Es wird nie recht ersichtlich, wie genau historisch-kritische Methodik eigentlich arbeitet und wie sie zu ihren Ergebnissen kommt: wie also ihre Gedankengänge und exegetischen Schlussfolgerungen zustande kommen.
An dieser Stelle - also im neutestamentlichen Bereich des Forums - soll es nun also um neutestamentliche Erzählungen im Lichte ihrer historisch-kritischen Erforschung gehen.
Jeder, der eine bereits fertige, historisch-kritische Untersuchung eines Textes vorstellen, die exegetischen Ergebnisse einer bestimmten neutestamentlichen Erzählung eines wissenschaftlichen theologischen Kommentars präsentieren oder sich an einer eigenen, historisch-kritischen Auslegung versuchen möchte, sei herzlich eingeladen, dies hier zu tun.
Kommentare zu dem, was hier vorgestellt wird, sind selbstverständlich willkommen und erlaubt. Sie sollten sich aber auch wirklich auf das beziehen, was präsentiert wird.
Ich werde mich - nach einigen notwendigen Vorbemerkungen - an einer historisch-kritischen Analyse der spektakulären Wundergeschichte von Mk.5, 1-20: Der Besessene von Gerasa versuchen. Da ich keinen Markus-Kommentar vorliegen habe, mache ich das aus dem Kopf, so wie ich es theologisch-handwerklich an den Fakultäten, an denen ich studierte, gelernt habe. Wenn ich Fehler machen sollte, nehme ich es nicht übel, wenn man mich darauf hinweist. Es geht mir nicht darum, festgelegte Wahrheiten in irgendwelche Köpfe zu rammen.
Der von mir verwendete Quelltext ist der Text der Patmos Synopse (Schierse, Patmos Synopse, 16. Aufl., Düsseldorf: 1983), der versucht den griechischen Text möglichst getreu im Deutschen wiederzugeben, ohne dabei Rücksicht auf gefällige Lesbarkeit zu legen. Es ist mir schlicht zu viel Arbeit, den Text selbst zu übersetzen (und ich hätte vermutlich auch meine Schwierigkeiten). In der Patmos-Synopse sind die Evangelien der Synoptiker: also von Matthäus, Markus und Lukas synoptisch und Vers für Vers nebeneinander gestellt. Diese sehr nützliche, weil sehr übersichtliche Präsentationsform, ist hier leider nicht möglich.
Tatsächlich ist es kein banales Unterfangen historisch-kritische Exegesen vorzustellen, denn jede historisch-kritische Untersuchung im NT beginnt mit einer Untersuchung des rekonsttruierten, griechischen (Ur-)Textes (= TEXTKRITIK) auf der Grundlage des NOVUM TESTAMENTUM GRAECE (von Nestle Aland). Der Text des Novum Testamentum Graece ist deshalb nur rekonstruiert, weil alle Urtexte des Alten und Neuen Testamentes verloren gegangen sind.

Quelle
Darin finden sich eine rekonstruierte Annäherung der ältesten Textquellen der vier griechischen Evangelien, aller paulinischen Briefe, der Apostelgeschichte und der Offenbarung des Johannes an die Urtexte dieser Schriften.
Da die meisten User hier aber vermutlich kein Altgriechisch beherrschen, macht es wenig Sinn, auf die griechischen Quellen einzugehen und den griechischen Text zu besprechen. Also lassen wir das.
Studenten arbeiten mit der Synopsis Quattuor Evangeliorum. Darin sind die rekonstruierten griechischen Urtexte aller vier Evangelien nebeneinander gestellt.
Die Vorbemerkungen sind naturgemäß etwas theoretisch, aber eben notwendig, weil sie Verständnisgrundlagen darstellen. Die eigentliche Exegese der markinischen Wundergeschichte vom Besessenen von Gerasa geht erst danach los. Ich bitte um Geduld.
Fortsetzung folgt ...