Aberglaube im 21. Jahrhundert

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Faransil
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#281 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Faransil » Fr 10. Apr 2015, 10:42

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:das ist aber kein Grund, historische Fakten beiseite zu schieben.
Das will doch keiner. - Aber es ist eben KEIN "historisches Faktum", dass (bspw.) Jesus selbst eine Naherwartung hatte.
Es ist aber ein Fakt, dass die Bibel darlegt, wie Jesus eine Naherwartung prophezeite.
Und: Er irrte sich nachweislich, denn diese ist nicht eingetreten.

Tatsächlich wird hier ja nur versucht, einen Irrtum einer für dich/euch notwendigen/wichtigen Figur bzw. Persönlichkeit zu vertuschen.
Nur wird das nicht funktionieren.

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Savonlinna
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#282 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Savonlinna » Fr 10. Apr 2015, 11:41

closs hat geschrieben:
2Lena hat geschrieben: Werden die Lösungen genommen (=Kirchenlehre) sind alle Fragen von Savonlinna überflüssig.
EInverstanden - unter dem Aspekt, den ich "geistig" nenne, braucht es diese Fragen wirklich nicht. - WENN man aber schon historisch-kritisch deuten will, DANN sind Savonlinnas Fragen unumgänglich.
Ich denke folgendermaßen:
Historisch-kritisch ist eine Deutung nie. Wer sie als Deutung sieht, ist ja gerade schon im Feld der Nicht-Wissenschaft - oder gar der Ideologisierung von Wissenschaft. Das hast Du ja gestern selber so ungefähr geschrieben. Und ich vermute, das wollten 2Lena und Janina mit ihren beiden posts ebenfalls sagen.

Das ist genau wie in der Literaturwissenschaft. Die Literaturwissenschaft kann feststellen, theoretisch, ob das Märchen "Dornröschen" ursprünglich auf einem aktuellen Geschehen basiert. Falls man so eine Quelle findet, dann ist das eine Art Nachweis dafür. Also eine Quelle über ein reales Geschehen.
Aber damit ist das Märchen nicht gedeutet. Wäre sogar noch nicht mal eine Deutung gewesen, als es erstmals formuliert wurde.

Angenommen aber - ich spekuliere hier wild, bitte beachten -, man findet die erste Variante der Dornröschen-Erzählung, dann könnte man textkritisch vergleichen, in welcher Weise a. das historische Geschehen verarbeitet wurde, b. die erste Variante sich bis heute verändert hat.
In beiden Fällen wird wissenschaftlich gearbeitet, es liegt also keine Deutung vor.
Die Deutung beginnt erst, wenn man über die wissenschaftliche Rekonstruktion hinausgeht und es auf die eigene menschliche Situation anwendet: sich also als verstehenden Menschen einbringt. Und das reale historische Geschehen damit automatisch transzendiert.

Und das nenne ich einen "geistigen" Vorgang. Jegliche Deutung ist also nach meinem Sprachgebrauch ein geistiger Vorgang.
Auch die Aussage, dass die historisch-kritische Vorgehensweise nicht nur eine Methode sei, sondern auch eine Deutung, ist bereits - in dieser Ideologisierung - ein geistiger Vorgang.

Wenn Du hingegen Dich für die Möglichkeit einsetzt - und das tust Du ja unermüdlich -, dass der reale historische Jesus das Reich Gottes als "inwendig" verstanden haben könnte, dann bist Du im Bereich der historisch-kritischen Forschung. Denn so eine Aussage setzt seine reale Existenz voraus.
Wenn wir die Möglichkeiten, die die Textüberlieferung hergibt, erwägen und uns fragen, ob der so überlieferte Text-Jesus ein inwendiges Reich Gottes gemeint haben könnte, dann kann die historisch-kritische Methode ebenfalls Antwort geben: ja, die originalen Texte schließen diese Möglichkeit nicht aus.
Damit ist aber eben noch immer nichts über den realen Jesus gesagt, sondern nur über den Text-Jesus.

Ich kenne einige Christen, die sich von dieser Frage nach dem historischen Jesus emanzipiert haben und sagen: entscheidend ist unser eigenes Bild davon. Denn immerhin haben Jahrtausende an diesem inneren Bild gearbeitet und an die jeweilige Zeit-Problematik angepasst.

Und gerade das finde ich faszinierend. Ich erwähne in diesem Zusammenhang fast immer den Marxisten Ernst Bloch, der auf die so notwendige Utopiefähigkeit des Menschen hinweist und zeigt, dass solche inneren Bilder dem Menschen Hoffnung verschaffen - weil die Menschen innerlich diese Utopie bereits spüren.

