Alles Teufelszeug? V

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sven23
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#271 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Mi 28. Dez 2016, 12:14

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist das generelle Problem beim Kurt. Er liest nicht mal ein Interview richtig durch und verläßt sich darauf, dass andere das für ihn tun.
Nee - ich setze da ein, wo andere aufhören.
Ja, ich weiß, du bist hier der Überflieger. :roll:

closs hat geschrieben: Aus Lindemanns Interview ergibt sich ein Gesamtbild, das aus meiner Sicht zusammenpasst - ob er es tatsächlich genauso gemeint hat, müsste man mit ihm selber diskutieren. - Lebte er nicht mehr, müsste man seine Schriften durchackern, weil darin ganz sicher Hinweise zur Klärung stehen. - Einfach platt zitieren und dann sagen "Ätsch, der hat abba gesagt", ist zwar nicht unüblich, aber - tja - hier wäre das Wort "wissenschaftlich unredlich" angesagt.
Ich weiß, dass es für dich schwer vorstellbar ist, dass jemand eine Aussage tätigt und es genau so meint. Nimm es einfach mal so hin.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dabei haben gerade diese Fachleute jede Menge Literatur vorgelegt, die zu lesen, er sich immer noch permanent weigert.
Das wäre ein mehrsemestriges Studium. - Zumal darin gerade NICHT drinsteht, woran es hier hakt - nämlich den Grundlagen.
Es verlangt doch niemand von dir, dass du alle 4600 Abschriften der Evangelien textkritisch untersuchst. Das haben Fachleute zum Glück schon erledigt. Die Ergebnisse liegen vor und sind nachzulesen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Verirrt schon, aber aus Sicht der Schreiber unbedingt notwendig, um den Vergottungsprozess des Wanderpredigers vorantreiben zu können.
Das ist jetzt schon wieder Interpetation. - Notwendig war es möglicherweise deshalb, weil man damals nicht zwischen Realität und Historizität unterschieden hat, Wirkliches also historisch darstellen musste - aber da müsste man Fachleute fragen.
Dann tu es endlich. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und laut Paulus war die Lüge schließlich erlaubt, wenn sie der Verherrlichung Gottes diente.
Wenn Du damit die Römer-Stelle meinst, irrst Du.
Warum? Dann musst du begründen, warum du mal wieder schlauer bist als die Forschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass dies kein Zirkelschluss ist, kann man schon am breiten Konsens in der Forschung ablesen.
Das ist nun überhaupt kein Argument - es kann sich auch um einen methodisch erzwungenen kollektiven Zirkelschluss handeln. - Zumal man nicht den Spieß umdreken kann, indem man sagt: "Nur wenn das und das rauskommt, ist es WIssenschaft".
Eben nicht, weil Forschung ergebnisoffen sein muss. Du verwechselst das mit kanonischer Exegese. Da weiß man vorher, was rauskommt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Weil z. b. Ratzinger und Berger dies nicht zugeben.
"Nicht zugeben" heisst, etwas wider besseren Wissens nicht einräumen. Du scheinst gar nicht zu berücksichtigen, dass man anderes besseres WIssen hat, dass dies nicht einräumen lässt.
Das sagte ich doch. Lindemanns Positionen, die sich mit der Forschung decken, stehen im grassen Widerspruch zu Berger und Ratzinger. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Kirche wollte aber immer den Eindruck erwecken, als sei Matthäus dabei gewesen.
Ja - man hat nicht historisch-kritisch unterschieden, wer und wann etwas geschrieben hat/wurde, sondern die Präsenz der Botschaft selbst in den Mittelpunkt gestellt. - Das ändert aber nichts am Inhalt der Botschaft und deren Relevanz. - Entweder es ist zur Wahrheit hin authentisch oder nicht - und genau das kann die HKM NICHT entscheiden - dazu ist sie nicht da.
Ist schon längst entschieden. Die Geburtsgeschichten sind unhistorische Legenden, die dazu dienten, den Bezug zum Hause Davids herzustellen. Der Wanderprediger hatte diesen Bezug gar nicht, noch war er der im AT verheißene Messias.

„Ich kann ungefähr dreiviertel des Glaubensbekenntnisses nicht mitsprechen. Das ist für mich eine fundamentalistische Zumutung. Die Jungfrauengeburt Jesu ist eine fromme spätere Legende, zudem ist Jesus Analphabet gewesen. Ich rechne nicht mit der Wiederkunft Jesu zum Jüngsten Gericht. Die Kirche rechnet sicher mit allerlei, aber auf keinen Fall mit der Wiederkunft Jesu.“
– Superintendent Herbert Koch, idea 23/2011

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aber was hälst du von Lindemanns Aussage, es sei egal, ob Jesus oder Markus sich geirrt hat?
So isoliert verstehe ich diesen Satz nicht.
Dir muss man auch alles vorkauen, nur damit du es wieder ausspucken kannst. :roll:

SPIEGEL: Hat sich Jesus in der Erwartung geirrt, das Weltende und das Reich Gottes seien nahe? Es gibt Jesus-Worte, die dies vermuten lassen, das bekannteste findet sich im Markus-Evangelium Kapitel 9, Vers 1: "Unter denen, die hier stehen, sind einige, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie gesehen haben, dass das Reich Gottes mit Macht gekommen ist."

Lindemann: Viele Exegeten lösen das Problem, indem sie Jesus diese Aussage absprechen. Dafür gibt es auch gute Argumente. Andererseits halte ich es für unwahrscheinlich, dass der Evangelist Markus dieses Wort Jesus in den Mund gelegt hat. Es hatte sich ja schon zu Markus'' Lebzeiten als Irrtum erwiesen. Einer von beiden hat sich jedenfalls geirrt, Jesus oder Markus. Im Grunde ist das egal.


