Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
JackSparrow
Beiträge: 5501
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 13:28

#2131 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Di 10. Nov 2015, 13:05

closs hat geschrieben:So ist es: Genau das ist die Setzung, NACH der alles seinen wissenschaftlichen Gang gehen kann.
Die Welt für real zu halten, ist in jeder beliebigen Lebenssituation von Vorteil. Beispielsweise wäre es während einer Nahrungsaufnahme wenig sinnvoll, den Tomatensalat für nicht existent zu halten.

Aber es wäre objektiv schon ein Unterschied, ob das Wahrgenommene mit einem stirbt oder nach dem eigenen Tod noch existiert.
Wäre das Wahrgenommene verschwunden, hättest du keine Möglichkeit, diesen Zustand festzustellen und/oder dich über diesen Zustand zu erfreuen und/oder dich über dich über diesen Zustand zu beklagen. Ein Nachdenken über einen solchen Zustand kann stets nur vorher oder hinterher passieren, und zwar in Form subjektiver Fantasien.

Erstens sind logisch saubere Erkenntnisse keine Erfindungen.
Die Idee, man müsse die Welt für eine Illusion halten, ist eine Erfindung. Zum Nachweis der Illusion müsste man zuerst eine zweite Welt entdeckt und anschließend anhand einer logisch nachvollziehbaren Argumentationskette bewiesen haben, bei welcher der beiden Welten es sich aus welchen Gründen um die "realere" handelt.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#2132 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 10. Nov 2015, 15:41

Anton B. hat geschrieben: Die den closs von der Aufgabe enthebt, dies vernünftig zu begründen.
Wie soll man "begründen", dass nicht alles "nichts" ist? - In der Tat nehme ich dies "kritiklos" zur Kenntnis.

Anton B. hat geschrieben: Und interessanterweise wurde gefunden, dass -- ob wir die Welt nun im Popper'schen Sinne als "real" betrachten oder nicht -- dies für die Anwendung der von Popper vorgeschlagenen Methode völlig unerheblich ist.
E-B-E-N. -------- Eben weil er descartesche Fragen als Methodiker nicht stellen muss, ist es unerheblich.

Wir reden hier doch nicht davon, ob etwas "ist" oder alles "nichts" ist, sondern dass unsere Wahrnehmung auf der Setzung beruht, dass diese Wahrnehmung authentisch ist - ist sie doch für mich auch. - Aber NIEMAND kann das wissen, sondern nur setzen - und somit basiert Naturwissenschaft/Popper genauso auf Setzungen wie Religion - und Popper weiss das - aber offenbar nicht alle seiner Rezipienten. - Erst danach trennen sich die Wege von Naturwissenschaft und Theologie, weil beides methodisch unterschiedlich angegangen werden muss.

Es geht hier nur darum, dass es ein Denkfehler ist, wenn die Naturwissenschaft meint, sie sei ohne PRämisse.

Anton B. hat geschrieben:Die zeitgenössische Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sind dagegen Ergebnis einer dauernden Hinterfragung.
Hinterfragung der Wahrnehmung - richtig. - Es ist also eine Disziplin auf Ebene der Wahrnehmung - voll ok. - NACHDEM man Descartes' Grundlage geschluckt hat.

Es geht nicht um eine Kritik der Erkenntnis- und Wissenschafts-Theorie, sondern um die Einordnung, wo sie einsetzt.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#2133 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 10. Nov 2015, 15:42

Pluto hat geschrieben:Die Welt ist voller falsifizierbarer robuster Dinge die keinerlei Setzungen bedürfen.
NACHDEM man gesetzt hat, dass Wahrnehmung keine Täuschung ist. - Warum ist das so schwer zu begreifen?

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#2134 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 10. Nov 2015, 15:47

JackSparrow hat geschrieben:Die Welt für real zu halten, ist in jeder beliebigen Lebenssituation von Vorteil.
Das würde ich genauso empfehlen.

JackSparrow hat geschrieben:Wäre das Wahrgenommene verschwunden, hättest du keine Möglichkeit, diesen Zustand festzustellen
Stimmt - das ist aber nicht das Problem der Realität, sondern unserer Wahrnehmungs-Fähigkeit. - Dumm gelaufen.

