Naqual hat geschrieben:Warum dann nicht mehr ein wenig Bescheidenheit und nicht den Heiligen Geist für sich in Anspruch nehmen?
Man weiss ja nie, ob man ihn wirklich hat - man kann es nur anstreben. - Jedenfalls ohne HG geht gar nichts - das merkt man immer wieder an den merkwürdigsten Bibel-Exegesen.
Naqual hat geschrieben:Für mich wäre ein göttliches Wesen z.B. ein Mensch, der den Egoismus tatsächlich überwunden hat
Wäre es nicht unmissverständlicher, wenn man als höchste Stufe des Menschen ansieht, dass er seiner gottgewollten Ebenbildlichkeit so weit wie möglich gerecht wird? - "Göttlich" klingt immer so, als sei der Mensch irgendwie diffus auf einer Ebene mit Gott.
Naqual hat geschrieben: Auf diesem HIntergrund betrachtet wirkt es wirklich abstrus, dass ein Gott sich selbst opfert (im doppelten Wortsinn).
"Ihr Menschen schafft es nicht - ich, Gott, mache es Euch vor". - So ist es meines Erachtens gemeint.
Auch: "Ich, Gott, weiss, dass Eure Hinweingeworfen-Sein in den dialektischen Raum, also Eure Feld zu Erringung von spirituellem Eigen-Bewusstsein, für Euch mit Leid verbunden ist. - Da ich Euch liebe, trage ich dieses Leid für Euch (mit)".
Naqual hat geschrieben:Was wäre das für ein Gott, der von uns kleinen Menschen fordert, wir mögen vergeben (und damit nicht vergelten!), er selbst braucht aber ein Sühnopfer, weil sonst sein Vergeltungsdrang jegliche Barmherzigkeit verhindert.
Sehe ich genauso - dann aber sagt der Mensch: "Ja - der Mensch kann sich für Vergebung entscheiden - wenn er es nicht tut, ist es seine Verantwortung". - Übersehen wird dabei aus meiner Sicht, dass Liebe qua definitone bedingungs-los ist. - Dazu sind sogar Menschen fähig - also kann es allemal Gott.
Mir scheint sehr, dass das Einführen eines Menschenmaß-Schuld-Begriffs nicht dem göttlichen Willen, sondern gesellschaftlichen (säkularen) Normen geschuldet ist - das macht die Sache schwierig.
Naqual hat geschrieben: Damit hat Jesus demonstriert, dass ihm das Böse nichts anhaben kann, er wird nicht böse dadurch.
So ist es. - Hierzu passt, dass "Gericht" urtextnah (M.Buber) mit "Bewahrheitung" übersetzt wird - der Mensch wird also der Wahrheit zugeführt, um in sie aufgehoben werden zu können (vgl.: der breite Weg, der eine Sackgasse ist, bzw. wie ein Trichter in den schmalen Weg führt, bei dem keiner an Jesus vorbeikommt). - "Richten" heisst somit, etwas zurecht-richten - wie ein Chirurg einen Knochen "richtet". - Diese Universalität der christlichen Botschaft hat sich bei weiten noch nicht überall rumgesprochen.
Naqual hat geschrieben:Und trotzdem ist man bei der Selbsterlösung auch selbst aktiv.
Aktiv ist man - man hat es sogar in der eigenen Hand. - Und genau das glaube ich nicht.
Denn dann kommen wir schnell in Menschenmaß hinein - und in Prädestinations-Denke. - Beim Wort "Selbst-Erlösung" schüttelt es mich - als ob der Mensch quasi sich selbst aufheben könnte - klingt nach Münchhausen. - Dazu kommt, dass "Schuld" im Grunde ein objektives Attribut des Menschseins an sich ist - also im Menschlichen nicht aufgehoben werden kann. - Ich finde dieses Weg gefährlich, weil er Tür und Tor öffnet für spirituelle Selbst-Verwirklichungs-Szenarien. - Da stehe ich eher zur Gnadenlehre.
Naqual hat geschrieben:Für mich würdigt es sogar das Kreuz runter, wenn man Jesus zu Gott macht. Ist doch ne leichte Übung, sich mal töten zu lassen, wenn man allmächtig, unsterblich und allwissend ist.
