Ja, so könnte man es sehen. Aber auch das Leid gibt es nicht ohne Gott, wie uns die Bibel belehrt:
Jesaja 45,6b-7 hat geschrieben:Ich bin der Herr, und sonst ist keiner, der ich das Licht mache und die Finsternis schaffe; der ich Frieden gebe und Unheil schaffe. Ich, der Herr, vollbringe dies alles.
Die Schöpfung darf man sich nicht so vorstellen, dass hinter ihr ein Handwerker steht, ein Uhrmacher, der die Welt gemacht hat und jetzt nach Gusto mal eingreift oder nicht. Über Gott können wir gar nicht sprechen. Wir können nur dahin kommen, zu behaupten, dass alles, was existiert, nur darum existiert, weil es restlos auf Gott bezogen ist, dabei aber völlig verschieden von ihm bleibt (für diesen Gedanken siehe Peter Knauer und früher, Thomas von Aquin). Deshalb hält die christliche Theologie auch keine Gottesbeweise bereit, sondern eher Geschöpflichkeitsbeweise. Gott kann man nicht beweisen, weil er nicht unter unsere Begriffe fällt.
Vielleicht kann man sich das so veranschaulichen, wenn man einmal fragt, wie die Dinge, mit denen man sich umgibt, auf einen selbst bezogen sind: mein Computer, meine Hose, mein Buch usw. Alle diese Dinge, wie sie sich in meinem Universum befinden, existieren nur, weil sie auf mich bezogen sind ("mein Buch" z.B.), gleichzeitig aber sind sie völlig verschieden von mir. Jedes Ding, mit dem ich im Lauf meines Lebens zu tun bekomme, tritt ein in Beziehung zu mir und wird so gleichsam erst durch mich erschaffen.
"Dass die Dinge geschehen, ist nichts; dass sie gewusst werden alles" (Egon Friedell,
Kulturgeschichte der Neuzeit). Der Tod verstärkt diesen Gedanken noch einmal. Stirbt jemand, dann löst der Tod alle diese Beziehungen und zerstört damit auch die Schöpfungen dieses Menschen. Von einer Sekunde auf die andere verwandelt sich die Welt eines Menschen in ein Museum. Alles, womit sich ein Mensch zeit seines Lebens umgab, verwandelt sich mit seinem Tod in seltsame, gleichsam nicht mehr existierende Fremdkörper: der Füller, mit dem er immer schrieb, seine Bücher, sein Rasierpinsel, ihre Kleidung ...
Schöpfung im biblischen Sinn bedeutet also
In-Beziehung-Setzen oder
In-Beziehung-Treten. Eine Folge dieses Gedankens ist, dass die Schöpfung niemals abgeschlossen ist. Daher sagen manche, dass die Luther-Übersetzung des ersten Verses der Genesis zumindest unglücklich ist. Dort heisst es: "Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde", was die Vorstellung eines zeitlichen Anfangs nahelegt, so ähnlich wie beim Urknall. Manche sagen, dass es richtiger wäre, zu übersetzen: "Im Anfang ... " um auszudrücken, dass die Schöpfung immer wieder neu geschieht.
Alles auf der Welt hat natürliche Ursachen, aber alles ist auf Gott bezogen und kann ohne ihn nicht sein. Auch die
Ablehnung oder Abkehr von Gott ist auf Gott bezogen und kann ohne Gott nicht sein. Das ist gemeint, wenn es heisst, Gott habe den Pharao ein hartes Herz gegeben, oder wenn es heisst über das Gottesvolk, "ihr seid ein halsstarriges Volk". Über Gott können wir nur
hinweisend sprechen, indem wir das, was ist, als Hinweis auf ihn verstehen. Auch der biblische Schöpfungsbericht (Gott macht am ersten Tag dies und am zweiten Tag das und am dritten Tag jenes usw.) ist nur hinweisendes Sprechen über Gott. Wir können viel wissen und wir wissen schon sehr viel, gewiss, aber letztenendes gelangen auch wir nur zu einer Aufzählung, einer immer unvollständig bleibenden Liste von dem, was es gibt. Da sind wir
in einem gewissen Sinn nicht viel weiter als die Bibel. So wird der Schöpfungsbericht der Bibel und unser modernes wissenschaftliches Weltbild miteinander versöhnt.