Homöopathie II

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Anton B.
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#91 Re: Homöopathie II

Beitrag von Anton B. » So 23. Mär 2014, 20:35

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Da die Wissenschaft als Grundlage keine Realität benötigt
Was untersucht sie dann? - Das eigene Kopkino?
Ja, das ist letztlich richtig. Ein Kopfkino allerdings, das uns viele Vorteile und nützliche Dinge beschert hat. Eine Annäherung an eine bestimmte Realität lässt sich aber nicht nachweisen, weil die Messmethode, der Maßstab, fehlt. Eindeutig wäre es, wenn es die Realität gäbe und sie offen vor uns läge. Wenn es sie gibt, liegt sie aber nicht offen vor uns. Naturwissenschaft "liest" nicht die Realität.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Es ist ja nicht die Wissenschaft, sondern der closs, der sagt, er hätte den "Maßstab" und "den Zugang zu der Realität".
Naja - eigentlich wird das von allen hier zu Wort gekommenen Naturwissenschaftlern schon so dargestellt, dass wissenschaftliche Wahrnehmung die einzige "zertifizierte" Disziplin sei, um als Maßstab für die Realität gelten zu dürfen.
Also zumindest Lamarck, Janina und ich stellen es so nicht dar.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
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#92 Re: Homöopathie II

Beitrag von closs » So 23. Mär 2014, 21:28

Anton B. hat geschrieben:Wir reden über Wahrnehmungen untereinander und aus geistigen Konstrukten gewonnenen Wahrnehmungsvoraussagen.
Ja - das ist erkenntnis-theoretisch nach meinem Kenntnisstand korrekt. - Das ist das, über das "das Seiende" (im Sinne Heideggers) nicht hinauskommen kann.

Dabei unterscheidet man in der Praxis jedoch stark, ob eine Wahrnehmung objektiv nachvollziehbar ist oder nicht. - Insofern gilt die Aussage "Die Sonne sendet Licht-Strahlen" als etwas anderes als "Ich liebe meine Frau" - ersteres ist objektiv nachprüfbar, zweiteres nicht. - Trotzdem können beide Aussagen gleich wahr (= kongruent mit dem Sein) sein.

Diese Unterscheidung ist durchaus sinnvoll - sagt aber nichts darüber aus, ob eine Aussage wahr ist. - Es wird lediglich ausgesagt, dass, im ersten Fall, eine Aussage nach den Gesetzen des Wahrnehmungs-Systems "Naturwissenschaft" korrekt ist. Das heisst: Diese Wahrnehmungs-Aussage ist nur deshalb "korrekt", weil sie den Gesetzen des Wahrnehmungs-Systems "Naturwissenschaft" folgt - ist also eine system-intern richtige Aussage - einen anderen Anspruch erhebt sie ja gar nicht (nebenbei: Genau das versuche ich seit ewiger Zeit erfolglos zu vermitteln).

Platonisch gesehen (wie auch christlich gesehen) geht es aber nicht um die Selbstvergewisserung eines Wahrnehmungs-Systems des Seienden (Mensch), sondern um die Annäherung an das Sein (Gott). - Das ändert nichts daran, dass - in Deinem Sinne - man trotzdem lediglich "über Wahrnehmungen untereinander" reden kann. Trotzdem wird das "Sein" zum Orientierungs-Punkt und nicht die methodische Wahrnehmungs-Selbstvergewisserung.

Und somit ist Wahrnehmungs-Selbstvergewisserung für den geistigen (im Gegensatz zum naturwissenschaftlichen) Menschen nicht möglich, weil die Beantwortung der Frage, ob eine Aussage geistig korrekt (also wahr) ist, nicht objektiv nachvollziehbar ist. - Warum? Weil Wahrheit kein Attribut des Seienden, sondern des Seins ist - und somit für methodische Wahrnehmungs-Selbstvergewisserung nicht zugänglich ist. - Da hilft methodisch dann die Hermeneutik (wobei dieser Begriff anscheinend extrem heterogen besetzt ist).

Das erklärt, warum naturwissenschaftlich und geistig Denkende dazu neigen, sich dem jeweils anderen überlegen zu fühlen - dieser, weil der andere nichts objektivieren kann - jener, weil der andere nur Wahrnehmung anstrebt, die objektivierbar ist.

Anton B. hat geschrieben: Eine Annäherung an eine bestimmte Realität lässt sich aber nicht nachweisen, weil die Messmethode, der Maßstab, fehlt.
:thumbup: - Also wird Wahrnehmung doch als utilitaristisches Tool verwendet - oder nicht?

Anton B. hat geschrieben:Naturwissenschaft "liest" nicht die Realität.
Eigentlich würde ich schon sagen, dass Naturwissenschaft die ihr fassbaren Zeilen der Realität liest - nur eben nicht den ganzen Text. - Gerade deshalb hatte ich ja Hoffnung, dass man in einem Forum wie diesem verschiedene Zeilen zu einem etwas größeres Text zusammenführen kann - was auf extrem hohe Hürden stößt.

