Der Widerspruch ergibt sich noch unter einem anderen Aspekt: unter dem, was man so unter Glauben versteht. Verkehrt ist, unter Glauben ein "Für-richtig-halten von nicht Wahrnehmbaren" zu verstehen. Das, was man so verabsolutiert sind Dogmen, Werturteile, etc. Man kann unter Glauben aber auch verstehen, die Ernsthaftigkeit der Lebensführung in Bezug auf eine oberste Moral soweit man Einsicht in diese hat bzw. stetig entwickelt. Dann ergibt sich ein ganz anderes Bild. Sogar ein sehr harmonisches zwischen "Glaube" und Wissenschaft.
Mit Blick auf die Bibel ergibt sich für mich der Eindruck die "alten" Juden haben dies schon sehr klar erkannt, dass Glaube und Werke eine Einheit bilden. Nirgendwo in der Bibel wird auch ein "richtige Glaube" mit seinen heilsrelevanten Mindestanteilen (dogmatische Ebene) von Anfang bis Ende der Bibel durchgängig klar und einheitlich definiert. Das müsste eigentlich schon stutzig machen.
Mit Paulus kam dann etwas sehr Gefährliches: die abstrakte Trennung von Glaube und Werke, wobei der Glaube das Gott-vertrauende Für-richtig-halten ist. In Bezug auf das Thema des Threads: Wir brauchen dann die Frage "Wozu sind wir auf dieser Welt" gar nicht mehr wirklich, wir wollen hier nur einfach weg und ab in den Himmel. Die Welt braucht gar keinen Sinn, denn sie ist so verstanden allenfalls so eine Art Abschlussprüfung für das paradiesische Eintritts-Zertifikat. Und dieses besteht dann im Für-richtig-halten.
Wissenschaft zeichnet in diesem Zusammenhang besonders aus:
-Erkenntnis ist nur ein voranzutreibender jeweiliger Zwischenstand, bei dem immer wieder auch Fehler korrigiert werden müssen.
(Das würde ich für das Glaubensleben auch so sehen.)
-Erkenntnisgewinnung unterliegt dem Erkenntnisinteresse.
Das gefährliche Erkenntnisinteresse ist hier institutionell (Kirche, Meinungs- und Interessengruppen innerhalb dieser, etc.)
Im NT gibt es die schöne Beschreibung der "Geisterunterscheidung" (was ist richtig oder verkehrt, gut oder böse) als besondere von Gott gegebene Gnadengabe.
Praktisch gesehen schaut diese nur so aus, dass diese wohl nicht gegeben zu sein scheint, weil man als Notlösung immer auf die Bibel als Absolutes zurückgreift, sonst wäre schlagartig eine allgemeine Verunsicherung auf dogmatischer Ebene da. Der Nachteil: Das vermeintlich Absolute setzt einen erkenntnistheoretischen Zwischenstand von vor 5000 bis vor 2000 Jahren absolut ohne die Möglichkeit des Hinterfragens. Eine gewisse Linderung bringen immer aufwändiger und länger werdende Interpretationen um zunehmend die Widersprüche von "alten" zu "aktuellen" Aussagen zu kitten.