Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
closs
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#481 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Fr 23. Sep 2016, 23:00

sven23 hat geschrieben:Was auf dasselbe hinausläuft, da ja angeblich nichts ohne seinen Willen geschieht.
Missverständnis. - Letztlich geschieht etwas ÜBER dem menschlichen Willen, aber die Gestaltung der "Weltzeit" ist Gegenstand menschlichen Willens - so weit er halt reicht.

Münek hat geschrieben:Unredlich finde ich es allerdings, wenn jemand regelmäßig Behauptungen aufstellt, aber auf Nachfrage nicht in der Lage ist, diese zu belegen.
sven23 hat geschrieben:Es ist zwecklos, bei closs nach Quellen zu fragen.
Erstens stimmt das nicht - es gab meinerseits schon viele Quellen. - Zweitens habe ich in meinem Leben so viele Quellen gelesen, dass ich meistens aus dem Sediment zititere, das sich davon in mir niedergeschlagen hat.

Und drittens - der wichtigst Punkt:
Man sollte wissenschaftliche Quellen allenfalls als Unterstützung nutzen ("der sagt das auch"), aber nicht als Ersatz für eigenes Verständnis. - Mir wäre es am liebsten, wenn alle Zitate OHNE Quellenangabe gegeben werden würden, damit jeder gezwungen wird nachzudenken - und nicht auf Reflexe umzustellen: "Das ist von Ratzinger - also kritischen Modus einstellen".

Münek hat geschrieben:Eine solche "christlich-theologische Auslegung" existiert überhaupt nicht. Deshalb ist Deine Aussage falsch. Wo kann man diesen angeblichen "mehrheitlichen Schluss" nachlesen?
Ich habe es mal zufällig bei Kathpedia gefunden - und wer sucht, wird es auch woanders finden. - Verstehe doch: Die HKM-Naherwartungs-Hypothese spielt im Großen und Ganzen im theologischen Verständnis der Bibel keine Rolle. - Und was ist "Verständnis der Bibel" anderes als nach der Lektüre der Bibel zum eigenen Verstehen zu kommen - also Auslegung.

sven23 hat geschrieben:Innerhalb der Bibel finden die Kanoniker dann - welche Überraschung - diese Vorraussetzung bestätigt.
Nicht deshalb setzen sie, sondern aus Überzeugung - der Satz "Die Bibel ist Gottes Wort, denn es steht geschrieben „alle Schrift ist von Gott eingegeben“ ist überflüssig und nicht Grund für die Setzung "Es gibt Gott".

Münek hat geschrieben:Du kannst die HKM nur dann kritisieren, wenn Du sie richtig verstanden hast.
Ich habe sie nicht inzüchtig, sondern von außen verstanden. - HKM-ler, die dies ebenfalls tun, machen vorsichtig, aber deutlich klar, dass methodische Ergebnisse der HKM und "Wahrheit über Jesus" nichts miteinander zu tun haben müssen.

Münek hat geschrieben:Das glaubt nicht mal die Kirche. Meines Wissens gehen maßgebliche Vertreter der Kirche davon aus, dass den Menschen bei seiner Zeugung eine "Seele", aber nicht sein geistiges Vermögen (sein Geist) "eingestiftet wird.
Das ist wieder was anderes - hier geht es erstmal drum, dass Schöpfung aus Geist kommt. - Inwieweit zu welchem Zeitpunkt das Abbild dieses Geistes im Menschen materialisiert wird ("Neuronen"), ist eine ganz andere Frage.

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Münek
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#482 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Fr 23. Sep 2016, 23:02

Ska'ara hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Kein Gläubiger ist gezwungen, an einem öffentlichen Forum teilzunehmen. Tut er es aber, muss er damit rechnen, dass ihm der kalte
Wind der Realität ins Gesicht bläst und er mit unangenehmen Tatsachen (z.B. Ergebnissen der wissenschaftstheologischen Forschung) konfrontiert wird, die er bisher nicht kannte.
Der kalte Wind? Stimmt, eiskalt, aber Realität? Real ist, was stimmt, nicht, was du für richtig hältst. Das kann alles sein, denn das Morgige ist noch nicht gedacht worden. Du trittst auf der Stelle und merkst es nicht einmal.
Du solltest schon lesen, was ich geschrieben habe. Ich nannte als Realität insbesondere die "Ergebnisse der wissenschaftlichen Bibelforschung". Diese Ergebnisse sind dermaßen real, dass man sie sogar schwarz auf weiß nachlesen kann.

Und ja - sie können auf unbedarfte Gläubige wie ein eiskalter Wind wirken, der ihnen plötzlich schmerzhaft ins Gesicht bläst. Ein sol-
cher eiskalter Wind kann bestenfalls bewirken, dass ihnen jäh die Augen geöffnet werden und sie die historische Wahrheit erkennen.

