Homöopathie II

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sven23
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#731 Re: Homöopathie II

Beitrag von sven23 » Sa 19. Jul 2014, 10:45

closs hat geschrieben:Meine ergänzende Aussage dazu war, dass HP-Ärzte davon NICHT profitieren.

Das wäre ja noch irrwitziger, wenn ein ausgebildeter Arzt für die gleiche "Leistung" nur einen Bruchteil dessen bekäme, was ein Heilpraktiker bekommt.


closs hat geschrieben: Das ist ein ergänzendes, aber kein Gegen-Argument.

Es ist auch ein Gegenargument gegen HP, weil nicht die Kundenaquise, sondern evidenzbasierte Medizin im Vordergrund stehen sollte. Da fühlte sich wohl auch der Minister in dem Interview ertappt, als er darauf angesprochen wurde und bat, die Kamera abzuschalten.
Ich bin da ganz auf Lauterbachs Seite, der fordert, daß man Kassen grundsätzlich verbieten sollte, HP und sog. Alternativmedizin zu erstatten. Das Geld wird woanders dringender benötigt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#732 Re: Homöopathie II

Beitrag von closs » Sa 19. Jul 2014, 11:08

sven23 hat geschrieben:Es ist auch ein Gegenargument gegen HP, weil nicht die Kundenaquise, sondern evidenzbasierte Medizin im Vordergrund stehen sollte.
Und an anderer Stelle schreibst Du, dass jahrzehntelang als wirksam "erwiesene" Prophylaxe inzwischen (in bestimmten Bereichen) nachweislich nichts wirkt. - Der Ausdruck "evidenzbasierte Medizin" ist eine wandelnde Grauzone - wenn da jetzt auch HP dazugehören soll, bedeutet das keine Niveau-Verminderung.

sven23 hat geschrieben:Das Geld wird woanders dringender benötigt.
Da bräuchte man halt (wieder einmal) eine Studie (die es innerhalb der Kassen wahrscheinlich schon gibt) - nämlich: Man wähle eine repräsentative Gruppe der Bevölkerung aus, unterteile sie in klassisch und HP-behandelten PAtienten ein. Dann überprüfe man, welche Gruppe durchschnittlich insgesamt mehr kostet. - Ich fresse annähernd einen Besen (Rest-Risiko bleibt, deshalb nur "annähernd"), dass die HP-Gruppe unterm Strich weniger kostet.

Nun sind Kassen hauptsächlich Unternehmen. - Denkst Du nicht, dass man dort nicht rechnet?

Dein Argument "zahlkräftiges Klientel" passt da natürlich auch rein - aber stimmt es WIKRLICH? - Richtig zahlungskräftiges Klientel ist privat versichert - zudem noch alle Beamten. - Da ich auf Grund meiner (nicht-HP) Medikation 4 x p.a. zum Hausarzt muss (der auch HP-Arzt ist), schaue ich mir immer die Leute im Wartezimmer an: Da habe ich noch nie einen "reichen" Menschen gesehen - viele Eltern mit Kindern, nicht überdurchschnittlich gekleidete Erwachsenen, viele Rentner. - Da sollte man genauer hinschauen.

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sven23
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#733 Re: Homöopathie II

Beitrag von sven23 » Sa 19. Jul 2014, 11:42

closs hat geschrieben:Und an anderer Stelle schreibst Du, dass jahrzehntelang als wirksam "erwiesene" Prophylaxe inzwischen (in bestimmten Bereichen) nachweislich nichts wirkt. - Der Ausdruck "evidenzbasierte Medizin" ist eine wandelnde Grauzone - wenn da jetzt auch HP dazugehören soll, bedeutet das keine Niveau-Verminderung.


"Wirksam erwiesene Prophylaxe" ist nicht meine Ausdrucksweise. Es gab immer schon Hinweise darauf, daß die Effizienz von Vorsorgeuntersuchungen überschätzt wird. Nach der Cochrane Studie hat man eine gewaltige Datenbasis, die diesen Verdacht eindeutig bestätigt.
HP und andere Alternativmedizin gehören eben nicht zu evidenzbasierten Medizin. Das ist doch der Grund, warum der Minister ins Stottern geriet.


closs hat geschrieben: Nun sind Kassen hauptsächlich Unternehmen. - Denkst Du nicht, dass man dort nicht rechnet?

