ThomasM hat geschrieben: ↑Mo 15. Apr 2019, 09:28
Diejenigen, die die ET als Weltanschauung nehmen und darauf z.B. eine Ethik aufbauen, reagieren genauso, wie du es den Christen vorwirfst. Für diese Menschen ist ET gesetzt und nicht widerlegbar.
Ich habe das Gefühl du wirfst hier einiges mit der ET zusammen, das nicht zwangsläufig zusammen gehört.
Wenn man ET als das nimmt, was es ist, nämlich eine naturwissenschaftliche Beschreibung, dann weiß man, dass sie falsifiziert werden kann. Aber dann darf man auch so manche Schlussfolgerungen nicht ziehen, die man aus dem Lager gerne hört, z.B. dass sie der Beweis ist, dass es Gott nicht gibt.
Die Atheisten/Naturalisten mit denen wir beide verkehren scheinen wirklich grundverschieden zu sein.

Zu behaupten, dass die ET ein Beweis wäre, dass es Gott nicht gibt, ist natürlich komplett idiotisch. Mehr noch, der Versuch diese beiden Konzepte gegeneinander auszuspielen ist grundsätzlich für die Tonne, weil die logischen Zusammenhänge zwischen den beiden Positionen schwach bis non-existent sind.
Sagen wir mal, wir haben hier Faktenmenge M. Faktenmenge M lässt uns zweifelsfrei und ohne auch nur ein Mindestmaß an Restunsicherheit ausschließen, dass es einen Gott gibt. Sagt uns das irgendetwas über die ET? Nein, es sei denn Faktenmenge M lässt uns unabhängig von Aussagen über Gott auch Aussagen über die ET treffen.
Ebenso heißt das, dass wir aus Fakten, die GEGEN die ET sprechen nicht automatisch einen Gott folgern können, es sei denn, die Fakten sprechen unabhängig davon für einen Gott.
Und genauso sind Fakten zu Gunsten der ET nicht zwangsläufig Fakten gegen Gott. Diese falsche Dichotomie muss aufhören.
In meinen Augen sollte es auch gar nicht Ziel sein, zu versuchen Gott zu widerlegen. Mein Unglaube, und ich bin unter Atheisten sicher kein Sonderfall, resultiert nicht daraus, dass ich die Existenz Gottes als widerlegt sehen würde, ich wüsste gar nicht wie man das restlos widerlegen sollte. Mein Unglaube resultiert daraus, dass die Existenz Gottes nicht zufriedenstellend belegt wurde und Gott als default-Position nicht plausibel ist, weder irgendein Gott allgemein, noch irgendein spezielles Gottesbild.
Daran, dass der Schuldspruch selbst widersprüchliche Fakten berücksichtigt und einen rechten Ausgleich schafft.
Ich würde jetzt fragen, was "recht" ist, aber das Thema wird ohnehin weiter unten behandelt.
Du siehst, Atheismus ist oft die Reaktion auf einen Gott, den man nicht kennt, weil man ihn mit negativen Erfahrungen assoziiert, die man mit Menschen gemacht hat.
Und das wäre so ein Fall, wo ich sagen würde, dass zwischen mir und der jeweiligen Person zwar im Kern Einigkeit in der Ansicht (Atheismus) herrscht, die Gründe in meinen Augen jedoch schlecht sind.
Nun, bei mir hat die Erkenntnis, dass Gott da ist, praktisch automatisch zu der Konsequenz geführt, dass er als Gott auch für die moralischen Grundsätze zuständig ist.
Allerdings weiß ich auch, wie sehr die Bibel mit menschlichen Denkweisen durchzogen ist, die selbst die frömmsten Christen heute nicht mehr leben (Speisevorschriften, Kleidungsvorschriften, gesetzliche Handlungsanweisung wie Steinigung, usw.). Das liegt daran, dass Gott die Grundsätze vorgibt (doppeltes Liebesgebot), es dem Menschen und ihrer Zeit aber überlassen bleibt, dies in praktische Vorschriften zu gießen. Es gibt viele Christen, die das nicht sehen können und lieber an tote Buchstaben glauben.