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Halman
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#483 Re: Theodizee

Beitrag von Halman » Fr 23. Sep 2016, 23:07

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:doch ist diese Exegese wirklich so geartet, dass die Existenz Gottes vorausgesetzt wird?
Wenn es nicht nur um formale Exegese geht, sondern auch um semantische: Wie soll das anders gehen?
Indem man nicht aus dem Glauben heraus exegesiert, sondern man die Rezeption der Glaubensgemeinschaft gewissermaßen von "außen" beobachtet.
Man muss nicht aus dem Glauben heraus reden, wenn man über den Glauben einer Gemeinde spricht.

closs hat geschrieben:Was aus meiner Sicht geht, ist, dass ein muslimischer oder jüdischer Wissenschaftler mit seinem anderen Glauben an Gott die Bibel kanonisch interpretieren kann. - Aber wie man Schriften über Gott semantisch ohne Voraussetzung Gottes auslegen soll, wäre mir eine Rätsel.
Indem man untersucht, welche Bedeutung die Texte für die Glaubensgemeinschaft haben. Dies kann man doch auch als neutraler Beobachter tun.

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Für diese Auffassung hätte ich gerne eine Quelle.
Habe ich noch nie danach gesucht. - Wie kannst Du Dir SEMANTISCHE Exegese ohne die Setzung von Gott als Realität vorstellen?
Was ist semantische Exegese? :?:

Ich dachte, wir sprechen über die kanonische Exegese?

Für die Glaubensgemeinschaft sind die Schriften heilig. Dies muss man bei der Untersuchung der Rezeption berücksichtigen, unabhängig davon, ob man sie selbst auch als heilig ansieht.

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:So, wie ich die kanonische Exegese verstanden habe, geht es um die Rezeption des "Kanons" der Glaubensgemeinschaften, also Judentum und Christentum.
Ja, schon. - Aber wie will man die Substanz dieser Glaubensgemeinschaften ohne Gott-Existenz verstehen?
Indem man versteht, dass die Glaubensgemeinschaften die Existenz Gottes vorausetzen. Ich kann z.B. schauen, wie eine trinitarische Glaubensgemeinschaft prototrinitarische Textstellen ließ, ohne die Trinität selbst zu vertreten.

Ich verstehe den Exegeten eher als neutralen Forscher und in diesem Fall Beobachter der Glaubensgemeinschaften. Wenn er dies nicht tut, arbeitet er nicht wissenschaftlich. Kein Problem, aber dann soll er sagen, dass er weltanschauliche Theologie und Exegese betreibt. Wissenschaft setzt Neutralität voraus, oder nicht?

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Der "Kanon" wurde für die Glaubensgemeinschaft als normative Größe zusammengestellt
Eben - und wie will man diese Norm verstehen, ohne Gott als Realität ernst zu nehmen?
Ich rede beobachtend über die Glaubensgemeinschaft. Für Juden ist Jesus NICHT Gottes Sohn. Trotzdem könnten wir uns, wenn auch aufgrund mangelnder Kenntnisse des Talmuds nur sehr begrenzt, über ihre Rezeption des Tanach' unterhalten. Christen mit hinreichenden Kenntnissen der talmudischen Tradition könnten dies natürlich viel besser.

Wenn Literaturwissenschaftler untersuchen, wie die Werke von Schiller früher und heute rezipiert wurden, so müssen sie dazu recherchieren, aber doch nicht notwendig die Ansichten der Rezeptionskreise übernehmen.

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Wie verstehst Du die Aussagen folgender Buch-Quelle? Mag sein, dass diese Quelle leichter verständlich ist.
Passt aus meiner Sicht und kommt meines Erachtens auf obiges raus:
"Säkular-materialistische Perspektive hier, theologisch-spirituelle Perspektive da - "Geist ist Folge von Materie" hier, "Materie ist Folge von Geist" da".
Danke für das Featback.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

closs
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#484 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Fr 23. Sep 2016, 23:40

Halman hat geschrieben:Man muss nicht aus dem Glauben heraus reden, wenn man über den Glauben einer Gemeinde spricht.
Das stimmt wohl - aber welchen Sinne hätte dies, außer dass man unter soziologischen Gesichtspunkten eine Gruppe in der Gesellschaft analysieren würde?

Halman hat geschrieben:Indem man untersucht, welche Bedeutung die Texte für die Glaubensgemeinschaft haben. Dies kann man doch auch als neutraler Beobachter tun.
Nach meinem Verständnis ist "kanonische Exegese" mehr - nämlich die Bedeutungs-Analyse der Bibeltexte selbst PLUS deren Bedeutung für die Glaubensgemeinschaft.

Und da ist eben die Frage, ob eine Bedeutungs-Analyse der Bibeltexte kanonisch möglich ist, wenn man nicht selbst von Gott ausgeht.

Halman hat geschrieben:Was ist semantische Exegese?
Bedeutungs-Auslegung des Textes selbst (und nicht nur deren Auswirkung auf Gruppen).

