Grüß Gott, ich bin neu hier und möchte gerne der Aufklärung dienen.
Ich hab mir die Antworten jetzt durchgelesen und die Backen aufgeblasen. Au weia.
Zunächst einmal zu Naqal (?): Du hast nur bedingt Recht, was die Quellenlage bezüglich der Vorteile der Beschneidung so angeht. Es ist immer recht hilfreich, sich auch mal die Leute *hinter* der Studie und deren Motivation anzusehen.
Bertrand Auvert, der "Vater" der Studie, die diese 60%-Reduktion bei HIV festgestellt hat, steht z.B. der Gilgal-Society nahe. Und deren Gründer, Vernon Quaintance, ist verurteilt wegen des Besitzes von Kinderpornographischen Beschneidungsbildern. Um es platt zu sagen: Dem geht einer ab, wenn er die Schreie beschnittener Babies hört.
Aber die Auvert-Studie ist noch aus einem anderen Grund interessant. Wenn man sich die Studien allgemein ansieht, bemerkt man recht schnell, dass die mit "relativen" Bezügen arbeiten und nicht mit absoluten.
Diese 60% "Reduktion" bei HIV-Infektionen sind so ein relativer Begriff.
Mal ein paar, vielleicht etwas provokant formulierte Sätze dazu:
Wenn ich 1000 Männer nehme, die in zwei Gruppen teile, dann die Studie beginne und die eine Gruppe beschneide während die andere bereits in einem HIV-Hochrisikogebiet wie ein Karnickel loslegt - natürlich OHNE Kondom, kann ich dann den Zahlen noch vertrauen? Die intakte Gruppe hat schließlich 6 Wochen Infektionsvorsprung.
Wenn ich den Infektionsstatus der Ehepartner nicht mit erfasse, ist die Studie dann noch überhaupt auf wissenschaftlichen Füßen?
Wenn ich dann 2 Jahre die Infektionen zähle, bin ich dann noch ein ethisch handelnder Wissenschaftler?
Wenn ich dann feststelle, dass die Zahlen sich nicht so entwickeln wie ich vermutet habe und ich dann die Studie abbreche, ist die Studie noch etwas wert? (Hint: Sie ist durch ALLE Peer-Reviews gefallen, imho mit Ausnahme der Cochrane-Reviews).
So, und um mal den Unterschied zwischen absoluten Zahlen und relativen klarzumachen:
Wenn von den Männern der Gruppe intakt am Ende 16 infiziert sind von der Gruppe beschnitten 10, dann ist dass die 60%-Reduktion des Infektionsrisikos.
Das sagt aber nichts über die absolute Reduktion aus, die in meinem Beispiel *deutlich* geringer und vor allem aussagekräftiger ist.
Auf DIE Art wird in diesen Studien mit Risikoverringerungen gearbeitet. Und wichtiger: Aufgrund DIESER Studie werden in Afrika gerade die Männer beschnitten, indem man ihnen weismacht, dass sie dann ein um 60% verringertes Risiko... genau.
Dabei werden andere Infektionsquellen wie infizierte Blutkonserven, infizierte Instrumente und infizierte Ärzte/Krankenschwestern überhaupt nicht erwähnt. In Afrika ist das Operationsrisiko unfassbar hoch.
Die anderen "Vorteile"? Sind genauso einfach zu widerlegen.
Harnwegsinfektionen: Oh biiiiiiitte... ist mir irgendwie die medizinische Erkenntnis entgangen, dass Jungen keine Antibiotika erhalten dürfen?
Peniskrebs: Ein Krebs alter Männer. Der erste Peak ist um 50. Außerdem blöderweise ein Krebs der Vorhaut UND der Eichel. Und zudem noch einer der seltensten Krebsarten weltweit. 400 Fälle wurden 2012 imho in Großbritannien diagnostiziert. Er ist zudem gut heilbar.
Prostatakrebs (die neueste Sau, die durchs Beschneidungsdorf getrieben wird): Man hat für diese Studie ALLE Risikofaktoren gezielt herausgerechnet bis nur noch "war beschnitten" oder "war nicht beschnitten übrigblieb.
Hinzu kommt, dass auch Prostatakrebs ein *langsam wachsender* Krebs alter Männer ist. Und dafür Kinder beschneiden? Gehts noch?
Sexuell übertragbare Krankheiten im allgemeinen: Das letztemal als ich nachgeguckt habe, sind die Eltern sexuell aktiver Kinder wegen sexuellem Missbrauch im Knast gelandet. Oder aber jeder andere, der da sexuell aktiviert hat. Hat sich daran was geändert, dass man Kinder jetzt davor schützen muss? Nein? Dann lassts doch die Kids selbst entscheiden, ja? (von der Tatsache abgesehen, dass die Studien alle sagen: Okay, Kondome sind besser).
Zu: "Ich fühle mich nicht verstümmelt und habe mit meiner Beschneidung keine Probleme":
YAY. Endlich mal einer. Ist schön für dich. Ich kann dir aber für jeden, den DU anschleppst, der das toll findet (und nicht nach 3x nachfragen aggressiv wird und einknickt) jemanden nennen, der das NICHT ist.
Wir reden hier von kleinen Kindern. Keiner weiß, was für ein Mann einmal aus ihm wird. Niemand kann voraussagen, ob der erwachsene Mann später auch mit der Beschneidung klarkommt oder nicht. Diese Entscheidung, wie sein Leben später auszusehen hat, betrifft auch immer zwei Leute: Den Mann und seinen späteren Beziehungspartner (Mann oder Frau lasse ich an der Stelle dahingestellt).
Und wenn dieser Beziehungspartner ein Problem mit der Beschneidung hat, kann das eine Beziehung zerstören. Das heißt, man greift als Elternteil lebenslang aktiv in das Sexual- und Beziehungsleben des Kindes ein.
Das steht Eltern nicht zu. Das wird NICHT vom Erziehungsrecht gedeckt.
Es ist das Kind, dass sein Leben lang mit dem auskommen muss, was der Beschneider übriggelassen hat. Und allzuoft können sie es nicht.
Also lasst es bitte sein.