Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Rund um Bibel und Glaube
Samantha

#411 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Samantha » So 3. Aug 2014, 14:00

Cratz3r hat geschrieben:Der Verzicht auf Gewalt wäre in jedem Fall die bessere Lösung. Ich habe auch großen Respekt vor Ghandi und dem, was er vollbracht hat. Aber was in der Theorie schön klingt, funktioniert in der Praxis nicht immer, auch wenn man es so gut wie möglich versucht. Schießen wird der Feind auf mich so oder so, egal ob freiwillig oder gezwungen. Hast du dir diese Zeilen durchgelesen?
Ja, habe ich. Es ist immer die Frage, wen man als Feind definiert. Ist es tatsächlich "mein" Feind? Eigentlich erschieße oder töte ich doch oft nur die Vertreter der Politiker, die im Hintergrund bleiben.


Cratz3r hat geschrieben:Wenn die Länder dieser Welt ihre Soldaten abschaffen würde, gäbe es wahrscheinlich in der Tat keine Kriege mehr. Denn irgendein Land wird sich dann denken, "Sch*** drauf, wir behalten unsere Armee", damit dann alle anderen wehrlosen Länder erobern und unter einem Herrscher einen. So gäbe es wahrscheinlich nie wieder einen Krieg, weil sich einfach kein Kriegsgegner finden lässt. Dass die Gewalt dann aus der Welt wäre, bezweifle ich aber. :roll:
Die Gewalt entsteht doch meist aus der Unterdrückung - wer zufrieden ist, wird doch kaum gewalttätig sein wollen. Und wenn Menschen in bestimmten Ländern dazu manipuliert werden können, gegen andere vorzugehen, dann sind sie eindeutig Opfer, denen wahrscheinlich falsche Feinde zum Abreagieren gegeben werden.

Mir gefällt Deine Art der Argumentation, und ich möchte Dich auch nicht angreifen aufgrund Deines Berufes. Ich kann Deine Position durchaus verstehen.

Cratz3r
Beiträge: 20
Registriert: So 28. Apr 2013, 10:17

#412 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Cratz3r » So 3. Aug 2014, 14:15

barbara hat geschrieben:
Ja, das ist richtig. Trotzdem ist es nicht möglich, Wehrdienstleistende bis zu einem gewissen Ausbildungsniveau in den Einsatz zu schicken. Das ist erst ab dem 16. Dienstmonat möglich, wenn man es stark verdichtet vielleicht schon ab dem 12. Dienstmonat. Davor macht es keinen Sinn, weil der Soldat einfach noch nicht fertig ausgebildet ist und eine Gefahr für andere und sich selbst darstellen würde. Im Verteidigungsfall wäre das natürlich nochmal eine andere Sache, dass Deutschland seine Mauern verteidigen muss ist aber in nächster Zeit nicht absehbar.

Krieg heisst, Leute sterben. Ein Krieg muss nur lang genug dauern, und irgendwann werden auch wieder die 12-Jährigen in den Krieg geschickt hat, denen in fünf Minuten rasch erklärt wurde, wo vorn und wo hinten ist bei einem Gewehr.
Ja, wenn uns die Argumente ausgehen, holen wir wieder die Extreme hervor, gell? ;) Es geht in dieser Diskussion nicht um den dritten Weltkrieg, sondern um den Wehrdienst hier und heute. Bleib doch bitte auch bei dem Thema.

barbara hat geschrieben:
Cratz3r hat geschrieben:Wenn wir wirklich nur vor dem Bildschirm sitzend Angst und Schrecken verbreiten wollten, dann würden wir lediglich die Artillerie und ein paar Sicherungstruppen zu deren Schutz in den Einsatz schicken. Und dann alles wegbomben was uns nicht ins Bild passt. Tun wir aber nicht.
Cratz3r hat geschrieben:Drohnen werden hingegen eingeführt, um gezielter handeln zu können. Auf Basis von Echtzeit-Informationen kann man viel genauer Entscheidungen treffen und diese im Zweifelsfall auch in letzter Sekunde wieder revidieren - einfach, weil man nicht nur seine Karte mit einem roten Kreuz hat, sondern sieht, was bekämpft werden soll.

Das führt vermutlich dazu, dass Leute angegriffen werden in Situationen, in denen sie vorher schlicht gar nicht angegriffen würden, weil ein einigermassen menschlicher Offizier eben nicht ganze Dörfer oder Städte platt bomben würde, und auch nicht ein Kommando Spezialisten reinschicken würde, ausser es handle sich um einen so prominenten Bösewicht wie Osama bin Laden.

