Was ist Bewusstsein?

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closs
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#321 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von closs » Sa 31. Mai 2014, 00:57

Pluto hat geschrieben:Was ist, wenn eine Maschine Bewusstsein erlangt?
Da muss man erst mal "Bewusstsein" definieren. - Unter spirituellen Gesichtspunkten wird man "Bewusstsein" im Sinne des TuringTests NICHT anerkennen.

Pluto
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#322 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Pluto » Sa 31. Mai 2014, 01:08

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was ist, wenn eine Maschine Bewusstsein erlangt?
Da muss man erst mal "Bewusstsein" definieren. - Unter spirituellen Gesichtspunkten wird man "Bewusstsein" im Sinne des TuringTests NICHT anerkennen.
Nun... es gibt eine Fortsetzung zur Turing-Test Geschichte...

In seinem Buch "Consciousness Explained" (1991) wendet Daniel Dennett den Turing-Test sogar noch strenger an. Der Schiedsrichter könnte dem Roboter eine Aufgabe stellen (die dieser natürlich bravourös löst), und ihn im Anschluss bitten, zu erklären, wie er denn die Aufgabe gelöst hat. Der Roboter würde vielleicht antworten, er hätte in Gedanken dort ein Bild gezeichnet, oder hier einen Strich gezogen, usw…. Doch der Unparteiische lässt nicht locker, und fragt weiter nach dem wie. Je bohrender die Fragen des Schiedsrichters werden, desto reflexiver würde unser Roboter werden, unsicher wie er denn antworten solle....
Was wir da im Roboter erkennen, meint Dennett, sind Gedanken über Gedanken. Diese mentalen Erkenntnisse sind Gedanken höherer Ordnung, die laut dem Kognitions-Psychologen David Rosenthal, stets nur als bewusste Zustände auftreten. Hat uns nun der Roboter getäuscht, oder irrt sich Rosenthal wenn er behauptet solche Gedanken höherer Ordnung könnten nur aus dem Bewusstsein entstehen?
Kann unser Roboter unbewusst glauben, er hätte die Fähigkeit den Turing-Test zu bestehen? Läge dann nicht der Roboter falsch in seiner Annahme er wäre bewusst? Oder ist er damit nicht selbst Opfer einer gutmütigen aber fatalen Illusion; der Illusion seiner eigenen virtuellen Realität erlegen? Müsste ein solcher Roboter am Ende nicht genauso bewusst sein wie ein Mensch, um uns menschliches Verhalten so echt und ohne erkennbaren Unterschied vortäuschen zu können?

Entweder hat der Roboter ein Bewusstsein, ist demnach nicht seelenlos, oder er besitzt tatsächlich erkennbare Unterschiede zu uns Menschen, was im Widerspruch stünde zu den anfänglichen Bedingungen des Gedankenexperiments.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#323 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Demian » Sa 31. Mai 2014, 01:15

Pluto hat geschrieben:Die Existenz dieses einen Seins ist eine völlig aus der Luft gegriffene Behauptung.

Jeder Augenblick unsres Lebens geschieht in Einheit mit allem. Dieser Austausch von allem mit allem, dieser Tanz des Seins ist ja das Leben. Es gibt kein separates, isoliertes Ich. Es gibt nur die Vorstellung oder den Gedanken davon. "...das obsessive menschliche Bewußtsein des und das Bestehen auf einem getrennten Selbst ist das endgültige und gewaltigste Hindernis vor der Erkenntnis Gottes. Ein Selbst zu sein... ist die Erbsünde, und zum Selbst zu sterben... ist die höchste Tugend." Aldous Huxley

Was ist, wenn eine Maschine Bewusstsein erlangt? Gehört sie dann auch dazu?

Alles ist Brahman. Schon jetzt. Jedes Universum, jedes Lebewesen, jeder Stern, jeder Grashalm und jeder Stein gehört dazu. Die Gesamtheit von allem ist das universelle Bewusstsein, und es gibt einfach verschiedene Abstufungen innerhalb dieses Einen.Die Besonderheit des Menschen ist, dass er Unterscheidungsvermögen besitzt und den Weg der Liebe und Weisheit, der Einswerdung mit dem Ewigen, der Versenkung oder „Entwerdung“ in Gott, wie es im Sufismus heißt, bewusst gehen kann – um gerade dadurch vollkommen Mensch zu werden.