JackSparrow hat geschrieben:Die Idee, man müsse die Welt für eine Illusion halten, ist eine Erfindung.
Die Möglichkeit, die Welt könne eine Illusion des Subjekts sein, ist logisch zwingend und hat nichts mit Erfindung zu tun.

JackSparrow hat geschrieben:Zum Nachweis der Illusion müsste man zuerst eine zweite Welt entdeckt und anschließend anhand einer logisch nachvollziehbaren Argumentationskette bewiesen haben, bei welcher der beiden Welten es sich aus welchen Gründen um die "realere" handelt.
Vollkommen daneben - man kann nämlich gar nichts tun, da man aus Wahrnehmungs-Sicht keine Möglichkeit der Unterscheidung hat. - Man muss seine Version glauben - und da scheinen wir ja ganz offensichtlich dasselbe zu glauben: Die Welt ist "real".

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#2135 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » Di 10. Nov 2015, 17:36

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Was sagt die Philosophie aus, was das Gehirn im Einzelnen macht?
Das ist Sache der Neurowissenschaft. - Die Philosophie benutzt das Gehirn, erklärt es aber (normalerweise) nicht.
Das wäre eine fatale Fehleinschätzung der Philosophie und man kann nur froh sein, dass Wissenschaftler hier „kraftvoll reingrätschen“.

closs hat geschrieben:Die Möglichkeit, die Welt könne eine Illusion des Subjekts sein, ist logisch zwingend und hat nichts mit Erfindung zu tun.
Die Möglichkeit, die Welt könne eine Simulation sein, besteht. Das kann von der sensorischen Wahrnehmungstechnik abgeleitet werden.
(die Wahrscheinlichkeit ist 0% - die technische Realisierung ist uns vollständig unklar – wer dahinter stehen sollte, ist uns vollständig unklar)

Aber:
Die Inkonsequenz, dass man beim Subjekt plötzlich halt macht (mit der Illusionsmöglichkeit), ist nicht nachvollziehbar.
Auch das „Ich“ und der scheinbare „Denkvorgang“ muss in Frage gestellt werden.
Begründung: nur das aktive Gehirn liegt vor.

Im Bewusstsein gibt es keinerlei Hintergrundinformationen, was das „Ich“ oder das „Denken“ sein soll. Das Bewusstsein kann auch nicht feststellen, was beim Denken abläuft.

Die Wörter „Ich“ und „Denken“ sind somit letztlich nur Fragestellungen und können nicht als „Objekt“ und „Vorgang“ betrachtet werden.
Aussagen wie: „das Ich könnte den Körper und die Umwelt auch nur erträumen“ sind nicht nachvollziehbar.

Gefunden wird nur das aktive Gehirn und das hat Konsequenzen:

Eine sensorische Wahrnehmung muss auch in der Verarbeitung mit dem Datenformat der Sinneswerte arbeiten (elektrischer Impuls). Genau dies ist im Gehirn feststellbar.
Dieser Umstand hat wiederum zur Konsequenz, dass das Wahrnehmungssystem in der Verarbeitung, von sich selbst, genau wie bei anderen Zusammenhängen, auch nur eine praktische Entwurfsvorstellung haben kann.
Genau, wie „Farben“ kein Licht sind, so ist das „Ich“ kein Objekt/Subjekt.

Innerhalb der Gehirnentwicklung „wusste“ die Wahrnehmung zu keiner Zeit, dass sie von einem Gehirn ausgeht.
Somit wurde der eigene Stellenrang, als Lebewesen, zu einem „phänomenalen Bedeutungsentwurf“ (Verstehen) entwickelt: dem „Ich“.
Genau wie Licht zu einer Vorstellung führte („Raum und Farben“), so führten auch die Gesamtbedeutungssituationen in der Gruppe zu einer Vorstellung: „Ich“
(im Grunde gehört auch das „Du“, als nicht direkt erreichbares/einsehbares „Ich“, dazu)

Das „Ich“ ist aber kein Objekt mit einer Eigenständigkeit, sondern lediglich eine Vorstellung, ein Verstehen in der Wahrnehmungsverarbeitung, um die Gesamtheit der Lebenslage, in Bezug zur Umwelt, zu erfassen.

Dieses „Ich“-Verstehen entwickelt sich im Alter von ca. zwei Jahren.

