abc hat geschrieben: ↑Sa 14. Dez 2019, 10:14
Was mir dagegen noch unklar ist, was du unter folgenden Begriffen verstehst:
(3) "Freiheit" -> "ein freier Mensch sein"
(4) "Verantwortung" übernehmen
Je nach dem, wie du "Freiheit" und "Verantwortung" definierst ....
(5) Inwiefern "Verantwortung" zu mehr "Freiheit" führt
Okay, ich versuchs:
1) Verantwortung und Freiheit vor Gott
Jesus bezeichnet sich selber als Zeuge der Wahrheit (Joh 18.37) und verheisst uns, dass wir die Wahrheit erkennen werden und das sie uns frei machen wird (Joh 8.32). Seine Absicht ist also, dass seine Nachfolger "freie Menschen" werden. Was denkst du nun, weshalb Jesu erste Forderung für die Nachfolge die "Selbstverleugnung" ist (Lk 9.23)?
Offensichtlich steht das "Selbst" der Erkenntnis der Wahrheit und dadurch der Freiheit im Wege. Um nun dieses Selbst verleugnen zu können, muss ich erst mal herausfinden, was denn dieses "Selbst" überhaupt ist. Und wenn ich dann - wie es mir geschehen ist - erkenne, dass mit diesem "Selbst" die Illusion eines von "Gott" und der "Schöpfung" abgetrenntes "Ich" gemeint ist, dann wird klar, dass die Selbstverleugnung die Verleugnung einer Illusion ist, eines Wahns also, und dass dann natürlicherweise mit dem Ablegen dieses Wahns die Wahrheit - die Wirklichkeit - erlebbar wird und eben dies macht mich frei, frei nämlich vom Ich-Wahn, von der Selbstsucht, die sich (unter vielem anderen) anmasst zu wissen, wer nun ein gläubiger und wer ein ungläubiger Mensch sei. Wer nun den Willen Gottes tue und wer nicht. Wer von diesem Wahn frei ist, der sieht, dass nichts ausserhalb Gottes geschehen kann.
Das ist die erste Weise der Freiheit, die der Mensch erleben kann: Die Freiheit vor Gott durch das Aufgeben der Lüge vom "unbedingten Selbst". Und ebenso ist es die erste Weise der Verantwortung: Der Mensch hat die Verantwortung erkannt und die Forderung Jesu erfüllt, nämlich dieses "unabhängige Selbst" als Lüge entlarvt und diese Lüge abgelegt.
Soweit also mein Versuch, Verantwortung und Freiheit vor Gott zu definieren.
2) Verantwortung und Freiheit in der Begegnungswelt
Eine zweite Ebene betrifft die Verantwortung und die Freiheit in dem, was ich gerne die "Begegnungswelt" nenne, also die soziale Ebene. Hier gelten - je nach Zeit und Kultur differierende - ethische Normen und Regeln bis hin zu den juristischen Gesetzen eines Volkes oder einer Gemeinschaft (die spannende Frage, ob die menschliche Gemeinschaft letztlich mit solchen Regeln wirklich besser funktioniert als ohne, muss ich hier beiseite lassen).
Ich bin also kein isoliertes Selbst, sondern eben auch eingebunden in eine kleinere und grössere menschliche Gemeinschaft. Diese wirkt auf mich ein, wie ich auf sie. Als ich noch ein Kind war galt die Regel: "Eltern haften für ihre Kinder". Da wurde mir die Verantwortbarkeit noch abgesprochen, ich war für mein Tun und Lassen vor dem Gesetz noch nicht verantwortlich. Als ich erwachsen wurde, wurden meine Eltern aus der Verantwortung für mich befreit und ich wurde selber verantwortlich, also selbstverantwortlich. Wenn ich nun als erwachsener Mensch von der Gemeinschaft in der ich lebe akzeptiert und eben auch als verantwortlicher Mensch wahrgenommen werden möchte, dann muss ich mich ihr gegenüber als verantwortungsbewusst zu erkennen geben. Das tue ich unter anderem dadurch, dass ich bereit bin, die Regeln und Gesetze (auf jeden Fall soweit sie meinem ethischen Empfinden nicht widersprechen) zu akzeptieren und einzuhalten. In dem Ausmass, in dem ich das tue, wird mir von der Gemeinschaft Freiheit zugestanden. Solange ich mich also gegenüber der Gemeinschaft verantwortungsbewusst zeige, kann ich innerhalb ihrer Regeln tun und lassen was ich will, bin also ein freier Mensch. Und selbst dann, wenn ich mich weigere, etwas zu tun, was die Gemeinschaft von mir als ihr Recht einfordert - wie in meinem konkreten Beispiel das Leisten von Militärdienst - und ich für diese Weigerung ins Gefängnis komme, erlebe ich mich auch im Gefängnis als selbstbestimmt und darin frei (daran haben die Mauern und die Gitter vor dem Fenster nichts ändern können).
Und da schliessst sich dann der Kreis zu 1): Ich habe getan, was ich tun musste (weil die Bedingungen oder Gott) es durch mich so wollten, so veranlassten (erlebte mich also in dieser Hinsicht als frei) und habe in der Begegnungswelt die Verantwortung dafür übernommen (und erlebte mich auch darin als frei).
Soviel also zu deinen drei Unklarheiten. Wie sieht es jetzt aus?