Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Rund um Bibel und Glaube
closs
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#261 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Mi 13. Mär 2019, 11:41

PeB hat geschrieben:
Mi 13. Mär 2019, 11:24
Der Unterschied besteht letztlich darin, ob du die wahrgenommene Wirklichkeit der Welt als einen von dir unabhängigen Sachverhalt ansiehst oder als subjektiv
Stimmt - aber das hat Descartes bereits beantwortet mit "Ich glaubens-entscheide, dass die Welt unabhängig von mir ist". - Mehr macht ein Naturwissenschaftler auch nicht, selbst wenn er es nicht einsieht.

Aber hier geht es um noch etwas anderes: Selbst wenn die Welt unabhängigt von mir ist, ist nicht alles falsifizierbar.

PeB hat geschrieben:
Mi 13. Mär 2019, 11:24
Wäre die Menschheit insgesamt rot-grün-blind, dann müsste auch die Definition von Rot eine andere sein.
Erstens das - zweitens wäre damit NICHT festgelegt, ob Du diese Farbe magst oder nicht. - Diese subjektive (ich neige dazu, "subjektive" durch "geistige" zu ersetzen) Welt gibt es immer.

PeB hat geschrieben:
Mi 13. Mär 2019, 11:24
Ein Beispiel aus meiner Wissenschaft: in den 80er Jahren machte sich ein neuer Wissenschaftszweig auf, der sich "New Archeology" nannte, aus Großbritannien kam und im Wesentlichen den Ansatz verfolgte, die Archäologie zu "vernaturwissenschaftlichen".
Vorher war das bei der Psycholgie so - ich kann mich erinnern, dass ich mal der Patin eines meiner Kinder, die selber Uni-Dozentin war, ein Kompliment machen wollte, indem ich ihr sagte, dass Psychologie besonders herausfordernd sei, da sie sowohl naturwissenschaftlicher als auch geisteswissenschaftlicher Natur sei. - Dass die mich nicht gefressen hat, war alles: Sie sei NUR NAturwissenschaftlerin.

Davon abgesehen: Archäologie sehe ich sehr wohl AUCH als Naturwissenschaft (Datierung, Erdschichten-Feststellung, etc.) - aber natürlich hauptsächlich als geisteswissenschaftlich.

PeB hat geschrieben:
Mi 13. Mär 2019, 11:24
Was sagen also all diese Scheintabellen am Ende der Abschlussarbeiten in Bezug auf diese Zielsetzung aus? NICHTS!
Richtig - das war übrigens der Grund, warum ich vor ca. 40 Jahren innerhalb einer Woche meine Dissertation und einen Uni-Job geschmissen habe und in die Wirtschaft bin: Man hat - um es überspritzt zu sagen - sich mit den aufkommenden Computern nur noch dafür interessiert, wie oft Goethe das Wort "aber" benutzt hat, statt sich zu überlegen, was er jeweils damit gemeint hat.

PeB hat geschrieben:
Mi 13. Mär 2019, 11:24
nachdem bei meiner Dissertation der Versuch einer edv-gestützten Keramikseriation völlig in die Hose gegangen ist, habe ich die Keramik wieder rein subjektiv-visuell in Typen und Subtypen eingeteilt mit dem Ergebnis, dass meine daraus abgeleiteten Aussagen vollständig ins Bild passten.
Ja - aber das ist möglicherweise nicht der Trend der Zeit. Oder (was zu hoffen ist) es WIRD wieder der Trend der Zeit.

Roland
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#262 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Roland » Mi 13. Mär 2019, 12:35

Thaddäus hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 20:31
Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Andreas hat geschrieben:Dank HKM kann es heute keine Bibelfälscher mehr geben - ohne dass sie dabei auffliegen.
Für Teile der HKM mag das stimmen. Aber historisch-kritsche Exegese IST Bibelfälschung. Die Bibel ist das Buch, das von Gottes Handeln berichtet. Sie so auszulegen, als gäbe es diesen Gott gar nicht - und damit die Intention der Autoren zu missachten - erfüllt den Tatbestand der Fälschung, da hat Klaus Berger vollkommen recht.
Haha, ... lustige Logik :lol:
Tatsächlich ist genau wegen dieser Logik für Muslime die historisch-kritische Erforschung des Koran bei Todesstrafe verboten!
Und kein Christ will sie verbieten. Nur drauf aufmerksam machen, dass Sätze wie der, den Sven23 von dir zitiert hat, schlicht falsch sind:

sven23 hat geschrieben:
Sa 9. Mär 2019, 17:38
Ich erinnere an Thäddäus. […]... die korrekten Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung zur Naherwartung können gar nicht falsch werden, solange du nicht ihre methodische Inkorrektheit nachweisen kannst. Sie können das genau so wenig, wie der Satz des Pythagoras falsch werden kann, nur weil du spekulativ vermutest, es könne eine göttliche Vernunft und Evidenz geben.