Das „Ich“-Verstehen kann wohl auch anderen Primatenarten antrainiert werden.

Das „Ich“-Verstehen kann man durch Unfall (und/oder Krankheit) verlieren.

Wer sagst, „man könne über nichts mehr Gewissheit erlangen, als dem Ich“, der führt, meiner Meinung nach, nicht nachvollziehbare Festlegungen ein und kann dies nicht begründen.
(vermutlich beschäftigt sich Philosophie auch deshalb kaum mit der Funktionsweise des Gehirns)

Anton B.
Beiträge: 2792
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 16:20

#2136 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Di 10. Nov 2015, 18:04

closs hat geschrieben:Wir reden hier doch nicht davon, ob etwas "ist" oder alles "nichts" ist, sondern dass unsere Wahrnehmung auf der Setzung beruht, dass diese Wahrnehmung authentisch ist - ist sie doch für mich auch.
Die Gipfeljagd geht weiter! "... dass unsere Wahrnehmung auf der Setzung beruht, dass diese Wahrnehmung authentisch ist ..." toppt ja bei weitem alles, was Du Dir an "Verkopfung" (danke, Savonnlina!) bisher schon geleistet hast.

Die Naturwissenschaft dagegen sieht selbst die Wahrnehmung kritisch, "zäumt deswegen den Gaul von hinten auf", "stellt deswegen die Pyramide auf die Spitze".

Also

  1. Modell machen

  2. Beobachtungsvorhersagen an tatsächlichen Beobachtungen prüfen

  3. Wenn tatsächliche Beobachtungen nicht zu den Beobachtungsvorhersagen passen, zurück zu (1)

  4. Beobachtungsvorhersagen zu einem Mittel einer Erwartungshaltung innerhalb einer Gewinnsituation machen

  5. Wenn das Risiko der Erwartungshaltung nicht belohnt wurde, Modell "bäh" finden und erstmal zurück zu (2)

  6. Wenn aus diesem Krimskrams, über alle Modelle hinweg, keine Belohnung resultiert, dann den ganzen Mist (= Naturwissenschaft) in die Tonne drücken
Wo, guter closs, ist da Deine Erkenntnis, "... dass unsere Wahrnehmung auf der Setzung beruht, dass diese Wahrnehmung authentisch ist ...", einzuordnen?

Ganz abgesehen davon hattest Du wieder keine Begründungen geliefert, hast Dich wieder nicht hinterfragt, sondern stattdessen Hirnakrobatik zur Verteidigung Deiner Vorstellungen betrieben.

closs hat geschrieben:Es geht hier nur darum, dass es ein Denkfehler ist, wenn die Naturwissenschaft meint, sie sei ohne PRämisse.
Ganz sicher? Oder geht es hier darum, dass Du mal wieder Setzungen und Prämissen platzieren möchtest?

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Die zeitgenössische Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sind dagegen Ergebnis einer dauernden Hinterfragung.
Hinterfragung der Wahrnehmung - richtig. - Es ist also eine Disziplin auf Ebene der Wahrnehmung - voll ok. - NACHDEM man Descartes' Grundlage geschluckt hat.
Hier wird aber nix mehr geschluckt, sondern ich will jetzt die versprochenen Setzungen und Prämissen sehen und wissen, warum sie benötigt werden. Andererseits will ich jetzt logische Begründungen für das, was für Dich logisch ist, und daher angeblich keine Setzung und Prämisse darstellen soll.

Jetzt kannst Du mal philosophieren, dass die Schwarte kracht. Wie sagt der Hemul so schön: "Hau rein in die Tasten!"
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#2137 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 10. Nov 2015, 23:35

SilverBullet hat geschrieben:Das wäre eine fatale Fehleinschätzung der Philosophie und man kann nur froh sein, dass Wissenschaftler hier „kraftvoll reingrätschen“.
Wenn Du recht hättest, müsste man Philosophie ersatzlos abschaffen. Denn dann wäre sie "ancilla scientiae" ("die Magd der Wissenschaft").

SilverBullet hat geschrieben: Das kann von der sensorischen Wahrnehmungstechnik abgeleitet werden.
Eben nicht. - Weil diese Technik nicht "wissen" kann, ob sie eine "Realität" oder eine Täuschung vor sich hat.