Es ist also egal, ob Jesus sich geirrt hat. Und du regst dich immer darüber auf. :lol:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch hier stimmt Lindemann zu, und glaube mir, er weiss warum.
Wir müssten prüfen, ob er damit den historisch-kritischen Jesus meint oder den aus seiner persönlichen Sicht wirklichen Jesus. - Aber nicht mehr heute, weil ich in 10 Minuten für einige Tage weg bin.
Ich kann ja mit Lindemann reden, ob er so lange warten kann. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Strauss hat das meiste schon vor 150 Jahren postuliert und es hat bis heute Bestand in der Forschung.
Du sprichst HKM-intern. - Es fehlt noch der Link zum wirklichen Jesus - vermutlich wollte das Ratzingen erreichen, als er von der Öffnung der HKM zum Geistigen sprach.
Nee, er wollte back to the roots, also zurück zu den Mythen und Legenden der Evangelien. Der historische Jesus stört da nur.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Im Gegensatz zur Theologie versucht die Forschung, die verschiedenen Rezeptionsschichten frei zu legen.
Genau das ist die Aufgabe der HKM - das macht die Systematische Theologie nicht.
Und anhand dieser Rezeptionsschichten kann man die Entwicklung nachzeichnen, vom spröden, eher unspektakulären Wanderpreder des Markusevangeliums hin zu immer phantastischeren Legenden und Mythen der späteren Erzähler, die den Vergottsungsprozess vorantrieben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und dabei kam der Jude Jesus zum Vorschein, der nur im Kontext seiner jüdischen Religion verstanden werden kann.
Das wiederum war auch ohne HKM schon klar.
Heute ist es klar, vor der Aufklärung war überhaupt nichts klar. Der Jude Jesus wurde als Begründer einer neuen, christlichen Religon dargestellt, der von seinem eigenen Volk verraten und verkauft wurde und der sich vom Judentum abwandte. Dies hat die Forschung als Legende der Evangelisten entlarvt.

closs hat geschrieben: - Die Grenze zwischen historisch-kritischer und systamatischer Forschung liegt woanders: In der geistigen Auswertung dessen, was da steht - egal in welchen Schichten es entstanden ist.
Es ist eben nicht egal, in welchen Schichten es entstanden ist. Je später die Legenden und Mythen entstanden, desto historisch unzuverlässiger wurden sie. Ist ja auch verständlich. Woher sollten die Schreiber neues Material her bekommen, wenn sie es sich nicht aus den Fingern saugten?
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#272 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Mi 28. Dez 2016, 12:23

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das einzige, was die Bibelwissenschaft als historisch bezeichnen könnte, ist der Glaube der Urchristen an die Auferstehung Jesu.
Korrekt. - Und warum macht man es bei der Naherwartung nicht genauso: "Das einzige, was die Bibelwissenschaft als historisch bezeichnen könnte, ist der Glaube der Urchristen an die Naherwartung Jesu". - Genau so wäre es nämlich richtig.

Aber Dein letzter Satz bringt uns auf die richtige Spur: Genau da ist das Feld der HKM.
Und genau das macht die Forschung. Ausgangspunkt ist der Glaube des Apokalyptikers Jesus an die zeitlich unmittelbar bevorstehende Gottesherrschaft. Daraus begründet sich seine Mahnung zur Umkehr an seine jüdischen Glaubensbrüder. (Ich bin gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel)
Nach seinem gewaltsamen Tod löst die enttäuschte Nahewartung zwar keine Glaubenskrise aus, aber die Promoter des neuen Glaubens mußten reagieren. Paulus leitete den Transformationsprozess ein, weg von der Naherwartung hin zu einer unbestimmten Fernerwartung. Zusätzlich wurde die Erwartung auf Jesus selbst projiziert. Der Verkünder wurde zum Verkündeten.
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#273 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Mi 28. Dez 2016, 12:41

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Auf den Unsinn einer Jungfrauengeburt wären sie ohne die Evangelientexte nie verfallen
NAtürlich sind die Evangelien die Grundlage - und wäre es nicht dringestanden, hätten sie es nicht erfunden. - Aber die Kirchenväter waren geistig genug, um den tieferen Sinn zu verstehen.
Das ist eben die falsche Grundannahme, religiöse Texte hätten aus Ehrfurcht vor ihnen doch irgendwie eine Sonderbehandlung verdient. Dem ist nicht so. Sie können keine Sonderrechte beanspruchen, weder christliche, islamische noch jüdische.

„Die Bibel ist von Menschen geschrieben, sie ist ein menschliches Buch, und darum kann sie nicht anders gelesen und verstanden werden und nicht nach anderen Methoden ausgelegt werden als jedes andere Buch.“
– Heinz Zahrnt, idea Doku 12/2003

"Der Theologieprofessor Werner Stenger nimmt Nietzsches Philippika als Ansporn für die bei ihm Studierenden, indem er warnend den Finger hebt, Nietzsche habe aufgedeckt, dass "Theologen in der Gefahr stehen, für ihre Auslegung der Bibel solche Privilegien zu beanspruchen"(6) und er meint mit Privilegien den Fehler, den mancher Theologe macht, wenn er "als Glaubender den Büchern der Bibel eine größere Autorität über sich einräumt als anderen Büchern" und dann versucht ist, "die biblischen Texte bei der Auslegung methodisch grundsätzlich anders zu behandeln als andere schriftliche Dokumente aus Vergangenheit und Gegenwart.""
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#274 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Do 29. Dez 2016, 12:24

sven23 hat geschrieben:Ich weiß, dass es für dich schwer vorstellbar ist, dass jemand eine Aussage tätigt und es genau so meint.
Es ist aber unfair dem Zitatengeber gegenüber, es nicht in seinen Kontext zu stellen.

sven23 hat geschrieben:Die Ergebnisse liegen vor und sind nachzulesen.
Es sind INNERBETRIEBLICHE Ergebnisse, die ganz sicher professioneller Natur sind. - Hier geht es aber darum, wo die HKM aufgrund ihrer methodischen Voraussetzungen innerhalb der Theologie steht - da sind Pro Domo Äußerungen nicht ausreichend.

sven23 hat geschrieben: Dann musst du begründen, warum du mal wieder schlauer bist als die Forschung.
Es geht hier um das Verhältnis von Wahrheit und Lüge: Was bedeutete es, wenn der Mensch lügt, selbst wenn er es zugunsten von Gott täte. - Es ist eine grundsätzliche philosophische/theologische Frage.

