Anton B. hat geschrieben:... dass unsere Wahrnehmung auf der Setzung beruht, dass diese Wahrnehmung authentisch ist ..." toppt ja bei weitem alles, was Du Dir an "Verkopfung" (danke, Savonnlina!) bisher schon geleistet hast.
Dann lassen wir einfach den Kopf weg - aber dann sollte man auch nicht BEgriffe wie "Geist", "Gott" oder "Philosophie" verwenden.
Was ist an diesem Satz so aufrührend? - Soll ich es anders ausdrücken? - Etwa: "Der Mensch geht davon aus, dass sein Wahrnehmung authentisch zu dem ist, was er als 'Realität' empfindet" ----?????---- Das wäre dasselbe in grün. - Und dieses "ich-gehe-davon-aus" ist halt eine Setzung.
Anton B. hat geschrieben:Die Naturwissenschaft dagegen sieht selbst die Wahrnehmung kritisch
Auch Naturwissenschaft ist nichts anderes als Wahrnehmung - auch sie denkt, dass ihre Wahrnehmung/Messung authentisch zu dem ist, was sie als 'Realität' empfindet. - Und dieses "sie-geht-davon-aus" ist halt eine Setzung. - Das ist doch nicht Ehrenrühriges.
Anton B. hat geschrieben:Wo, guter closs, ist da Deine Erkenntnis, "... dass unsere Wahrnehmung auf der Setzung beruht, dass diese Wahrnehmung authentisch ist ...", einzuordnen?
Sie DARF dort nicht eingeordnet werden, weil es eine geistige/logische und keine naturwissenschaftliche/empirische Erkenntnis ist.
Anton B. hat geschrieben:Ganz abgesehen davon hattest Du wieder keine Begründungen geliefert
Muss man "2+2=4" empirisch begründen können?
Anton B. hat geschrieben:Ganz sicher?
Ja - immer wieder: Höre Dir mal den Vortrag ein, den Descartes in Halmans eingestelltem Link hält - das ist ein lupenreiner logischer Vortrag. - Man kann übrigens auch leicht ohne Descartes draufkommen, weil es einfach auf der Hand liegt, wenn man über die Grundlage unserer Wahrnehmung (incl. Messungen) nachdenkt.
Anton B. hat geschrieben:Hier wird aber nix mehr geschluckt, sondern ich will jetzt die versprochenen Setzungen und Prämissen sehen und wissen
Ich will mich wirklich nicht drücken - aber da solltest Du den genannten, eingestellten Vortrag (hier irgendwo im Thread) anhören. - Verkürzt in eigenen Worten:
Der Mensch sieht auf die Ampel und sieht "grün". - Der Mensch guckt auf den Fieberthermometer und sieht "37°". - Der Mensch liest in Fachzeitschriften, dass Messungen in Südamerika, der Sahara, Australien und am Nordpol nachweisen, dass Alpha Centauri 4,34768976837465435 Lichtjahre von uns entfernt ist. - Der Mensch sieht, dass sein Nachbar einen Bart hat, und fragt alle Menschen in der Stadt, ob sie es auch so sehen, worauf es diese bejahen.
All das ist Wahrnehmung. - Man kann also auf Wahrnehmungs-Ebene eine "grüne" von einer "roten" Ampel unterscheiden, Fieber messen sowie intersubjektiv nachweisen, wie weit Alpha Centauri von uns weg ist und dass der Nachbar einen Bart hat. - Wichtig: Auch, dass andere etwas wahrnehmen, weiss man nur, wenn man wahrnimmt, dass sie wahrnehmen. - Es ist also ALLES via Wahrnehmung, was der Mensch über etwas erfahren kann.
Jetzt kommt die "geistige Wahrnehmung" (oder nenne es "Denken" oder "Bewusstsein" oder sonstwas) und fragt: "Hmm - wie finde ich heraus, ob meine Wahrnehmung 'echt' ist? - Gibt es diese Ampel, dieses Fieber, den Alpha Centauri oder den Nachbarn AUSSERHALB von mir oder sind diese 'Objekte' nur innerhalb von mir - sind also als solche nicht mehr existent. - Gibt es also Ampel, Fieber, Alpha Centauri und Nachbarn noch, wenn ich tot bin, weil sie unabhängig von meiner Wahrnehmung existent sind".
