Von einer Jungfrau geboren?

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Zeus
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#391 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Zeus » Do 21. Jan 2016, 13:21

Janina hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Eine Glaubensvorstellung besitzt nur dann Substanz, wenn sie der Realität entspricht.
Nichts spricht dagegen, dass Gott nicht existiert.
Es spricht auch nichts dafür, dass ein Tisch existiert. Alles was du mir zeigen kannst ist ein Arragement aus Holz, Stahl oder Resopal.
Es gibt aber zumindest Indizien für die Existenz dessen, was wir einen "Tisch" nennen.
Oder weißt du etwa nicht, was das ist?
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

Pluto
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#392 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Pluto » Do 21. Jan 2016, 13:26

Janina hat geschrieben:Es spricht auch nichts dafür, dass ein Tisch existiert. Alles was du mir zeigen kannst ist ein Arragement aus Holz, Stahl oder Resopal.
Stimmt! :clap:
Es ist nur ein Tisch, weil wir es so nennen, und es als solchen benutzen. Die Intentionen des Schreiners sind aber an ihm deutlich zu erkennen.
Begriffe wie "Tisch" sind letztlich nur sprachliche Konventionen, wie bei Shakespeare in Romeo & Julia (Akt II, Szene 2)...

  • A rose by any other name would smell as sweet.
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closs
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#393 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Do 21. Jan 2016, 13:30

SilverBullet hat geschrieben:Wenn die Aussage gemacht würde „bis hierher kann die Wissenschaft vordringen, aber darüber hinaus kommt man nicht“, dann unterstützt man eine Erwartungshaltung für das „Darüber-Hinaus“.
Die Wissenschaft darf es nicht ausschließen, wenn sie über ihren Tellerrand hinaus Ergebnisoffenheit signalisieren will.

SilverBullet hat geschrieben:In der Wissenschaft gibt es aber keinen Hinweis für eine Nicht-XXXX-Welt
Korrekt - deshalb hat sie nicht darüber zu sprechen - weder positiv noch negativ.

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#394 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Do 21. Jan 2016, 13:39

Janina hat geschrieben:Was wirklich existiert ist eine zusammengeleimte Menge Holz.
Ja -und da wäre die Frage, ob dieses Holz Entität ist (es existiert auch ohne meine Vorstellung) oder nicht (es existiert nur durch meine Vorstellung) - dasselbe gilt auch für Gott.

Janina hat geschrieben:Daher gibt es kein Objekt, das NICHT Produkt unserer Vorstellung ist.
Aus meiner Sicht ein Denkfehler. - Natürlich muss - um mit Heidegger zu sprechen - "Sein" durch "Seiendes" thematisiert sein, um bewusstseins-mäßig präsent zu sein - aber: Das heisst doch nicht, dass das "Sein" deshalb erst dann "ist", wenn wir es thematisieren.

„Das Sein kommt auf der Ebene des Seienden ohne ein Seiendes nicht vor.“ - „Daher ist das Sein zwar das Nächste, weil es im Umgang mit der Welt immer schon vorausgehend und mitgängig ist; andererseits erweist es sich als das Fernste, da es als Unthematisches nie explizit wird.“

Mit anderen Worten: Die "zusammengeleimte Menge Holz" ist dann "das Fernste", wenn es unthematisiert ("un-wahrgenommen") bleibt - aber es ist nicht NICHT, sondern fern. - Also es "ist".

Und deshalb nochmals meine Frage:
"Ist" aus Deiner Sicht Gott NICHT, wenn er wahrnehmungs-mäßig nicht thematisiert wird, oder ist er nur ferne, also existent/Entität, wenn er (vom Einzelnen) wahrnehmungs-mäßig nicht thematisiert wird/Nicht geglaubt wird. - Hier entscheidet sich aus meiner Sicht der Unterschied zwischen Christentum und Feuerbach.

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#395 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Pluto » Do 21. Jan 2016, 13:43

closs hat geschrieben:Das heisst doch nicht, dass das "Sein" deshalb erst dann "ist", wenn wir es thematisieren.
Richtig!
Das Fliegende Spaghetti-Monster lebt!

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wenn die Aussage gemacht würde „bis hierher kann die Wissenschaft vordringen, aber darüber hinaus kommt man nicht“, dann unterstützt man eine Erwartungshaltung für das „Darüber-Hinaus“.
Die Wissenschaft darf es nicht ausschließen, wenn sie über ihren Tellerrand hinaus Ergebnisoffenheit signalisieren will.

SilverBullet hat geschrieben:In der Wissenschaft gibt es aber keinen Hinweis für eine Nicht-XXXX-Welt
Korrekt - deshalb hat sie nicht darüber zu sprechen - weder positiv noch negativ.
Wissenschaft darf dies nicht, und über jenes hat sie gefälligst nicht zu sprechen...