Glaubst Du ernsthaft, dass die theologischen Wissenschaften dies als Aufruf zur Lüge interpretieren? Und meinst Du ernsthaft, dass "die" HKM es so versteht? (Kann ja sein - aber darauf muss man erst mal kommen)

sven23 hat geschrieben:Eben nicht, weil Forschung ergebnisoffen sein muss. Du verwechselst das mit kanonischer Exegese.
Auch die kanonische Exegese ist ergebnisoffen INNERHALB ihrer Setzung - nichts anderes ist bei der HKM der Fall. - Du scheinst zu meinen, die HKM sei universal ergebnisoffen, weil sie innerhalb ihrer Setzung ergebnisoffen ist (was sie ja ist).

sven23 hat geschrieben: Lindemanns Positionen, die sich mit der Forschung decken, stehen im grassen Widerspruch zu Berger und Ratzinger.
Nach den Regeln und den Techniken der HKM sind diese Positionen sicherlich gut begründbar - aus anderen Perspektiven sind sie falsch. - Je nach Wissenschaft kann zur selben Fragestellung Unterschiedliches rauskommen.

Berger und Ratzinger stellen sich gegen einen theologischen oder para-theologischen Alleinvertretungs-Anspruch einzelner HKM-Vertreter - da sagen sie: "Zurück ins Glied".

sven23 hat geschrieben:Ist schon längst entschieden. Die Geburtsgeschichten sind unhistorische Legenden, die dazu dienten, den Bezug zum Hause Davids herzustellen.
Sehe ich in diesem konkreten Fall genauso - trotzdem: Du hast nicht verstanden, was ich mit "authentisch zur Wahrheit" meine.

sven23 hat geschrieben:Superintendent Herbert Koch, idea 23/2011
Es gibt heute viele Theologen, die humanistisch und pastoral super sind, aber über säkular-aufgeklärte Muster nicht mehr hinauskommen und somit den Realitäts-Charakter von wahrheits-authentischen Chiffren nicht erkennen.

sven23 hat geschrieben:Es ist also egal, ob Jesus sich geirrt hat.
Das ist es nicht - aber möglicherweise ist es für Linnemann egal. - Die Theologie besteht heute aus einem sehr heterogener Haufen von Menschen, die von säkularem Geschichts-Interessierten bis zu spirituell-geistigen Menschen reicht. - Diese Vielfalt kann man als bereichernd interpretieren, ist aber nicht geeignet, Orientierung zu geben.

sven23 hat geschrieben:Nee, er wollte back to the roots
Lässt man Deine Interpretation dazu weg, ist das exakt richtig.

sven23 hat geschrieben:Und anhand dieser Rezeptionsschichten kann man die Entwicklung nachzeichnen, vom spröden, eher unspektakulären Wanderpreder des Markusevangeliums hin zu immer phantastischeren Legenden und Mythen der späteren Erzähler, die den Vergottsungsprozess vorantrieben.
Das ist wertungsfrei erst mal korrekt.

sven23 hat geschrieben:Der Jude Jesus wurde als Begründer einer neuen, christlichen Religon dargestellt, der von seinem eigenen Volk verraten und verkauft wurde und der sich vom Judentum abwandte.
Moment - das stimmt doch AUCH. - Dass sich Jesus als Jude fühlte UND seine Botschaft innerhalb des Judentums nicht vermittelbar war, also anders aufgestellt werden musste, stimmt doch.

Dass Jesus sich nicht selbst abgewandt hat, ist klar - das war nicht seine Rolle bis zu seinem Tod. - Er starb als Jude und nicht als Christ. -Trotzdem ist Jesus Religions-Gründer des Christentums.

sven23 hat geschrieben:Es ist eben nicht egal, in welchen Schichten es entstanden ist.
Historisch-kritisch ist es nicht egal, aber geistig-spirituell. - Denn geistig-spirituell kommt der HG ins Spiel, der aus christlicher Sicht über der Zeit steht - das ist eine ganz andere Liga, die die HKM nicht verstehen muss/kann/will - aber dann soll sie auch nicht drin rumpfuschen.

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#275 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Do 29. Dez 2016, 15:23

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich weiß, dass es für dich schwer vorstellbar ist, dass jemand eine Aussage tätigt und es genau so meint.
Es ist aber unfair dem Zitatengeber gegenüber, es nicht in seinen Kontext zu stellen.
Deshalb hatte ich es nochmal angeführt. Ändert sich was dadurch?

SPIEGEL: Hat sich Jesus in der Erwartung geirrt, das Weltende und das Reich Gottes seien nahe? Es gibt Jesus-Worte, die dies vermuten lassen, das bekannteste findet sich im Markus-Evangelium Kapitel 9, Vers 1: "Unter denen, die hier stehen, sind einige, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie gesehen haben, dass das Reich Gottes mit Macht gekommen ist."

Lindemann: Viele Exegeten lösen das Problem, indem sie Jesus diese Aussage absprechen. Dafür gibt es auch gute Argumente. Andererseits halte ich es für unwahrscheinlich, dass der Evangelist Markus dieses Wort Jesus in den Mund gelegt hat. Es hatte sich ja schon zu Markus'' Lebzeiten als Irrtum erwiesen. Einer von beiden hat sich jedenfalls geirrt, Jesus oder Markus. Im Grunde ist das egal.


Es ist also egal, ob Jesus sich geirrt hat. Und du regst dich immer darüber auf. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Ergebnisse liegen vor und sind nachzulesen.
Es sind INNERBETRIEBLICHE Ergebnisse, die ganz sicher professioneller Natur sind. - Hier geht es aber darum, wo die HKM aufgrund ihrer methodischen Voraussetzungen innerhalb der Theologie steht - da sind Pro Domo Äußerungen nicht ausreichend.
Es geht in der historischen Jesus forschung zu allererst mal darum, was historisch ist und was nicht. Und wenn man berücksichtigt, was alles unhistorisch an den Legenden ist, dann sollen ausgerechnet Jungfrauengeburt, Wunder und Auferstehung historisch sein? Das glaubt ja nicht mal Lindemann.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Dann musst du begründen, warum du mal wieder schlauer bist als die Forschung.
Es geht hier um das Verhältnis von Wahrheit und Lüge: Was bedeutete es, wenn der Mensch lügt, selbst wenn er es zugunsten von Gott täte. - Es ist eine grundsätzliche philosophische/theologische Frage.
Glaubst Du ernsthaft, dass die theologischen Wissenschaften dies als Aufruf zur Lüge interpretieren? Und meinst Du ernsthaft, dass "die" HKM es so versteht? (Kann ja sein - aber darauf muss man erst mal kommen)
Du meinst, wir brauchen mal wieder professionelle Ausredenschreiber, die diesen Abschnitt solang wenden und verbiegen, bis das Gegenteil des Gesagten herauskommt? :roll:
Nee, nee mein Lieber, bei Paulus ist es eine Rechtertigung der Lüge, wenn sie der Verherrlichung Gottes dient. (Der Zweck heiligt die Mittel)
Origenes hatte sich sicher an Paulus orientiert.