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Savonlinna
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#283 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Savonlinna » Fr 10. Apr 2015, 11:55

Faransil hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:das ist aber kein Grund, historische Fakten beiseite zu schieben.
Das will doch keiner. - Aber es ist eben KEIN "historisches Faktum", dass (bspw.) Jesus selbst eine Naherwartung hatte.
Es ist aber ein Fakt, dass die Bibel darlegt, wie Jesus eine Naherwartung prophezeite.
Und: Er irrte sich nachweislich, denn diese ist nicht eingetreten.

Tatsächlich wird hier ja nur versucht, einen Irrtum einer für dich/euch notwendigen/wichtigen Figur bzw. Persönlichkeit zu vertuschen.
Nur wird das nicht funktionieren.
Das, was ich gefettet habe, ist Resultat eines unwissenschaftlichen Denkens. Bitte nicht böse sein, wenn ich das so schreibe. Ich bin kein Christ, aber ich kann erkennen, ob jemand wissenschaftlich denkt oder Amateur ist.
Du kannst nicht wissen, warum jemand etwas schreibt. Dass er etwas "vertuschen" will, ist eine Unterstellung, die mit wissenschaftlichem Denken nichts zu tun hat. Ein Wissenschaftler weiß, dass es viele Möglichkeiten gibt, warum jemand so oder anders denkt.

Diese unwissenschaftliche Herangehensweise nehme ich auch an Deiner Textanalyse wahr. Schon allein die Aussage "dass die Bibel darlegt" ist ein Amateurdenken. Es wird nicht berücksichtigt, was jeder Wissenschaftler der historisch-kritischen Methode tun würde: dass die verschiedenen Bibelautoren verschieden dachten.
Weiter ist es umstritten, was im Text mit "Naherwartung" gemeint sein könnte.
Weiter lässt Du außer acht, dass nicht Jesus das gesagt hat, sondern dass der Evangelist Markus das niedergeschrieben hat, ca vierzig bis fünfzig Jahre nach dem Tod Jesu.
Ein Wissenschaftler käme nie auf die Idee, das außer Acht zu lassen.

Es muss nicht jeder Wissenschaftler sein, darum noch einmal: ich meine es nicht böse.
Darum noch einmal die Frage an Dich, die ich in dem Fragekatalog schon gestellt habe: Glaubt Deiner Meinung nach Markus - der diesen strittigen Satz dem Jesus des Markus-Evangeliums in den Mund gelegt hat - daran, dass das Reich Gottes schon eingetreten ist? Denn vierzig/fünfzig Jahre haben die "Naherwartung" ja wohl schon überschritten - oder nicht?

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Faransil
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#284 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Faransil » Fr 10. Apr 2015, 12:00

Savonlinna hat geschrieben:
Faransil hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Das will doch keiner. - Aber es ist eben KEIN "historisches Faktum", dass (bspw.) Jesus selbst eine Naherwartung hatte.
Es ist aber ein Fakt, dass die Bibel darlegt, wie Jesus eine Naherwartung prophezeite.
Und: Er irrte sich nachweislich, denn diese ist nicht eingetreten.

Tatsächlich wird hier ja nur versucht, einen Irrtum einer für dich/euch notwendigen/wichtigen Figur bzw. Persönlichkeit zu vertuschen.
Nur wird das nicht funktionieren.
Das, was ich gefettet habe, ist Resultat eines unwissenschaftlichen Denkens.
Falsch.
Denn das, was du gefettet hast, hat mit Wissenschaft überhaupt nichts zu tun.

Savonlinna hat geschrieben:Du kannst nicht wissen, warum jemand etwas schreibt.
Ist auch unerheblich.
Es geht darum, WAS geschrieben wurde. Warum spielt keine Rolle.

Savonlinna hat geschrieben:Schon allein die Aussage "dass die Bibel darlegt" ist ein Amateurdenken.
Nein, denn die Bibel legt es eben so dar. Ob richtig oder nicht und warum das die Schreiberlinge integrierten ist unerheblich.

JackSparrow
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#285 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von JackSparrow » Fr 10. Apr 2015, 12:05

Savonlinna hat geschrieben:Die Deutung beginnt erst, wenn man über die wissenschaftliche Rekonstruktion hinausgeht und es auf die eigene menschliche Situation anwendet: sich also als verstehenden Menschen einbringt. Und das reale historische Geschehen damit automatisch transzendiert.
Der Satz "Elvis spielte Gitarre" bedeutet nichts anderes, als dass Elvis Gitarre spielte. Er muss weder gedeutet noch transzendiert noch auf die eigene menschliche Situation angewendet werden. Man muss auch keine Lehren draus ziehen. Außer dass man ebenfalls Gitarre spielen sollte, wenn man wie Elvis sein will.

Ich kenne einige Christen, die sich von dieser Frage nach dem historischen Jesus emanzipiert haben und sagen: entscheidend ist unser eigenes Bild davon.
Wenn sie mit der Bibel nicht einverstanden sind und trotzdem Christen bleiben wollen, bleibt ihnen ja keine andere Wahl.