Ist so ein bisschen dasselbe Prinzip wie mit Technik im Auto: wenn man erst mal ABS, Servolenkung, Airbags und bessere Reifen hat, verleitet das einfach dazu, riskanter zu fahren. Die Schäden bleiben, im Grossen und Ganzen, gleich gross. Bloss in der Art der Ereignisse gibt es gewisse Verschiebungen.
Mag sein, aber Drohnen sind in Extrem-Situationen verlässlicher als Soldaten, die mit dem eigenen Tod konfrontiert werden. Du hast doch selbst Angst, dass die dann ausrasten. ;)
Und ich bleibe bei der Aussage: mit Drohnen gehen die Kollateralschäden zurück.

barbara hat geschrieben:
Dir ist mit Sicherheit die Bombardierung bei Kunduz durch Oberst Klein 2009 ein Begriff? Das ist ein sehr komplexer Fall, in dem es auch viele unschuldige Tote gab, er hatte aber auch gewisse Gründe um zu handeln. Mir geht es hier jetzt gar nicht um die Schuldfrage oder eine Debatte ob die Entscheidung richtig war. Aber stell dir doch mal vor, wie die Situation ausgesehen hätte, wenn er damals Kampfdrohnen zur Verfügung gehabt hätte. Nur als kleiner Gedankenanstoß...

hab's hier nachgelesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriff_bei_Kunduz

Das Problem schien mir keineswegs mangelnde Technik zu sein - sondern mangelnde Professionalität, auch entgegen der Bedenken einiger beteiligter Soldaten, die eine weniger rasche Eskalation von Gewalt wollten.

Das fünfmalige Angebot der Besatzungsmitglieder, die Personen an den Tanklastern vor der Bombardierung durch einen Tiefflug zu vertreiben („show of force“), wurde von den Deutschen ebenfalls abgelehnt.[15] Auf die Frage eines Besatzungsmitgliedes „Wollen Sie die Fahrzeuge oder die Leute treffen?“ antwortete der Fliegerleitoffizier: „Wir wollen versuchen, die Leute zu treffen“, die Bomben sollten daher zwischen die Tanklastwagen, wo sich viele Personen aufhielten, platziert werden.

Die beste Technik nützt nichts, wenn man sie nicht mit Bedacht verwendet...
Das Problem an dieser Oberst Klein-Diskussion ist, dass jeder, der sie aufgreift um damit seine Anti-Soldaten-Postion zu verteidigen, nur Fragmente aus dem Kontext reißt und emporhebt, um seine Meinung zu untermauern. Wenn man sich wirklich ernsthaft mit diesem Vorfall auseinandersetzen will, sollte man sich auch einlesen und informieren. Die Sache ist nämlich nicht ganz so einfach, wie die Bild-Zeitung es damals dargestellt hat, und Oberst Klein ist kein Mensch, der von vornherein möglichst viele Unschuldige umbringen wollte. Aufgrund der Vielschichtigkeit dieses Vorfalles möchte ich, wie bereits gesagt, an dieser Stelle auch keine ausführliche Debatte darüber führen. Wir können gerne sachlich über diesen Vorfall diskutieren, allerdings dann bitte in einem separaten Thema.

Hier nur in der Kürze: mit Drohnen hätte man aufklären können, welche Personen in diesen Menschenmassen militant und bewaffnet waren, und welche von ihnen unschuldig und zu dieser Tätigkeit gezwungen waren, und erste gezielter ausschalten können. Stimmst du mir zu, dass das besser ist, als wenn man gezwungen ist, einfach eine Bombe auf alle zu werfen?

barbara hat geschrieben:
So war das in der Tat einmal. Heute befinden wir uns aber fast ausschließlich in nicht-linearen Konflikten. Das bedeutet, der Feind ist (zum Beispiel in Afghanistan, dem Irak oder im Gaza-Streifen) quasi überall und versteckt sich zwischen Zivilisten, greift aus dem Hinterhalt an und kämpft mittels irrationaler Kräfte.