"Auch nach dem über lange Zeithoch angesehenen Kirchenvater Origenes war es erlaubt,
Betrug und Lüge als Heilmittel anzuwenden. Selbst Gott könne aus Liebe lügen.
Doch nicht erst bei den Kirchenvätern, bereits in den Kernschriften des Christentums im
Neuen Testament nahm man es mit der Wahrheit oft nicht allzu genau."

Kubitza, Der Jesuswahn

Bei Chrysostomos das gleiche:

"Der schon in der Antike hochangesehene Prediger, Kirchenlehrer und bekennende Judenfeind Johannes
Chrysostomos, der als Patron der Prediger gesehen wird, tritt geradezu für die
Notwendigkeit der Lüge ein, wenn es um das Seelenheil geht. (Vgl. zum ganzen Komplex
Karlheinz Deschner, Abermals krähte der Hahn, S. 39f.) "

Kubitza, Der Jesuswahn

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Lindemanns Positionen, die sich mit der Forschung decken, stehen im grassen Widerspruch zu Berger und Ratzinger.
Nach den Regeln und den Techniken der HKM sind diese Positionen sicherlich gut begründbar - aus anderen Perspektiven sind sie falsch. - Je nach Wissenschaft kann zur selben Fragestellung Unterschiedliches rauskommen.
Es gibt keine Berger oder Ratzinger Wissenschaft, keine katholische oder evangelische Wissenschaft, keine christliche oder muslimische Wissenschaft.
Entweder arbeitet man nach wissenschaftlichen Kriterien oder läßt es bleiben. Deshalb ist kanonische Exegese in der historischen Forschung nicht zu gebrauchen. Sei so gut und begreife das endlich. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ist schon längst entschieden. Die Geburtsgeschichten sind unhistorische Legenden, die dazu dienten, den Bezug zum Hause Davids herzustellen.
Sehe ich in diesem konkreten Fall genauso - trotzdem: Du hast nicht verstanden, was ich mit "authentisch zur Wahrheit" meine.
Entweder ist etwas wahr oder unwahr. Die Geburtslegenden sind unwahr. Sie wurden erfunden zur Vorspiegelung falscher Tatsachen. Solange die Legenden innerhalb der kleinen, unbedeutenden jüdischen Sekte kursierten, war das alles nicht so schlimm, selbst der offene Antijudaismus nicht.
Schlimm wurde es erst mit der Kanonisierung und der staatlichen Macht im Rücken. Ab dann nahm die Unheilsgeschichte ihren Lauf.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist also egal, ob Jesus sich geirrt hat.
Das ist es nicht - aber möglicherweise ist es für Linnemann egal.
Das ist es ja, was ich nicht verstehe. Man kann doch nicht sagen, ich arbeite in der historischen Jesusforschung und wir kommen mehrheitlich zu diesen und jenen Ergebnissen. Aber privat glaube ich ganz was anderes.
Es wäre ungefähr so, als wenn Oppenheimer - nachdem die Atombombe gerade über Hiroshima explodiert ist - sagen würde: aber privat glaube ich nicht daran, dass man Atome spalten kann.
Diese Schizophrenie muss mir mal einer erklären. :roll:

closs hat geschrieben: - Die Theologie besteht heute aus einem sehr heterogener Haufen von Menschen, die von säkularem Geschichts-Interessierten bis zu spirituell-geistigen Menschen reicht. - Diese Vielfalt kann man als bereichernd interpretieren, ist aber nicht geeignet, Orientierung zu geben.
Deshalb kann Theologie als Ganzes auch niemals Wissenschaft sein. Dafür sind die Ergebnisse zu willkürlich, subjektiv und glaubensabhängig.
Die historische Jesusforschung kann dagegen sehr wohl wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Jude Jesus wurde als Begründer einer neuen, christlichen Religon dargestellt, der von seinem eigenen Volk verraten und verkauft wurde und der sich vom Judentum abwandte.
Moment - das stimmt doch AUCH. - Dass sich Jesus als Jude fühlte UND seine Botschaft innerhalb des Judentums nicht vermittelbar war, also anders aufgestellt werden musste, stimmt doch.
Der Jude Jesus hat sich nie vom Judentum abgewandt. Der Antijudaismus ist eine Erfindung der Schreiber, die den Ärger über die Verweigerungshaltung gegenüber der Missionierung dadurch zum Ausdruck brachten, dass sie die Verhältnisse ihrer Zeit in die Zeit Jesu zurückprojizierten. Auch das ist Konsens in der Forschung.
Der Verrat des Judas ist ein zusätzlicher literarischer Kniff, um den Bruch mit dem Judentum zu unterstreichen. Der Verräterapostel heißt nicht umsonst Judas. Die Kreuzigungslegenden dienen noch mal dem Zweck, die römische Besatzungsmacht zu entlasten und das Judentum zu belasten.

closs hat geschrieben: Dass Jesus sich nicht selbst abgewandt hat, ist klar - das war nicht seine Rolle bis zu seinem Tod. - Er starb als Jude und nicht als Christ. -Trotzdem ist Jesus Religions-Gründer des Christentums.
Eigentlich ist Paulus der Religionsgründer. Den Vorwand dazu lieferte ihm Jesus, aber nicht der historische, an dem er kein Interesse zeigte, sondern der mytholgisierte und legendenhaft verklärte Jesus.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist eben nicht egal, in welchen Schichten es entstanden ist.
Historisch-kritisch ist es nicht egal, aber geistig-spirituell. - Denn geistig-spirituell kommt der HG ins Spiel, der aus christlicher Sicht über der Zeit steht - das ist eine ganz andere Liga, die die HKM nicht verstehen muss/kann/will - aber dann soll sie auch nicht drin rumpfuschen.
Auch das stimmt so nicht. Ob ein irgendwie gearteter Heiliger Geist überhaupt existiert, spielt erst mal keine Rolle. Historisch-kritisch kann man aber ermittlen, ab welchem Zeitpunkt man glaubte oder behauptete, die Schriften seien vom sog. Heiligen Geist inspiriert. Das ist doch der entscheidende Punkt.
Und glauben muss man erst recht nicht daran. Wie schon erwähnt, haben religiöse Texte keinen Anspruch auf Sonderbehandlung.

