Ist Gott zur Reue fähig?

Rund um Bibel und Glaube
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Münek
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#101 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von Münek » Sa 20. Sep 2014, 20:03

closs hat geschrieben:
Salome23 hat geschrieben:Wo genau in der Bibel steht geschrieben, dass Gott allwissend ist?
Da gibt es bestimmt noch viel mehr.

Ich ziehe mal kurz die Notbremse:

Ein Gott, der seine Entscheidungen revidiert, kann nicht allwissend sein.

1. "Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege,
reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und er tats nicht."(Jo-
nas 3,10)

2. Ein Beispiel von Salome (2. Mose 32, 7-14): Als das Volk Israel das "Golde-
ne Kalb" umtanzte, beschließt Jahwe in seinem Zorn, sein halsstarriges Volk
zu vernichten. Ein einfacher Mensch, nämlich Moses, versucht Gott davon ab-
zuhalten, seinen affektiven Entschluss (volle Emotion) durchzuführen. Mit Erfolg! :thumbup:

"Da reute den Herrn das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte."

Reicht erst mal!

closs
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#102 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von closs » Sa 20. Sep 2014, 20:22

Scrypt0n hat geschrieben: wie sieht es mit der Eigenzeit von Gott aus? Die muss er zwangsläufig besitzen.
Es ist etwas, aus dem jegliche Daseins-Zeit "gleichzeitig" ist - WAS das ist, wissen wir nicht - deshalb der neutrale Begriff "Über-Zeit" - denn "Zeit" in unserer Begrifflichkeit ist es nicht.

Scrypt0n hat geschrieben:Doch; nur würde dieser Gott nicht deinem Gottesbild entsprechen.
Wir können natürlich alles Gott nennen: Gott Scrypton, Gott Waschmaschine, etc. - aus meiner Sicht sollte man diesen Begriff in geistig aufgeklärten Zeiten dem vorbehalten, in dem jegliche Dialektik aufgehoben ist. - Hierin deckt sich meine Sicht mit der christlichen Sicht.

Pluto hat geschrieben:Nein. Die Welt ist kausal, ja... Aber sie ist nicht determiniert.
Das wirst Du nicht vorschreiben können - ich nehme allerdings an, dass sich Deine Aussage rein auf das Dasein bezieht - das ist aber in diesem Kontext irrelevant.

Münek hat geschrieben:Jahwe war kein Mensch, sondern ein "Gott", aber nur einer unter vielen Göttern, die damals in Kanaan und im mesopotamischen Raum von den Menschen verehrt wurden.
So ist es - ein Volks-Gott.

Münek hat geschrieben:In der Bibel tritt Jahwe allerdings nicht als kosmischer Souverän auf
Eigentlich schon - dass er der Gott aller Völker sei, der sich aus dem israelitischen Volk heraus entwickelt, steht öfter mal in der Bibel.

Münek hat geschrieben: Dieser "Souverän" ist alles andere, nur nicht souverän.
So wie er dargestellt wird, sehe ich es genauso - wobei ich "Souverän" im völkerrechtlichen Sinne verwenden würde: Jahwe erscheint als 'staatlicher' Souverän - also nicht das Volk ist der Souverän, sondern Gott - so wie Könige und Kaiser in vielen Staaten bis in die Neuzeit hinein.

Dies führt bei Jahwe dazu, dass er spirituell (im heutigen Sinne) kaum wahrgenommen wird - er erscheint als der Mann mit dem Hammer, der nicht im Palast, sondern irgendwo in den Wolken thront. - Insofern nochmals: Betrachtet man das AT in der Vogelschau, sieht man erst einmal Schwärze. - Schaut man genauer hin, sieht man plötzlich ab und zu eine Fackel, die mit anderen Fackeln einen Weg weist, der ins NT mündet. - Das NT aus dem Jahwe-Bild des AT zu verstehen halte ich für schwer bis gar nicht möglich.