Ich verstehe diese wiederholten Versuche nicht, die Wissenschaft mundtot zu machen.
Was ist denn so schlimm an wissenschaftlichen Erkenntnissen, die nichts anderes sind als Mittel, uns der Wahrheit zu nähern?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#396 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Janina » Do 21. Jan 2016, 13:50

closs hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Was wirklich existiert ist eine zusammengeleimte Menge Holz.
Ja -und da wäre die Frage, ob dieses Holz Entität ist (es existiert auch ohne meine Vorstellung) oder nicht (es existiert nur durch meine Vorstellung) - dasselbe gilt auch für Gott.
Ich kann das immer weiter treiben: Es gibt keinen Tisch, es gibt nur Holz und Leim.
Es gibt kein Holz, es gibt nur vertrocknete Pflanzenreste.
Es gibt keine Pflanze, es gibt nur organische Reaktionen.
Es gibt keine komplexen Moleküle, es gibt nur Protonen, Neutronen und Elektronen.
Kommen wir mit so einer Beschreibung jemals an ein Ende? Gibt es eine letzte "Entität"? Nein, es ist immer wieder nur eine weitere gedachte Vorstellung.
Daher behaupte ich, gibt es den Unterschied gar nicht.

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#397 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Do 21. Jan 2016, 13:59

Janina hat geschrieben:Gibt es eine letzte "Entität"? Nein, es ist immer wieder nur eine weitere gedachte Vorstellung.
Wie würdest Du dann diese Deine Meinung abgrenzen von Solipsismus? - Ist die Welt NUR Vorstellung? - Es gibt keine Entität "Mond", weil er nur Vorstellung ist?

Pluto hat geschrieben:Ich verstehe diese wiederholten Versuche nicht, die Wissenschaft mundtot zu machen.
Wenn Dir jemand sagen würde, Du sollst als Chemiker nicht über den Sinn von Goethes "Urworte" sprechen: Würdest Du Dich dann mundtot gemacht fühlen? Oder wäre es nicht vielmehr ein Hinweis, dass Chemie dazu einfach die falsche Disziplin ist. ---???---

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#398 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von SilverBullet » Do 21. Jan 2016, 14:18

Janina hat geschrieben: Es spricht auch nichts dafür, dass ein Tisch existiert. Alles was du mir zeigen kannst ist ein Arragement aus Holz, Stahl oder Resopal.
Ich denke, du zielst auf den Umstand ab, dass sich die materiellen Zusammenhänge immer weiter aufzulösen scheinen, je weiter man ins Detail geht.

Letztlich ist der Tisch zum überwiegenden Teil leerer Raum.

Allerdings wirken sich die Kräfteverhältnisse in diesem Raum auf Wahrnehmung in unserer Auflösung so aus, als wäre der Raum geschlossen angefüllt.

Trotzdem wird das „Materie-Löst-Sich-Auf“-Argument von Gläubigen (aus meiner Sicht) gerne verwendet, um das „Immaterielle“ als Basis für Materie einzuführen.

Dass diese behauptete „Grundlage“ dann „dem“ entsprechen soll, was den Menschen bzw. das Leben ausmacht: „Geist“, ist im Grunde eine nicht nachvollziehbare Bedeutungsverbindung (eher sogar Bedeutungserfindung).

Dieses „Immaterielle“ soll keine weitere Grundlage mehr haben, sondern ewig, unendlich und ohne Anfang sein.

Komisch ist, dass man dazu erst das „Immaterielle“ heranziehen muss.
Im "Unsichtbaren", scheint dies wohl eher akzeptabel zu sein, als bei den materiellen Zusammenhängen.

Warum kann man nicht sagen, Materie selbst, ist etwas, das ewig besteht und keinen Anfang besitzt?
Aktuell befindet sich Materie vielleicht, komplett oder nur lokal in einer Art „Strukturbildung“, die wir als „das Universum“ und „die Raumzeit“ bezeichnen.
Die Wahrnehmung wäre dann lediglich ein Ablaufeffekt innerhalb dieser Strukturbildung und hat nichts mit der Grundlage dieser Strukturbildung zu tun.

__________________________________________________________________

closs hat geschrieben:Die Wissenschaft darf es nicht ausschließen, wenn sie über ihren Tellerrand hinaus Ergebnisoffenheit signalisieren will.
Es wird nichts ausgeschlossen.

Tatsache ist, dass es keine Vorstellungen zur Nicht-XXXX-Welt gibt.
(deshalb verwendet man ja diese Negativ-Strategie)
Es ist also kein Inhalt da, um ausgeschlossen zu werden.