Telepatie? Gespenster? - was um Himmels willen sind "irrationale Kräfte"?
Da hast du mich, entschuldige. Ich meinte irreguläre Kräfte. ;)

barbara hat geschrieben:
Der Feind hat in diesen Fällen nicht mal mehr einen Ehrenkodex.

oh, die Afghanen haben bestimmt einen sehr ausgeklügelten Ehrenkodex, den sie sehr ernst nehmen. Es ist halt bloss nicht derselbe Ehrenkodex wie der europäische bzw das internationale Kriegsrecht.
Ja, das haben die Afghanen. Es geht hier allerdings um die Taliban. Und die pusten bei der Verfolgung ihrer Ziele auch ihr eigenes Volk weg. Schöner Ehrenkodex. ;)

barbara hat geschrieben:
Der Feind hat keinen Kodex sondern kämpft feige und mit schmierigen Methoden.

mal ernsthaft: sich eine Bombe um den Bauch zu binden und diese in einer Kamikaze-Aktion explodieren zu lassen, find ich doch einiges mutiger als in einem ruhigen, sicheren Büro zu sitzen, und auf Distanz Leute zu töten.

ausserdem: Krieg ist immer eine üble Sache, und Krieg bedeutet auch, Vorteile auszunutzen und den Gegner mit unerwarteten, unberechenbaren Aktionen zu überraschen. Man muss dann nicht beleidigt sein, wenn die Andern das auf einmal besser können als man selbst.

Goliath fand in der letzten Sekunde vor seinem Tod sicher auch, dass Davids Angriff mit der Schleuder aus der Ferne eine feige, schmierige Art der Kriegsführung sei.
Also bitte. Die Selbstmordattentäter, die neben ihren Feinden auch Unmengen von unschuldigen Brüdern und Schwestern in den Tod reißen, heroisierst du, wirfst uns aber eine unehrenhafte Kampfweise vor? Sollen wir uns auch lieber Bomben um den Bauch binden? Bleib mal bitte bei einer klaren Argumentationslinie. Entweder Mann gegen Mann und Ehre, oder nicht. Mit so was kann ich nichts anfangen.
Abgesehen davon sind es in der Masse mehr IEDs (Improvised Explosion Devices) als Selbstmordattentäter - also Bomben und Sprengkörper, die irgendwo versteckt, vergraben und hinterlegt werden. Und dann sitzen wiederum die Taliban ganz ruhig im Busch und warten nur, bis sie auslösen müssen. Auf der Schiene kannst du da kein Land gut machen. ;)

barbara hat geschrieben:
Er ist vom klassischen Denken "Mann gegen Mann" schon lange weg gekommen, und wenn wir uns nicht selbst aufopfern bzw. ebensoviele unschuldige Opfer inkaufnehmen wollen, dann müssen auch wir in einem gewissen Rahmen davon abweichen - zum Beispiel durch Drohnen.

Von einem Soldaten erwarte ich eben, dass er bereit ist, sich selbst zu opfern. das ist irgendwie in der Definition des Berufs automatisch mit drin.
Glaub mir, der Blutzoll den wir gezahlt haben und zahlen, ist hoch genug. Bei den Amerikanern ist es noch schlimmer. Da gehen fast jede Woche drei bis vier Soldaten alleine in Afghanistan drauf. Es wird nur nicht immer in den Medien breitgetreten, weil das dort Alltag ist. Wir sind keine dämonischen Sesselpupser. ;)

barbara hat geschrieben:
Wir werden nicht darauf ausgebildet, Zivilisten "abzuknallen" oder unterzählige Gegner zu massakrieren. Es gibt das Kriegsrecht. An dieses sind wir gebunden.

na, dann hoffen wir mal, dass das auch dann noch hält, wenn die besten Freunde aus der Kaserne erschossen wurden
Du sagst es selbst: deshalb werden wir so diszipliniert.

barbara hat geschrieben:
Zu unterstellen, wir würden in andere Länder gehen und von vornherein gewisse Dinge beabsichtigen bzw. tun, ist eine schwere Anschuldigung.

Beabsichtigen nicht; aber genau dafür ist die strenge militärische Disziplin doch unter anderem da, um eben diese völlig automatisch erfolgenden Auswüchse einzugrenzen.
Richtig. Dadurch wird eher vermieden, dass jemand durchdreht und auf Leute schießt, auf die er nicht zu schießen hat.
Zuletzt geändert von Cratz3r am So 3. Aug 2014, 14:26, insgesamt 2-mal geändert.

Samantha

#413 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Samantha » So 3. Aug 2014, 14:16

Pluto hat geschrieben:Allerdings sind wir heute in der realen Welt noch weit davon entfernt. So erscheint eine einseitige Abrüstung bestenfalls als Wunschtraum.
Das ist eine Ausrede, nur um nicht anfangen zu müssen. Wer hat denn davor wirklich Angst? Es verdienen nämlich viele an der Aufrüstung. :mrgreen:

Magdalena61 hat geschrieben:Wenn sich dir auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte eine zwielichte Gestalt nähert und dich unter Androhung von Gewalt dazu auffordert, ihr deine Autoschlüssel auszuhändigen, ist es weniger ratsam, eine Psychoanalyse anzustreben... zunächst besteht schlicht und einfach Handlungsbedarf: Die Gefahr muß abgewendet werden.
Ich würde versuchen, die Gefahr einzuschätzen und auf das Gegenüber ruhig einzureden.