closs
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#103 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von closs » Sa 20. Sep 2014, 20:32

sven23 hat geschrieben: Die Bibelschreiber wollen uns einen allwissenden Gott verkaufen, der aber seine Entscheidungen immer wieder bereuen muß oder der noch nicht mal weiß, was z. B. in Sodom vor sich geht.
Da kommt jetzt wieder das Motiv von "Gott" und "Selbstoffenbarung Gottes" ins Spiel - will heißen: Die Bibel-Schreiber haben so geschrieben, wie sie wahrnehmen konnten. - Beim Erdbeben in Haiti (?) hat eine gläubige Frau gemeint, dass Gott nichts von dem Erdbeben wusste, weil er sonst etwas dagegen unternommen hätte - streng genommen ist das Aberglaube.

Wir müssen unterscheiden zwischen dem, was Gott ist, und dem, was vom Menschen diesbezüglich dargestellt wird.

Münek hat geschrieben:Ein Gott, der seine Entscheidungen revidiert, kann nicht allwissend sein.
Bingo - ganz meine Meinung.

Münek hat geschrieben:"(Jonas 3,10)
"und leid wards Gott des Bösen"

Münek hat geschrieben:Reicht erst mal!
Auch weitere Beispiele werden nichts ändern. - Gott bestraft sein Volk und hört auf, wenn es "ihm leid ist".

Und nochmal: Gott spricht hier auf Ebene der Rezeptionsfähigkeit des damaligen "Publikums" - nur so ist Gott für den Menschen wahrnehmbar.

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sven23
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#104 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von sven23 » Sa 20. Sep 2014, 20:40

closs hat geschrieben: So wie er dargestellt wird, sehe ich es genauso - wobei ich "Souverän" im völkerrechtlichen Sinne verwenden würde: Jahwe erscheint als 'staatlicher' Souverän - also nicht das Volk ist der Souverän, sondern Gott - so wie Könige und Kaiser in vielen Staaten bis in die Neuzeit hinein.

Ja, es ist schon erstaunlich, daß eine Figur, die nur in der Vorstellung existiert, so viel Einfluß hat.

"Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss."
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#105 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von sven23 » Sa 20. Sep 2014, 20:48

closs hat geschrieben:Da kommt jetzt wieder das Motiv von "Gott" und "Selbstoffenbarung Gottes" ins Spiel - will heißen: Die Bibel-Schreiber haben so geschrieben, wie sie wahrnehmen konnten.

Sie konnten überhaupt nichts wahrnehmen, sondern ließen ihrer Phantasie freien Lauf.

closs hat geschrieben: - Beim Erdbeben in Haiti (?) hat eine gläubige Frau gemeint, dass Gott nichts von dem Erdbeben wusste, weil er sonst etwas dagegen unternommen hätte - streng genommen ist das Aberglaube.

Wenn das der Führer wüßte, daß es uns so dreckig geht, sollen die im Dreck liegenden Soldaten gesagt haben. Dabei war das dem Führer scheißegal.

closs hat geschrieben: Wir müssen unterscheiden zwischen dem, was Gott ist, und dem, was vom Menschen diesbezüglich dargestellt wird.

Da gibt es keinen Unterschied. Gott wurde von Menschen "erschaffen".

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ein Gott, der seine Entscheidungen revidiert, kann nicht allwissend sein.
Bingo - ganz meine Meinung.

Häh, du hast doch selber die Bibelstellen zitiert, die seine Allwissenheit nahe legen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#106 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von Münek » Sa 20. Sep 2014, 20:53

Scrypt0n hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der Punkt ist, dass Jahwe Taten oder Entschlüsse BEREUT, die sich im nachhinein aus seiner eigenen Sicht als falsch erwiesen haben. Damit gibt er preis, dass er nicht über das göttliche Attribut "ALLWISSENHEIT" verfügt.
WÄRE es so, sprächen wir nicht von Gott
Doch; nur würde dieser Gott nicht deinem Gottesbild entsprechen.