SilverBullet hat geschrieben:Auch das „Ich“ und der scheinbare „Denkvorgang“ muss in Frage gestellt werden.
Nein - denn wenn jemand bewusst "Ich" sagt, dann ist dieser Satz richtig, weil es hier zwischen Subjekt und Objekt keine Differenz gibt. - Allerdings ist dies nicht intersubjektiv nachweisbar, weil dieser Nachweis von einem anderen Subjekt kommen müsste, der in Differenz steht zum Objekt des anderen Ichs.

SilverBullet hat geschrieben:Begründung: nur das aktive Gehirn liegt vor.
Das ist dann die materielle Umsetzungs-Bühne von Gedanken - wird gebraucht, ist aber als materielles Gebilde kein Urteils-Träger.

SilverBullet hat geschrieben:Das Bewusstsein kann auch nicht feststellen, was beim Denken abläuft.
Muss es auch nicht. - Es gibt Autofahrer, die nicht wissen, wie ein Motor funktioniert. - Trotzdem sind es Autofahrer.

SilverBullet hat geschrieben:Genau, wie „Farben“ kein Licht sind, so ist das „Ich“ kein Objekt/Subjekt.
Moment: "Subjekt" ist das Wahrnehmende - "Objekt" ist das Wahrgenommene. - Können wir uns darauf einigen?

SilverBullet hat geschrieben:Innerhalb der Gehirnentwicklung „wusste“ die Wahrnehmung zu keiner Zeit, dass sie von einem Gehirn ausgeht.
Ist auch unwichtig. - Wenn ein Mensch nach Buxtehude fahren will, muss er nicht wissen, ob das Auto von den Rädern, den Scheibenwischern oder dem Motor angetrieben wird.

SilverBullet hat geschrieben:Dieses „Ich“-Verstehen entwickelt sich im Alter von ca. zwei Jahren.
Weil dann das Gehirn so weit ausgebildet ist, dass es dies mechanisch ermöglicht.

SilverBullet hat geschrieben:Das „Ich“-Verstehen kann wohl auch anderen Primatenarten antrainiert werden.
Das wäre eine Frage der Definition "Ich" - ich würde es definieren als die Fähigkeit, bewusst "cogito, er(g)o sum" sagen zu können. - Aber das wäre ein viel größeres Thema, als dass man es nebenbei abhandeln könne.

SilverBullet hat geschrieben:Das „Ich“-Verstehen kann man durch Unfall (und/oder Krankheit) verlieren.
Wei dann das Gehirn so geschädigt ist, das es mechanisch NICHT mehr möglich ist.

SilverBullet hat geschrieben:Wer sagst, „man könne über nichts mehr Gewissheit erlangen, als dem Ich“, der führt, meiner Meinung nach, nicht nachvollziehbare Festlegungen ein und kann dies nicht begründen.
Man kann es begründen - Descartes hat es begründet - und, wie ich meine, unwiderlegbar begründet. - Man muss es halt verstehen, was er da sagt.

SilverBullet hat geschrieben:vermutlich beschäftigt sich Philosophie auch deshalb kaum mit der Funktionsweise des Gehirns
Zum Mitschreiben: Solche Fragen haben ausschließlich sekundär mit der Arbeitsweise des Gehirns zu tun.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#2138 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 11. Nov 2015, 00:28

Anton B. hat geschrieben:... dass unsere Wahrnehmung auf der Setzung beruht, dass diese Wahrnehmung authentisch ist ..." toppt ja bei weitem alles, was Du Dir an "Verkopfung" (danke, Savonnlina!) bisher schon geleistet hast.
Dann lassen wir einfach den Kopf weg - aber dann sollte man auch nicht BEgriffe wie "Geist", "Gott" oder "Philosophie" verwenden.

Was ist an diesem Satz so aufrührend? - Soll ich es anders ausdrücken? - Etwa: "Der Mensch geht davon aus, dass sein Wahrnehmung authentisch zu dem ist, was er als 'Realität' empfindet" ----?????---- Das wäre dasselbe in grün. - Und dieses "ich-gehe-davon-aus" ist halt eine Setzung.

