Magdalena61 hat geschrieben:
Dann formuliere ich anders: Der Mensch möchte immer das tun, wozu er Lust hat.
Jemanden, der freiwillig den Acker bearbeitet, auf dem Dornen und Disteln wachsen, bei Wind und Wetter, ohne Entgeld...und er verabscheut diese Arbeit... und die Ernte steckt ein anderer ein -- so einen Menschen müßte man mir zeigen, ich kenne keinen von dieser Sorte.
So jemanden kenne ich auch nicht. Aber warum sollte man von einem Menschen auch verlangen, sich anzustrengen und die Früchte seiner Arbeit kommen einem zu, der nichts dafür getan hat?
Ich kenne hingegen viele Menschen, die selbstgewählte Äcker dort beackern, wo sie die Früchte für sich selbst geniessen und den Überfluss mit andern teilen können. Ich behaupte sogar: die allemeisten Leute in helfenden Berufen, sei das Krankenpfleger oder Polizistin oder Sozialarbeiter, wählten ihren Beruf aus dem Willen, zu geben - und nicht in erster Linie des Geldes willen. Geld macht lediglich möglich, dass sie ihre Berufung Vollzeit ausüben können.
Man kann nicht immer das tun, was man lieber täte.
Wenn es möglich ist, wählt der Mensch den bequemeren Weg.
Man kann nicht immer tun, was man lieber täte, doch wenn es geht, so tue ich, was ich lieber tue. Ich unterrichte zB lieber als dass ich in einem Call Center sitze und andern Leuten Zeug aufschwatze, das sie nicht brauchen.
und ja, Menschen wählen bequeme Wege, was der Ansporn für so gut wie alle Erfindungen seit dem Rad gewesen sein dürfte: eine sehr positive Sache. Leiden und Kompliziertheit ist kein Zweck per se. Aber es kann durchaus hin und wieder akzeptiert werden als Mittel zum Zweck.
Darf ich einmal fragen: Wer kann heute noch Socken und Pullover stricken bzw. wer tut es? ( Ich
kann es... stricke aber seit einigen Jahren nicht mehr

). Wer zieht auf's Land, um seine Nahrung selbst anzubauen? Wer kocht eine Marmelade selbst ein und konserviert die Ernte, um im Winter zu überleben?
Diese Selbstversorgungstechniken sind wieder im Aufwind. Stichwort "urban gardening", "guerilla gardening", Tutorials zum Sachen-selber-machen findet man zu Tausenden im Internet... Ich will mir als nächstes ein Pflanzenbestimmungsbuch zulegen, damit ich auch in der Stadt von den wilden Pflanzen sowohl etwas zu essen wie auch Heilmittel selbst herstellen kann.
Wer geht in den Wald, um Holz zu machen... bringt es nach Hause, sägt es in schweißtreibender Arbeit, spaltet es und stapelt die Scheite hinterher ordentlich auf?
ich bedaure, dass ich dies nicht manchmal tun kann. Ich habe zu wenig Bewegung. Zu wenig hantieren mit schweren Gegenständen. so ein bisschen Holzhacken käm mir da gerade recht, aber ich hab auch keinen Ofen, der mit Holz funktioniert.
Es ist doch viel bequemer, andere für sich arbeiten zu lassen: Kleidung aus Bangladesch, Marmelade vom Discounter, von polnischen Saisonarbeitern für Dumpinglöhne geerntet und verarbeitet... Brot aus der Brotfabrik, Öl und Gas aus Rußland und was weiß ich woher. Man kann es sich leisten.
Das Problem ist eher, etwas Anderes kann man sich oft eben nicht leisten. Zeitlich nicht und vom Geld her nicht. Lokal mit Handarbeit hergestellte Textilien sind teuer, auch Brot vom Bäcker ist teurer als Brot aus der Fabrik. Allerdings ist auch der Geschmack nicht zu vergleichen, Fabrikbrot ist bäh.
Alles hat seine Zeit. Das Rennen hat seine Zeit und das Stillsitzen hat seine Zeit. In den heutigen Klassenzimmern geht's manchmal zu...

Richtig. Die Kinder fühlen, es sei Zeit zu rennen, aber das Schulsystem will sie zum Stillsitzen zwingen. Ein lebensfeindliches Unding. Völlig unsinnig, es hilft nicht beim Lernen, es bringt nichts fürs Leben, sondern es zerstört im Gegenteil viele Dinge, die natürlich vorhanden wären.
So arg viel entscheiden kann man da meistens nicht. Nur innerhalb eines möglichen Rahmens. Oftmals kann man nur "das kleinere Übel" wählen.
Über mehrere Jahre hinweg sind es in der Tat unsere eigenen Entscheidungen, die unser Leben prägen; die auch definieren, in welche Abhängigkeiten wir uns begeben. Ich mag es, Abhängigkeiten so klein wie möglich zu halten; ich würde zB. nie irgendwo hinziehen, wo ich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinkomme, sondern abhängig vom Auto wäre, und dann im Zwang wäre, so ein Gerät zu unterhalten und finanzieren. Dafür nehme ich eine Umgebung in Kauf, die halt städtisch ist, mit dem Verkehr und Lärm, der dazu gehört.
Es kann mich auch niemand zwingen, bei einem Arbeitgeber zu bleiben, der mich mit Verachtung behandelt, oder Leute zu treffen, die ich nicht mag. Als erwachsener Mensch habe ich da in der Tat alle Gestaltungsmöglichkeiten.
grüsse, barbara