrifflichkeiten klar definiert. Mit späteren christlichen Umdeutungen hatte er nichts am Hut.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Wenn du bei einer Rechenaufgabe ein falsches und ein richiges Ergebnis hast, bringt es nichts, aus beiden Ergebnissen den Mittelwert zu bilden. Das Ergebnis ist dann trotzdem falsch.
Bingo. - Aber WELCHES ist falsch?
Das läßt sich überprüfen. Übrigens wäre das dasselbe bei der sog. Ratzinger-Exegese. Ein Mischmasch hilft hier keinem weiter.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb kann sich die Forschung solchen laienhaften Vorstellungen nicht anschließen.
Und danach zitierst Du etwas, was inhaltlich vollkommen richtig ist und NICHT das Problem ist. - Dieses Zitat hat überhaupt nichts mit dem Thema zu tun.
Doch, es hat genau mit dem Thema zu tun, dass du eine Sonderbehandlung für die christlichen Texte forderst. Die kann es selbst nach katholischem Verständnis nicht geben, wenn man einen wissenschaftlichen Anspruch hat.

Der Quellenwert der Jesusüberlieferung wird mit genau denselben Methoden überprüft wie jeder andere antike Text über jede andere Person.
Quelle: katholisch.de


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Eben, realistische Optionen, und keine Legenden, Mythen und Märchen.
Wer entscheidet, was "realistisch" ist und was nicht?
"Realistische Option" war deine Ausdrucksweise. Dann gehören Wunder, Geister und Dämonen schon mal nicht dazu.


closs hat geschrieben: - Wie auch immer: Du merkst doch jetzt langsam selber, dass es eine ganze Menge Setzungen in Deinem Exegeseverständnis gibt.
Die Setzung der Forschung beschränkt sich - wenn überhaupt- auf ein Minimum.

Der Quellenwert der Jesusüberlieferung wird mit genau denselben Methoden überprüft wie jeder andere antike Text über jede andere Person.
Quelle: katholisch.de

Das reicht schon an Setzungen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die wirkliche Wirklichkeit oder die closssche Wirklichkeit, die Wirklichkeit des dogmatischen Christentums?
Bleiben wir doch beim historischen Jesus, der sich aus der Quellenlage ergibt.
Du willst also beim methodischen Jesus der HKM bleiben - kann man machen. - Aber dann darf man keine Deutungshoheit über den wirklichen Jesus beanspruchen. - Reicht es nicht zu sagen: "Auch wir haben aus unserer Perspektive etwas beizutragen?"
Das macht die Forschung doch. Aus wissenschaftlicher Perspektive bietet sich uns auf Grund der derzeitigen Quellenlage dieses historische Jesusbild.
Es unterscheidet sich erheblich vom legendenhaften, unhistorischen Mythos der kirchlichen Überlieferung, denn der Jesus der Evangelien hat nie existiert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Karte ziehst du ja eh immer nur dann, wenn dir die Ergebnisse nicht gefallen. Bei Kanonikern kämst du sicher nicht auf die Idee.
1) Diese Karte muss man IMMER ziehen: Menschliche Wahrnehmung (alias "Wissenschaft" ist IMMER selektiv und perspektivisch und nie ganzheitlich.
2) Natürlich gilt das auch für die kanonische Exegese.
Wann hast du denn mal ein Veto gegen die Ergebnisse der Kanonik eingelegt?

closs hat geschrieben: Allerdings gibt es da einen ganz entscheidenden Unterschied:
Dort steht alles Gesagte unter dem Glaubensvorbehalt - dort hat man also bereits kapiert, dass man selektiv und perspektivisch und nie ganzheitlich wahrnimmt und forscht.
Wenn die Kirche so tolerant und liberal gewesen wäre, wie du uns weismachen willst, wären Verfolgungen Andersdenkender nie nötig gewesen. Die Geschichte war aber eine grundsätzlich andere.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#509 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » So 7. Jan 2018, 10:32

sven23 hat geschrieben:Da man den galiläischen Wanderprediger innerhalb seiner jüdischen Religion sehen muss, sind die Begrifflichkeiten klar definiert.
Das ist eben die Frage - denn wenn Jesus göttlich war, kann man ihn genauso als den sehen, der innerhalb der jüdischen Religion erschienen und in sie etwas Neues gebracht hat. - Das ist doch eine dieser Setzungen der HKM, dass Jesus aus dem Religions-Kontext des Volkes heraus zu verstehen sei - ist so oder ist NICHT so.