Dass Jesus eine irrtümlich Naherwartung hatte, ist aufgrund des gesamten Gefüges der Jesusworte eindeutig auszuschließen, wie Ratzinger es richtigerweise formuliert hat. Nur mit einer methodisch-atheistischen Vorannahme kann man überhaupt auf die Idee kommen, zwei Verslein zugunsten dieser These gegen den Gesamtkontext des NT ausspielen zu wollen. Und eine solch schwache Konstruktion von Vermutungen dann noch mit mathematischen Sätzen in Verbindung zu bringen – das ist es, wogegen man das Wort erheben muss.

Jeder darf sich mit der Bibel beschäftigen und sie auf seine Weise auslegen – aber es muss gesagt werden, dass jeder Auslegung eine Vorannahme zugrunde liegt und jede letztlich auf einem Glauben basiert. Und keiner kann behaupten, er habe Beweise, es kann max. um Plausibilität gehen. Wir sind in unserer Entscheidung frei.

Thaddäus hat geschrieben: Nach dieser Logik müssen aber selbstverständlich auch die Schriften des Propheten Joseph Smith (nämlich das Buch Mormon), das Totenbuch der Ägypter, die Schriften Gautama Siddhartas genannt Buddha und alle anderen heilgen Texte, die für sich beanspruchen Offenbarungen göttlichen Ursprungs zu sein, als tatsächlich göttliche Ofenbarungsschriften ernst genommen werden.
Es steht den Anhängern von Joseph Smith und denen des Totenbuchs der Ägypter usw. selbstverständlich frei, für das Ernstnehmen ihrer Offenbarungsschriften einzutreten und dafür Argumente zu liefern. Kenne allerdings keine Offenbarungsschrift, in der das historische Faktum eine größere Rolle spielt, als im christlichen Glauben. Jesus hat im wahrsten Sinne des Wortes für eine historische Zeitenwende gesorgt und nichts spricht dagegen, dass die Evangelien historisch zuverlässig sind.
Der Literaturwissenschaftler C. P. Thiede:
"Kritisch gefragt und geprüft wurde schon immer. Ein Evangelium des Neuen Testaments ist sogar aus genau diesem Grund entstanden: Am Anfang des LukasEvangeliums lesen wir, dass ein hochrangiger Römer namens Theophilus bereit ist, Christ zu werden, wenn er genügend zuverlässige Informationen erhält. Und so schreibt Lukas für ihn, nachdem er selbst "alles von Anfang an sorgfältig erkundet" hat, damit er "den sicheren Grund" der Lehre erfährt (Lukas 1,3-4). Lukas will also wie ein Historiker schreiben, und nicht anders erwartet es Theophilus von ihm. […]
Die biblische Überlieferung ist seit zweitausend Jahren immer wieder geprüft worden, und sie hat diese Prüfung stets bestanden. Gerade heute wissen wir dank der Entdeckungen aus der Archäologie und der Papyrologie mehr als je zuvor, wie unvergleichlich genau diese Überlieferung ist. So ist es im Grunde genommen gar nicht mehr nötig, die Bibel zu verteidigen. Die Sache sieht inzwischen umgekehrt aus: Verteidigen müssen sich diejenigen, die immer noch an dieser für die gesamte Antike einzigartigen Bezeugung zweifeln. Denn sie tun es gegen den Stand der Forschung. Die Fakten, die wir heute besitzen, stehen allgemein zur Verfügung. Geheimnisse gibt es da nicht."

Thaddäus hat geschrieben: Wohlgemerkt reicht es völlig, wenn ein Autor nur behauptet prophetisch göttlichen Willen kund zu tun, da es schlechterdings keine Möglichkeit gibt, dies mit rationalen Gründen zu bezweifeln, denn genau das wird ja vehement (von dir und closs) abgelehnt. (Das ist doch korrekt, oder?)
Es reicht eben nicht aus, nur irgendwas zu behaupten. Die Evangelien sind historisch zuverlässig und ohne die historische Tatsache des leeren Grabes und die bezeugten Erscheinungen des Auferstandenen, gäbe es kein Christentum. Dass das Grab leer war, dass niemand den Leichnam beibringen konnte, und dass die Jünger vom verängstigten Häuflein zu todesmutigen Verkündigern wurden, weil sie nach eigenem Bekunden dem Auferstandenen begegnet waren, das sind Tatsachen, die kaum ein Historiker ernsthaft bezweifelt.
Und die plausibelste Erklärung für all das ist: Er ist tatsächlich auferstanden!