Die korrekte Umgangsweise ist, dass man nicht suggeriert, dass es sich bei diesen Verdachtsideen um einen "alternativen Inhalt" handelt.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:In der Wissenschaft gibt es aber keinen Hinweis für eine Nicht-XXXX-Welt
Korrekt - deshalb hat sie nicht darüber zu sprechen - weder positiv noch negativ.
In der Wissenschaft kann doch gar nichts dazu vorkommen, weil es dazu keinen Inhalt gibt.
Eine Forschung hat eigentlich immer einen konkreten Auftrag und präsentiert am Ende die dazu passenden Ergebnisse.
Eine Forschung, die mangels Inhalt nicht durchgeführt werden kann, führt nicht zu Ergebnissen.
Eine Forschung, die feststellt, dass es zu einer Problemstellung letztlich keinen Inhalt gibt, kann nur genau dies darstellen.

Wenn eine Forschung zur Jungfrauengeburt feststellt, dass es in der damaligen Zeit ein gewisses Schema gab, die Geburt von „wichtigen Menschen“ in ein besonderes Licht zu stellen (Sterne, Wunder, Reinheit, besondere Abstammung usw.), dann kann dies mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch der Textaussage der Bibel zugeordnet werden.

Religion ist ein Konzept, das für Wahrnehmungssysteme gedacht sein soll. Also muss sich dieses Konzept auch dem „Prinzip der vielen Blickwinkel“ stellen.
Eine wissenschaftliche Analyse nach dem Motto „gibt es einen unspektakulären Zusammenhang?“ gehört meiner Meinung nach dazu.

Das mögen die Anhänger von Religion wohl eher nicht, aber sie sollten sich klar machen, dass sie in erster Linie, Wahrnehmungssysteme sind und somit nach Grundregeln ablaufen, die sie nicht negieren können.
Wenn die Religion nur funktioniert, indem diese Grundregeln nicht gelten sollen (z.B. dass keine Blickwinkel möglich sein dürfen), dann stimmt mit der Religion etwas nicht.

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#399 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Janina » Do 21. Jan 2016, 14:19

closs hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Gibt es eine letzte "Entität"? Nein, es ist immer wieder nur eine weitere gedachte Vorstellung.
Wie würdest Du dann diese Deine Meinung abgrenzen von Solipsismus? - Ist die Welt NUR Vorstellung? - Es gibt keine Entität "Mond", weil er nur Vorstellung ist?
Das ist der Punkt. Der Mond ist nur eine Vorstellung, und besteht aus Bestandteilen, die selber nur Vorstellung sind. Das ist aber kein Grund für eine Annahme der Nichtexistenz des Mondes.
Entität und Essenz schließen sich nicht aus. Der Mond geht nicht weg davon, dass ich weiß woraus er besteht und wie er sich verhält.

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#400 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Do 21. Jan 2016, 14:51

SilverBullet hat geschrieben:Tatsache ist, dass es keine Vorstellungen zur Nicht-XXXX-Welt gibt.
Naturalistisch gesehen absolut richtig.

SilverBullet hat geschrieben:Dass diese behauptete „Grundlage“ dann „dem“ entsprechen soll, was den Menschen bzw. das Leben ausmacht: „Geist“, ist im Grunde eine nicht nachvollziehbare Bedeutungsverbindung (eher sogar Bedeutungserfindung).
Naturalistisch gesehen absolut richtig.

SilverBullet hat geschrieben:Komisch ist, dass man dazu erst das „Immaterielle“ heranziehen muss.
Wenn man - wie es (u.a.) monotheistische Religionen tun) Materie als Produkt von Materie versteht ("Und Gott schuf"), geht es nicht anders. - Dies ist geistig/ontologisch sehr gut herleitbar, aber selbstverständlich im Sinne des Naturalismus nicht nachvollziehbar - logisch: Denn Naturalismus und somit Naturwissenschaft ist nur für die "natürliche" Welt zuständig.

SilverBullet hat geschrieben:In der Wissenschaft kann doch gar nichts dazu vorkommen, weil es dazu keinen Inhalt gibt.
Naturalistisch gesehen absolut richtig. - Somit kann man es naturalistisch ausschließen - aber nicht ontologisch. - Man kann also sagen: Nach unserem System ist eine geistige Welt ausgeschlossen - aber nicht: Sie "ist" ausgeschlossen (also jenseits des Naturalistischen ausgeschlossen). - Man kann also das Wort "Tatsache" nur system-intern meinen und nicht absolut.

SilverBullet hat geschrieben:Das mögen die Anhänger von Religion wohl eher nicht, aber sie sollten sich klar machen, dass sie in erster Linie, Wahrnehmungssysteme sind und somit nach Grundregeln ablaufen, die sie nicht negieren können.
Innerhalb von naturalistischen Wahrnehmungs-Systemen wird es von Anhängern von Religion ja auch nicht negiert.

SilverBullet hat geschrieben:Wenn die Religion nur funktioniert, indem diese Grundregeln nicht gelten sollen (z.B. dass keine Blickwinkel möglich sein dürfen), dann stimmt mit der Religion etwas nicht.
Meinst Du jetzt ontologische Grundregeln oder naturalistische Grundregeln? - Großer Unterschied!

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