NATÜRLICH ist er angebunden an die jüdische Religion - schließlich will er sie (FALLS er göttlich ist) in das hineinführen, was man später "NT" nennt. - Aber er ist nicht unbedingt aus ihr heraus zu verstehen. - Warum, denkst Du, gibt es denn so viele Szenen mit dem Motiv "Und sie verstanden ihn nicht", etc.?

sven23 hat geschrieben:Das läßt sich überprüfen. Übrigens wäre das dasselbe bei der sog. Ratzinger-Exegese.
Nein - Nicht-Falsifizierbares lässt sich nicht überprüfen. - Du meinst mit "überprüfen" einmal mehr "auf Basis der HKM und deren Setzungen überprüfen".

sven23 hat geschrieben:Doch, es hat genau mit dem Thema zu tun, dass du eine Sonderbehandlung für die christlichen Texte forderst.
Auf Sachebene habe ich das nie getan und werde es nie tun - aber eben hermeneutisch und somit interpretativ.

sven23 hat geschrieben:Der Quellenwert der Jesusüberlieferung wird mit genau denselben Methoden überprüft wie jeder andere antike Text über jede andere Person.
Quelle: katholisch.de
Richtig. - Man macht Quellen-Kritik ohne Sonder-Behandlung - aber das ist doch nicht entscheidend für die darauf folgende Interpretation. - Hilfreich JA, aber nicht entscheidend.

sven23 hat geschrieben:"Realistische Option" war deine Ausdrucksweise. Dann gehören Wunder, Geister und Dämonen schon mal nicht dazu.
Woher willst Du wissen, dass Gott (= Geist) nicht realistisch ist? - Das darfst Du weltanschaulich meinen, aber in Bezug auf die Erforschung der Wirklichkeit Jesu darf das keine Rolle spielen.

sven23 hat geschrieben:Die Setzung der Forschung beschränkt sich - wenn überhaupt- auf ein Minimum.
Wir sprechen hier von der HKM und nicht von der Forschung an sich - und in der HKM gibt es - zumindest in gängiger Bultmann-Interpretation - einiges an Setzung. - S.o.

sven23 hat geschrieben:Aus wissenschaftlicher Perspektive bietet sich uns auf Grund der derzeitigen Quellenlage dieses historische Jesusbild.
Klarer wäre es, wenn Du sagen würdest:
"Aus historisch-kritischer Perspektive bietet sich uns auf Grund der derzeitigen Quellenlage dieses Bild des wirklichen Jesus". - Dann wären methodische und ontische Ebene sauber getrennt.

sven23 hat geschrieben:Wann hast du denn mal ein Veto gegen die Ergebnisse der Kanonik eingelegt?
So weit kam es noch nicht, weil wir immer noch nicht die Grundlagen-Hürden überwunden haben, was Wissenschaft, Hermeneutik, Sachebene und interpretative Ebene ist.

Würden wir sachlich tiefer und konkreter einsteigen, hätte ich sicherlich auch bei der Kanonischen Exegese einiges auszusetzen - wie überhaupt an der RKK. - Aber sie haben eben den Grundlagen-Bonus, dass sie aufgeklärt genug sind, die Prämissen ihrer Forschungen zu erkennen - und da sind wir bei der HKM noch nicht so weit.

sven23 hat geschrieben:Wenn die Kirche so tolerant und liberal gewesen wäre, wie du uns weismachen willst, wären Verfolgungen Andersdenkender nie nötig gewesen.
Völlig unpassend - was hat das hier zu tun? - Warum sollte ich etwas weismachen wollen, was gar nicht gefragt ist und zudem inhaltlich falsch ist?

Meine Aussage ist, dass der kirchliche "Glaubensentscheid" als GENANNTE Prämisse die kirchlichen Theologien einen intellektuellen/philosophischen Vorsprung vor denen gibt, die fälschlich meinen, sie hätten KEINE Prämissen.

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#510 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von SilverBullet » So 7. Jan 2018, 10:33

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Ich vermute, du bestehst dann auch bei der langen Liste von Pharaonen auf das „göttlich“
Nicht auf das "göttlich", sondern auf die Frage, ob es Sinn macht, eine Göttlichkeit der Pharaonen als mögliche historische Version miteinzubeziehen. - Allerdings müsste man dann erst mal klären, was bei Jesus und was bei Pharaonen mit "göttlich" gemeint war.
sven23 hat geschrieben:Auch da hat die Forschung nicht auf closs gewartet, sondern die Fragen schon lange gelöst.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sohn_Gottes
Das ist nicht die Ebene, die wir hier brauchen - natürlich ist erforschbar, wie mit dem Topos "Sohn Gottes" in Geschichte und Mythologie umgegangen wurde. - Ist damit verstanden, wie es bei Jesus WIRKLICH war?
Schau dir mal die Liste der Pharaonen an.
Irgendwo in der „frühdynastischen Zeit“ also ziemlich weit oben, beginnt die Einordnung des Pharao als „Gottmensch“ und als „Gottes Sohn“.
Die Idee vom Weiterleben der Pharaonen haben die Ägypter relativ eindeutig in den bekannten Steinbauten festgehalten – diese Überlieferung hat also dolle, d.h. ohne Erzählung und Abschreiben, funktioniert (besser, als bei manch anderer Strategie!).