Thaddäus hat geschrieben: Wissenschaftliche Ergebnisse müssen für vernünftige Menschen egal welchen Glaubens oder ob Atheist nachvollzogen werden können. Genau das leistet die HKM und genau darum ist sie Wissenschaft und alles andere nicht.
Ob es Gott gibt oder nicht, darüber kann Wissenschaft keine Aussagen treffen. Deshalb kann sie auch nicht beurteilen, ob die im NT bezeugten Ereignisse stattgefunden haben oder nicht. Sie kann alles so auslegen, als ob es den Gott nicht gäbe, von dem die Texte berichten. Dann hat sie aber bereits eine Vorentscheidung in Bezug auf die Existenz Gottes getroffen und eine Grenzüberschreitung begangen. Und dabei die Intention der Autoren missachtet. Ich nenne das Fälschung. Wer nicht an Gott glauben will, der nennt es Aufdeckung der Falschaussagen der Autoren.
Entscheidend ist: Beide können wir einander nichts beweisen, beide können wir nur unserer jeweiligen, weltanschaulich geprägten Auslegung Glauben schenken.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

Roland
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#263 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Roland » Mi 13. Mär 2019, 12:40

Andreas hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 20:53
Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Wikipedia: "Die alt- und neutestamentlichen Schriften sieht die Redaktionsgeschichte als Werke verschiedener Redaktoren an, die sie mit jeweils bestimmten theologischen Interessen komponiert haben."
Das ist ziemlich gut nachvollziehbar und plausibel anhand vieler Texte und der darin dargestellten unterschiedlichen Gottesbilder begründet. Was sich wissenschaftlich nicht begründen lässt, ist, dass die Bibel von Gott inspiriert ist. Die redaktionelle Fortschreibung mancher Texte der Bibel schließt eine Inspiration durch Gott ja nicht aus. Du machst daraus ein entweder - oder. Was spricht gegen ein sowohl - als auch?
Nichts. Laut HKM ist göttliche Inspiration jedoch ausgeschlossen, die Texte werden ausgelegt, als ob es Gott nicht gäbe und er an ihnen nicht gewirkt hat. Vielleicht haben die Texte geringfügige Veränderungen erfahren, der Direktor des Instituts für neutestamentliche Textforschung in Münster, Holger Strutwolf sagt jedenfalls:

"Als Textkritiker ist zu sagen, dass die handschriftliche Überlieferung des neutestamentlichen Textes sehr treu und im Wesentlichen zuverlässig erfolgt ist, so dass man mit großer Zuversicht sagen kann, dass von textkritischer Seite keine Bedenken bestehen, dass der Text willentlich und grundsätzlich von späteren Tradenten verfälscht worden sein könnte."

Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Christen sehen diese Schriften eben nicht als rein menschlich-interessengeleitete "Kompositionen" sondern als von Gott inspiriert an.
Manche Christen machen ein entweder - oder daraus, andere ein sowohl - als auch, andere glauben nicht oder nicht mehr an die Inspiration der Bibel durch Gott, und glauben trotzdem an Gott und trotzdem an vieles aber nicht an alles, was in der Bibel steht.
Schon klar. Die einen sagen so, die anderen so. Aber wenn ich an den Gott der Bibel glaube, der Himmel und Erde geschaffen hat, warum sollte ich nicht glauben, dass er uns sein Wort im Wesentlichen richtig überliefern konnte? Ich glaube: so wie Jesus Mensch und Gott zugleich war, so ist die Bibel menschlich und göttlich zugleich und keine rein menschlich-interessengeleitete Komposition.


Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Es ist eben einfach eine Frage, ob man an Gott glaubt oder nicht.
Ja. Ist es eine wissenschaftliche Frage ob man an Gott glaubt? Nein. Ist das ein Grund, die Bibel nicht wissenschaftlich zu untersuchen, oder gar davor zu warnen? Ich meine: Nein.
Richtig und ich warne auch gar nicht davor. Ich wehre mich nur, wenn gesagt wird: "DIE Forschung" hat ergeben, dass Jesus nur ein irrender Wanderprediger war… so alsob man irgendeinen Beweis in den Händen hielte. Es handelt sich um eine wacklige Hypothese auf der Grundlage des methodischen Atheismus.

Andreas hat geschrieben: Ich sehe deine gute Absicht für den Glauben dabei. Du machst an solchen Dingen fest, wer drin ist und wer draußen, wie Christen glauben und wie nicht. Aber warum eigentlich?
Nochmal die Frage: Wer sagt, Jesus sei nur ein Mensch gewesen, ein Apokalyptiker, der sich geirrt hat in seiner Gerichtserwartung, nicht Gottes Sohn, er sei auch nicht wirklich auferstanden, das seien nur Hirngespinste der Jünger gewesen – ist der deiner Meinung nach "drinnen oder draußen"? ist der noch Christ in dem Sinne, dass er an Christus, den Retter, glaubt?
Lautet deine Antwort hier tatsächlich:

Andreas hat geschrieben: Auch bei diesen sehe ich, dass sie es nur gut meinen.
Was meinen sie denn gut?

Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Sie liefert Ergebnisse "als ob es Gott nicht gäbe".
Was erwartest du denn von einer wissenschaftlichen Herangehensweise?
In Bezug auf die Bibel: geschichtswissenschaftliche Forschung auf der Sachebene (Namen, Daten, Personen und Orte der Bibel, Handschriften sichten und vergleichen, Archäologie usw.). Sobald man die Texte aber in der oben beschriebenen Weise auslegt, ist es streng genommen nicht mehr "Wissenschaft" sondern folgt weltanschaulichen Vorannahmen.

Andreas hat geschrieben: Wenn ich mir eine solche Exegese EINES Textes der Bibel anschaue, kann ich deiner Aussage auch nicht zustimmen, weil da andauernd von Gott die Rede ist…
Naja, es muss natürlich andauernd von ihm die Rede sein, denn die Bibel handelt von ihm. Aber alles was ihn betrifft, wird historisch-kritisch in den Bereich des Subjektiven verlegt. Wenn Gott handelt, dann maximal an der Psyche der Autoren – und das kann man dann auch gut naturalistisch erklären.

Andreas hat geschrieben: Wollen wir uns vielleicht auf "Teilaspekte" im Methodenapparat der historisch-kritischen Methode (HKM) statt Teildisziplinen und Methodenschritte einigen?
Ist doch egal, wie wir es nennen. Entscheidend ist: geschichtswissenschaftliche Forschungen auf der Sachebene sind Teilaspekte - oder Teildisziplinen - oder Methodenschritte, die neutral wissenschafltich betrieben werden können, die Exegese dagegen ist ohne weltanschauliche Vorannahmen nicht möglich.

Andreas hat geschrieben: Wie stellst du dir das eigentlich vor? Eine Wissenschaft die arbeitet, als ob es Gott gäbe?
Wie gesagt: Exegese, also Auslegung der Bibel, ist streng genommen keine Wissenschaft. Denn Wissenschaft kann nicht darüber entscheiden ob es Gott gibt oder nicht. Sobald sie hier eine Entscheidung trifft und dementsprechend die Texte der Bibel, also die Texte über Gott, auslegt, ist es keine Wissenschaft mehr sondern Glaube. Und ohne eine Entscheidung zu treffen kann ich die biblischen Texte nicht auslegen. Lege z.B. mal "neutral" die Auferstehungsberichte aus.

Andreas hat geschrieben: Dieses "als ob es Gott nicht gäbe" gibt es nicht
Wiki: "Die historisch-kritische Methode ist heute an den Universitäten Standard der theologischen Forschung. Die wissenschaftliche Herangehensweise erfolgt so, als sei Gott nicht existent (etsi Deus non daretur – eine auf Hugo Grotius zurückgehende Formel). Demnach ist der disziplinierte, fachlich geschulte und kritische menschliche Verstand die letzte Instanz in der Frage nach der geschichtlichen Wahrheit."

Ich nenne das nicht "wissenschaftliche Herangehensweise" sondern die Weltanschauung des Atheismus/Naturalismus. Der Mensch ist der Maßstab aller Dinge, einen Gott gibt es nicht.
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#264 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Mi 13. Mär 2019, 13:59

Thaddäus hat geschrieben:
Mi 13. Mär 2019, 12:35
Wissenschaftliche Ergebnisse müssen für vernünftige Menschen, egal welchen Glaubens oder ob Atheist nachvollzogen werden können. Genau das leistet die HKM und genau darum ist sie Wissenschaft und alles andere nicht.
Man kann natürlich "Wissenschaft" so definieren, dass am Ende nur noch die HKE übrig bleibt - aber dann muss dann auch das Opfer kennen, das man damit bringt.

Denn allein das Wort "Vernunft" hat es in sich - Du musst es nur vom Anthropogenen/Anthropozentrischen ins Universale hinüber-definieren und Dein Postulat stimmt nicht mehr. ---- Dann: Was nützt "Wissenschaft", wenn sie bei geistigen Fragestellungen nur noch periphäre Funktion haben kann? ("Ich kann zwar wenig substantiell sagen, aber was ich sagen kann, ist wissenschaftlich")

Um so dreister ist es (was gelegentlich vorkommt), wenn man "methodische Ergebnisse" mit "so war es wirklich vor 2000 Jahren" auf geistige Fragen überträgt (als habe die HKE als SOO definierte Wissenschaft die Kompetenz, die Frage "Was hat Jesus eigentlich vor 2000 Jahren gemeint und gedacht?" beantworten zu können).

Es ist nicht so einfach, wie Du es gerne hättest.