„Die Bibel ist von Menschen geschrieben, sie ist ein menschliches Buch, und darum kann sie nicht anders gelesen und verstanden werden und nicht nach anderen Methoden ausgelegt werden als jedes andere Buch.“
– Heinz Zahrnt, idea Doku 12/2003

"Der Theologieprofessor Werner Stenger nimmt Nietzsches Philippika als Ansporn für die bei ihm Studierenden, indem er warnend den Finger hebt, Nietzsche habe aufgedeckt, dass "Theologen in der Gefahr stehen, für ihre Auslegung der Bibel solche Privilegien zu beanspruchen"(6) und er meint mit Privilegien den Fehler, den mancher Theologe macht, wenn er "als Glaubender den Büchern der Bibel eine größere Autorität über sich einräumt als anderen Büchern" und dann versucht ist, "die biblischen Texte bei der Auslegung methodisch grundsätzlich anders zu behandeln als andere schriftliche Dokumente aus Vergangenheit und Gegenwart.""
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#276 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » Do 29. Dez 2016, 20:13

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ratzi ist diesbezüglich wie ein schwankendes Rohr im Wind.
Seine diesbezüglichen Aussagen passen zusammen.
Das kann nur jemand behaupten, der Ratzingers Jesusbuch nicht gelesen hat.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Auf den Unsinn einer Jungfrauengeburt wären sie ohne die Evangelientexte nie verfallen
NAtürlich sind die Evangelien die Grundlage - und wäre es nicht dringestanden, hätten sie es nicht erfunden.
Na endlich scheint der Groschen gefallen zu sein. :thumbup: Ohne die Geburtslegenden gäbe es das Jungfrauen-Dogma nicht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Damit kann man mit Fug und Recht sagen, dass mit diesem Forschungsergebnis dem unsinnigen Jungfrauendogma der historische Boden entzogen worden ist.
Es ist a) möglich, dass es nicht historisch stattgefunden hat
Die neutestamentliche Wissenschaft spricht hier von "höchstwahrscheinlich" - nicht von "möglicherlicherweise". Ein großer Unterschied.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wissenschaft "funktioniert" völlig ohne Glauben an irgendwelche Setzungen.
Wissenschaft glaubt also nicht an die eigenen methodischen Setzungen?
Von welchen methodischen Setzungen sprichst Du?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:wenn ich mein Auto reparieren lassen will, gehe ich nicht zum Frisör.
Wenn ich wissen will, wann eine Quelle entstanden ist, frage ich auch einen HKM-ler. - Aber nicht, wenn ich wissen will, was sie geistig bedeutet.
Die historisch-kritische Exegese fragt u.a. nach dem SINN und der THEOLOGIE der Texte, die die Verfasser diesen beigelegt haben. Ob Du das mit "geistiger Deutung" meinst, weiß ich nicht. Wenn nicht, findest Du in der katholische Glaubenslehre Antworten auf Deine Fragen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Intellektuelle Redlichkeit bedeutet, sich selbst gegenüber unbedingt ehrlich zu sein
Damit löst man keine Probleme.
Richtig - mit einer solchen Einstellung verschafft sich der Gläubige eher Probleme. :thumbup:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das ist nur insofern richtig, als sie es ablehnt, sich mit jedem esoterisch-himmlischen Unsinn zu befassen.
Und was entscheidet, was Unsinn ist? - Richtig - die Setzungen.
Nö - vielmehr trifft derjenige selbst die Entscheidung, der sich außerstande zeigt, für seine irrationalen Behauptungen plausible, nachvollziehbare, einleuchtende Anhaltspunkte zu erbringen. Diese Unfähigkeit sollte man nicht der Wissenschaft anlasten. Wer
behauptet, muss liefern und trägt die Beweislast.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das einzige, was die Bibelwissenschaft als historisch bezeichnen könnte, ist der Glaube der Urchristen an die Auferstehung Jesu.
Korrekt. - Und warum macht man es bei der Naherwartung nicht genauso: "Das einzige, was die Bibelwissenschaft als historisch bezeichnen könnte, ist der Glaube der Urchristen an die Naherwartung Jesu". - Genau so wäre es nämlich richtig.
Nein - Jesus wird nämlich an seiner Botschaft selbst, an seinen eigenen Worten, die von der Exegese für authentisch gehalten werden, sowie an dem Eintreffen oder Nichteintreffen seiner eschatologischen apokalyptischen Voraussagen gemessen. Ganz einfach.
Zuletzt geändert von Münek am Do 29. Dez 2016, 23:40, insgesamt 1-mal geändert.

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#277 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » Do 29. Dez 2016, 23:24

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben nicht, weil Forschung ergebnisoffen sein muss. Du verwechselst das mit kanonischer Exegese.
Auch die kanonische Exegese ist ergebnisoffen INNERHALB ihrer Setzung
Sie kann nicht ergebnisoffen sein, weil sie bestimmte Ergebnisse per willkürlicher Setzung von vornherein ausschließt bzw. nicht zulässt. Deswegen ist sie in der wissenschaftlichen Bibelforschung nicht zu gebrauchen.

closs hat geschrieben:nichts anderes ist bei der HKM der Fall.
Als wissenschaftliche Diziplin hat sie das nicht nötig. Sie befindet sich in keinem Gefängnis an Dogmen gekettet. Sie käme deshalb auch nie auf die absurde Idee, absolute Wahrheiten zu postulieren.

closs hat geschrieben:Berger und Ratzinger stellen sich gegen einen theologischen oder para-theologischen Alleinvertretungs-Anspruch einzelner HKM-Vertreter - da sagen sie: "Zurück ins Glied".
JAWOLL - und die wissenschaftlich tätigen Exegeten knallen zackig die Hacken zusammen und treten pflichtgemäß zurück - ins ideologische Glied.