Da es thematisch passt, beziehe ich mich hier gleich noch auf eine deiner späteren Aussagen, entschuldige den chronologischen Bruch:
Gibt es denn einen absoluten Verhaltensgrundsatz, aus dem so etwas wie Moral entwickelt werden kann? Und wenn es diesen gibt, wer legt ihn fest?
Ich denke, es gibt ihn und es ist Gott, der ihn festlegt. Das bedeutet nicht, dass alles, was Menschen behaupten, Sünde zu sein, auch tatsächlich Sünde ist.
Gibt es irgendeine moralische Vorgabe deines Gottes, der du nur widerwillig folgst? Mir scheint es, als hättest du ebenfalls eine sehr subjektiv geprägte Moral, die du jedoch einer objektiven Quelle zuschreibst und das was nicht deiner Moralvorstellung entspricht, kommt dann einfach nicht mehr aus dieser Quelle, damit ihre moralische Integrität gewahrt bleibt. Versteh mich nicht falsch, das finde ich um ein Vielfaches besser, als wenn du hier versuchen würdest, z.B. die Sklaverei im AT als moralisch vertretbar zu verargumentieren, ich bin mir nur nicht sicher ob es wirklich ehrlich ist und damit meine ich natürlich dir selbst gegenüber.
Das Analogon bei Atheisten ist eben, dass es keinen Grund gibt, die Moral nicht zu dehnen und ihren Bedürfnissen anzupassen. Das ist einfach zu bequem.
Du sprichst hier wieder von Atheisten, als wären alle Atheisten in ihrer Position bzgl Moral auf einer Seite. Atheisten verbindet erst einmal nur der Unglaube hinsichtlich eines Gottes. Moral ist wieder eine andere Frage, es gibt auch Atheisten, die von einer objektiven Moral ausgehen, sie sehen eben nur nicht Gott als Quelle.
Zumal ich es auch interessant finde, dass du das Dehnen von Moral als bequem bezeichnest, denn ist es etwa weniger bequem, die Frage nach gut und schlecht als nicht Teil der eigenen Verantwortung von sich wegzuschieben und stattdessen irgendeine Entität zur moralischen Instanz zu erheben? Einfach Folgen, statt zu hinterfragen erscheint mir recht simpel zu sein. Ich verstehe natürlich, warum du dehnbare Moralvorstellungen als bequem bezeichnest, aber gleichzeitig kann das Ablehnen einer objektiven Moral sehr unangehm sein, da es einen dazu drängt, die eigenen Ansichten immer wieder zu hinterfragen, was mich zu deiner nächsten Frage bringt.
Diese Frage ließe sich klarer beantworten, wenn du definieren könntest, was gut und böse ist.
Ich weiß nicht ob ich das kann, daher habe ich ja die Frage in den Raum gestellt ob eine deratige kritische Betrachtung überhaupt möglich ist. Ich denke sogar, dass ich das nicht kann, zumindest würde ich mich nicht wohl fühlen, meine Definition von Gut und Böse mit einem Anspruch auf Allgemeingültigkeit zu versehen. Ich denke, dass wir letztendlich alle im Kern irgendwo größtenteils egoistisch handeln, aber da wir eine soziale Spezies aus empathiefähigen Individuen sind, ist es durchaus in unserem individuellen besten Interesse, wenn es nicht nur uns, sondern auch den Menschen (gegebenenfalls sogar Lebewesen allgemein) um uns herum gut geht. Jetzt weiß ich allerdings auch, dass nicht alles, was ich möchte zwangsläufig zum Wohl meiner Mitmenschen geht und diese Frage, wie viel Egoismus ich mit mir vereinbaren kann, ist keine einfache.
Dieser Kommentar wurde von einem heimlich bescheidwissenden und unglaublich boshaften Hund mit finsterer Seele, zerfallenem Geist und Aussicht auf finanziellen Gewinn verfasst.