Das heißt also: Du gibst dem Räuber den Schlüssel, dafür bekommst du deinen Sohn wieder und gehst mit diesem zu Fuß weiter, und obendrein trennst du dich auch noch von deiner Kreditkarte inklusive PIN, damit der Räuber keinen Mangel leiden muß und bei Bedarf tanken kann, bis dein Konto bis zur Schmerzgrenze überzogen ist?
Zum Schein muss man auf alles eingehen und ruhig bleiben.

Cratz3r
Beiträge: 20
Registriert: So 28. Apr 2013, 10:17

#414 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Cratz3r » So 3. Aug 2014, 14:24

Samantha hat geschrieben:
Cratz3r hat geschrieben:Der Verzicht auf Gewalt wäre in jedem Fall die bessere Lösung. Ich habe auch großen Respekt vor Ghandi und dem, was er vollbracht hat. Aber was in der Theorie schön klingt, funktioniert in der Praxis nicht immer, auch wenn man es so gut wie möglich versucht. Schießen wird der Feind auf mich so oder so, egal ob freiwillig oder gezwungen. Hast du dir diese Zeilen durchgelesen?
Ja, habe ich. Es ist immer die Frage, wen man als Feind definiert. Ist es tatsächlich "mein" Feind? Eigentlich erschieße oder töte ich doch oft nur die Vertreter der Politiker, die im Hintergrund bleiben.

An diesem Punkt treffen wir uns. Wie ich schon anfangs erwähnt hatte, sehe ich selbst die politische Dimension oft zweifelnd. Warum ich trotzdem auch selbst mit reinem Gewissen nach Afghanistan gehen würde, wenn dort nicht jetzt alles abgebaut würde, wäre einfach der Punkt, dass ich weiß, was unsere Männer dort unten machen. Sie helfen den Menschen und verteidigen die Afghanen gegen Übergriffe der Taliban, die nämlich die Bevölkerung bedrohen und massakrieren, um sie auf die eigene Seite zu ziehen. Da sind wir wieder bei dem Punkt: denen helfen, die sich nicht selbst helfen können. Bei einem Angriffskrieg wäre das etwas anderes, aber solche dürfen wir ja zum Glück nicht führen - sonst wäre ich auch nicht mehr dabei.
Dass das ganze auf der politischen Metaebene natürlich trotzdem Murks ist, sehe ich auch so. Hätte ich die Entscheidungsgewalt gehabt oder könnte diese nachträglich beeinflussen, würde ich sagen, wir bleiben aus Afghanistan draußen.


Samantha hat geschrieben:
Cratz3r hat geschrieben:Wenn die Länder dieser Welt ihre Soldaten abschaffen würde, gäbe es wahrscheinlich in der Tat keine Kriege mehr. Denn irgendein Land wird sich dann denken, "Sch*** drauf, wir behalten unsere Armee", damit dann alle anderen wehrlosen Länder erobern und unter einem Herrscher einen. So gäbe es wahrscheinlich nie wieder einen Krieg, weil sich einfach kein Kriegsgegner finden lässt. Dass die Gewalt dann aus der Welt wäre, bezweifle ich aber. :roll:
Die Gewalt entsteht doch meist aus der Unterdrückung - wer zufrieden ist, wird doch kaum gewalttätig sein wollen. Und wenn Menschen in bestimmten Ländern dazu manipuliert werden können, gegen andere vorzugehen, dann sind sie eindeutig Opfer, denen wahrscheinlich falsche Feinde zum Abreagieren gegeben werden.
Ja, ich stimme zu. Leider sind wir aber noch nicht im Paradies und es wird immer Menschen geben, die aus bestimmten Gründen gewalttätig sind. Und so lange es diese gibt, muss es auch welche geben, die sich ihnen entgegen stellen und Unschuldige schützen. Das ist für mich die einzige akzeptable grundlegende Motivation, um Soldat zu sein.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#415 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von closs » So 3. Aug 2014, 15:25

Magdalena61 hat geschrieben:Was passiert; passieren kann, wenn die legitime, die von Gott eingesetzte oder tolerierte "Obrigkeit" zu schwach und damit nicht in der Lage ist, das Schwert überlegt und wirkungsvoll einzusetzen, das kann man im Irak, in Nigeria, in der Ukraine etc. live beobachten.
Das ist doch exakt auch das Argument der ISIS, der islamischen Welt als Ganzes und auch Putins.