Trotzdem zu Deinem Satz: Was "liest" die Naturwissenschaft, wenn sie sagt: "Die Sonne strahlt die und die Strahlen aus, die so und so stark bei ihrem Aufprall auf die Erde gemessen werden". - Wie bewertet man in der Naturwissenschaft die Sonne? - Als Realität - als Wirklichkeit, als das - "was der Fall" ist?

Anton B. hat geschrieben:Also zumindest Lamarck, Janina und ich stellen es so nicht dar.
Janina hat einige ironische Halbsätze losgelassen, die mir sehr deutlich gezeigt haben, dass sie ein geistiger Mensch ist - also nicht NUR Wissenschaftlerin. - Über Lamarck äußere ich mich nicht, weil er keine Chance hat, darauf zu antworten.

Generell würde ich der naturwissenschaftlichen Fraktion empfehlen, NICHT den Eindruck zu erwecken, dass die Objektivierbarkeit INNERHALB ihrer naturwissenschaftlichen Methodik mehr aussagt als eben das. - Diese Empfehlung erscheint mir deshalb angebracht, weil regelmäßig der Eindruck entsteht, die Suche nach Wahrheit/Realität/Sein sei irrelevant, wenn sie nicht in eine sich methodisch selbst-vergewisserungs-fähige Wahrnehmungsform eingebunden wäre. - Dies ist - offensichtlich auch nach Deinem Verständnis - falsch.

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#93 Re: Homöopathie II

Beitrag von Scrypton » So 23. Mär 2014, 22:16

closs hat geschrieben:Das ist das, über das "das Seiende" (im Sinne Heideggers) nicht hinauskommen kann.
Dass es etwas "darüber hinaus" gibt ist nichts weiter als eine Behauptung, in diesem Fall eine aus dem kurtischen Kopfkino.

closs hat geschrieben:
Darkside hat geschrieben:So oder so: Dass sich bestimmte Krankheiten mit HP besser behandeln lassen als mit der Schulmedizin ist und bleibt eine Behauptung deinerseits.
Welche aber leicht belegbar ist, wenn man sich in HP-Arzt-Praxen kundig macht.
Das ist eine Behauptung deinerseits - eine Behauptung ist aber kein Argument. Kurt-Behauptung != Realität.
Dass du abgesehen von Behauptungen, denen du nachhängst nichts hast ist alleine dein Problem.

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#94 Re: Homöopathie II

Beitrag von closs » So 23. Mär 2014, 23:47

Hast Du überhaupt Antons Ausführungen gelesen? - Hättest Du es, würdest Du solche Dinge ganz anders angehen.

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#95 Re: Homöopathie II

Beitrag von Anton B. » Mo 24. Mär 2014, 01:09

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Naturwissenschaft "liest" nicht die Realität.
Eigentlich würde ich schon sagen, dass Naturwissenschaft die ihr fassbaren Zeilen der Realität liest - nur eben nicht den ganzen Text.
Das verwundert auch nicht weiter. Du siehst offensichtlich völlig vor-popperistisch naturwissenschaftliches Wissen als Ergebnis einer positivistischen Methode. Das ist aber nach unserem zeitgenössischen Kenntnisstand nicht so. Du hast den Meister Popper irgendwie völlig versäumt. Und Popper war ja nun auch nicht gerade ein großer Freund der Beliebigkeit, die Du als Menetekel schon mehrfach an die Wand gemalt hattest.
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#96 Re: Homöopathie II

Beitrag von sven23 » Mo 24. Mär 2014, 07:01

closs hat geschrieben: Das Wort "nur" ist angreifbar - es kann auch an den Studien liegen.

Stimmt, bei sauber durchgeführten Studien entsteht das Gap, bei unsauberen nicht.

closs hat geschrieben: So weit waren wir ja - und haben deshalb überlegt, ob Placebo-Wirkungen in manchen Bereichen auf breiter Front genauso stark wie (oder stärker als) schulmedizinische Medikamenten-Wirkungen sein können. - Sehe ich ebenfalls als angreifbar an.

Auch das müßte man mit konkreten Zahlen erst einmal belegen.

closs hat geschrieben: Das sollte man in der Tat - aber bitte mit offenem Ausgang. -

Wie sieht denn deine objektive Überprüfung im Falle HP aus? Bedenke: die Befragung der Betroffenen gilt nicht als das Mittel der Wahl. :lol:

closs hat geschrieben: Das Unterdrücken von Symptomen auch. Nur sieht man das halt nicht.

