@ Stromberg
@ Claymore
Ich teile meine Antwort auf, damit es nicht unübersichtlich wird.
Man sollte im Kopf behalten, dass diese ontologische Diskussion hier, also was es heißt zu existieren, nicht unmittelbar mit der Frage der K.I. zu tun hat.
Möglicherweise basieren aber die tieferen Probleme bei der Erklärung der Zusammenhänge zwischen physischem Gehirn und Bewusstsein und Qualia etc. darauf, dass wir von vornherein eine bestimmte
dualistische Sicht auf die Wirklichkeit haben und sie intuitiv aufteilen in das Materielle, welches wir als real und wirklich existierend betrachten (weil wir in einer makroskopisch-materiellen Welt überleben müssen) und dem Geistigen bzw. Fiktionalen, welches wir intuitiv als irgendwie weniger real und wirklich betrachten. Das hält aber einer kritischen philosophischen Analyse nicht stand.
Stromberg hat geschrieben: ↑Di 20. Aug 2019, 10:39
Thaddaeus hat geschrieben: ↑Mo 19. Aug 2019, 23:12
Stromberg hat geschrieben: ↑Mo 19. Aug 2019, 22:22
Der Klabautermann ist also genau so wirklich wie der Stuhl, auf dem ich gerade sitze.
Aha; das müsstest du aber erst mal beweisen!

Da gibt es nichts zu beweisen, weil es offenkundig so ist.
Dass es "offenkundig" so ist müsstest du eben erst beweisen; es nur mit philosophischen Blabla zu behaupten machts jedenfalls nicht besser.

Ist kein philosophisches Blabla ...
Offenkundig ist es aus folgendem Grund:
"Klabautermann" muss in irgendeiner Form
existieren, da wir sonst nicht über "Klaubautermann" diskutieren könnten. Zu behaupten:
"Klabautermann existiert nicht" würde (z.B. in dieser Diskussion hier) zu einem sofortigen performativen Widerspruch führen, wenn man "nicht-existieren"
vollumfänglich meint, also im Sinne eines:
"in-keiner Weise-existieren". Ich nehme an, soweit ist es klar.
Also muss man die Aussage:
"Klabautermann existiert nicht" einschränken:
in welcher Hinsicht existiert Klabautermann nicht (und in welcher Hinsicht existiert er)? Wenn er aber in
irgendeiner Hinsicht existiert, gehört er
offenkundig zur WIRKLICHKEIT (als der Summe alles Seienden).
Es gibt nun keine
ontischen Abstufungen dessen, was existiert und wirklich ist. Wenn etwas existiert, ist es sinnlos zu sagen, etwas existiere weniger als etwas anderes, da nicht klar gemacht werden kann, was "
weniger existieren" bedeuten sollte. Wenn etwas auf irgendeine Weise existiert
und damit zur Wirklichkeit gehört, ist es ebenfalls sinnlos zu sagen, etwas Existierendes sei
weniger wirklich als etwas anderes Existierendes.
Klar ist aber, dass ein materieller Gegenstand auf eine andere Weise existieren muss und auf eine andere Weise wirklich ist, als ein fiktionaler Gegenstand. Ein materieller Gegenstand kann physikalisch, chemisch usw. analysiert werden (also mit naturwissenschaftlichen Methoden). Ein fiktionaler Gegenstand offensichtlich nicht. Der kann aber geisteswissenschaftlich untersucht werden. Die Legenden um den Klabautermann können literarisch analysiert werden, künstlerische Darstellungen von ihm können kunstgeschichtlich analysiert werden usw.usf.
Die Testfrage, wie etwas existiert, ist die Frage danach, WO es existiert, - in welchem SINNFELD. Wir finden Stühle in Küchen, bei Ikea und als Sitzgelegenheit bei Gartenfesten usw. Klabautermann finden wir in der Regel nicht in Küchen, nicht bei Ikea einkaufend und auch nicht auf Gartenfesten. Wir begegnen ihm auch nicht in der Fußgängerzone einer Stadt oder in einem Park. Aber wir finden ihn in seemännischen Legenden und auf Abbildungen dieser seemännischen Legende usw.
Mit dem Existieren ist es wie mit der Schwangerschaft: nur ein bisschen existieren und wirklich sein gibt es nicht, wie man auch nicht nur ein bisschen schwanger sein kann (obwohl letzteres manchmal schön wäre). Schwangersein und Existieren sind absolute ontische Zustände.
Wir haben zwar hinsichtlich des Was-(und auch Wie-)Seins eine Pluralität der Differenzen und Differenzierungsmöglichkeiten vor uns, dagegen wird ,Existenz', ,Dass-Sein', in allen möglichen Fällen gleichbedeutend ausgesagt - oder wie man mit Rückgriff auf die mittelalterliche Tradition sagen kann: univok. Unabhängig von den Unterschieden hinsichtlich dessen, was oder wie etwas ist, ist in Bezug auf die Existenz alles Seiende gleich. Mag es mannigfaltig verschiedene Wesen geben, beispielsweise konkretes Seiendes (z.B. derzeit lebende Menschen oder leblose Partikel), abstraktes Seiendes (z. B. Zahlen), mögliches Seiendes (z. B. Kanzlerin Merkels Zwillingsschwester), Ex-Konkretes (z. B. römische Kaiser), fiktives Seiendes (z. B. Sherlock Holmes oder Hamlet) und vieles mehr: Hinsichtlich derer Existenz als solcher gibt es keine Unterschiede; insofern diese Entitäten (obschon in je unterschiedlichen Gegebenheitsweisen) existieren, sind sie alle gleich.
Andreas Luckner, Sebastian Ostritch; Existenz, Grundthemen Philosophie, hrsg. von: Dieter Birnbacher, Pirmin Stekeler-Weithofer, Holm Tetens, De Gruyter, Berlin/Boston: 2018, S.7)
Der Gegensatz zwischen ,fiktiv' und ,real' (sowie zwischen ,abstrakt' und ,konkret') ist nach Kripke daher wohlverstanden nicht der zwischen ,nicht-existent' und ,existent'. Reale und fiktive Entitäten verhalten sich vielmehr so zueinander, wie sich etwa eine reale Ente zu einer Spielzeugente verhält. Letztere ist zwar keine echte Ente (und damit m einem bestimmten Sinne „weniger Ente"), was aber nicht heißt, dass sie weniger existent wäre (vgl. RuE, 118).
Andreas Luckner, Sebastian Ostritch; Existenz, Grundthemen Philosophie, hrsg. von: Dieter Birnbacher, Pirmin Stekeler-Weithofer, Holm Tetens, De Gruyter, Berlin/Boston: 2018, S.45)