Man sieht seine gott-orientierte weltliche Macht durch den Westen geschwächt, den man als gott-fern und dekadent versteht. - Man will sich also militärisch stärken, um der "von Gott eingesetzten Obrigkeit" (nämlich der eigenen) Gewicht zu verleihen. - Dass es dabei erhebliche Unterschiede zwischen ISIS, Saudi-Arabien und Putin gibt, ist auch klar - aber das Muster ist gleich:

Die ISIS sieht ihre ganz konkrete Form des Islam als gott-gewollt. - Saudi-Arabien (stellvertretend für viele muslimische Staaten) will sein Bollwerk gegen die westlich-christliche Welt halten. - Putin steht hierbei für die russische Orthodoxie (also eine mächtige christliche Glaubensgemeinschaft), die - um es etwas spitz zu formulieren - in "Frauen mit Bart" (Conchita Wurst) keine eigene Leitkultur sehen will. - Der Ukraine-Konflikt ist in diesem Sinne aus russischer Sicht im Grunde ein Kulturkampf zwischen östlicher Orthodoxie und westlichem Nihilismus. - Und dann kommen noch die Amis dazu, die ihre "Obrigkeit" ebenfalls als gottgewollt verstehen. - Das kann nichts werden.

Da würde ich dann doch dafür plädieren, dass das Vertreten eigener Interessen mit Gewalt zwar oft legitim ist, aber immer auch im Konflikt mit dem steht, "was Gottes ist". - Man sollte dieses Kreuz tragen, ohne sich Ausreden zu suchen.

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#416 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von barbara » So 3. Aug 2014, 15:45

Pluto hat geschrieben:So was nennt man ein argumentum ad absurdum — die an sich soliden Argumente des Gegenüber so weit zu dehnen, dass sie absurd erscheinen.
Das ist unsachliche Polemik.

Wieso Polemik? Das ist das, was in Kriegen geschieht. Damals in Deutschland, aktuell in Afrika, in Syrien, und vermutlich, leider, bald in der Ukraine.

Krieg ist eben drum Krieg, weil er das Schlimmste im Menschen hervorbringt. In Friedenszeiten schöne Dokumente und Kataloge von Rechten erstellen ist eine gute Sache, bloss hält das eben nicht ewig weit.



Weißt du was der Hauptgrund für Kollateralschäden in einem Guerillakrieg ist?
Die Soldaten verwenden Zivilisten als menschliche Schutzschilder. Und das machen sie nur damit Leute wie du dann aus sicherer Entfernung von mangelder Professionalität reden können...

und du würdest, im Wissen darum, dass hier Zivilisten sitzen, dennoch schiessen?

- nun - jeder schützt sich, wie er kann. Die einen sitzen einen Kontinent entfernt im Bürosessel, andere, die diese Mittel nicht haben, rechnen mit einem Minimum an Menschlichkeit ihrer Gegner.



Ja. Das ist heute leider immer öfter der Fall!

Das war schon immer der Fall im Krieg. Morden, rauben, plündern, vergewaltigen, brandschatzen? - gehören zu den Konstanten von Kriegführung quer durch die Geschichte.



barbara hat geschrieben: Möchtest du ihn mal beschreiben?

nein. Googlen kannst du selbst.

gruss, barbara

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#417 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von barbara » So 3. Aug 2014, 16:02

Cratz3r hat geschrieben:Ja, wenn uns die Argumente ausgehen, holen wir wieder die Extreme hervor, gell? ;) Es geht in dieser Diskussion nicht um den dritten Weltkrieg, sondern um den Wehrdienst hier und heute. Bleib doch bitte auch bei dem Thema.

Wer sich für mehrere Jahre verpflichtet, muss auch damit rechnen, dass solche Extreme möglicherweise Realität werden.

Generell ist es gut, sich die Frage zu stellen: kann ich meinen Beruf mit allem, was er mit sich bringt, durchführen?



Mag sein, aber Drohnen sind in Extrem-Situationen verlässlicher als Soldaten, die mit dem eigenen Tod konfrontiert werden. Du hast doch selbst Angst, dass die dann ausrasten. ;)

Wenn's die hoch trainierten Spezialisten in einer straffen hierarchischen und sozialen Struktur sind, dann lieber Menschen.

