closs hat geschrieben: ↑Mi 2. Okt 2019, 00:11
Du unterstellst mir etwas, was ich dann belegen soll.

- Meine Aussage war: " Wir müssten also darüber reden, wie wir "Beweis" bei Descartes übersetzen müssen. - Mit anderen Worten: Ich sehe keinen Anlass, Descartes zu widerlegen - denn im Rahmen seines Ansatzes kann er es vermutlich so nennen".
Was denn nun? Die Übersetzung “beweisen” ist korrekt, aber Descartes hat was anderes mit
demonstrare gemeint als man landläufig unter
beweisen versteht?
Claymore hat geschrieben: ↑Di 1. Okt 2019, 23:41
Aber alle Kommentatoren sind sich darin einig, dass er ihm darum ging zu beweisen, dass der Mensch zu unbezweifelbaren Wahrheiten gelangen kann.
WENN man vorher auf radikal-skeptizistische Fragen eine Antwort gibt, die es ermöglicht. Wird das heute vernachlässigt?

Nein, das wird nicht vernachlässigt. Worauf willst du hinaus?
Claymore hat geschrieben: ↑Di 1. Okt 2019, 23:41
Danach ging es entgegen deinen Behauptungen also Descartes klar um eine Art Beweis, der sich der mathematischen Methode bedient. Es ging ihm darum, absolute Unbezweifelbarkeit zu erreichen.
Moment: Descartes "braucht" seinen "wohlwollenden" Gott und versucht ihn herzuleiten (davon sprichst Du doch, oder?) - dazu entwickelt er einen "Beweis". - Zu meiner Zeit

war ein Beweis etwas, was auf "Voraussetzung" und "Behauptung" gründet. - Was ist die Voraussetzung dessen, was Dun zitiert hast.
Das ist ja schön, dass du das so gelernt hast. Aber in welchem Kontext? Überlege doch mal selber, was Beweis in der Mathematik bedeutet und wie es sich da mit den Voraussetzungen und Behauptungen verhält, auf denen sich ein Beweis “gründet”.
Wenn wir einen mathematischen Beweis nehmen, wie den der Gauß’schen Summenformel 1 + 2 + 3 + … + n = n⋅(n+1)/2, auf was für Voraussetzungen gründet er dann? Hier kann man nur einen Kandidaten nennen: die Axiome der natürlichen Zahlen.
Wie gelangen wir nun z. B. zum Induktionsaxiom, also:
“Wenn folgendes zutrifft: ‘Die Behauptung gilt für 1. Die Behauptung gilt für n+1, wenn sie für n gilt’, dann gilt die Behauptung für alle natürlichen Zahlen”
Nach dem klassischen Rationalismus ist das Induktionsaxiom durch rationale Einsicht unmittelbar und unbezweifelbar als wahr erkennbar. Das Induktionsaxiom muss weder durch andere Vorannahmen bewiesen werden, noch kann es bezweifelt werden. Es ist in diesem Sinne selbst-beweisend. Wir können es direkt aus dem Konzept der natürlichen Zahl “herausholen”.
Descartes versuchte seinen philosophischen Beweisen genau so einen mathematischen Charakter zu geben. Ob ihm das gelungen ist, ist freilich eine ganz andere Frage.
Das fängt an mit seinem cogito: Es
kann nicht bezweifelt werden, jedenfalls nicht
direkt. Was oft vergessen wird: er stellt “Ich denke, aber ich existiere nicht” in der gleichen Textpassage auf die selbe Stufe wie
“2 + 3 < 5”.
Das cogito kann nur auf
indirekte Weise bezweifelt werden, mit der Annahme, dass unsere Vernunft uns selbst darin irreführt, was “clara et distincta perceptio” ist. Er schreibt:
“Da ich nun aber sicherlich keine Veranlassung zu der Annahme habe, es sei ein Gott, der mich täuscht; ja, da ich nicht einmal sicher weiß, ob es überhaupt einen Gott giebt, so ist ein Zweifel, der sich lediglich auf diese Annahme stützt, sehr schwach und sozusagen metaphysisch begründet. Doch auch diesen letzten Zweifel will ich beseitigen und muß daher, sobald sich Gelegenheit dazu bietet, untersuchen, ob ein Gott ist, und, falls er ist: ob er ein Betrüger sein kann. Solange ich nämlich dies nicht weiß, kann ich wohl überhaupt über nichts jemals Gewißheit erlangen!”
Also, auch diesen Zweifel möchte er ausräumen. Das, so meint er, gelingt ihm durch seinen Beweis eines wohlwollenden Gottes (=> Beweis der Verlässlichkeit der “clara et distincta perceptio”), dessen notwendige Existenz er direkt aus dem Konzept Gottes “herausholt”. Entweder man wirft ihm nun einen
Zirkelschluss vor, oder man interpretiert es so: er beweist auf
direkt nicht bezweifelbarem Wege, dass die “clara et distincta perceptio” auch
indirekt nicht bezweifelbar ist.
Es gibt sicherlich noch andere subtil unterschiedliche Varianten Descartes hier zu interpretieren. Aber es läuft immer auf das gleiche hinaus, dass er auf einen Beweis ohne Vorannahmen (wie oben erklärt) abzielt.
Und nochmal: Es interessiert erst mal nicht, ob ihm das gelingt. Im Fokus steht allein deine grotesk falsche “Interpretation”, Descartes ginge es darum “spirituell mit Vorannahmen den Rücken frei zu kriegen”. Nein: Es ging ihm um einen Beweis ohne Vorannahmen, dass wir zu unbezweifelbarem Wissen gelangen können, welches wiederum nicht einmal mehr indirekt bezweifelbar ist. Oder in deinen Worten: Descartes meint: “radikal-skeptizistisch [ist nun] geklärt, dass dies ontisch/wirklich” so ist.
Hat er nun seinen wohlwollenden Gott derart bewiesen, erledigt sich das mit den res extensae vergleichsweise einfach.
Denn sollten uns, bevor wir weiterfahren, klar sein, auf welcher Ebene wir überhaupt reden:
1) Descartes will damit Grundlagen schaffen, um die Aporie des Nicht-Wissens bezüglich des Verhältnisses von Res cogitans und Res extensae aufzulösen.
Auf welcher Ebene sprichst Du/spricht das Zitat?
2) Descartes sagt dies, NACHDEM er diese Aporie per "wohlwollenden Gott" aufgelöst hat.
Auf welcher Ebene sprichst Du?
Du gehst mir zu grobschlächtig an die Sache ran. Es gilt beides, wie oben detailliert erklärt.