Anton B. hat geschrieben:Die Naturwissenschaft dagegen sieht selbst die Wahrnehmung kritisch
Auch Naturwissenschaft ist nichts anderes als Wahrnehmung - auch sie denkt, dass ihre Wahrnehmung/Messung authentisch zu dem ist, was sie als 'Realität' empfindet. - Und dieses "sie-geht-davon-aus" ist halt eine Setzung. - Das ist doch nicht Ehrenrühriges.

Anton B. hat geschrieben:Wo, guter closs, ist da Deine Erkenntnis, "... dass unsere Wahrnehmung auf der Setzung beruht, dass diese Wahrnehmung authentisch ist ...", einzuordnen?
Sie DARF dort nicht eingeordnet werden, weil es eine geistige/logische und keine naturwissenschaftliche/empirische Erkenntnis ist.

Anton B. hat geschrieben:Ganz abgesehen davon hattest Du wieder keine Begründungen geliefert
Muss man "2+2=4" empirisch begründen können?

Anton B. hat geschrieben:Ganz sicher?
Ja - immer wieder: Höre Dir mal den Vortrag ein, den Descartes in Halmans eingestelltem Link hält - das ist ein lupenreiner logischer Vortrag. - Man kann übrigens auch leicht ohne Descartes draufkommen, weil es einfach auf der Hand liegt, wenn man über die Grundlage unserer Wahrnehmung (incl. Messungen) nachdenkt.

Anton B. hat geschrieben:Hier wird aber nix mehr geschluckt, sondern ich will jetzt die versprochenen Setzungen und Prämissen sehen und wissen
Ich will mich wirklich nicht drücken - aber da solltest Du den genannten, eingestellten Vortrag (hier irgendwo im Thread) anhören. - Verkürzt in eigenen Worten:

Der Mensch sieht auf die Ampel und sieht "grün". - Der Mensch guckt auf den Fieberthermometer und sieht "37°". - Der Mensch liest in Fachzeitschriften, dass Messungen in Südamerika, der Sahara, Australien und am Nordpol nachweisen, dass Alpha Centauri 4,34768976837465435 Lichtjahre von uns entfernt ist. - Der Mensch sieht, dass sein Nachbar einen Bart hat, und fragt alle Menschen in der Stadt, ob sie es auch so sehen, worauf es diese bejahen.

All das ist Wahrnehmung. - Man kann also auf Wahrnehmungs-Ebene eine "grüne" von einer "roten" Ampel unterscheiden, Fieber messen sowie intersubjektiv nachweisen, wie weit Alpha Centauri von uns weg ist und dass der Nachbar einen Bart hat. - Wichtig: Auch, dass andere etwas wahrnehmen, weiss man nur, wenn man wahrnimmt, dass sie wahrnehmen. - Es ist also ALLES via Wahrnehmung, was der Mensch über etwas erfahren kann.

Jetzt kommt die "geistige Wahrnehmung" (oder nenne es "Denken" oder "Bewusstsein" oder sonstwas) und fragt: "Hmm - wie finde ich heraus, ob meine Wahrnehmung 'echt' ist? - Gibt es diese Ampel, dieses Fieber, den Alpha Centauri oder den Nachbarn AUSSERHALB von mir oder sind diese 'Objekte' nur innerhalb von mir - sind also als solche nicht mehr existent. - Gibt es also Ampel, Fieber, Alpha Centauri und Nachbarn noch, wenn ich tot bin, weil sie unabhängig von meiner Wahrnehmung existent sind".

Also spielt er das ganze Theater durch unter der Bedingung: "Was wäre, wenn dies alles ein Traum und somit MEIN Traum wäre". - Und nun wird er feststellen, dass alles dasselbe wäre: Er sieht die Ampel "grün", er schaut aufs Fieberthermometer und sieht 37°, er liest von unabhängigen Messungen zum Abstand von Alpha Centauri und fragt alle Leute in der Stadt, ob sein Nachbar einen Bart hat und bekommt dies bestätigt.

Daraus schließt er logisch: "Ich kann nicht wissen, ob sich meine Wahrnehmungen/Messungen auf eine "reale" Welt oder auf eine von mir selbst projezierte Welt beziehen - denn das Ergebnis ist dasselbe". - Jetzt fragt er weiter: "Moment - heisst dies, dass mein Ich ebenfalls eine Täuschung sein könnte?" - und jetzt wird's interessant (Descartes erklärt es besser, als ich es jetzt um Mitternacht hinkriege):

WENN ich denken kann, was ich gerade logisch herausgefunden habe, kann ich keine Täuschung sein, denn sonst könnte ich nicht sagen "Ich denke". - Es wäre also egal, ob ich ein Mensch aus Fleisch und Blut oder ein geistiges Wesen bin: Mein Denken an sich ist davon unabhängig.