Wenn's irgendwelche halbgaren Infanteristen sind, die als überfordertes Kanonenfutter in einem Urwald losgelassen werden, dann lieber nicht.

mit Drohnen gehen die Kollateralschäden zurück.

Es werden weniger unbeteiligte Menschen getötet.

Sag doch, was Sache ist! "Kollateralschaden" klingt ungefähr so schlimm wie "Blechschaden am Auto". Ist es aber nicht.


Das Problem an dieser Oberst Klein-Diskussion ist, dass jeder, der sie aufgreift um damit seine Anti-Soldaten-Postion zu verteidigen, nur Fragmente aus dem Kontext reißt und emporhebt, um seine Meinung zu untermauern.

ich hab keineswegs eine Anti-Soldaten-Position. Ich hab lediglich eine Anti-Beschönigungs-Position.

Soldaten braucht's gelegentlich, das Töten von Menschen braucht's gelegentlich, ich bin froh darüber dass andere das machen und nicht ich das machen muss, aber bei dieser Kunduz-Geschichte schien mir mehr als genug Technik und Aufklärung involviert zu sein, bloss nicht der Wille und/oder die Fähigkeit der relevanten Kommandeure, darauf mit Menschlichkeit zu handeln.Aus welchen Gründen auch immer - organisatorischen, strukturellen, politischen, persönlichen, oder welchen auch immer.

Hier nur in der Kürze: mit Drohnen hätte man aufklären können, welche Personen in diesen Menschenmassen militant und bewaffnet waren, und welche von ihnen unschuldig und zu dieser Tätigkeit gezwungen waren, und erste gezielter ausschalten können. Stimmst du mir zu, dass das besser ist, als wenn man gezwungen ist, einfach eine Bombe auf alle zu werfen?

Man hätte auch die Vorschläge der Piloten befolgen können und erst mal mit Tiefflug alle Leute verscheuchen, und dann die Fahrzeuge in die Luft jagen, wenn man sie so unbedingt neutralisieren wollte. Die haben das immerhin fünf (!) Mal vorgeschlagen.



barbara hat geschrieben: Da hast du mich, entschuldige. Ich meinte irreguläre Kräfte. ;)

:lol:


Ja, das haben die Afghanen. Es geht hier allerdings um die Taliban. Und die pusten bei der Verfolgung ihrer Ziele auch ihr eigenes Volk weg. Schöner Ehrenkodex. ;)

Ehrenkodexe haben es meist an sich, dass sie nicht schön sind und vor allem, dass sie von Männern Tapferkeit und formale Gewalttätigkeit manchmal auch unter absurden Umständen verlangen, manchmal auch gegen ihren eigenen Willen. War ja auch bei uns so, vor nicht allzu langer Zeit.


Also bitte. Die Selbstmordattentäter, die neben ihren Feinden auch Unmengen von unschuldigen Brüdern und Schwestern in den Tod reißen, heroisierst du, wirfst uns aber eine unehrenhafte Kampfweise vor?

ich heroisiere die nicht, ich sage nur, das braucht mehr Mut, als im bequemen Sessel vor dem Bildschirm Knöpfe zu drücken. Dem wirst du ja wohl zustimmen.

Westliche Kriegführung in den letzten Jahren - wobei sich ja vor allem die USA hervorgetan haben - ist in der Tat auch kein Ruhmesblatt.

Sollen wir uns auch lieber Bomben um den Bauch binden? Bleib mal bitte bei einer klaren Argumentationslinie. Entweder Mann gegen Mann und Ehre, oder nicht. Mit so was kann ich nichts anfangen.

Die Feststellung, welche Handlungen Mut erfordern und welche nicht, ist nicht dasselbe wie die Diskussion, wie ein Krieg sinnvollerweise geführt werden sollte, und unter welchen Umständen er überhaupt geführt werden sollte.

gruss, barbara

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#418 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Pluto » So 3. Aug 2014, 16:20

barbara hat geschrieben:
Weißt du was der Hauptgrund für Kollateralschäden in einem Guerillakrieg ist?
Die Soldaten verwenden Zivilisten als menschliche Schutzschilder. Und das machen sie nur damit Leute wie du dann aus sicherer Entfernung von mangelder Professionalität reden können...
und du würdest, im Wissen darum, dass hier Zivilisten sitzen, dennoch schiessen?
Aus der sicheren Entfernung des weichgepolsterten Fernsehsessels ist es immer leicht solche Fragen zu stellen.