Das Platzen des Trommelfells entspricht dem Krankheitsverlauf, wenn man nicht behandelt. Insofern entspricht die HP einer Nichtbehandlung.
q.e.d.
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#97 Re: Homöopathie II

Beitrag von sven23 » Mo 24. Mär 2014, 07:20

closs hat geschrieben:Generell würde ich der naturwissenschaftlichen Fraktion empfehlen, NICHT den Eindruck zu erwecken, dass die Objektivierbarkeit INNERHALB ihrer naturwissenschaftlichen Methodik mehr aussagt als eben das. - .

Das tut sie doch nicht. Im vorliegenden Fall behauptet die HP, daß man mit Globuli Krankheiten heilen kann. Mit wissenschaftlicher Methodik zeigt sich, daß diese Behauptung nicht zutrifft, weil sie über den Placeboeffekt nicht hinauskommen.
Und das in über 100 Studien. Was braucht man denn noch, um zu verstehen, daß Globuli eine Scheintherapie sind?
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#98 Re: Homöopathie II

Beitrag von closs » Mo 24. Mär 2014, 07:38

Anton B. hat geschrieben: Das ist aber nach unserem zeitgenössischen Kenntnisstand nicht so.
Das sei unwidersprochen. - Bedenke aber, dass es auch einen post-zeitgenössischen Kenntnisstand geben könnte.

In wissenschaftliche Methodik-Diskussionen will/kann ich im übrigen gar nicht eingreifen. - Sehr wohl interessiert mich jedoch, ob es für die Wissenschaft-ler die Realität ("Tatsache") nur als Kunstprodukt der Methodik gibt oder auch nach Feierabend. - Anders gesagt:

Wenn für eine Methodik Regeln gut sind, ist das ein innerbetriebliches Problem. - Wenn allerdings ein Wissenschaftler auch "nach Dienst" meint, es gäbe "Realität/Tatsachen" nur als Arbeitsbegriff, wäre dies aus meiner Sicht bedenklich.

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#99 Re: Homöopathie II

Beitrag von closs » Mo 24. Mär 2014, 09:06

sven23 hat geschrieben: Mit wissenschaftlicher Methodik zeigt sich, daß diese Behauptung nicht zutrifft
Das wird von HP-Seite bestritten - jedoch kann ich da inhaltlich nicht Stellung nehmen, außer darauf hinweisen, dass es im Sinne Deiner Argumentation verschiedene Auffassungen gibt.

Mein Feld bleibt nach wie vor die Praxis, die zeigt, dass HP ansonsten nur über ein Giga-Placebo-Phänomen erklärbar ist, das hinwiederum in Frage stellt, überhaupt Medikamente für viele Krankheiten zu nehmen. Würde sich dieser Ansatz (also Dein Ansatz) durchsetzen, würde die Pharma-Industrie mit einem Schlage Milliarden an Umsätzen pa verlieren - ohne negative Auswirkung auf die Volksgesundheit.

sven23 hat geschrieben:bei sauber durchgeführten Studien entsteht das Gap
OK - und wie interpretieren wir diesen Gap - außer durch ein Giga-Placebo-Phänomen?

sven23 hat geschrieben:Auch das müßte man mit konkreten Zahlen erst einmal belegen.
Bei einer Feldstudie wäre das ein Leichtes - man müsste ja nur das objektivieren, was eh der Fall ist. - Die eingestellte V.Carstens-Stiftung-Studie könnte ja dazu beitragen - oder andere, die wir noch nicht kennen.

sven23 hat geschrieben: Bedenke: die Befragung der Betroffenen gilt nicht als das Mittel der Wahl.
Das darf aber nicht dazu führen, dass man aus verfahrenstechnischen Gründen Tatsachen ignoriert. - Denn wie gesagt: Egal, was wir hier diskutieren und was die Wissenschaft sagt: Die Karawane zieht weiter - was der Fall ist, ist es auch ohne das.

sven23 hat geschrieben:Das Platzen des Trommelfells entspricht dem Krankheitsverlauf, wenn man nicht behandelt. Insofern entspricht die HP einer Nichtbehandlung.
:lol: :lol: Auch nicht schlecht.

Allerdings führen unbehandelte Krankheitsverläufe oft zu nicht komplett zuwachsenden Trommelfellen und Hörschädigungen. - Das wurde in den mir bekannten Fällen durch die Behandlung vermieden.

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sven23
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#100 Re: Homöopathie II

Beitrag von sven23 » Mo 24. Mär 2014, 10:38

closs hat geschrieben:Das darf aber nicht dazu führen, dass man aus verfahrenstechnischen Gründen Tatsachen ignoriert. - Denn wie gesagt: Egal, was wir hier diskutieren und was die Wissenschaft sagt: Die Karawane zieht weiter - was der Fall ist, ist es auch ohne das.

Was du als Tatsache deklarierst, ist doch gerade der zu überprüfende Gegenstand. Wenn du das Pferd immer von hinten aufzäumst, wirst du dich ewig im Kreis drehen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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