Popper weiss das allles auch - und deshalb sagt er sinngemäß: "Dieses philosophische Gedöns geht mir am Arsch vorbei - ich bin Methodiker und kein Philosoph - ich nehme als Grundlage die Welt, wie man sie vereinbarterweise versteht: als real. - Und erst jetzt lege ich mit meiner Methodik los, denn erst ab da macht sie Sinn" (er sagt Ähnliches etwas edler als ich es hier tue).

Der Granaten-Fehler vieler Popper-Rezipienten ist nun, dass sie seine Methodik als Philosophie verstehen und innerhalb der Philosophie mit Argumenten aus der Methodik kommen (gehörst Du auch dazu) - nicht erkennend, dass da der Zug schon längst abgefahren ist.

Descartes hat nicht im Traum dran gedacht, dass die naturwissenschaftliche Welt ein Fake ist - er will ausschließlich zeigen, dass die "Echtheit" dieser Welt weder durch Naturwissenschaft noch durch Denken bewiesen werden kann (auch Denken ist Wahrnehmung, wenn auch geistige Wahrnehmung). - Somit basiert jegliche Wahrnehmung auf etwas Unbeweisbarem - deshalb das Wort "Setzung" = "pragmatischerweise gehen wir davon aus, dass ....".

Welchen Sinn hat diese Diskussion überhaupt? - Sie hat NUR den einen Sinn, dass man damit logisch nachweisen kann, dass geistige, nicht-intersubjektive Wahrnehmung und naturwissenschaftliche, intersubjektive Wahrnehmung in ihrer Basis her gleich sind: Setzung. - Und genau das wird gerne von Naturalisten irrigerweise geleugnet.

Dass es inner-methodisch sehr große Unterschiede gibt (intersubjektive Erkenntnis - persönliche Erkenntnis), steht dabei überhaupt nicht in Frage. - Auf methodischer Ebene sind naturwissenschaftliches und geistiges Erkennen völlig unterschiedlich - was konkrete und notwendige Gründe hat, die hier zu weit führen würden. Was allerdings dazu führt, dass naturwissenschaftliche Methodik nicht auf geistige Fragen anwendbar ist. - Insofern ist die Anregung der Naturwissenschaft "Übernehmt doch unsere Methodik, damit wir Euch ernst nehmen können" völlig unangebracht - es KANN nicht funktionieren.

Wie auch immer - die Basisaussage lautet:
Es ist logisch nachweisbar, dass nicht nur geistiges Erkennen, sondern auch naturwissenschaftliches Erkennen der Prämisse bedürfen, dass der Gegenstand ihrer Untersuchung real ist.

Die nächste Diskussion wäre dann:
Wie kann man herausfinden, dass eine Prämisse einmal "wohl falsch" und das andere Mal "wohl richtig" ist - das "wohl" deshalb, weil diese Prämissen auf Methodik-Ebene nicht falsifizierbar sind.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#2139 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mi 11. Nov 2015, 09:55

closs hat geschrieben:Und dieses "ich-gehe-davon-aus" ist halt eine Setzung.
Dieser Satz ist eine Vermutung von dir.
Was du dabei übersiehst, ist dass ein Wissenschaftler das nicht sagt, weil er nichts zu setzen BRAUCHT.
Ein Wissenschaftler erstellt ein Modell, prüft es gegenüber den Beobachtungen in der Wirklichkeit, und sagt danach: "Gemäß unserem bestätigten Modell verhält sich die Welt so und nicht anders".