:lol: :lol: :lol: Die Wahrheit ist doch, dass diese beiden alten frommen Säcke in diesem Punkt nicht für voll genommen werden.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Jude Jesus wurde als Begründer einer neuen, christlichen Religon dargestellt, der von seinem eigenen Volk verraten und verkauft wurde und der sich vom Judentum abwandte.
Moment - das stimmt doch AUCH. - Dass sich Jesus als Jude fühlte UND seine Botschaft innerhalb des Judentums nicht vermittelbar war, also anders aufgestellt werden musste, stimmt doch.
Wie kommst Du darauf, dass Jesu zentrale Botschaft innerhalb des Judentums nicht vermittelbar war? Das ist doch Unsinn. Schon zu Johannes dem Täufer, der dieselbe Botschaft verkündigte, strömten die Menschen aus Jerusalem und ganz Judäa und ließen sich im
Jordan zwecks Umkehr taufen. Klar wurde die Botschaft verstanden - und die Zeit war erfüllt.


closs hat geschrieben:Dass Jesus sich nicht selbst abgewandt hat, ist klar - das war nicht seine Rolle bis zu seinem Tod. - Er starb als Jude und nicht als Christ. -Trotzdem ist Jesus Religions-Gründer des Christentums.
Jesus verkündigte lediglich den nahen Anbruch der Gottesherrschaft und nicht das Kommen einer Kirchenherrschaft.

Als Gründer des Christentums gilt der Apostel Paulus, der im Übrigen ein anderes Evangelium als der Täufer und Jesus verkündigte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist eben nicht egal, in welchen Schichten es entstanden ist.
Historisch-kritisch ist es nicht egal, aber geistig-spirituell. - Denn geistig-spirituell kommt der HG ins Spiel, der aus christlicher Sicht über der Zeit steht - das ist eine ganz andere Liga, die die HKM nicht verstehen muss/kann/will - aber dann soll sie auch nicht drin rumpfuschen.
Genau - der Heilige Geist spielt als Libero in der 1. Himmelsliga. Da können die tumben irdischen Neutestamentler mit ihrer Rumpelexegese natürlich spirituell nicht mithalten.

:lol: :lol: :lol: Kurt - der war wieder gut. :thumbup:

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#278 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 30. Dez 2016, 17:56

sven23 hat geschrieben:Es ist also egal, ob Jesus sich geirrt hat.
Für Lindemann kann das aus seiner historisch-kritischen Logik so sein - deshalb mein Hinweis auf die unterschiedlichen Theologie und deren unterschiedlichen Formatierungen.

sven23 hat geschrieben:Es geht in der historischen Jesus forschung zu allererst mal darum, was historisch ist und was nicht.
Das ist das Ziel. - Das Ergebnis ist aber, was historisch-kritisch als historisch feststellbar ist - das ist nicht dasselbe.

sven23 hat geschrieben:Und wenn man berücksichtigt, was alles unhistorisch an den Legenden ist, dann sollen ausgerechnet Jungfrauengeburt, Wunder und Auferstehung historisch sein?
Unter dem, was historisch-kritisch als nicht-historisch festgestellt wird, ist sicherlich einiges dabei, was WIRKLICH nicht historisch ist - aber nicht alles, was historisch-kritisch nicht als historisch feststellbar ist, ist deshalb nicht historisch. - Einfacher: Es gibt sicherlich einiges, was nicht historisch-kritisch feststellbar ist, was trotzdem historisch ist/sein kann.

sven23 hat geschrieben:Nee, nee mein Lieber, bei Paulus ist es eine Rechtertigung der Lüge, wenn sie der Verherrlichung Gottes dient.
Dann schauen wir uns halt den Text an:

Röm. 3
7 Wenn aber die Wahrheit Gottes durch meine Lüge herrlicher wurde zu seiner Ehre, warum sollte ich dann noch als ein Sünder gerichtet werden?
8 Und ist es etwa so, wie wir verlästert werden und einige behaupten, dass wir sagen: Lasst uns Böses tun, damit Gutes daraus komme? Deren Verdammnis geschieht zu Recht.

Auf gut deutsch:
Wir könnten uns einbilden, dass unsere Lüge keine Lüge ist, wenn sie der Ehre Gottes dient. Wenn uns dann vorgeworfen wird, "dass wir sagen: Lasst uns Böses tun, damit Gutes daraus komme", dann geschieht die Verdammnis derer zu Recht, wenn sie uns dies zu Recht vorwerfen. - Also exakt das Gegenteil dessen, was Du sagst.

Willst Du ernsthaft sagen, dass Deine Interpretation theologisch gehandelt wird? (Ich schließe nichts mehr aus)

sven23 hat geschrieben:Es gibt keine Berger oder Ratzinger Wissenschaft, keine katholische oder evangelische Wissenschaft, keine christliche oder muslimische Wissenschaft. Entweder arbeitet man nach wissenschaftlichen Kriterien oder läßt es bleiben.
Technisch-methodisch hast Du recht - will heißen: Wissenschaft unter welchem Vorzeichen auch immer hat sich an methodische Vorgaben = Nachvollziehbarkeit von Begründungen/Widerspruchslosigkeit/etc. zu halten.