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Andreas
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#265 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Andreas » Mi 13. Mär 2019, 14:12

Roland hat geschrieben:
Mi 13. Mär 2019, 12:40
Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
Mi 13. Mär 2019, 12:40
Wikipedia: "Die alt- und neutestamentlichen Schriften sieht die Redaktionsgeschichte als Werke verschiedener Redaktoren an, die sie mit jeweils bestimmten theologischen Interessen komponiert haben."
Das ist ziemlich gut nachvollziehbar und plausibel anhand vieler Texte und der darin dargestellten unterschiedlichen Gottesbilder begründet. Was sich wissenschaftlich nicht begründen lässt, ist, dass die Bibel von Gott inspiriert ist. Die redaktionelle Fortschreibung mancher Texte der Bibel schließt eine Inspiration durch Gott ja nicht aus. Du machst daraus ein entweder - oder. Was spricht gegen ein sowohl - als auch?
Nichts. Laut HKM ist göttliche Inspiration jedoch ausgeschlossen, die Texte werden ausgelegt, als ob es Gott nicht gäbe und er an ihnen nicht gewirkt hat. Vielleicht haben die Texte geringfügige Veränderungen erfahren, der Direktor des Instituts für neutestamentliche Textforschung in Münster, Holger Strutwolf sagt jedenfalls:

"Als Textkritiker ist zu sagen, dass die handschriftliche Überlieferung des neutestamentlichen Textes sehr treu und im Wesentlichen zuverlässig erfolgt ist, so dass man mit großer Zuversicht sagen kann, dass von textkritischer Seite keine Bedenken bestehen, dass der Text willentlich und grundsätzlich von späteren Tradenten verfälscht worden sein könnte."
Lass uns doch erst einmal den Begriff HKM gemeinsam verstehen, d.h. so dass wir beide damit das gleiche meinen, was die universitäre Theologie darunter versteht.
Dein Satz: "Laut HKM ist göttliche Inspiration jedoch ausgeschlossen ..." kann so einfach nicht stimmen. Solche Sätze liest man nur von Ideologen, die etwas verschleiern, Menschen entmenschlichen, aus ihren Gleichungen entfernen wollen. Eine Methodik kann nicht sprechen. Dieser Satz ist also schon formal nonsens.
Das ist ein Strohmann. Es macht keinen Sinn gegen Strohmänner zu argumentieren, sondern nur sie als Strohmänner zu entlarven und sich selbst davon zu distanzieren. Dann fällt er demjenigen auf die Füße, der ihn in die Welt gesetzt hat und blamiert ihn. Kein Aspekt des Methodenapparates stellt auch nur eine Frage nach einer göttlichen Inspiration. Deshalb kann niemand aufgrund dieser Methode zu so einer Aussage kommen.

Was Holger Strutwolf sagt ist richtig, weil er sich auf die Handschriften in hebräischer, aramäischer und griechischer Sprache bezieht. Wenn du das so verstehst, als ob die Überlieferung "der Bibel" bis zu deiner deutschen Übersetzung reichen würde, bist du im Irrtum, denn da ist eben anhand der Textkritik nachweisbar, dass der deutsche Text "der Bibel" verfälscht worden ist. Ich nannte dir das Beispiel, dass in fast allen deutschen Übersetzungen der Name "Adam" in Gen 2-3 auftaucht, obwohl in den hebräischen Handschriften "Mensch" steht.

Ein anderes Beispiel ist das hebräische eretz das Land bedeutet, was in den deutschen Übersetzungen meist mit Erde übersetzt wird. Erde als Erdboden ist im hebräischen Adamah, dafür gibt es dieses anderes Wort. Für das was du unter Erde verstehst, wenn du liest: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde" oder "Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde" gab es zur Zeit der Abfassung nicht einmal eine Idee oder Vorstellung, weil niemand den Planeten Erde als solchen - wie du heute - kannte, und deshalb gab es auch kein Wort dafür. Die biblische Sintflut betrifft nicht "die Erde" sondern das Land oder ein Land und dann stellt sich womöglich die Frage "Welches Land?" hier gemeint sein könnte.

Das ist ein historischer Fakt. Deswegen ist jeder, der einen Text mit der historisch-kritischen Methode auslegt, angehalten, aus dem originalsprachigen Text, selbständig eine Übersetzung anzufertigen. Das ist ein gutes Beispiel dafür, was mit historischer Rückbindung gemeint ist, einem der Ziele, die man mittels der historisch-kritischen Methode erreichen will.

Drittes Beispiel wäre die Textverfälschung von JHWH zu HERR bei der Übersetzung. Im hebräischen bedeutet JHWH nicht HERR - und jeder weiß das. Als viertes Beispiel kann man anführen, dass das deutsche AT bei der Übersetzung frei von sämtlichen Messiassen gehalten wird, damit es für die Christen in "der Bibel" nur einen einzigen Messias, nämlich Christus gibt. In den Texten des AT gibt es viele ganz konkrete Messiasse aber unser Christus lässt sich darin nicht wissenschaftlich nachweisen. Unser Christus im AT ist ein späteres theologisches Konstrukt von uns Christen, das jüdische oder islamische Theologen nicht machen. Das belegt die Religionswissenschaft, welche damit auch ein Aspekt der HKM ist, und eine Fragestellung der Traditionskritik ist.