Was ist daran Setzung?

closs hat geschrieben:Muss man "2+2=4" empirisch begründen können?
Nein. Aber zählen kann der Mensch schon seit mehr als 200'000 Jahren.
Jede Löwin weiß wie viele Jungtiere sie hat. Du brauchst nur ihr Verhalten zu beobachten, wenn eines fehlt.

closs hat geschrieben:Man kann übrigens auch leicht ohne Descartes draufkommen, weil es einfach auf der Hand liegt, wenn man über die Grundlage unserer Wahrnehmung (incl. Messungen) nachdenkt.
Seltsame Logik...!
Descartes setzte das "Ich denke" weil er philosophierte. Setzungen sind aber keine Voraussetzung um Erkenntnisse über die Welt zu gewinnen.

closs hat geschrieben:Der Mensch sieht auf die Ampel und sieht "grün". - Der Mensch guckt auf den Fieberthermometer und sieht "37°". - Der Mensch liest in Fachzeitschriften, dass Messungen in Südamerika, der Sahara, Australien und am Nordpol nachweisen, dass Alpha Centauri 4,34768976837465435 Lichtjahre von uns entfernt ist. - Der Mensch sieht, dass sein Nachbar einen Bart hat, und fragt alle Menschen in der Stadt, ob sie es auch so sehen, worauf es diese bejahen.

All das ist Wahrnehmung. - Man kann also auf Wahrnehmungs-Ebene eine "grüne" von einer "roten" Ampel unterscheiden, Fieber messen sowie intersubjektiv nachweisen, wie weit Alpha Centauri von uns weg ist und dass der Nachbar einen Bart hat. - Wichtig: Auch, dass andere etwas wahrnehmen, weiss man nur, wenn man wahrnimmt, dass sie wahrnehmen. - Es ist also ALLES via Wahrnehmung, was der Mensch über etwas erfahren kann.
Alles richtig. :thumbup:
Unsere Sinne sind schließlich dazu da, um uns ein Bild von der Welt zu vermitteln.

Aber... wo ist bei all deinen Beispielen eine Setzung :?:

closs hat geschrieben:Dass es inner-methodisch sehr große Unterschiede gibt (intersubjektive Erkenntnis - persönliche Erkenntnis), steht dabei überhaupt nicht in Frage. - Auf methodischer Ebene sind naturwissenschaftliches und geistiges Erkennen völlig unterschiedlich - was konkrete und notwendige Gründe hat, die hier zu weit führen würden. Was allerdings dazu führt, dass naturwissenschaftliche Methodik nicht auf geistige Fragen anwendbar ist. - Insofern ist die Anregung der Naturwissenschaft "Übernehmt doch unsere Methodik, damit wir Euch ernst nehmen können" völlig unangebracht - es KANN nicht funktionieren.

Wie auch immer - die Basisaussage lautet:
Es ist logisch nachweisbar, dass nicht nur geistiges Erkennen, sondern auch naturwissenschaftliches Erkennen der Prämisse bedürfen, dass der Gegenstand ihrer Untersuchung real ist.
Ich meine, du lässt hier ganz wesentliche Aspekte außer Acht, die zu deiner ganz persönlichen (aber dennoch nicht ganz richtigen) Schlussfolgerung führen.

cui bono — wem nützt es? Wozu dient unsere Wahrnehmung?

Hier machst du den Stockfehler, weil du (und Descartes) meinst die Wahrnehmung diene der Wahrheitsfindung. Diese ist eine nicht nur eine falsche (und überflüssige) Prämisse. Die Evolution hat uns mit unseren Sinnen ausgestattet um zu überleben, nicht um die Wahrheit zu finden. Dass dies keine Setzung in deinem Sinn ist, lässt sich sogar nachweisen. Warum schrecken wir vor allen Schlangen zurück? Warum nicht nur vor den Giftigen?
Weil wir nicht wissen können, welche giftig sind, also ist es besser erst einmal vor allen Schlangen die Flucht zu ergreifen.

closs hat geschrieben:Wie kann man herausfinden, dass eine Prämisse einmal "wohl falsch" und das andere Mal "wohl richtig" ist - das "wohl" deshalb, weil diese Prämissen auf Methodik-Ebene nicht falsifizierbar sind.
Philosophisch mag das ja interessant sein, aber ich sehe nicht wieso diese Frage im Zusammenhang mit der Wissenschaft relevant sein sollte.
Wichtig ist, ob unsere Modelle in der Realität funktionieren, denn nur so lassen sich Zivilisationen bauen, die dem Menschen nützlich sind.

Dass die Evolution uns neugierig gemacht hat, bedeutet noch lange nicht, dass unser primäres Ziel die Wahrheitssuche ist. Dass das Ziel unserer Erkenntnisse meist deckungsgleich mit unserem Überlebensdrang sind, ist ein Hinweis, dass unsere Wahrnehmung der Welt echt ist.