Das ist der innere, spirituelle Pfad (á¹­arÄ«qat), auf dem er mehr und mehr zu einem vollkommenen Menschen wird, in dem er sich in die Göttliche Wirklichkeit (ḥaqÄ«qat) hinein gibt, schenkt, in der Vielfalt das Eine erkennt und im Einen ganz sich selbst.
Zuletzt geändert von Demian am Sa 31. Mai 2014, 01:39, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#324 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von closs » Sa 31. Mai 2014, 01:38

Pluto hat geschrieben:Kann unser Roboter unbewusst glauben
Er kann gar nichts glauben. - Was er kann, ist, verschiedenschichtige Denkebenen auszuführen - aber nicht als "er", sondern als Maschine. - Wenn ein Computer sagt "Cogito ergo sum", weiss er nicht, was er sagt. - Weil er nichts bewusst weiss.

Ganz sicher kann er Bewusstsein imitieren, indem er Gedanken-Strukturen eines bewussten Wesens nachvollzieht. - Insofern könnte auch ich getäuscht werden - man stelle sich eine gut aussehende Frau vor, die täuschend ähnlich mit Muskeln und Haut versehen ist. "Sie" könnte so gut programmiert sein, dass sie sich sehr weiblich verhalten könnte und Begehrlichkeiten wecken könnte. - Oder einen Computer-Mathematiklehrer, der ebenso als Mensch mit Fleisch und Blut erscheint, aber eine Maschine ist - er könnte so gut programmiert sein, dass er einen Lehrstoff gut vortragen und sogar Fragen zum Stoff gut beantworten könnte. - Würde man vielleicht nie merken.

Trotzdem wären die Computer-Frau und der Computer-Mann kein sich selbst bewusstes Ich, sondern nur ein Anscheins-Ich, das dem Gegenüber vorspiegeln könnte, ein Ich zu sein. - Würde man die beiden erschießen, wäre es kein subjektiver Schmerz, sondern ein programmierter Schmerz-Anschein - es sei denn, wie bereits erwähnt, der Computer wäre ein Hybrid aus Mensch und Maschine - also ein präparierter Mensch. Aber das meinst Du ja nicht.

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#325 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Demian » Sa 31. Mai 2014, 01:46

closs hat geschrieben:Oder einen Computer-Mathematiklehrer, der ebenso als Mensch mit Fleisch und Blut erscheint, aber eine Maschine ist - er könnte so gut programmiert sein, dass er einen Lehrstoff gut vortragen und sogar Fragen zum Stoff gut beantworten könnte. - Würde man vielleicht nie merken.

Das ist zweifellos eine interessante Frage: ab welcher Komplexitätsstufe kann eine künstliche Intelligenz Bürgerrechte für sich beanspruchen? :lol: - m.E. sind das die Merkmale höher entwickelter Lebensformen: sie können spirituelle Erfahrungen machen, sind liebesfähig, haben ein Gewissen und einen Sinn für Schönheit, können sich an Wissenschaft, Kunst und Sexualität erfreuen und haben eine schöpferische Wahrnehmung ihrer Individualität. Sie sind also imstande zu Vernunft und Liebe.
Zuletzt geändert von Demian am Sa 31. Mai 2014, 02:33, insgesamt 1-mal geändert.

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#326 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von closs » Sa 31. Mai 2014, 02:12

Demian hat geschrieben:ab welcher Komplexitätsstufe kann eine künstliche Intelligenz Bürgerrechte für sich beanspruchen? :lol: - m.E. sind das die Merkmale höher entwickelter Lebensformen: sie können spirituelle Erfahrungen machen, sind liebesfähig
Nur: Ich schließe aus, dass künstliche Intelligenz spirituelle Erfahrungen machen kann, also auch nicht liebes-fähig ist. - Man darf nie vergessen: Das Menschliche einer Maschine liegt ausschließlich auf Seite des Rezipienten - NICHT auf der Seite der Maschine.