Solche Textverfälschungen bei dem Vorgang des Übersetzens gibt es in Masse. Von wegen: "die Bibel" die du in deinen Händen hältst wäre ohne Verfälschungen tradiert. Jedenfalls wirkt Gott bei den deutschen Übersetzungen offensichtlich nicht als Anwalt des Textes mit - oder er tut es eben auf diese Weise, dass er die historisch-kritische Methode in die Geschichte rief. Denn auf ihre Art und Weise, leistet diese wissenschaftliche Methode ihren Beitrag dazu, Anwalt des Textes zu sein, und für eine unverfälschte Tradierung bis zu dir, dem "Endverbraucher" zu sorgen. Sie ist also das Gegenteil von Bibelkritik. Sie wird aber so zur Kirchenkritik - ob sie will oder nicht - denn für die deutschen Bibelübersetzungen sind kirchliche Institutionen verantwortlich und diese fälschen hier nachweislich wider besseres Wissen Texte der Bibel. Das ist übrigens auch eine Form der Redaktionskritik, weil Übersetzungen auch ein Form der Redaktion sind.

Du siehst: wenn man sich die HKM an konkreten Beispielen anschaut, ergibt sich ein ganz anderes Bild von ihr.

PeB
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#266 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von PeB » Mi 13. Mär 2019, 15:41

closs hat geschrieben:
Mi 13. Mär 2019, 11:41
Davon abgesehen: Archäologie sehe ich sehr wohl AUCH als Naturwissenschaft (Datierung, Erdschichten-Feststellung, etc.) - aber natürlich hauptsächlich als geisteswissenschaftlich.
Das kannst du so sehen, ist aber falsch. ;)
Datierung mittels naturwissenschaftlicher Methoden wird NICHT von Archäologen vorgenommen, sondern von Physikern in entsprechenden Laboren; in diesem Fall fungiert also die Physik als Hilfswissenschaft der Archäologie (auch wenn die Formulierung dem einen oder anderen Physiker wehtut). Es ist nur ein Märchen, dass Archäologen - wie Indiana Jones - ein Westentaschenlabor für Untersuchungen dabei haben.
Was die Stratigraphie angeht, hast du insofern recht, dass die Methode eine naturwissenschaftliche ist (aus der Geologie), aber sie wird auf Kulturschichten angewandt; ob sie damit noch als "naturwissenschaftliche Methode" bezeichnet werden soll, weiß ich nicht so recht - aber sie leitet sich natürlich von der Geologie ab.
Im Übrigen wurde an meiner Uni den Archhäologiestudenten auch empfohlen, ein naturwissenschaftliches Nebenfach zu belegen. In meinem Fall war das die Geologie, andere haben beispielsweise Archäometrie belegt (womit die Datierungsfragen abgedeckt sind).

Noch zwei Sätze 1. zum Wesen der Archäologie und 2. zur Frage archäologischer Datierung:
1.
An manchen Lehrstühlen wird die Archäologie (Vor- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie, Vorderasiatische...) als reine Altertumswissenschaft gelehrt; Schwerpunkt ist dann die Sammlung, Katalogisierung sowie qualitative und quantitative Auswertung von Funden und Befunden - primär zu musealen Zwecken. Voraussetzung für diese Herangehensweise ist eine ausgesprochen intensive Beschäftigung mit dem Fundmaterial im Detail mit dem Ziel einer exakten Typologisierung.

An anderen Instituten, wie zB. dem, an dem ich studiert habe, wird die Archäologie als historische Wissenschaft verstanden, die den Schwerpunkt hat, Geschichte zu rekonstruieren. Der Unterschied zur klassischen Geschichtswissenschaft liegt lediglich in der Art der Quellen; während der Historiker primär Schriftquellen in Aktenarchiven bearbeitet, widmet sich der (historische) Archäologe dinglichen Quellen im Bodenarchiv. Voraussetzung für diese Ausrichtung ist ein sehr guter Gesamtüberblick über großflächige Zusammenhänge mit dem Ziel der Rekonstruktion einer gesamteuropäischen Vorgeschichte (im Falle der Vor- und Frühgeschichte).

2.
Als Datierungsmethoden in der Archäologie sind vor allem die naturwissenschaftlichen bekannt und populär. Genannt wurde ja schon C-14, daneben kann man noch nennen Thermolumineszenz oder - ganz wichtig - Dendrochronologie. Letztere wird zunehmend bedeutender, einfach auch weil die Zahl prähistorischer und historischer Hölzer zunimmt, die im Laufe der Zeit untersucht wurden. Dadurch wird diese extrem exakte Datierungsmethode immer flächendeckender und wichtiger. Mit der Dendrochronologie lässt sich ein Fundstück (Holz mit Jahrringen) beispielsweise auf ein so genaues Datum wie Winterhalbjahr 2753 v. Chr. datieren. Tolle Sache, nur leider ausschließlich anwendbar auf Holz mit Jahresringen und nicht überall verfügbar.