Ich erwähne in diesem Zusammenhang fast immer den Marxisten Ernst Bloch
Jeder Christ ist gleichzeitig Marxist. Die müssen sich einfach von der Frage nach dem historischen Marx emanzipieren und sagen: entscheidend ist unser eigenes Bild davon.

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Savonlinna
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#286 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Savonlinna » Fr 10. Apr 2015, 12:22

Faransil hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du kannst nicht wissen, warum jemand etwas schreibt.
Ist auch unerheblich.
Es geht darum, WAS geschrieben wurde. Warum spielt keine Rolle.
Eben. Darum verstehe ich ja nicht, dass Du den Grund Dir ausdenkst und niederschreibst. Dadurch fällt das amateurhafte Beurteilen ja erst auf.

Faransil hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Schon allein die Aussage "dass die Bibel darlegt" ist ein Amateurdenken.
Nein, denn die Bibel legt es eben so dar. Ob richtig oder nicht und warum das die Schreiberlinge integrierten ist unerheblich.
Das ist doch gerade das Amateurdenken: dass man meint, die Wörter seien eindeutig.
Die Wissenschaft beginnt immer mit dem Zweifel.

Ach, vergessen: "Schreiberlinge", wie Du die Bibelautoren nennst, zeugen nicht von seriösem Verstehenwollen.
Aber es muss nicht jeder seriös sein. Wollte es nur mal sagen.

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Faransil
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#287 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Faransil » Fr 10. Apr 2015, 12:24

Savonlinna hat geschrieben:
Faransil hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du kannst nicht wissen, warum jemand etwas schreibt.
Ist auch unerheblich.
Es geht darum, WAS geschrieben wurde. Warum spielt keine Rolle.
Eben. Darum verstehe ich ja nicht, dass Du den Grund Dir ausdenkst
Ich habe mir keinen Grund ausgedacht, ich habe auch überhaupt keinen Grund niedergeschrieben und dargelegt.
Was unterstellst du mir hier?

Savonlinna hat geschrieben:
Faransil hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Schon allein die Aussage "dass die Bibel darlegt" ist ein Amateurdenken.
Nein, denn die Bibel legt es eben so dar. Ob richtig oder nicht und warum das die Schreiberlinge integrierten ist unerheblich.
Das ist doch gerade das Amateurdenken: dass man meint, die Wörter seien eindeutig.
Sind sie. Ein Amateur ist, wer anderes behauptet.

Savonlinna hat geschrieben:Die Wissenschaft beginnt immer mit dem Zweifel.
Die Inhalte der Bibel haben mit Wissenschaft nichts zu tun.

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#288 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Münek » Fr 10. Apr 2015, 12:36

"Jesus hat das Reich Gottes verkündet - doch gekommen ist die Kirche."

Dieser fast schon populär gewordene und nicht unbedingt kirchenfreundlich zu verstehende Ausspruch
des katholischen Theologen und Historikers Alfred Loisy gilt immer noch. Loisy verlor sein Lehramt und
wurde 1908 exkommuniziert.

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Savonlinna
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#289 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Savonlinna » Fr 10. Apr 2015, 12:39

JackSparrow hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Die Deutung beginnt erst, wenn man über die wissenschaftliche Rekonstruktion hinausgeht und es auf die eigene menschliche Situation anwendet: sich also als verstehenden Menschen einbringt. Und das reale historische Geschehen damit automatisch transzendiert.
Der Satz "Elvis spielte Gitarre" bedeutet nichts anderes, als dass Elvis Gitarre spielte.
Da denken die Kommunikationswissenschaftler ganz anders drüber.
"Die Tür ist auf" - sagt der Vater. Bedeutet nur, dass die Tür auf ist, meinst Du? Nee. Da gibt es ein hochbekanntes Kommunikationsmodell. Kann man leicht ergooglen.

Und Dein Satz kann jede Menge bedeuten. Er kann ein Vorwurf der Mutter an seinen Sohn sein, er kann ein grammatisches Beispiel sein oder in Deinem Fall der Demonstration für etwas dienen - nur eins geht nicht: er kann nicht nicht gedeutet werden, sobald ein Mensch ihn rein sprachlich versteht.

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Faransil
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#290 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Faransil » Fr 10. Apr 2015, 12:57

Savonlinna hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Die Deutung beginnt erst, wenn man über die wissenschaftliche Rekonstruktion hinausgeht und es auf die eigene menschliche Situation anwendet: sich also als verstehenden Menschen einbringt. Und das reale historische Geschehen damit automatisch transzendiert.
Der Satz "Elvis spielte Gitarre" bedeutet nichts anderes, als dass Elvis Gitarre spielte.
Da denken die Kommunikationswissenschaftler ganz anders drüber.
Welche Kommunikationswissenschaftler denken denn in wie fern anders darüber?
Kannst du diese namentlich benennen?

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