Also spielt er das ganze Theater durch unter der Bedingung: "Was wäre, wenn dies alles ein Traum und somit MEIN Traum wäre". - Und nun wird er feststellen, dass alles dasselbe wäre: Er sieht die Ampel "grün", er schaut aufs Fieberthermometer und sieht 37°, er liest von unabhängigen Messungen zum Abstand von Alpha Centauri und fragt alle Leute in der Stadt, ob sein Nachbar einen Bart hat und bekommt dies bestätigt.
Daraus schließt er logisch: "Ich kann nicht wissen, ob sich meine Wahrnehmungen/Messungen auf eine "reale" Welt oder auf eine von mir selbst projezierte Welt beziehen - denn das Ergebnis ist dasselbe". - Jetzt fragt er weiter: "Moment - heisst dies, dass mein Ich ebenfalls eine Täuschung sein könnte?" - und jetzt wird's interessant (Descartes erklärt es besser, als ich es jetzt um Mitternacht hinkriege):
WENN ich denken kann, was ich gerade logisch herausgefunden habe, kann ich keine Täuschung sein, denn sonst könnte ich nicht sagen "Ich denke". - Es wäre also egal, ob ich ein Mensch aus Fleisch und Blut oder ein geistiges Wesen bin: Mein Denken an sich ist davon unabhängig.
Popper weiss das allles auch - und deshalb sagt er sinngemäß: "Dieses philosophische Gedöns geht mir am Arsch vorbei - ich bin Methodiker und kein Philosoph - ich nehme als Grundlage die Welt, wie man sie vereinbarterweise versteht: als real. - Und erst jetzt lege ich mit meiner Methodik los, denn erst ab da macht sie Sinn" (er sagt Ähnliches etwas edler als ich es hier tue).
Der Granaten-Fehler vieler Popper-Rezipienten ist nun, dass sie seine Methodik als Philosophie verstehen und innerhalb der Philosophie mit Argumenten aus der Methodik kommen (gehörst Du auch dazu) - nicht erkennend, dass da der Zug schon längst abgefahren ist.
Descartes hat nicht im Traum dran gedacht, dass die naturwissenschaftliche Welt ein Fake ist - er will ausschließlich zeigen, dass die "Echtheit" dieser Welt weder durch Naturwissenschaft noch durch Denken bewiesen werden kann (auch Denken ist Wahrnehmung, wenn auch geistige Wahrnehmung). - Somit basiert jegliche Wahrnehmung auf etwas Unbeweisbarem - deshalb das Wort "Setzung" = "pragmatischerweise gehen wir davon aus, dass ....".
Welchen Sinn hat diese Diskussion überhaupt? - Sie hat NUR den einen Sinn, dass man damit logisch nachweisen kann, dass geistige, nicht-intersubjektive Wahrnehmung und naturwissenschaftliche, intersubjektive Wahrnehmung in ihrer Basis her gleich sind: Setzung. - Und genau das wird gerne von Naturalisten irrigerweise geleugnet.
Dass es inner-methodisch sehr große Unterschiede gibt (intersubjektive Erkenntnis - persönliche Erkenntnis), steht dabei überhaupt nicht in Frage. - Auf methodischer Ebene sind naturwissenschaftliches und geistiges Erkennen völlig unterschiedlich - was konkrete und notwendige Gründe hat, die hier zu weit führen würden. Was allerdings dazu führt, dass naturwissenschaftliche Methodik nicht auf geistige Fragen anwendbar ist. - Insofern ist die Anregung der Naturwissenschaft "Übernehmt doch unsere Methodik, damit wir Euch ernst nehmen können" völlig unangebracht - es KANN nicht funktionieren.
Wie auch immer - die Basisaussage lautet:
Es ist logisch nachweisbar, dass nicht nur geistiges Erkennen, sondern auch naturwissenschaftliches Erkennen der Prämisse bedürfen, dass der Gegenstand ihrer Untersuchung real ist.
Die nächste Diskussion wäre dann:
Wie kann man herausfinden, dass eine Prämisse einmal "wohl falsch" und das andere Mal "wohl richtig" ist - das "wohl" deshalb, weil diese Prämissen auf Methodik-Ebene nicht falsifizierbar sind.