An dieses Argument habe ich auch zuerst gedacht. Doch es ist wieder mal so, daß die Politik hier falsche Anreize geschaffen hat. Die Kassen, und das wird im Filmbeitrag auch deutlich, bekommen ihr Geld aus dem Gesundheitsfond anteilsmäßig bemessen an der Zahl der Kranken. Je mehr Kranke, desto mehr Geld kann sie verwalten. Und Kranke, die man mit HP abfertigen kann, sind ja nicht so ernsthaft krank, daß sie enorme Kosten verursachen würden.


closs hat geschrieben: Dein Argument "zahlkräftiges Klientel" passt da natürlich auch rein - aber stimmt es WIKRLICH? - Richtig zahlungskräftiges Klientel ist privat versichert - zudem noch alle Beamten. - Da ich auf Grund meiner (nicht-HP) Medikation 4 x p.a. zum Hausarzt muss (der auch HP-Arzt ist), schaue ich mir immer die Leute im Wartezimmer an: Da habe ich noch nie einen "reichen" Menschen gesehen - viele Eltern mit Kindern, nicht überdurchschnittlich gekleidete Erwachsenen, viele Rentner. - Da sollte man genauer hinschauen.

Von Reichen habe ich auch nicht gesprochen. Die Beitragsbessungsgrenze liegt derzeit bei 4050,-€ monatlich. Wer dann noch jung, ledig und einigermaßen gesund ist, wird von jeder Kasser gerne genommen.
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#734 Re: Homöopathie II

Beitrag von closs » Sa 19. Jul 2014, 11:53

sven23 hat geschrieben:HP und andere Alternativmedizin gehören eben nicht zu evidenzbasierten Medizin.
Das ist schon richtig. - Aber wie Du siehst, ist dies eher eine methodische Frage - Leute gucken halt daneben auch zunehmend darauf, was es ihnen was bringt. - Da stehen zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen gegenüber.

sven23 hat geschrieben: Und Kranke, die man mit HP abfertigen kann, sind ja nicht so ernsthaft krank, daß sie enorme Kosten verursachen würden.
Das ist zwar eine Behauptung - aber wollen wir annehmen, sie würde stimmen. DANN wäre umso wichtiger herauszufinden, WARUM sie nicht ernsthaft krank sind - d.h.:

Wenn die Kassenstudien ergeben würden, dass innerhalb der repräsentativen Testgruppe signifikant weniger schwere (= teure) Krankheiten stattfinden, wenn es sich um HP-Patienten handelt, dann wäre das zumindest unter dem Aspekt der Pophylaxe interessant. - Denn Kassen sind doch interessiert, möglichst viele Patienten mit möglichst wenigen schweren Krankheiten zu haben.

sven23 hat geschrieben:Wer dann noch jung, ledig und einigermaßen gesund ist, wird von jeder Kasser gerne genommen.
Gilt HP unter den < 30Jährigen als cool? - Kann ich in meinem Umfeld NICHT feststellen - weisst Du dazu mehr?

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#735 Re: Homöopathie II

Beitrag von sven23 » Sa 19. Jul 2014, 12:32

closs hat geschrieben: - Aber wie Du siehst, ist dies eher eine methodische Frage - Leute gucken halt daneben auch zunehmend darauf, was es ihnen was bringt. - Da stehen zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen gegenüber.

Was es in der sog. Alternivszene alles an Unfug gibt, kann man nicht daraus ableiten, daß es rationale Entscheidungen wären.

closs hat geschrieben: Das ist zwar eine Behauptung - aber wollen wir annehmen, sie würde stimmen. DANN wäre umso wichtiger herauszufinden, WARUM sie nicht ernsthaft krank sind - d.h.:

Weil ernsthaft Erkrankte nicht mit HP behandelt werden. Bitte nicht wieder den Fehler begehen und Ursache und Wirkung verwechseln.

closs hat geschrieben: Denn Kassen sind doch interessiert, möglichst viele Patienten mit möglichst wenigen schweren Krankheiten zu haben.

Das ist unbestritten so.

closs hat geschrieben: Gilt HP unter den < 30Jährigen als cool? - Kann ich in meinem Umfeld NICHT feststellen - weisst Du dazu mehr?

Hp gilt mittlerweile als Lifestyle Medizin, besonders bei Frauen. Viele verwechseln es auch mit Kräuter- oder Naturmedizin. Sie hat das Image einer sanften Medizin ohne Nebenwirkung (allerdings auch ohne Wirkung). Hier kommt viel Unwissenheit und/oder Selbstäuschung ins Spiel.
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#736 Re: Homöopathie II

Beitrag von closs » Sa 19. Jul 2014, 15:00

sven23 hat geschrieben:Was es in der sog. Alternivszene alles an Unfug gibt, kann man nicht daraus ableiten, daß es rationale Entscheidungen wären.
Die sogenannte "Alternativszene" ist aus Sicht der HP übrigens die "Allopathie" - von altgriechisch ἄλλος állos‚ anders beschaffen). :lol: - Mit anderen Worten: "alternativ" ist immer eine Frage des eigenen gesetzten Standpunkts.