barbara hat geschrieben:
Ja. Das ist heute leider immer öfter der Fall!
Das war schon immer der Fall im Krieg. Morden, rauben, plündern, vergewaltigen, brandschatzen? - gehören zu den Konstanten von Kriegführung quer durch die Geschichte.
Das ist Geschichte. Im Europa des 20/21. Jh. haben wir ganz klare "Kriegsethik" über Völkerrechtsverträge aufgebaut.
Warum willst du das nicht wahrhaben? Verdrängst du das mit Absicht?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Cratz3r
Beiträge: 20
Registriert: So 28. Apr 2013, 10:17

#419 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von Cratz3r » So 3. Aug 2014, 16:23

barbara hat geschrieben:
Cratz3r hat geschrieben:Ja, wenn uns die Argumente ausgehen, holen wir wieder die Extreme hervor, gell? ;) Es geht in dieser Diskussion nicht um den dritten Weltkrieg, sondern um den Wehrdienst hier und heute. Bleib doch bitte auch bei dem Thema.

Wer sich für mehrere Jahre verpflichtet, muss auch damit rechnen, dass solche Extreme möglicherweise Realität werden.

Generell ist es gut, sich die Frage zu stellen: kann ich meinen Beruf mit allem, was er mit sich bringt, durchführen?
Konzentration bitte. Wer den Wehrdienst leistet, verpflichtet sich für ein paar Monate. Er wird nicht in diese Situation kommen. Deswegen ist der Wehrdienst auch für Menschen, die nicht töten wollen, heutzutage mit dem Gewissen vereinbar. Ende der Aussage.

Ich für meinen Teil habe mich länger verpflichtet. Und ich werde meinen Beruf mit allem, was er mit sich bringt, durchführen. Wie und warum, habe ich schon mehrmals dargelegt und werde ich nicht wiederholen.

barbara hat geschrieben:
Mag sein, aber Drohnen sind in Extrem-Situationen verlässlicher als Soldaten, die mit dem eigenen Tod konfrontiert werden. Du hast doch selbst Angst, dass die dann ausrasten. ;)

Wenn's die hoch trainierten Spezialisten in einer straffen hierarchischen und sozialen Struktur sind, dann lieber Menschen.

Wenn's irgendwelche halbgaren Infanteristen sind, die als überfordertes Kanonenfutter in einem Urwald losgelassen werden, dann lieber nicht.
Ich bin froh, dass wir uns langsam einem Punkt nähern, an dem sich alle Beteiligten einig werden, dass es in dieser Diskussion (wie so oft im Leben) keine schwarz-weiß-Bilder gibt, sondern einfach nur viele verschieden starke Variationen von Grau.
Du hast recht, der Einsatz von Soldaten oder Drohnen muss immer im Einzelfall entschieden werden, da jede Situation eine angepasste Reaktion erfordert.

barbara hat geschrieben:
mit Drohnen gehen die Kollateralschäden zurück.

Es werden weniger unbeteiligte Menschen getötet.

Sag doch, was Sache ist! "Kollateralschaden" klingt ungefähr so schlimm wie "Blechschaden am Auto". Ist es aber nicht.
Okay. Mit Drohnen werden weniger unbeteiligte Menschen getötet. Mit dieser Aussage kann ich leben.


barbara hat geschrieben:
Das Problem an dieser Oberst Klein-Diskussion ist, dass jeder, der sie aufgreift um damit seine Anti-Soldaten-Postion zu verteidigen, nur Fragmente aus dem Kontext reißt und emporhebt, um seine Meinung zu untermauern.

[...]

Hier nur in der Kürze: mit Drohnen hätte man aufklären können, welche Personen in diesen Menschenmassen militant und bewaffnet waren, und welche von ihnen unschuldig und zu dieser Tätigkeit gezwungen waren, und erste gezielter ausschalten können. Stimmst du mir zu, dass das besser ist, als wenn man gezwungen ist, einfach eine Bombe auf alle zu werfen?