Aber die Vorzeichen sind unterschiedlich. - Eine kritisch-rationale Wissenschaft (HKM) kommt zu anderen Ergebnissen als eine hermeneutische Wissenschaft - konkret: Die kritisch-rationale Notwendigkeit der Irrelevanz der Existenz Gottes (= Setzung) lässt die Texte anders wissenschaftlich auslegen als die Annahme der Relevanz der Existenz Gottes (= Setzung) - in Folge dieser Vorzeichen können beide wissenschaftlich arbeiten.

sven23 hat geschrieben:Entweder ist etwas wahr oder unwahr.
Wie wahr. :thumbup:

sven23 hat geschrieben: Die Geburtslegenden sind unwahr.
Dies ist eine wissenschaftlich unredliche Aussage - es müsste wissenschaftlich heißen: Es gibt keine historisch-kritischen Hinweise darauf, dass die Bibel-Darstellung der Geburt Jesu historisch stattgefunden hat. - Das ist ein GANZ anderer Satz.

sven23 hat geschrieben:Man kann doch nicht sagen, ich arbeite in der historischen Jesusforschung und wir kommen mehrheitlich zu diesen und jenen Ergebnissen. Aber privat glaube ich ganz was anderes.
DOCH!!!! - Über Halbzeug hinaus der Aufklärung Verpflichtete können das, weil sie wissen, was Wissenschaft ist und was sie NICHT ist.

Ich kenne einen Ordinarius für Neuropsychologie, dem zur Todesminute eines nahen Verwandten eben dieser erschienen ist. - Oder die Entwicklungspsychologin (auch an der Uni lehrend), die als Mutter auf dem Spielplatz anders reagiert, als die Wissenschaft vorgibt. - Oder die (ebenfalls lehrende) Psychiaterin, die gleichzeitig Theologin ist, und zwischen Psychosen und Besessenheit unterscheidet.

Alle drei sagen ziemlich wörtlich: "Unsere Wissenschaft gibt methodisch nicht mehr her, als das, was als wissenschaftlich veröffentlicht werden kann. - Aber da ist mehr". - Das heisst: Bei Veröffentlichungen beschränken sie sich auf das, was sie positiv wissenschaftlich feststellen können und enthalten sich weiterer Spekulationen - genau das gilt auch für die HKM, wenn sie redlich erscheinen will.

sven23 hat geschrieben:Deshalb kann Theologie als Ganzes auch niemals Wissenschaft sein.
Davon abgesehen, dass einiges Unwissenschaftliches in der Theologie verzapft wird (das macht aber Kubitza in seinem Feld genauso), ist Dein Grundgedanke falsch: Nach wie vor gilt, dass unterschiedliche Ausgangslagen nichtsdestotrotz wissenschaftlich bearbeitet werden können. - (Geistes-)Wissenschaft heisst NICHT, dass zu einer Frage dasselbe rauskommen muss.

sven23 hat geschrieben:Der Jude Jesus hat sich nie vom Judentum abgewandt.
Stimmt - da hätte er älter werden müssen.

sven23 hat geschrieben:Der Verrat des Judas ist ein zusätzlicher literarischer Kniff, um den Bruch mit dem Judentum zu unterstreichen.
Das ist korrekt. - Als die Juden nicht mitgezogen haben, kam es zur Spaltung - Judas war sozusagen die Chiffre dafür.

sven23 hat geschrieben:Historisch-kritisch kann man aber ermittlen, ab welchem Zeitpunkt man glaubte oder behauptete, die Schriften seien vom sog. Heiligen Geist inspiriert. Das ist doch der entscheidende Punkt.
Historisch-kritisch mag das so sein - aber das sagt doch nichts darüber aus, was substantiell der Fall ist. - Natürlich hat es gedauert, bis sich die Lehre und Bedeutung Jesu gesetzt hat.

sven23 hat geschrieben:„Die Bibel ist von Menschen geschrieben, sie ist ein menschliches Buch, und darum kann sie nicht anders gelesen und verstanden werden und nicht nach anderen Methoden ausgelegt werden als jedes andere Buch.“
– Heinz Zahrnt, idea Doku 12/2003
Historisch-kritisch hat er recht - aber das reicht nicht. - Damit ist nicht geklärt, was vor 2000 Jahren der Fall war, falls Jesus der war, für den er christlicherseits gehalten wurde.

Zahrnts Vorschlag ist nur dann ausreichend, wenn man Gott ausblendet - es ist also ein rein materialistischer Ansatz. - Aber wer sagt, dass diese materialistische Setzung die richtige ist?

closs
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#279 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 30. Dez 2016, 20:36

Münek hat geschrieben:Das kann nur jemand behaupten, der Ratzingers Jesusbuch nicht gelesen hat.
Falsch. - Gerade WEIL ich es gelesen habe, weiss ich, dass es kein Widerspruch ist - Du hast Ratzinger nicht verstanden.

Münek hat geschrieben:Ohne die Geburtslegenden gäbe es das Jungfrauen-Dogma nicht.
Aber warum gibt es die "Legenden"? Zwei Möglichkeiten: Entweder obwohl die Jungfrauen-Geburt nicht stattgefunden hat, oder WEIl sie stattgefunden hat. - Wer will das entscheiden?

Münek hat geschrieben:Die neutestamentliche Wissenschaft spricht hier von "höchstwahrscheinlich" - nicht von "möglicherlicherweise". Ein großer Unterschied.
"Wahrscheinlich" im Sinne der methodischen Kriterien der HKM - das ist legitim. - Unter systematisch-wissenschaftlichen Kriterien kann die Wahrscheinlichkeit jedoch ganz anders sein.

Münek hat geschrieben:Von welchen methodischen Setzungen sprichst Du?
Dass nur das der Fall sein kann, was im Sinne der kritisch-rationalen Methodik relevant ist.

Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Exegese fragt u.a. nach dem SINN und der THEOLOGIE der Texte, die die Verfasser diesen beigelegt haben.
Aber sie kann laut ihrer EIGENEN Setzungen nicht beurteilen, wie "geistiger Sinn" zu bewerten ist.

Münek hat geschrieben:Wer behauptet, muss liefern und trägt die Beweislast.
Das ist eine innerbetriebliche Redensart kritisch-rationaler Wissenschaft - unter hermeneutischen Gesichtspunkten weiß man, dass man theologische Kernaussagen nicht beweisen KANN (und zwar prinzipiell) - dort geht es um wissenschaftlich nachvollziehbare Denkschritten und Widerspruchslosigkeit.

Münek hat geschrieben:Jesus wird nämlich an seiner Botschaft selbst, an seinen eigenen Worten, die von der Exegese für authentisch gehalten werden, sowie an dem Eintreffen oder Nichteintreffen seiner eschatologischen apokalyptischen Voraussagen gemessen.
Das ist eine Kettenreaktion, die zum GAU wird, wenn nur ein Glied der Kette faul ist.