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#327 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Demian » Sa 31. Mai 2014, 02:23

closs hat geschrieben:Nur: Ich schließe aus, dass künstliche Intelligenz spirituelle Erfahrungen machen kann, also auch nicht liebes-fähig ist. - Man darf nie vergessen: Das Menschliche einer Maschine liegt ausschließlich auf Seite des Rezipienten - NICHT auf der Seite der Maschine.

Da ist es wichtig zwischen Intellekt und Intelligenz zu unterscheiden. Es gibt den Intellekt, der nicht angeboren ist, der etwas Künstliches ist - und es gibt die angeborene Intelligenz, die ureigentliche Natur oder den Kern des Wesens, der nicht künstlich erzeugt werden kann. Das Leben ist immer einzigartig und unberechenbar - eine Maschine ist es aber nicht. Mit Osho gesprochen: Das Leben eines Menschen, der immer weiter lernt, bleibt unvorhersagbar; es ist nicht vorauszusagen, was ein Lernender tun wird. Er selbst kann nicht vorhersagen, was morgen sein wird, und wo er morgen sein wird. Er bewegt sich in einem Zustand des Nicht-Wissens von einer Handlung zur anderen. Nur wenn man in einem Zustand des Nicht-Wissens, des unaufhörlichen Nicht-Wissens lebt, lernt man. Deshalb lernen Kinder so leicht. Wenn sie dann älter werden, hören sie allmählich auf zu lernen, weil sich schon eine Menge Wissen in ihren Köpfen angesammelt hat, und es einfach und billig ist, dieses Wissen zu wiederholen. Warum sich anstrengen? Es ist billig und leicht, dem alten Muster zu folgen, im Kreis herumzulaufen. Aber dann überkommt einen die Langeweile. Dummheit und Langeweile gehen Hand in Hand.

Ein intelligenter Mensch ist so frisch wie die Tautropfen in der Morgensonne, so blank wie die Sterne in der Nacht. Er ist neu, so neu wie eine frische Brise, und jeder kann es fühlen. Intelligenz ist die Fähigkeit, immer wieder neu geboren zu werden. Intelligenz ist, der Vergangenheit gegenüber zu sterben, in der Gegenwart zu leben.
Du hast weiterhin gefragt: In welcher Beziehung steht die Intelligenz des Herzens zu der Intelligenz der Verstandes? Sie sind einander genau entgegengesetzt. Die Intelligenz des Kopfes ist überhaupt keine Intelligenz, sondern Gelehrtheit. Nur die Intelligenz des Herzens ist wirkliche Intelligenz und die einzige Intelligenz, die es gibt. Der Kopf ist nichts weiter als ein Speichergerät. Was er speichert ist immer alt: es ist nie neu, nie originell. Der Kopf ist gut, für bestimmte Zwecke brauchbar, zum Einordnen von Wissen ist er bestens geeignet. Man braucht ihn zum Leben, viele Dinge müssen im Gedächtnis gespeichert werden. Der Verstand, der Kopf, ist ein biologischer Computer. Man kann ungeheure Mengen von Wissen darin aufspeichern und wenn nötig, immer wieder abrufen. Er ist gut für mathematische Kalkulationen, gut für das alltägliche Leben auf dem Marktplatz. Aber wenn du denkst, das sei dein ganzes Leben, bleibst du dumm. Du erfährst nie, wie schön es ist, zu fühlen, du erlebst nie den Segensreichtum des Herzens, und du empfängst die Gnade nie, die nur mit dem Herzen gefühlt werden kann. Du kannst Gott nicht erfahren, und du wirst niemals erleben, was Andacht, was Poesie, was Liebe ist.[...]
Ein Leben, das vom Kopf bestimmt wird, ist ein mechanisches Leben. Du wirst zum Roboter, der vielleicht sehr leistungsfähig sein mag... Roboter sind leistungsfähig. Maschinen sind natürlich leistungsfähiger als Menschen. Du kannst durch Kopfarbeit zu viel Geld kommen, aber nicht zu Lebendigkeit. Dann hast du vielleicht einen höheren Lebensstandard, aber du lebst nicht wirklich. Nur das Herz lebt, und das Leben kann sich nur durch das Herz entfalten. Das Herz ist der Nährboden, auf dem die Liebe wächst, auf dem das Leben und das Göttliche gedeihen. Alles Schöne, alles wahrhaft Wertvolle, alles, was wichtig und sinnvoll ist, kommt aus dem Herzen. Das Herz ist das Zentrum deines Wesens. "


