Aberglaube im 21. Jahrhundert

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Zeus
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#261 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Zeus » Do 9. Apr 2015, 20:07

Savonlinna hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Mein Eindruck insgesamt ist, dass die Wissenschaft selbst sehr diszipliniert arbeitet und all das weiß, was Du dankenswerterweise in Erinnerung rufst. - Warum aber wird die Wissenschaft immer wieder von außen her ideologisiert? - Wo sind die Wissenschaftler, die sich das verbitten?
Zu letzterem: Die Religionswissenschaftler und wissenschaftlichen Theologen würden sicher öffentlich Stellung beziehen, wenn eine Ideologisierung der historisch-kritischen Forschung in Papierform zu kaufen wäre.
Vielleicht könntest du, lieber closs, mal eine Quelle zur Untermauerung deines "Eindrucks" angeben? :mrgreen:
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Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

closs
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#262 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von closs » Do 9. Apr 2015, 20:24

Münek hat geschrieben:Im Markusevangelium (1, 14 ff.) heißt es unzweideutig zu Jesu Predigt: "Die Zeit ist erfüllt - und das Reich Gottes ist herbeigekommen."
1) In Bezug auf Jesu Meinung ist auch ein Evangeliums-Text sekundäre Quelle (primär wäre, wenn er spricht und man dabei ist). - Das mit dem "sekundär" wird natürlich von Christen nicht so gerne gehört ...

2)
Münek hat geschrieben:"Die Zeit ist erfüllt - und das Reich Gottes ist herbeigekommen."
Das habe ich vor unseren Diskussionen NIE zeitlich verstanden (wahrscheinlich, weil es geistiger Unfug ist). - Man kann es genauso verstehen als: "Jetzt, durch den Kreuzestod, ist die Zeit erfüllt, dass der Weg zum Reich Gottes frei ist" - also kein Wartestand mehr im Scheol, sondern freie Bahn zu Gott.

Münek hat geschrieben:Historiker halten sich an historische Fakten.
Genau das sollten sie tun - aber es müssen halt auch Fakten sein.

closs
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#263 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von closs » Do 9. Apr 2015, 20:39

Rembremerding hat geschrieben:Zu aller Zeit gab es also eine zeitgemäße Herangehensweise, Modelle für die Interpretation der Texte, auch außerhalb der Hl. Schrift. Diese kommen und gehen.
Das wird sich dadurch bestätigen, dass man in 50 Jahren die Modelle der heutigen Zeit kritisiert.

Savonlinna hat geschrieben:Erst mal: das Zitierte ist nicht von Novalis, oder? Oder er hat zufällig Wort für Wort das Gleiche geschrieben wie ich.
Sorry - da bin ich wahrscheinlich zu hoch gerutscht.

Savonlinna hat geschrieben:Das alles sind natürlich immer nur vorläufige Ergebnisse; es tauchen ja ab und zu neue Quellen auf, die alles wieder über den Haufen werfen. Oder es kommen neue Interpretationsansätze, an die bisher noch keiner gedacht hat und die auf manche oder viele überzeugend wirken.
Ja - das ist auch aus meiner Sicht der normale Gang text-kritischer Arbeit.

Aus eigener Erfahrung darf ich hinzufügen: In meinen Forschungs-Themen zur Zeit meiner wissenschaftlichen Zeit gab es (hier:) zum späten Schiller erbitterte Auseinandersetzungen, ob er als "Klassiker" oder als "Romantiker" gestorben sei. - Interessehalber habe ich neulich mal geguckt, was sich diesbezüglich getan hat - und man findet den alten Streit UND neue Ansätze, die ihrerseits Resonanz sind zu heutigen Gesellschaftsbildern. - Auch text-kritische Arbeit schützt also nicht vor immer neuen Interpretationen.

Zeus hat geschrieben:Vielleicht könntest du, lieber closs, mal eine Quelle zur Untermauerung deines "Eindrucks" angeben?
Das war eine allgemeine Aussage, mit der die Wissenschaft als solche in Schutz genommen werden soll. - Wieso "Quelle"?

Savonlinna hat geschrieben:Die Religionswissenschaftler und wissenschaftlichen Theologen würden sicher öffentlich Stellung beziehen, wenn eine Ideologisierung der historisch-kritischen Forschung in Papierform zu kaufen wäre.
Das weiss man nicht - es kann durchaus sein, dass ein Wissenschaftszweig eine derartige Eigendynamik erhält, dass seine Ergebnisse als "Evangelium" aufgenommen werden - egal ob es wissenschaftlich saubere oder ideologische Aussagen sind.

Wie es tatsächlich ist, weiss ich NICHT. - Hier im Forum gelegentlich gebrachte (herausgerissene?) Zitate lassen diesbezüglich ein mulmiges Gefühl aufkommen - man müsste es nachprüfen (aber dazu muss man die Texte der Zitierten genau kennen).