Halman hat geschrieben:Ich dachte, wir sprechen über die kanonische Exegese?
Ja, schon. - Aber wie soll die (heilsgeschichtliche) Glaubensgeschichte funktionieren, ohne dass man dabei eine Bedeutungs-Auslegung der Texte selbst macht?

Halman hat geschrieben:Ich verstehe den Exegeten eher als neutralen Forscher und in diesem Fall Beobachter der Glaubensgemeinschaften.
Das wäre aber eher ein soziologisches oder religions-geschichtliches Fachgebiet.

Natürlich spielt die Glaubensgemeinschaft über die Zeiten eine große Rolle, weil sich in ihr die Heilsgeschichte abbildet. - Mal eine ganz einfache Frage: Welche Disziplin ist aus Deiner Sicht dafür zuständig, die Bibel Wort für Wort zu lesen, zu untersuchen und bedeutungs-mäßig unter der Prämisse zu untersuchen, dass es Gott gibt. - Die HKM kann es nicht, wie wir wissen - aber irgendwer muss es doch tun. Und ich meine, dies sei Teil der kanonischen Exegese.

Halman hat geschrieben:Wenn Literaturwissenschaftler untersuchen, wie die Werke von Schiller früher und heute rezipiert wurden, so müssen sie dazu recherchieren, aber doch nicht notwendig die Ansichten der Rezeptionskreise übernehmen.
Absolut - aber ich meine, dass kanonische Exegese mehr als das ist. - Wozu bräuchte es sonst einer "Glaubensentscheidung"? Zum Beobachten und Analysieren sicherlich nicht.

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#485 Re: Theodizee

Beitrag von Pluto » Sa 24. Sep 2016, 00:10

closs hat geschrieben:Und da ist eben die Frage, ob eine Bedeutungs-Analyse der Bibeltexte kanonisch möglich ist, wenn man nicht selbst von Gott ausgeht.
Exakt!
Die kanonische Exegese muss die Existenz Gottes voraussetzten, sonst macht ihre Interpretation keinen Sinn.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#486 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 24. Sep 2016, 00:30

Pluto hat geschrieben:Die kanonische Exegese muss die Existenz Gottes voraussetzten, sonst macht ihre Interpretation keinen Sinn.
So ist es - insofern ist das Gegenstück zur HKM, die sich auf den Fall beschränkt, dass Gott NICHT existiert (siehe Methodik).

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#487 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Sa 24. Sep 2016, 00:34

Münek hat geschrieben:Ich nannte als Realität insbesondere die "Ergebnisse der wissenschaftlichen Bibelforschung". Diese Ergebnisse sind dermaßen real, dass man sie sogar schwarz auf weiß nachlesen kann.
Ich seh dabei nur riesige reale Widersprüche.


Und ja - sie können auf unbedarfte Gläubige wie ein eiskalter Wind wirken, der ihnen plötzlich schmerzhaft ins Gesicht bläst. Ein sol-
cher eiskalter Wind kann bestenfalls bewirken, dass ihnen jäh die Augen geöffnet werden und sie die historische Wahrheit erkennen.
Geht's dir nicht gut? Hat dich die vermeintliche Realität so erschreckt? Ich denke, dass die Realität unzufrieden macht und dass manche anderen den Glauben und Hoffnung nicht gönnen.

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#488 Re: Theodizee

Beitrag von Pluto » Sa 24. Sep 2016, 00:35

Ska'ara hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich nannte als Realität insbesondere die "Ergebnisse der wissenschaftlichen Bibelforschung". Diese Ergebnisse sind dermaßen real, dass man sie sogar schwarz auf weiß nachlesen kann.
Ich seh dabei nur riesige reale Widersprüche.
Welche Widersprüche siehst du denn konkret?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#489 Re: Theodizee

Beitrag von Pluto » Sa 24. Sep 2016, 00:35

Ska'ara hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich nannte als Realität insbesondere die "Ergebnisse der wissenschaftlichen Bibelforschung". Diese Ergebnisse sind dermaßen real, dass man sie sogar schwarz auf weiß nachlesen kann.
Ich seh dabei nur riesige reale Widersprüche.
Welche Widersprüche siehst du denn konkret?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#490 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Sa 24. Sep 2016, 03:02

Ska'ara hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Und ja - sie können auf unbedarfte Gläubige wie ein eiskalter Wind wirken, der ihnen plötzlich schmerzhaft ins Gesicht bläst. Ein solcher eiskalter Wind kann bestenfalls bewirken, dass ihnen jäh die Augen geöffnet werden und sie die historische Wahrheit erkennen.
Geht's dir nicht gut? Hat dich die vermeintliche Realität so erschreckt? Ich denke, dass die Realität unzufrieden macht und dass manche anderen den Glauben und Hoffnung nicht gönnen.
Jetzt bist Du wirklich von allen guten Geistern verlassen. Wir befinden uns hier in einem öffentlichen Diskussions-Forum, dessen Zutritt freiwillig ist. Du kannst doch von einem Atheisten nicht ernsthaft erwarten, dass er hier mit seiner Auffassung hinterm Berg hält.

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