Das ist der Unterschied. :)

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#328 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Naqual » Sa 31. Mai 2014, 08:42

closs hat geschrieben:Außerdem ist Theologie immer die Theologie einer Glaubensgemeinschaft - also parteiisch und interessiert, sein Profil zu schärfen. Das hat wenig bis nichts mit Spiritualität, also Geistigkeit, zu tun.
Sehe ich auch so. Mir fällt dazu immer wieder ein, dass man es unter dem Aspekt "Handwerk und Theoretisieren" sehen kann.Das Theoretisieren ist gut ausgebaut, aber das Handwerk des religiösen Lebens (Spiritualität) liegt brav.
Eigentlich müsste man beides kombinieren. Die Theorie müsste anwendungsorientiert(er) sein und die Grundlage des Handwerks. Ich habe mich schon oft gefragt, ob es der Preis ist, denn die Kirche für ihre politische Durchsetzung im römischen Reich gezahlt hat. Da wurden ganze Landstriche über Entscheidungen lokaler Fürsten in Christen verwandelt. Das ist eine dogmatische Angelegenheit (Wer hat den rechten Glauben?). Und dann kommt mir die vielleicht etwas romantisch-verklärende Vorstellung, dass die Anfänge des Christentums von einer "Lehre" bestimmt waren, so wie Meister und Lehrling, Jesus und Jünger. Das ist immer etwas Intensiv-persönliches, das kriegt man mit politischen Entscheidungen für Massen nicht hin.


Naqual hat geschrieben:Also mir fällt da mehr zu, wenn ich bei den anderen Disziplinen wildere: Psychologie, Pädagogik, Soziologie.
Im Grunde sind das säkulare Disziplinen, die die Scherben einer ent-geistigten Zeit aufräumen und das beste daraus machen müssen.
Der Humanismus funktionierte auch so für meinen Geschmack.

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#329 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Naqual » Sa 31. Mai 2014, 08:52

Zu Plutos Frage, was ist, wenn eine Maschine Bewusstsein erlangt?

Wie stellst Du das dann fest? Die Maschine ist darauf programmiert, die Symptome zu kopieren. Also das Eigentliche, das Bewusstsein als Ursache ist nicht belegbar, beweisbar von außen, aber nun schließe man aus kopiertem Verhalten auf die Ursache?
Das ist in der gedanklichen Struktur her ein Teufelskreis , wo das physikalisch-mechanistische Denken sich selbst bestätigt in einem eingrenzten Raum in dem es lebt.
Natürlich kann man z.B. programmieren, dass unter "Stress" (erhöhter Aufwand an Rechenvorgängen) sich die Taktrate der CPU erhöht. Kann ich nun daraus schließen, dass es eine Art emotionsabhängen Herzschlag hat? Wohl nicht.

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#330 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Pluto » Sa 31. Mai 2014, 09:22

Demian hat geschrieben:"...das obsessive menschliche Bewußtsein des und das Bestehen auf einem getrennten Selbst ist das endgültige und gewaltigste Hindernis vor der Erkenntnis Gottes. Ein Selbst zu sein... ist die Erbsünde, und zum Selbst zu sterben... ist die höchste Tugend." Aldous Huxley
...der Enkel des grossen Biologen Thomas Huxley; Freund Darwins.
Er schreibt (zurecht) vom menschlichen Bewusstsein allein, und vom Sich Selbst zu sein -- das Ziel eines jeden Menschen.

@Demian
Aber was ist das "Ziel" eines Steins?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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