sven23 hat geschrieben: ↑So 6. Dez 2020, 07:51
Besonderes Nietzsche hat ihm vorgeworden, den Schwerpunkt des Lebens in Jenseits verlagert und damit das Diesseits abgewertet zu haben.
Bei Paulus scheiden sich sowieso die Geister.
Jesus sagt, man solle sich lieber Auge ausreißen oder die Hand abhacken und als Krüppel in das Reich Gottes eingehen. Man solle allen Besitz verkaufen, denn Reiche können nicht in das Reich Gottes eingehen usw. Der Unterschied zwischen Paulus und Jesus ist da wirklich nicht groß, um nicht zu sagen, gar nicht vorhanden.
sven23 hat geschrieben: ↑So 6. Dez 2020, 07:51
Sein "Verdienst" ist es aber, die neue Sekte für Heiden verdaulicher gemacht zu haben. Die Beschneidung viel weg, so daß der Heidenmissionierung durch ein unverständliches Ritual nichts mehr im Wege stand. Diese wurde dann gegen den ausdrücklichen Willen von Jesus durchgeführt, der für einen jüdischen Nationalismus und religiösen Partikularismus stand. Der Streit zwischen Petrus und Paulus zeugt ja noch davon.
Jesus selbst kam nur zu den Juden und sprach zu Juden als Jude. Aber sein Missionsbefehl lautet nicht, die Nationen zum Judentum zu führen, nicht Proselyten zu machen. Er hat das Proselytentum kritisiert (Matthäus 23,15). Seinen Taufbefehl kann man nun wirklich nicht verstehen als Integration ins Judentum.
sven23 hat geschrieben: ↑So 6. Dez 2020, 07:51
Auch sein patriarchalisch-verklemmtes Verhältnis zu Frauen lieferte der Kirche die Begründung, die Frauen abzuwerten und auszuschließen.
Ganz im Gegensatz zu Jesus, der ein liberaleres Verhältnis zu Frauen hatte. Er ließ sich sogar von Frauen aushalten.
Auch Paulus ließ sich aushalten. In 2. Korinther 11,9 schreibt er den Korinthern, dass er ihnen nicht zur Last fallen wolle. Es geht ihm aber nicht um ein Gebot der Eigenversorgung, wie ihm oft angedichtet wurde, sondern darum, dass er die Korinther aus speziellen Gründen schonen wollte und stattdessen die Hilfe der makedonischen Brüder in Anspruch nahm, weil es denen wohl besser ging. Er spricht die Sache ebenfalls an in Philipper 4,15, denn die Philipper sind die makedonischen Brüder.
Ein verklemmtes Verhältnis zu Frauen kann ich nicht erkennen bei Paulus. Weder wertet er sie ab, noch schließt er sie aus. Schon gar nicht darf man ihn hier generalisierend verstehen, wenn es ihm um konkrete Verhältnisse geht, auf die er Rücksicht nimmt. Man kann es natürlich auch so sehen, dass Kinder, Kranke, Behinderte und Ungebildete vom Militär oder von hochqualifizierten und körperlich anspruchsvollen Berufen ausgeschlossen sind. Aber hätte das was mit persönlicher Abwertung zu tun ? Jedenfalls nicht unbedingt. Paulus hätte doch viel mehr im Sinne haben können, die Frauen zu schützen. An sie nicht die gleichen Erwartungen zu stellen, wie an die Männer. Damit verordnet er kein Patriarchat, sondern berücksichtigt vielmehr die schon vorhandenen Verhältnisse eines lange bestehenden Patriarchats, das die Frauen von sich aus ausgeschlossen und sie zur Unbildung und Unfähigkeit erzogen hatte. Es konnte ihm nicht darum gehen, diese Verhältnisse ad hoc umzustürzen. Ähnlich behandelt er ja auch das Herrschafts- und Knechtsschaftsverhältnis. Er sagt nicht, dass diese Verhätlnisse gut sind. Er kritisiert sie aber nur andeutungshaft. Er hofft darauf, dass die Menschen durch gegenseitige Liebe die zementierten Verhätlnisse der Ungleichheit und Ungerechtigkeit selber erkennen und beheben. Verordnen kann man das jedenfalls nicht. Zu tief sitzen die Strukturen, bis heute leider noch.
sven23 hat geschrieben: ↑So 6. Dez 2020, 07:51
Aber die Forderung von Jesus an Reiche, ihr Vermögen unter den Armen zu verteilen, ist natürlich völlig praxisfremd und für eine gesellschaftliches Modell völlig untauglich. Nirgendwo auf der Welt folgt man diesem Modell, aus guten Gründen. Man kann es nur verstehen vor dem Hintergrund der Naherwartung, also der unmittelbar bevorstehenden Zeitenwende, an die Jesus als Anhänger des apokalyptischen Judentums glaubte.
Nein, man muss das verstehen vor dem Hintergrund einer anti-gesellschaftlichen Haltung. Bereits im Gesetz Mose wird das vertreten. Das Volk Israel wird als Familie gesehen, nicht als Gesellschaft oder Staat. Gesellschaften und Staaten haben andere Narrative. Meistens sind es solche, die den Reichtum einer Oberschicht legitimieren oder verschleiern sollen. Ob so eine Gesellschaft dann aus Sicht der Unterschicht noch als funktionierend bezeichnet werden kann, das interessiert die Begutachter wenig.
Nicht die Naherwartung Jesu Wiederkunft war für Jesus das Narrativ, auch nicht für Paulus oder die anderen NT Schreiber, sondern die Naherwartung ans eigene Lebensende. Nun ja, das hat sich erfüllt

Den ganzen angehäuften Wohlstand kann man eben nicht mit ins Grab nehmen. Siehe das Gleichnis vom Kornbauer (Lukas 12,16-21) und Prediger 2,26 + Sprüche 13,22 und Sprüche 28,8. Alles, was Jesus sagt, steht schon im AT.