Dann kam irgendwann (also nach über tausend Jahren) der Pharao „Ramses II“.
In seiner Zeit soll (laut der christlichen Behauptungsaktivität) der „Exodus“ stattgefunden haben. D.h. in dieser Zeit soll sich „Gott“ (was auch immer das sein soll) explizit mit dem „Gottmenschen“ Pharao beschäftigt und sogar seinen erstgeborenen Sohnemann dahingerafft haben (also mit den Söhnen hatten die es damals irgendwie).
Ein „Gläubiger“ sollte bei halbwegs intakter Logik unterstellen, dass der „Intelligenz aus dem Unsichtbaren“ damit klar sein musste, wie verbreitet das Prinzip des „Gottmenschen“ schon damals war.

Einige Jahrhunderte und viel Hauen und Stechen später war das „römische Reich“ der grosse Zampano auf der Leinwand. „Julius Caesar“ wird als „Sohn Gottes“ eingestuft und auch „Augustus“ nannte sich „Sohn Gottes“.
Damit ist exakt die Zeit erreicht in der „Gott“ (was auch immer das sein soll) auf die Idee gekommen sein soll, mal tatsächlich zu erscheinen. Wie es geläufige Praxis bei den „Göttern“(?) ist, hatte „er“ dann auch spontan eine bombige Idee: er wird als „Gottmensch“ erscheinen und zwar in einer Region, die durch und durch beeindruckt war von „Gottmenschen“ und in der das Prinzip „Sohn“ ganz wichtig ist.

Du möchtest jetzt irgendwie über „Ebenen“ sprechen und in Zweifel stellen, ob damit verstanden werden kann, „wie Jesus WIRKLICH war“.

Vielleicht könnte man so formulieren:
Es ist leicht einschätzbar,
wie die Kulturen WIRKLICH waren,
wie die Erzähler WIRKLICH waren,
wie die Schreiber WIRKLICH waren,
wie die Mächten WIRKLICH waren,
wie die Bibelzusammensteller WIRKLICH waren,
wie die Kircheneiniger WIRKLICH waren.

Wie willst du dir eine dieser „Gottmensch“-Szenarien (noch dazu eine sehr späte) herauspicken und damit vertreten können, dass nicht einfach nur eine dominante Kultur (Ägypten) kopiert wurde, sondern ausgerechnet an dem Flecken auf dem Erdball eine „Offenbarung der übermächtigen Intelligenz aus dem Unsichtbaren(?)“ stattgefunden haben soll, an dem sowieso nichts anderes gespielt wurde.
Auch dass „Jesus“ das „Reich Gottes“ ankündigt, ist eine dolle Idee, denn die damaligen „Gottmenschen“ hatten alle irgendwelche „Reiche“.
Der „Erschaffer der Welt“ hätte mit seinem Vorgehen das Copyright bestimmt hundertfach verletzt.

Schau dir auch mal an, wie sich die Ägypter das Jenseits vorstellten. Sie gingen doch tatsächlich von einem Fluss aus, um den herum sich ihr jenseitiges Leben abspielen sollte. Im Norden, dachten sie, wird es eine grüne Landschaft sein.
Das ist eine derart atemberaubend originelle Idee, dass man fast schon sagen könnte, ihr Horizont kam über den „Nil“ nicht hinaus.
Jetzt ist das aber eine Hochkultur und die armselige Region „Palästina“ muss auf „Ägypten“ mit offenem Mund geschaut haben. Die einzige Möglichkeit, die ich denen aus dem Stehgreif unterstellen möchte, ist „Abkupfern, was das Zeug hält“.
Der „Exodus aus Ägypten“, der wohl nie stattgefunden hat, ist eher als literarisches Zeichen anzusehen à la „wir trennen uns von der ägyptischen Kultur und machen unsere eigene“, was dann letztlich in dem ägyptischen Prinzip des „Gottmenschen“ endete.

Du möchtest weiter, dass eine Wissenschaft an diese Situation herangeht und alle vorherigen „Gottmenschen“ als „Schwindelei“ abtut, aber ausgerechnet bei deiner Wunschszene umschaltet und mit einem Es–Könnte-Ja-Sein anfängt.

Gegen diese Einstellung ist die Überzeugung vom „2m grossen Kaninchen“ ja geradezu harmlos.

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