Am zuverlässigsten und flächendeckensten bislang ist aber die klassische archäologische Datierung auf der Grundlage der Typologisierung von Fundgegenständen. Die Keramikanalyse und Keramikchronologie hat sich hier besonders bewährt: Keramik ist ein Fundgut mit relativ kurzer Lebensdauer (ein Keramikgefäß geht nach wenigen Jahren, spätestens nach Jahrzehnten zu Bruch), daher bilden sich dort wechselnde Gestaltungsmoden auch in diesen kurzen Zeiträumen ab. Somit erlaubt eine gute Keramikanalyse für Zeitabschnitte in der Vorgeschichte Datierungen im Jahrzehnt-Bereich (etwa: 2550 v.Chr. +/- 30 Jahre).

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#267 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Mi 13. Mär 2019, 15:54

PeB hat geschrieben:
Mi 13. Mär 2019, 15:41
Das kannst du so sehen, ist aber falsch.
NAchdem Du Archäologe bist, glaube ich Dir das natürlich - andererseits bringst Du im folgenden Infos, dass das Naturwissenschaftliche schon reinspielt. "Physik als Hilfswissenschaft der Archäologie" finde ich perfekt - genau so meine ich es.

Übrigens: So gesehen halte ich die HKE für eine Hilfswissenschaft der Theologie.

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#268 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Andreas » Mi 13. Mär 2019, 18:18

Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Sobald es aber ans Auslegen dieser Texte geht (Exegese), ist dies nicht mehr voraussetzungslos möglich. Die HKE tut es "als ob es Gott nicht gäbe" und die Ergebnisse sind dementsprechend.
HKE, Historisch-kritische Exegese ist wieder so ein etwas unklarer Begriff an dem wir uns noch reiben.

Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Andreas hat geschrieben: Die HKM ist noch keine Exegese, sondern lediglich die Vorarbeit für eine Exegese
Nochmal Wikipedia:
"Die historisch-kritische Methode […] hat zum Ziel, einen (biblischen) Text in seinem damaligen historischen Kontext zu verstehen und schließlich auszulegen."
Also Vorarbeit und Exegese.
Jain. Bei dir klingt das immer so, als sei die die HKE die "Tochter" der "Mutter" HKM. Es ist aber umgekehrt. Was eine Exegese zu einer historisch-kritischen Exegese macht, ist, dass darin die historisch-kritische Methode zur Anwendung kommt. Die Mutter ist also die HKE und die Tochter die HKM. Das hat jetzt erstmal gar nichts, mit Theologie und der Bibel zu tun, weil eine historisch-krititsche Exegese auf jeden Text - auch auf einen nicht biblischen Text gleichermaßen anwendbar ist. Deshalb ist es falsch, sowohl der HKE als auch der HKM zu unterstellen, dass sie so täte, als ob es Gott nicht gäbe. Das macht bei einem anderen, nicht biblischen Text ja keinen Sinn. Hier wie dort wäre eine solche Vorannahme unwissenschaftlich, und deshalb gibt es sie auch nicht: das ist ein Strohmann. Eine Exegese ist die Auslegung EINES Textes.

Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
So 10. Mär 2019, 19:40
Exegese dagegen, also Auslegung der biblischen Texte, geht nicht voraussetzungslos, wie selbst Bultmann klar einräumt: "Voraussetzungslose Exegese kann es nicht geben".
Das stimmt ja auch. Aber Bultmann sagt meines Wissens nicht, dass die einzig vernünftige Voraussetzung die wäre, so zu tun, als ob es Gott nicht gäbe. Es sei denn, du kannst das belegen.
Natürlich kann man das belegen. Weil es elektrisches Licht und Radioapparate und die moderne Medizin gebe, könne man nicht mehr an Geister und Wunder glauben, schreibt er in "Neues Testament und Mythologie" S. 18. Also nur an die Naturgesetze und max. an einen Gott, der nichts tut.
Diese kurzschlüssigen Argumente kann man ihm, als jemand der im 19. Jahrhundert geboren ist, verzeihen. Heutige Philosophen wissen, dass die messbare Seite der Welt nicht die Welt ist.
Deinen angeblichen Beleg hast du dir aber fein zusammengebastelt. Von Exegese steht da kein Wort und dieses Wort kommt in "Neues Testament und Mythologie" kein einziges Mal vor. Willst du mich arglistig hinters Licht führen mit deiner Art zu zitieren? Wenn du Bultmann zitierst dann bitte korrekt und nicht sinnentstellend: Das Zitat deiner angeblichen Quellenangabe lautet nämlich anders und steht in einem anderen Zusammenhang als du hier den Anschein erwecken willst:
Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben(16).
Du hast ein falsches Zeugnis über Bultmann abgelegt. Wir halten fest: Du hast das von dir Behauptete, nämlich, dass die Voraussetzung der historisch-kritischen Exegese wäre, so zu tun "als ob es Gott nicht gäbe" NICHT mit Bultmann BELEGT sonder etwas zusammengelogen. Tut mir echt leid, dass ich uns Christen immer so blamieren muss. Wirklich. Aber wer permanent vorgibt die Wahrheit zu verkündigen, der muss in allen Dingen wahrhaftig sein (Lk 16,10).


Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Andreas hat geschrieben:Dank HKM kann es heute keine Bibelfälscher mehr geben - ohne dass sie dabei auffliegen.
Für Teile der HKM mag das stimmen. Aber historisch-kritsche Exegese IST Bibelfälschung. Die Bibel ist das Buch, das von Gottes Handeln berichtet. Sie so auszulegen, als gäbe es diesen Gott gar nicht - und damit die Intention der Autoren zu missachten - erfüllt den Tatbestand der Fälschung, da hat Klaus Berger vollkommen recht.
Nein. Berger hat nicht recht, weil bei ihm das Wort Bibelfälschung reine Polemik und marketingträchtige Effekthascherei ist. Ihn stört es ja nicht, wenn die Texte der Bibel verfälscht werden, was bei den Handschriften dank HKM nicht mehr geht, und auch nicht die Textfälschungen bei den Übersetzungen der kirchlich verantworteten deutschen Bibelausgaben, welche auch Bergers konservative Theologie biblisch "untermauern" helfen. Wogegen er sich wendet, sind einfach andere modernere christliche Theologien als seine eigene konservative, wobei ausgerechnet bei Berger nicht klar ist, wieso er, der nie aus der katholischen Kirche ausgetreten sei, eine Professur an einer evangelischen Fakultät inne hatte. Dennoch schätze ich manche Arbeiten von ihm sehr. Es stört mich nicht, wenn Berger, du oder irgendjemand für seine konservative Theologie eintritt, es stört mich aber sehr, wenn andere Theologien mit unlauteren Mitteln angegriffen werden.

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Andreas
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#269 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Andreas » Mi 13. Mär 2019, 21:09

Mal ein wenig Primärliteratur kann und soll niemandem schaden:
Bultmann, Rudolf: Ist voraussetzungslose Exegese möglich. Aus Theologische Zeitschrift 13, 1957, S. 409-417 hat geschrieben:Die Frage, ob voraussetzungslose Exegese möglich ist, muß mit Ja beantwortet werden, wenn "voraussetzungslos" meint: ohne daß die Ergebnisse der Exegese vorausgesetzt werden. In diesem Sinne ist voraussetzungslose Exegese nicht nur möglich, sondern geboten. In einem anderen Sinn ist freilich keine Exegese voraussetzungslos, da der Exeget keine tabula rasa ist, sondern mit bestimmten Fragen bzw. einer bestimmten Fragestellung an den Text herangeht und eine gewisse Vorstellung von der Sache hat, um die es sich im Text handelt.
...
2. a) Von der Frage der Voraussetzungslosigkeit im Sinne der Vorurteilslosigkeit ist die Frage der Voraussetzungslosigkeit in jenem anderen Sinn zu unterscheiden, und in diesem Sinne ist zu sagen: voraussetzungslose Exegese kann es nicht geben. Daß es sie faktisch deshalb nicht gibt, weil jeder Exeget durch seine Individualität im Sinne seiner speziellen Neigungen und Gewohnheiten, seiner Gaben und seiner Schwächen bestimmt ist, hat keinen grundsätzlichen Charakter. Seine Individualität in diesem Sinne soll er gerade ausschalten und sich zu einem rein sachlich interessierten Hören erziehen. Unabdingbare Voraussetzung aber ist die historische Methode in der Befragung der Texte. Exegese ist ja als Interpretation historischer Texte ein Stück Geschichtswissenschaft.
Hervorhebungen von mir.

Tja, da sieht das alles gleich ganz anders aus, als es meist, aus dem differenzierenden Zusammenhang gerissen, als Strohmann in die Welt hinausposaunt wird. So nicht, lieber Roland. Ich habe viele theologische Bücher griffbereit und falls mal das passende nicht parat ist, prüfe ich's halt anderweitig und wenn ich bis in die Staatsbibliothek laufen muss. Letztmalig die Bitte an dich. Wenn schon, dann anständig mit Quellenangabe zitieren.

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Münek
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#270 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Münek » Mi 13. Mär 2019, 23:40

@ Andreas

Den Inhalt der von Dir zitierten Sätze von Rudolf Bultmann sollte sich auch unser liebe CLOSS dringendst zu Gemüte führen.

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