Man hätte auch die Vorschläge der Piloten befolgen können und erst mal mit Tiefflug alle Leute verscheuchen, und dann die Fahrzeuge in die Luft jagen, wenn man sie so unbedingt neutralisieren wollte. Die haben das immerhin fünf (!) Mal vorgeschlagen.
Ich wiederhole mich noch einmal. Dieser Vorfall ist ein vielschichtiges Thema, auf das ich hier nicht weiter einzugehen vorhabe. Eine fundierte Diskussion können wir an anderer Stelle darüber führen, hier passt es nicht rein. Bei dieser Operation wurden Fehler gemacht, das ist richtig, aber trotz allem war Oberst Klein nicht so böse wie die Medien ihn dargestellt haben. Er ist an diesem Morgen nicht aufgestanden und hat sich gedacht: "Heute töte ich viele unschuldige Menschen". Die Operation hatte gewisse Hintergründe und er wurde abgesehen davon nicht ohne Grund später von den Anschuldigungen juristisch frei gesprochen, auch obwohl er Fehler gemacht hat.
Wenn du weiter darauf eingehen möchtest, können wir uns über Privatnachricht austauschen oder du eröffnest ein neues Thema. Dort stehe ich gerne zur Debatte zur Verfügung.
An dieser Stelle beharre ich nur auf meiner Aussage: Mit Drohnen hätten an diesem Tag viele unschuldige Opfer vermieden werden können. Punkt. Ob man davor mit Flugzeugen drüber fliegt oder nicht, kann man sich dann aussuchen.

barbara hat geschrieben:
Ja, das haben die Afghanen. Es geht hier allerdings um die Taliban. Und die pusten bei der Verfolgung ihrer Ziele auch ihr eigenes Volk weg. Schöner Ehrenkodex. ;)

Ehrenkodexe haben es meist an sich, dass sie nicht schön sind und vor allem, dass sie von Männern Tapferkeit und formale Gewalttätigkeit manchmal auch unter absurden Umständen verlangen, manchmal auch gegen ihren eigenen Willen. War ja auch bei uns so, vor nicht allzu langer Zeit.
Wenn wir das machen würden, mit Bombe um den Bauch ins eigene Volk und so, wäre das Geschrei aber wieder groß, richtig? ;)

barbara hat geschrieben:
Also bitte. Die Selbstmordattentäter, die neben ihren Feinden auch Unmengen von unschuldigen Brüdern und Schwestern in den Tod reißen, heroisierst du, wirfst uns aber eine unehrenhafte Kampfweise vor?

ich heroisiere die nicht, ich sage nur, das braucht mehr Mut, als im bequemen Sessel vor dem Bildschirm Knöpfe zu drücken. Dem wirst du ja wohl zustimmen.

Westliche Kriegführung in den letzten Jahren - wobei sich ja vor allem die USA hervorgetan haben - ist in der Tat auch kein Ruhmesblatt.

Sollen wir uns auch lieber Bomben um den Bauch binden? Bleib mal bitte bei einer klaren Argumentationslinie. Entweder Mann gegen Mann und Ehre, oder nicht. Mit so was kann ich nichts anfangen.

Die Feststellung, welche Handlungen Mut erfordern und welche nicht, ist nicht dasselbe wie die Diskussion, wie ein Krieg sinnvollerweise geführt werden sollte, und unter welchen Umständen er überhaupt geführt werden sollte.

Okay, da das ganze jetzt ein bisschen schwammig wird, bitte ein paar klare Aussagen, damit auch so ein einfacher Befehlsbefolger wie ich es versteht:

Sind Drohnen jetzt besser oder schlechter, als wenn jemand Schulbusse in die Luft jagt? Wer handelt da jetzt ehrenhafter/mutiger und wer sollte sich vom anderen eine Scheibe abschneiden?

Klar sind die Taliban, die sich mit einem Haufen Unschuldiger wegsprengen, mutig, das waren die über 50 gefallenen Bundeswehr-Soldaten aber auch. Es geht hier nicht drum, wer mutiger ist, sondern wer sich menschenwürdiger verhält. Und das sind ganz klar die westlichen Truppen, die sich an das Völkerrecht halten müssen.
Mag sein, dass die ISIS-Männer mutig sind. Was sie machen ist aber trotzdem falsch und muss gestoppt werden. Das ist das Argument für westliche Soldaten, diese Schlächter aufzuhalten. Ehrenkodex hin oder her.

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#420 Re: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Beitrag von barbara » So 3. Aug 2014, 16:25

Pluto hat geschrieben:Aus der sicheren Entfernung des weichgepolsterten Fernsehsessels ist es immer leicht solche Fragen zu stellen.

in der Tat.

und deine Antwort ist....?


Das ist Geschichte. Im Europa des 20/21. Jh. haben wir ganz klare "Kriegsethik" über Völkerrechtsverträge aufgebaut.
Warum willst du das nicht wahrhaben? Verdrängst du das mit Absicht?

Guantanamo, Abu Ghraib, Syrien, Ukraine, und überhaupt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_ ... _Konflikte

Sag mir doch, in wie vielen dieser Konflikte halten sich alle Beteiligten an die Verträge?

gruss, barbara

Antworten