Interessanter Gedanke - der bei mir auf Widerstand stößt.
Trinitarisch gesehen ist doch Jesus nicht nur "wahrer Gott", sondern auch "wahrer Mensch" - d.h.: Es ist keine leichte Übung, weil Jesus das alles als Mensch erleidet. - Hinzu kommt, dass er die maximale Spannung aus Soll-Zustand ("gut") und Ist-Zustand ("böse") erleidet. - Um es in einem Verständnisbild zu sagen:
Wenn Du Alkoholiker im Entzug wärest und Dir jemand eine offenen Schnapsflasche unter die Nase halten würde, könntest Du Dein Entzugs-Leid (kurzfristig) mildern, indem Du aus der Flasche trinkst. - Jesus kann das NICHT - er muss sich vom Satan in der Wüste die Schnapsflasche unter die Nase halten lassen, all das damit verbundene Leid ertragen, das um so größer ist, dass er dieser Versuchung gar nicht erliegen KANN - weil er gleichzeitig das Göttliche in sich trägt.
Naqual hat geschrieben: Das ist so als wenn ich mit spreche
Stimmt - ob Du Dich an "Vater", "Sohn" oder "HG" wendest, ist wurscht - es ist dieselbe Adresse.
Naqual hat geschrieben:Die Dreieinigkeitslehre geht davon aus, dass Jesus gleichzeitig Gott und gleichzeitig Mensch, beides jeweils in Gänze sei. Und das geht hinten und vorne nicht auf.
Es sei denn, man versteht diese Mischung als Funktion der göttlichen Selbstoffennbarung: "Ich, Gott, offenbare mich in Jesus beschränkt - weil ich das Erlösungs-Werk in menschlicher Gestalt vollbringen will". - Es ist in der Tat richtig, dass Jesus in seinem "Offenbarungs-Design" NICHT allmächtig ist - aber umgekehrt auch keiner anderen Macht unterliegen kann. - Deshalb verweist er ja auf seine eigentliche Wesens-Statt, die in der Chiffre "Vater" repräsentiert wird ("Ich und der Vater sind Eins").
Naqual hat geschrieben:Ich hätte auch meine Zweifel, ob der einfache Fischer Petrus die Trinitätstheorie auch nur im Ansatz kapiert hätte.
Gut möglich - Meta-Ebenen sind üblicherweise nicht innerhalb dessen verstanden, zu dem sie Meta-Ebenen sind. - Auch die authentischen Christen, die ich kenne, kapieren das nicht - bzw. fragen sie gar nicht danach. - Bei ihnen geht der Impuls von eigenem spirituellen Erkennen aus und nicht von reflektierenden Meta-Ebenen.
Mir fällt das auf, wenn ich mit richtig tiefgründigen Christen spreche. - Man spricht über etwas, ich komme mit meinen berüchtigten intellektuellen Sprüchen, die noch keiner so gehört hat - und jetzt passiert folgendes: Die Leute gleichen das ab mit ihrer eigenen spirituellen Erkenntnis - und nicken (meistens). - Will heißen: Man hat etwas in Worte gefasst, was sie substantiell bestätigen können, aber nie selbst in Worte gefasst haben.
Nebenbei: Ich habe noch nie gemanden getroffen, der über die Bibel Christ wurde - das läuft in der Praxis anders: Der spirituell Erkennende findet seine Erkenntnis in der Bibel wieder UND erweitert - man baut also auf, NACHDEM man spirituell erkannt hat. - Das ist das, was wir weiter oben als "HG" bezeichnet haben - ohne ihn ist die Bibel NICHTS.
Naqual hat geschrieben:Trotzdem hat er dann zwei auseinanderlaufende Willen, die sich widersprechen.
Tun sie doch nicht - Jesu Kampf ist nicht "Menschenwille contra Gotteswille", sondern die Vermeidung einer solchen dialektischen Konstellation.
Naqual hat geschrieben:Damit muss man selbst nichts mehr machen im wesentlichsten Punkt.
Blöderweise glaube ich das auch. - Aus meiner Sicht ist das Problem der Prädestinations-Lehre, dass die einen auserwählt seien und die anderen nicht - da muss ich als Allversöhner protestieren.