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Savonlinna
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#264 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Savonlinna » Do 9. Apr 2015, 21:12

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Die Religionswissenschaftler und wissenschaftlichen Theologen würden sicher öffentlich Stellung beziehen, wenn eine Ideologisierung der historisch-kritischen Forschung in Papierform zu kaufen wäre.
Das weiss man nicht
Ja, weiß man nicht. Letztendlich bin ich da aber angewiesen auf meine Erfahrung, und die sagt mir - auch wenn ich da oft gegenteilig daran verzweifelt bin -, dass die Vernunft immer wieder neu die Oberhand bekommt. Oder dass zumindest nie einhellig eine ideologische Umdeutung akzeptiert wird.

closs hat geschrieben: - es kann durchaus sein, dass ein Wissenschaftszweig eine derartige Eigendynamik erhält, dass seine Ergebnisse als "Evangelium" aufgenommen werden - egal ob es wissenschaftlich saubere oder ideologische Aussagen sind.
Ja, schon. Aber es wird nie die ganze Menschheit an dieses "Evangelium" glauben. Es war bisher nie so. Es entstanden immer Gegenstimmen.

closs
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#265 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von closs » Do 9. Apr 2015, 21:18

Savonlinna hat geschrieben:Aber es wird nie die ganze Menschheit an dieses "Evangelium" glauben. Es war bisher nie so. Es entstanden immer Gegenstimmen.
Damit kann man leben. - Problematisch wird es, wenn Anhänger EINES historisch-kritischen Modells glauben (!), dass es maßgebend für die Auslegung des Evangeliums/der Bibel ist.

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Savonlinna
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#266 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Savonlinna » Do 9. Apr 2015, 21:26

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Aber es wird nie die ganze Menschheit an dieses "Evangelium" glauben. Es war bisher nie so. Es entstanden immer Gegenstimmen.
Damit kann man leben. - Problematisch wird es, wenn Anhänger EINES historisch-kritischen Modells glauben (!), dass es maßgebend für die Auslegung des Evangeliums/der Bibel ist.
Ja, klar. Da beginnt sofort das Verlassen des wissenschaftlichen Grundgedankens.
Dies muss immer wieder neu aufgedeckt werden, falls jemand im Namen der Wissenschaft spricht. Aber verhindern wird man nicht können, dass ständig solche Ideologisierungen entstehen.

Nachtrag:
Im Übrigen geht es bei der historisch-kritischen Methode ohnehin nur darum, die historischen Texte aus ihrer Zeit heraus zu verstehen.
Das verpflichtet einen aber nicht, den Text nur historisch zu verstehen.

So deutet man heute Schiller oder Jöthe! anders als die Zeitgenossen der beiden. Dazu haben wir die spannende Rezeptionsgeschichte - die Texte verändern sich in ihrer Aussage durch die Jahrhunderte. Der Faust ist heute lebendig wie eh und je, aber anders lebendig als vor 200 Jahren. Die Bevölkerung strickt an ihm weiter sozusagen - entsprechend ihres jeweiligen "Geistes". Es sind innere Bilder, die entstehen und sich weiterentwickeln, und mit denen man lebt.

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#267 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Novas » Do 9. Apr 2015, 21:56

Savonlinna hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Aber es wird nie die ganze Menschheit an dieses "Evangelium" glauben. Es war bisher nie so. Es entstanden immer Gegenstimmen.
Damit kann man leben. - Problematisch wird es, wenn Anhänger EINES historisch-kritischen Modells glauben (!), dass es maßgebend für die Auslegung des Evangeliums/der Bibel ist.
Ja, klar. Da beginnt sofort das Verlassen des wissenschaftlichen Grundgedankens.
Dies muss immer wieder neu aufgedeckt werden, falls jemand im Namen der Wissenschaft spricht.

Du bist eine Gute :)
Aber verhindern wird man nicht können, dass ständig solche Ideologisierungen entstehen
Weil wir geistige Wesen sind und es auf geistiger Ebene immer einen Kampf um Weltbilder gegeben hat. Darum gilt es geistlich kämpfen zu lernen.

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#268 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Münek » Do 9. Apr 2015, 22:24

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:das ist aber kein Grund, historische Fakten beiseite zu schieben.
Das will doch keiner. - Aber es ist eben KEIN "historisches Faktum", dass (bspw.) Jesus selbst eine Naherwartung hatte. - Man kann das allenfalls (wie vieles) aus sekundären Textvorlage heraus-interpretieren - und das ist bei entsprechender Begründung auch ok. - Aber es ist kein "historisches Faktum".

Historiker halten sich an historische Fakten.

Im Markusevangelium (1, 14 ff.) heißt es unzweideutig zu Jesu Predigt:

"Die Zeit ist erfüllt - und das Reich Gottes ist herbeigekommen." :o

Was gibt es da "geistig" zu interpretieren? Jesu Prophezeiung war eine klare Ansage...

Und die war keinesfalls neu. Nicht nurJohannes, der Täufer, hat die nahe bevorstehende Ankunft
des Gottesreiches gepredigt, sondern auch die jüdische "Sekte der Essener".

So war das damals - das echalotogische Klima. :thumbup:

closs
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#269 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von closs » Do 9. Apr 2015, 23:02

Münek hat geschrieben:Jesu Prophezeiung war eine klare Ansage...
Aber nicht unbedingt SO zeitlich gemeint, wie es verstanden wurde.

Münek hat geschrieben:So war das damals - das echalotogische Klima.
Das glaube ich auch. - Ein geistiger Kontext wird nicht verstanden und sofort auf etwas "Nützliches" ("Wir erleben es") umgemünzt.

Pluto
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#270 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Pluto » Do 9. Apr 2015, 23:22

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Jesu Prophezeiung war eine klare Ansage...
Aber nicht unbedingt SO zeitlich gemeint, wie es verstanden wurde.
Wie kommst du denn darauf?

Deutlicher kann man es nicht sagen, als es in Markus 1,15 steht: "Die Zeit IST erfüllt."
Der Phrase ist grammatisch "Präsens perfekt".
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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