Davon abgesehen ist das, was Du als "Alternativszene" bezeichnest, sehr heterogen. - Wenn jemand die "Alternative zu Deutschland" definieren wollte, täte er sich schwer, weil da die Antarktis genauso dabei wäre wie die Sahara. Es gibt hier keine qualitativ homogenen Aussagen.

sven23 hat geschrieben:Weil ernsthaft Erkrankte nicht mit HP behandelt werden.
Wenn es so wäre: Dann würde also das HP-Klientel im Wissen, dass es im Gegensatz zu der anderen Bevölkerung keine oder viel weniger schwere Krankheiten erleidet, vorauseilend zum HP-Arzt gehen. - Das ist etwas arg an den Haaren herbeigezogen.

sven23 hat geschrieben:Hp gilt mittlerweile als Lifestyle Medizin, besonders bei Frauen.
Ja - 40 Jahre plus. - Darunter auch?

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#737 Re: Homöopathie II

Beitrag von sven23 » Sa 19. Jul 2014, 15:31

closs hat geschrieben: Mit anderen Worten: "alternativ" ist immer eine Frage des eigenen gesetzten Standpunkts.

Na ja, das ist doch nicht so schwer. Die sog. Schulmedizin ist der allgemeine Standard. Alles, was sich daneben so tummelt und nicht evidenzbasiert ist, ist halt die sog. Alternativmedizin.

closs hat geschrieben: Wenn es so wäre: Dann würde also das HP-Klientel im Wissen, dass es im Gegensatz zu der anderen Bevölkerung keine oder viel weniger schwere Krankheiten erleidet, vorauseilend zum HP-Arzt gehen. - Das ist etwas arg an den Haaren herbeigezogen.

So habe ich das auch nicht gesagt. Wer ernsthaft krank ist, geht in der Regel nicht zum Heilpraktiker, wenn er noch alle Sinne beisammen hat.


closs hat geschrieben: Ja - 40 Jahre plus. - Darunter auch?
Ja, auch in der Klasse der 20-30 jährigen, weil Frauen auf "sanfte" Medizin stehen. Aber da ist auch viel Unkenntnis dabei, was HP überhaupt ist und wie sie funktionieren soll. Nur weil man das nicht weiß, kann der Placebo-Effekt überhaupt greifen.
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#738 Re: Homöopathie II

Beitrag von closs » Sa 19. Jul 2014, 16:23

sven23 hat geschrieben:Wer ernsthaft krank ist, geht in der Regel nicht zum Heilpraktiker
Davon abgesehen, dass viele schulmedizinisch austherapierte Menschen mit Alternativ-Medizin gute Wirkungen erleben, geht es hier um etwas anderes (worauf Du nicht eingehst):

Wenn HP-Patienten deshalb zu ihren Therapeuten gehen, weil sie bei Gesundheitsstörungen etwas tun, was schwereren Krankheiten später vorbeugt, dann ist das ein hartes Argument, WENN Statistiken ausweisen, dass HP-Patienten seltener schwere Krankheiten haben. - Und solche Statistiken sollte es eigentlich geben - bei den Kassen allemal. - Denn die Kassen sehen, was jemand in den letzten 10 Jahren gemacht haben - und wenn nicht die Kassen, dann die Abrechnungs-Einrichtungen.

Da mal reingucken zu dürfen, wäre interessant.

sven23 hat geschrieben:Nur weil man das nicht weiß, kann der Placebo-Effekt überhaupt greifen.
Wenn ein Placebo-Effekt (= Selbstheilungskräfte) so stark aktiviert ist, dass die Wirkung vergleichbar ist mit einer "zertifizierten" schulmedizinischen Behandlung, ist das gut.

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#739 Re: Homöopathie II

Beitrag von Pluto » Sa 19. Jul 2014, 19:01

closs hat geschrieben:Die sogenannte "Alternativszene" ist aus Sicht der HP übrigens die "Allopathie" - von altgriechisch ἄλλος állos‚ anders beschaffen). :lol: - Mit anderen Worten: "alternativ" ist immer eine Frage des eigenen gesetzten Standpunkts.
Allopathie ist eine Hahneman'sche Erfindung, und seine HP zu recthfertigen. Er wählte dazu einfach das passende griechische Wort, und schon war der Begriff geboren.
Aber wohlklingende Namen machen die Wirkung nicht besser.

closs hat geschrieben:Davon abgesehen ist das, was Du als "Alternativszene" bezeichnest, sehr heterogen.
Heterogen ist insofern richtig, dass es in der Branche nur so von Quacksalbern wimmelt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#740 Re: Homöopathie II

Beitrag von closs » Sa 19. Jul 2014, 19:06

Pluto hat geschrieben:Heterogen ist insofern richtig, dass es in der Branche nur so von Quacksalbern wimmelt.
Gut vorstellbar - warum sollte es hier anders sein als überall? :devil:

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