Doch, natürlich sprechen wir hier von Gott. Von wem sonst?

Allerdings über den alttestamentlichen altjüdischen Stammesgott JAHWE - wie er sich
selbstoffenbarend in den "Heiligen Schriften" seinem Volk präsentierte. In dieser Selbst-
präsentation ist - wie ja nun oft genug in den obigen Beiträgen dargelegt wurde - von All-
wissenheit
weit und breit nichts zu erkennen.

Dass dieser anthropomorphe, zahlreiche Schwächen aufweisende Gott nicht Deinem höchst-
persönlichen "Glaubensgeschmack" entspricht, nehme ich Dir voll ab. Möglicherweise ist "Jahwe"
ja der falsche Gott -und ein von Dir nach Deinen spirituellen Vorstellungen hochgetunter
Gott
der richtige.


Ist nicht böse gemein, Kurt. Aber Du solltest mal ernsthaft in Betracht ziehen, dass dieser transzen-
dente allmächtige, allgütige, allwissende GOTT nur ein Gebilde ist, das Du Dir selbst gestaltest hast.
Zuletzt geändert von Münek am Sa 20. Sep 2014, 22:56, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#107 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von closs » Sa 20. Sep 2014, 21:52

Münek hat geschrieben:Wir sprechen hier über den alttestamentlichen altjüdischen Stammesgott JAHWE - und zwar so, wie er sich selbstoffenbarend in den "Heiligen Schriften" seinem Volk präsentierte.
OK - wenn man die Sache völkerkundlich (also nicht theologisch) angeht, hast Du recht.

Münek hat geschrieben:Du hast ja Deine Gottesvorstellung außerhalb der Bibel gewonnen. Wenn Du dennoch nicht von ihr lassen kannst, solltest Du sie schon ein bisschen ernster nehmen.
Das ist ein höchst verzwicktes Thema - denn wir haben:
a) die Bibel-Verfasser
b) die Handlungs-Figuren innerhalb der Bibel
c) die Rezipienten dieser Schriften (also das damalige Volk)
d) die Quellen-Lage in hebräisch
e) die Quellen-Lage in griechisch
f) die Übersetzungen daraus
g) die (offiziellen) Exegesen daraus - und das noch mit all ihren Veränderungen über 2000 Jahre

Jeder dieser Punkte von a) bis g) kann eigene Standpunkte haben - zur jeweils selben Textstelle.
a) hatten eigene Interessen
b) haben etwas gesagt, dessen Tragweite sie nicht immer verstanden haben
c) hat genauso mechanistisch geglaubt wie heute
d) ist unvollständig
e) hat d) verändert
f) hat d) und e) verändert
g) ist (nolens volens) oft dem eigenen Zeitgeist mehr verpflichtet als dem Geist dessen, was man im Original oft nicht versteht (da hätte 2Lena einiges dazu zu sagen)

Es gibt also nicht DIE Bibel, sondern immer nur Chiffren, die man als gläubiger Mensch entziffern kann - oder manchmal auch nicht. Ein mühsames Geschäft. Und eines ist aus meiner Sicht klar: Ein Ungläubiger kann nur schwerlich über das AT zu einem authentischen (also geist-gerechten) christlichen Glauben kommen - das geht umgekehrt: Man muss vorher wissen oder fühlen, was man sucht.