Das fängt damit an, dass Rezeptions-Quellen nicht Jesu Botschaft "sind", sondern selbige deuten. - "Authentisch" im Sinne der HKM heisst, "authentisch in Bezug auf ältere Quellen" - hier wird komplett außen vor gelassen, dass ältere Quellen dann nicht maßstäblich für Jesus sind, wenn die Quellenverfasser und deren Nachfolger erst mit der Zeit gecheckt haben, was eigentlich Sache ist/war. - Etc.

Ein anspruchsvoller Versuch, den da die HKM macht - ganz gewiss. - Aber kein Maßstab.

Münek hat geschrieben:Sie kann nicht ergebnisoffen sein, weil sie bestimmte Ergebnisse per willkürlicher Setzung von vornherein ausschließt bzw. nicht zulässt.
Genau das tut die HKM auch.

Münek hat geschrieben: Die Wahrheit ist doch, dass diese beiden alten frommen Säcke in diesem Punkt nicht für voll genommen werden.
Qualitativ sagt das nichts aus - man muss die Entwicklung weiter beobachten.

Münek hat geschrieben:Wie kommst Du darauf, dass Jesu zentrale Botschaft innerhalb des Judentums nicht vermittelbar war?
Weil es sonst heute keinen Unterschied zwischen Juden und Christen gäbe. - Wie kommst Du darauf, dass Jesus in seiner diesbezüglichen Urabsicht NICHT gescheitert ist?

Münek hat geschrieben:Als Gründer des Christentums gilt der Apostel Paulus, der im Übrigen ein anderes Evangelium als der Täufer und Jesus verkündigte.
Paulus hat das Christentum sozusagen intellektuell installiert - das war mein Eindruck bei der Lektüre. - Aber etwas anderes als in anderen Schriften des Evangeliums habe ich bei Paulus im Großen und Ganzen nicht entdecken können.

Münek hat geschrieben:Genau - der Heilige Geist spielt als Libero in der 1. Himmelsliga. Da können die tumben irdischen Neutestamentler mit ihrer Rumpelexegese natürlich spirituell nicht mithalten.
So, wie "Exegese" exklusiv interpretierst, WOLLEN sie in dieser Liga gar nicht mitspielen. - Lass doch jeden in seiner Liga spielen - soweit jeder weiß, dass es unterschiedliche Spiele sind, die gespielt werden, ist es doch ok.

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#280 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » Fr 30. Dez 2016, 23:41

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das kann nur jemand behaupten, der Ratzingers Jesusbuch nicht gelesen hat.
Falsch. - Gerade WEIL ich es gelesen habe, weiss ich, dass es kein Widerspruch ist - Du hast Ratzinger nicht verstanden.
Du hast es als unkritischer Laie wahrscheinlich überlesen. Ratzinger musste wegen seiner Ambivalenz hinsichtlich der HkM heftige Schelte von Theologen hinnehmen.

Ich habe entsprechende Aussagen hier zitiert.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ohne die Geburtslegenden gäbe es das Jungfrauen-Dogma nicht.
Aber warum gibt es die "Legenden"? Zwei Möglichkeiten: Entweder obwohl die Jungfrauen-Geburt nicht stattgefunden hat, oder WEIl sie stattgefunden hat. - Wer will das entscheiden?
Warum diese Legenden von Lukas und Matthäus in die Welt gesetzt wurden, hat Sven schon lang und breit erklärt. Die neutestamentliche Forschung hat sich nach akribischer Prüfung aller Quellen ein einvernehmliches Urteil gebildet und kam zum Ergebnis, dass die Geburtsgeschichten mit höchster Wahrscheinlichkeit erbauliche Legenden ohne historischen Hintergrund sind. Damit ist den Kirchenvätern für ihr Jungfrauendogma der historische Untergrund entzogen.

Dieses Dogma wird übrigens heute lt. Lindemann von kaum einen Theologen (auch katholischen Theologen) noch ernst genommen. Warum wohl? Denk mal nach.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die neutestamentliche Wissenschaft spricht hier von "höchstwahrscheinlich" - nicht von "möglicherlicherweise". Ein großer Unterschied.
"Wahrscheinlich" im Sinne der methodischen Kriterien der HKM - das ist legitim. - Unter systematisch-wissenschaftlichen Kriterien kann die Wahrscheinlichkeit jedoch ganz anders sein.
Oh - da irrst Du Dich gewaltig. Die systematische Theologie würde NIEMALS von Wahrscheinlichkeiten sprechen. Im Übrigen betreibt die systematische Theologie (Dogmatik, Fundamentaltheologie) keine Exegese. Das scheinst Du immer wieder zu vergessen.

="closs"
Münek hat geschrieben:Von welchen methodischen Setzungen sprichst Du?
Dass nur das der Fall sein kann, was im Sinne der kritisch-rationalen Methodik relevant ist.
Das sagt der methodologische Naturalismus NICHT. Die Wissenschaft schließt die Existenz transzendenter allmächtiger, den Menschen liebevoll zugeneigter Wesen mit Heilsplänen nicht aus. Sie weiß nur nichts wegen derer nicht nachweisbaren Existenz mit ihnen anzufangen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Exegese fragt u.a. nach dem SINN und der THEOLOGIE der Texte, die die Verfasser diesen beigelegt haben.
Aber sie kann laut ihrer EIGENEN Setzungen nicht beurteilen, wie "geistiger Sinn" zu bewerten ist.
Hier spricht wieder mal der unwissende Laie. Muss ich Dich daran erinnern, dass z.B. der EXEGET Conzelmann ein in 6. Auflage erschienenes Lehrbuch für Theologiestudenten mit dem Titel "Die THEOLOGIE des Neuen Testaments" geschrieben hat? Wie kann er als Exeget ein Buch über Theologien der neutestamentlichen Autoren schreiben, wenn er dies nach angeblichen HKM-Setzungen überhaupt nicht kann? :o

Merkst Du eigentlich wirklich nicht, welchen Unsinn Du behauptest?

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