Der Stockfehler in deinen Überlegungen, liegt in der Beantwortung der Frage nach der Nützlichkeit der Wahrnehmung: Das Leben ist ein Kampf ums Überleben, nicht ein Streben nach irgendwelchen philosophischen Wahrheiten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#2140 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 11. Nov 2015, 10:39

Pluto hat geschrieben:Dieser Satz ist eine Vermutung von dir.
Nein - gedanklich nachgewiesen - nicht nur von Descartes. - Es hat den Rang eines mathematischen Beweises.

Pluto hat geschrieben:Was du dabei übersiehst, ist dass ein Wissenschaftler das nicht sagt, weil er nichts zu setzen BRAUCHT.
Der Wissenschaftler setzt innerhalb seiner Methodik tatsächlich nichts - da sind wir uns einig. - Aber die Methodik selbst ist auf einer Setzung aufgebaut. - In anderen Worten: Sobald ein Wissenschaftler seine Methodik anwendet, ist dieses Thema bereits durch.

Pluto hat geschrieben:Descartes setzte das "Ich denke" weil er philosophierte.
Nein - das "ich bin" ist gedanklich nachgewiesen. - Die Setzung bezieht sich nicht DARAUF, sondern auf den Rang der Wahrnehmungen, die vom "ich-bin" kommen: "Ist meine Wahrnehmung 'echt' oder Täuschung? Ich setze, dass sie 'echt' ist".

Pluto hat geschrieben:Aber... wo ist bei all deinen Beispielen eine Setzung
Man setzt, dass "die Welt" "real" ist und keine Illusion/kein Traum. - Man MUSS es setzen, weil man es per Wahrnehmung nicht unterscheiden kann, da man in beiden Fällen dasselbe wahrnehmen würde.

Pluto hat geschrieben: weil du (und Descartes) meinst die Wahrnehmung diene der Wahrheitsfindung
Nee - da würde Descartes vermutlich sagen, dass das Denken ("geistige Wahrnehmung") der Wahrheitsfindung dient und nicht die "sinnliche Wahrnehmung" (die Du vermutlich mit "Wahrnehmung" meinst).

Pluto hat geschrieben:Die Evolution hat uns mit unseren Sinnen ausgestattet um zu überleben, nicht um die Wahrheit zu finden.
Eine durchaus sinnvolle Erklärung - andererseits könnte der Mensch als geistiges Wesen ganz ohne Natur auskommen. - Also kein k.o-Kriterium Deinerseits.

Pluto hat geschrieben:Philosophisch mag das ja interessant sein, aber ich sehe nicht wieso diese Frage im Zusammenhang mit der Wissenschaft relevant sein sollte.
Im Wahrnehmungs-Segment der Wissenschaft ist es ja auch nicht relevant. - Um es salopp zu sagen: "Ihr" Wissenschaftler müsst überhaupt nichts ändern - Ihr seid auf Eurer Ebene auf dem richtigen Weg. - Aber es ist nur EINE Ebene.

Und das ist ja der eigentliche Hintergrund: Naturalisten neigen dazu, die unschuldige Wissenschaft (das "unschuldig" meine ich durchaus ernst) als einzige Erkenntnis-Ebene darzustellen - oder: Wenn es schon andere Ebenen gäbe, dann müssten sie nach der Methodik der Wissenschaft funktionieren. - Was so ähnlich ist, als würde ein Fisch sagen, dass er prinzipiell nichts gegen Luft und Vögel habe, solange Luft flüssig sei und Vögel schwimmen könnten. :lol:

Pluto hat geschrieben:Wichtig ist, ob unsere Modelle in der Realität funktionieren
Welche "Realität"? - Die naturwissenschaftliche oder die geistige?

Pluto hat geschrieben:Das Leben ist ein Kampf ums Überleben, nicht ein Streben nach irgendwelchen philosophischen Wahrheiten.
Das ist eine weltanschauliche Aussage - andere könnten sagen: Das (Daseins-)Leben ist ein Kampf um geistige Wahrheit und nicht der Erhalt des (Daseins-)Lebens. - Warum denkst Du, gab es so viele Märtyrer?

Antworten