So auch bei mir: Mir ging es darum, aus meinem (ziemlich abgeschlossenen) Glaubensbild (in meiner Sprache: Gott = Liebe = Aufhebung jeglicher Dialektik - mit allen Konsequenzen!) heraus zu überprüfen, wo es in Schriften zu finden ist - und da bin ich bei der Bibel gelandet. - Und zwar deshalb, weil dort zwischen all dem Dunkel immer wieder einmal Sätze und Figuren kommen, die aus meiner Sicht ohne diese unendliche Substanz Gottes nicht möglich wären - einige Beispiele:

Josef, Bileam (Teil 1!), Hannah, Noomi, Rut, etc. - übrigens oft Nebenfiguren. - Und dabei ist mir eine Dialektik aufgefallen, die wirklich schwer zu erklären ist: Es scheint so, als seien die Geringeren oft die spirituell Weiteren - umgekehrt: von Abraham bis David scheinen die Protagonisten der Heilsgeschichte überdurchschnittlich viel Dreck am Stecken zu haben - hier würde sich beispielsweise eine Diskussion über Ismael - Isaak und Esau - Jakob lohnen. - So als wären heilsgeschichtliche Funktionen und persönliche Eigenschaften gegenläufig - was natürlich der gängigen Exegese widerspricht, dernach ein "großer" heilsgeschichtlicher Funktionsträger auch ein "großer"Mann zu sein hat.

Jetzt bin ich ausgeschweift - es soll ganz einfach zeigen, dass es nicht so einfach ist, einfach ein (auch noch bescheuert übersetztes Zitat) zur Falsifizierungs-Grundlage zu nehmen - und das wär's dann. - Um noch einen Schritt weiterzugehen: Mein Verdacht wird immer mehr genährt, dass man nach einigen Jahrhunderten der De-Transzendentierung (auch ein neues Wort 8-) ) überhaupt nicht mehr den Zugang zur eigentlichen Substanz des Geistigen hat - "Hiob" lässt grüßen. - Wir sind geistig VOR dem Buch Hiob. - So - und jetzt bin ich schon wieder ausgeschweift. :oops:

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#108 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von Scrypt0n » Sa 20. Sep 2014, 23:22

closs hat geschrieben:
Scrypt0n hat geschrieben: wie sieht es mit der Eigenzeit von Gott aus? Die muss er zwangsläufig besitzen.
Es ist etwas, aus dem jegliche Daseins-Zeit "gleichzeitig" ist
Ja, aber diese "Gleichzeitigkeit" betrifft ja wohl nicht dessen eigene EIGENZeit, also die Seins-Zeit! :)

Abgesehen davon lässt sich Zeit natürlich weiterhin nicht aufheben.

Ist Gott vollkommen?

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#109 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von Münek » Sa 20. Sep 2014, 23:30

closs hat geschrieben:Und nochmal: Gott spricht hier auf Ebene der Rezeptionsfähigkeit des damaligen "Publikums" - nur so ist Gott für den Menschen wahrnehmbar.

Nun mach es mal nicht so kompliziert!

Immerhin scheut Jahwe sich nicht, frühere Entscheidungen wegen besserer
Erkenntnis (für alle Bibelleser wahrnehmbar!) schlicht zurückzunehmen. Zu-
mindest das solltest Du - wenn auch zähneknirschend - langsam mal verinner-
lichen.

Dass Dir ein solch ambivalent-wankelmütiger Gott mit all seinen menschlichen
Schwächen und Emotionen nicht ins Konzept passt, ist mir klar.

Aber das ist halt Dein Problem.

closs
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#110 Re: Ist Gott zur Reue fähig?

Beitrag von closs » So 21. Sep 2014, 00:14

Scrypt0n hat geschrieben:Ja, aber diese "Gleichzeitigkeit" betrifft ja wohl nicht dessen eigene EIGENZeit, also die Seins-Zeit!
Die "Eigen-Zeit" ist etwas, was wir nicht kennen. Ich kann mir vage vorstellen, dass alles nur noch "Sein" ist - aber da bekommt man Kopfschmerzen.

Scrypt0n hat geschrieben:Abgesehen davon lässt sich Zeit natürlich weiterhin nicht aufheben.
Keine Ahnung, was DU unter Aufhebung verstehst.

Scrypt0n hat geschrieben:Ist Gott vollkommen?
Ja - sonst wäre das Wort "Gott" nicht angebracht.

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