Pluto hat geschrieben:So lange wie sich nichts anderes zeigen lässt, ist es doch völlig richtig, es so zu sehen.
Pragmatisch ja - im Prinzip nein - denn:
Man installiert damit einen Anthropozentrismus, der Wahrnehmung zum Maßstab für Realität macht. - Warum schafft es eigentlich der sogenannte "Fortschritt" nicht, zu sagen:
"Wir versuchen, möglichst objektiv das an Realität zu erfassen, was möglich ist. Alles was nicht objektiv an Realität erfassbar ist, interessiert uns nicht". - Das wäre ehrlich - und erkenntnis-theoretisch satisfaktions-fähig. Denn man würde die Realität Realität sein lassen - unabhängig davon, wie und ob sie wahrnehmbar ist.
Natürlich besteht dann die Gefahr, dass etwas als real postuliert wird, was es nicht ist ("Spaghetti-Monster"). Das sind dann Kollateral-SChäden, die man nicht vermeiden kann. - Aber es darf doch nicht dazu führen, dass man den Realitäts-Begriff anthropozentrisch verbiegt, um Kollateral-Schäden abzuwenden. - Manchmal kommt es einem folgendermaßen vor:
* "Cogito ergo sum" - also sei der Mensch und dessen Wahrnehmung das Maß dafür, was Realität ist.
* Wenn die Wahrnehmung objektiv nicht nachweisbar ist, kann etwas nicht "der Fall" sein.
Da wackelt der Schwanz sowas mit dem Hund - wird das nicht bemerkt?
Im übrigen geht es nicht darum, dass man - um konkret zu werden - Gott aus geistiger/spiritueller Sicht beweisen wolle (geht gar nicht). - Es geht darum, dass man vom Grundsatz her Realität für möglich hält, die nicht naturalistisch nachweisbar ist.
Ich kann gut damit leben, dass es "incognito" Sein gibt, das ich nicht erkenne - egal ob objektiv oder subjektiv. - Aber man kann doch nicht umgekehrt (also aus der eigenen Wahrnehmung) postulieren, was Realität zu sein hat und was nicht? - Man muss es doch nicht erkennen, damit etwas sein kann. - Wie gesagt: Anthropozentrik pur.
Die Chuzpe obendrein ist ja, dass genau diese Anthropozentrik als Fortschritt im Sinne einer Objektivierung verkauft wird - unfassbar. - Was wirklich passiert, ist: Man bastelt
sich selber a priori ein System, innerhalb dessen objektive Wahrnehmung möglich ist (ist ja ok) UND überträgt die System-Regeln auf alles, was "der Fall" ist oder sein könnte (ist gar nicht ok). - Das muss man doch durchschauen - oder tatsächlich nicht?
Zeus hat geschrieben:Unser closs lebt geistig offensichtlich noch im Mittelalter
Erkenntnis-theoretisch sieht es inzwischen so aus, als wäre man da weiter als heute gewesen.
Pluto hat geschrieben:Es kommt sicher NICHT von Ungefähr, dass der Universalienstreit zu Gunsten des Realismus ausging, und der Nominalismus (zusammen mit der Teleologie) heute als mittelalterliche Relikte gelten.
Genau umgekehrt: Die naturwissenschaftliche Anschauung ist Nachfahre des "Nominalismus". - Im damaligen "Realismus" hat man die geistigen "Realien" über die menschliche Wahrnehmung gestellt - weshalb man sie so nannte.
Insofern ist das heute exakt über Kreuz: Übersetzte man "nominalistisch" in unsere heutige Sprache, käme so etwas wie "induktiv" heraus - dementsprechend käme "realistisch" auf "deduktiv" heraus. - Im heutigen Sprachverständis hat sich der Begriff "real" exakt um 180° gedreht.