Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Rund um Bibel und Glaube
Roland
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#241 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Roland » Di 12. Mär 2019, 12:39

Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Ja, die Redaktionskritik geht davon aus, dass wir nicht die ursprünglichen Texte haben, sondern dass die Texte von einem oder mehreren "Redaktoren" überarbeitet wurden.
Nö. Die Redaktionskritik ist ein Methodenschritt in der historisch-kritischen Methode. Manche Theologen halten das für wahrscheinlich, wissen aber: nix genaues weiß man nicht.
Wikipedia: "Die alt- und neutestamentlichen Schriften sieht die Redaktionsgeschichte als Werke verschiedener Redaktoren an, die sie mit jeweils bestimmten theologischen Interessen komponiert haben."
Christen sehen diese Schriften eben nicht als rein menschlich-interessengeleitete "Kompositionen" sondern als von Gott inspiriert an.
Es ist eben einfach eine Frage, ob man an Gott glaubt oder nicht.

Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Auch so eine Annahme der HKM, die konservative Theologen skeptisch sehen.
Die historisch-kritische Methode schreibt niemandem vor eine bestimmte Annahme zu treffen. Manche Theologen nehmen dies an, andere jenes. So geht uns Christen der Gesprächsstoff nicht aus. Ist doch fein.
Genau, ich fordere ja auch nicht, man möge die historisch-kritische Bibelforschung einstellen. Aber man muss drüber reden. Sie liefert Ergebnisse "als ob es Gott nicht gäbe".

Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben: Eben. Es macht bei der HKM keinen Unterschied und deswegen gibt es auch die angebliche aber von dir dennoch behauptete Voraussetzung bei der HKM nicht.
Falsch. Es macht bei der Textkritik keinen Unterschied. Die HKM, so schrieb ich dir schon vor über einem Jahr (siehe Link im Beitrag v. 16:33h), ist in Teildisziplinen aufgeteilt.
Und das war schon vor einem Jahr falsch. Die HKM ist eine Teildisziplin der Theologie. In der historisch-kritischen METHODE gibt es klar definierte Methodenschritte, die nach Möglichkeit stur abgearbeitet werden sollen, wenn man sich EINEN bestimmten Text vornimmt.
Wiki: "Wichtige Teildisziplinen der historisch-kritischen Methode sind die Textkritik, die Textanalyse, die Redaktions-, Literar-, Form- und die Traditionskritik." Und die Teildisziplin "Textkritik" ist weitgehend neutral und voraussetzungslos zu betreiben. Sammlung, Sichtung und Vergleich der Handschriften mit dem Ziel die ursprünglichen Texte zu rekonstruieren. Sobald es aber ans Auslegen dieser Texte geht (Exegese), ist dies nicht mehr voraussetzungslos möglich. Die HKE tut es "als ob es Gott nicht gäbe" und die Ergebnisse sind dementspreched.

Andreas hat geschrieben: Die HKM ist noch keine Exegese, sondern lediglich die Vorarbeit für eine Exegese
Nochmal Wikipedia:
"Die historisch-kritische Methode […] hat zum Ziel, einen (biblischen) Text in seinem damaligen historischen Kontext zu verstehen und schließlich auszulegen."
Also Vorarbeit und Exegese.

Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Exegese dagegen, also Auslegung der biblischen Texte, geht nicht voraussetzungslos, wie selbst . klar einräumt: "Voraussetzungslose Exegese kann es nicht geben".
Das stimmt ja auch. Aber Bultmann sagt meines Wissens nicht, dass die einzig vernünftige Voraussetzung die wäre, so zu tun, als ob es Gott nicht gäbe. Es sei denn, du kannst das belegen.
Natürlich kann man das belegen. Weil es elektrisches Licht und Radioapparate und die moderne Medizin gebe, könne man nicht mehr an Geister und Wunder glauben, schreibt er in "Neues Testament und Mythologie" S. 18. Also nur an die Naturgesetze und max. an einen Gott, der nichts tut.
Diese kurzschlüssigen Argumente kann man ihm, als jemand der im 19. Jahrhundert geboren ist, verzeihen. Heutige Philosophen wissen, dass die messbare Seite der Welt nicht die Welt ist.

Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Doch, schreibst du doch selbst: Redaktionsgeschichte! Diese Teildisziplin der HKM wird hier sagen: "Gottes Sohn" ist später eingefügt worden. Konservative Theologen: Dass diese Bezeichnung in einigen Handschriften ausgelassen wird, zwingt nicht zu diesem Schluss.
Was soll nun dieser Quatsch schon wieder? Die HKM sagt gar nichts. Menschen sagen etwas.
Wie nett, dass du mich drauf hinweist, ich dachte Methoden können reden… :lol:

Andreas hat geschrieben: Auf der einen Seite deiner Gleichung steht "eine Teildisziplin der HKM" und auf der anderen Seite konservative Theologen. Du vergleichst Äpfel mit Birnen. Erstens unterstellst du, dass sich konservative Theologen generell nicht mit der HKM und der darin enthaltenen Redaktionskritik beschäftigen würden,
Absolut nicht, sie sehen vieles davon aber zurecht kritisch.

Andreas hat geschrieben: …zweitens, dass "die Teildisziplin der HKM" sagen würde, dass es ein zwingender Schluss wäre, dass "Gottes Sohn" später eingefügt worden wäre. Letztere Position (zwingender Schluss) vertritt meines Wissens kein ernsthafter Theologe.
Vielleicht nicht so plump aber es wird oftmals durchaus, wie Josef Ratzinger es mal formuliert hat, "mit der Gebärde hoher Wissenschaftlichkeit" argumentiert und der Glaube an den lebendigen, handelnden Gott wird als "Fundamentalismus" abgetan.

Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Zur HKM gehört auch die historisch-kritische Exegese, also Auslegung der Texte!

Wikipedia:
"Die historisch-kritische Methode ist ein im 18. und 19. Jahrhundert entwickelter Methodenapparat zur Untersuchung von historischen Texten. Bekannt ist sie vor allem aus der biblischen Exegese. Sie hat zum Ziel, einen (biblischen) Text in seinem damaligen historischen Kontext zu verstehen und schließlich auszulegen."
Und das verstehst du also so, als wäre die biblische Exegese ein Teil der historisch-kritische Methode?
Nochmal: Die HKM hat zum Ziel einen (biblischen) Text zu verstehen und schließlich auszulegen (Exegese). Was kann man daran falsch verstehen?

Andreas hat geschrieben:Steht da nicht viel mehr, dass die historisch-kritische Methode vor allem aus der biblischen Exegese bekannt ist?
Was doch an ihrem Ziel nichts ändert. Die historisch-kritische Exegese ist Teil der historisch-kritischen Methode.

Andreas hat geschrieben:Könnte es sein, dass die biblische Exegese viele Jahrhunderte älter ist als die HKM?
Ja natürlich wurde die Bibel schon Jahrhunderte vorher ausgelegt. Auch das ändert doch nichts daran, dass zur historisch-kritischen Methode die historisch-kritische Auslegung der Texte gehört.

Andreas hat geschrieben:Könnte es sein, dass es biblische Exegesen gibt, die sich nicht der HKM bedienen?
Ich denke die meisten bedienen sich derjenigen Teildisziplinen der HKM, die voraussetzungslos betrieben werden können. Aber nicht alle legen die Bibel so aus, als ob Gott nichts sagt und nichts tut und alles nur Menschenwerk ist und jedes göttliche Handeln irgendwie in die Psyche der Autoren verlegt werden sollte.

Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Ich stritt hier ursprünglich mit Atheisten, du streitest doch gegen den Glauben anderer Christen, in dem Fall gegen meinen!
Nö. Warum halten mich manche Christen für einen atheistischen Glaubens-Zerstörer, wenn ich mich für den Glauben anderer Christen einsetze? Wenn jeder Christ sein Gottesbild von allen anderen Christen und ihren Gottesbildern angegriffen wähnt, geht das Christentum mit Sicherheit vor die Hunde.
Wenn jemand sagt, Jesus sei nicht Gottes Sohn sondern nur ein irrender Wanderprediger und er sei auch nicht wirklich auferstanden und er habe auch keine wirklichen Wunder getan, würdest du den noch als Christen bezeichnen? Also als jemanden, der an den Christus (also den Retter) glaubt?

Andreas hat geschrieben:Dank HKM kann es heute keine Bibelfälscher mehr geben - ohne dass sie dabei auffliegen.
Für Teile der HKM mag das stimmen. Aber historisch-kritsche Exegese IST Bibelfälschung. Die Bibel ist das Buch, das von Gottes Handeln berichtet. Sie so auszulegen, als gäbe es diesen Gott gar nicht - und damit die Intention der Autoren zu missachten - erfüllt den Tatbestand der Fälschung, da hat Klaus Berger vollkommen recht.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

PeB
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#242 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von PeB » Di 12. Mär 2019, 13:13

closs hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 10:44
PeB hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 09:03
Wie unterscheide ich denn "Natürliches" von "Übernatürlichem", außer durch meinen persönlichen oder den allgemein gültigen Erkenntnisstand?
Über Naturwissenschaft. - Natürliches ist falsifizierbar - das ist die objektive Ebene.
...in einer subjektiven Welt... ;)
Wie sieht es denn mit den Selbtsheilungskräften (siehe unten) aus. Nicht falsifizierbar. Sind sie also übernatürlich? Nein, sie sind einfach nicht ausreichend erforscht und der derzeitige Erkenntnisstand erlaubt uns keine definitive Aussage zu solchen Vorgängen.
Daher halte ich die Trennung zwischen "übernatürlich" und "natürlich" zwar für prinzipiell gegeben, aber nicht für praktisch handhabbar, da sich der Erkenntnisstand ändert und wir nicht immer wissen, in welche Richtung. Anders ausgedrückt: was wir bereits heute wissen, reicht nicht aus, um die Wirklichkeit vollständig zu beschreiben. Zu einer vollständigen Beschreibung der Wirklichkeit ist auch das vonnöten, was wir zukünftig erfahren werden - und womöglich auch einiges, was wir bereits vergessen oder verdrängt haben.
Kann mir Jemand die Wirklichkeit meines Gottes eigentlich falsifizieren?

closs hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 10:44
PeB hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 09:03
War die menschliche Fähigkeit zu Fliegen oder elektrisches Licht vor 300 Jahren bereits etwas Natürliches oder eher etwas Übernatürliches.
Es wurde teilweise subjektiv möglicherweise als Über-Natürliches verstanden - das ist kein Maßstab.
Dann ist auch kein Maßstab, was wir heute - auf dem moementanen Forschungsstand - als übernatürlich oder natürlich bezeichnen. Offenbar ist die Beurteilung, ob etwas natürlich oder übernatürlich ist, abhängig von meiner subjektiven Erfahrung in Form meines Erkenntnisstandes.

closs hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 10:44
PeB hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 09:03
ist das, was heute noch als "übernatürlich" gilt, morgen vielleicht schon "natürlich"?
Subjektiv mal so, mal so. - Deshalb sollte man "natürlich" und "übernatürlich" objektivieren.
Ich will kein Fass aufmachen, aber die "objektive Welt" ist eine verabredete Welt auf der Basis allgemein anerkannter Erkenntnisse, dargestellt in verabredeten Werten. Darüber hinaus nimmt jeder einzelne Mensch "seine Wirklichkeit" mit seinen Sinnen subjektiv wahr. Eine Objektivierung eines Sachverhaltes ist beispielsweise: Rot ist die Farbe elektromagnetischer Wellen mit einer Wellenlänge oberhalb 600 nm. Damit kann sich beispielsweise auch ein Rot-Grün-Blinder abfinden. Er selbst nimmt diese Frequenz allerdings subjektiv anders wahr als ein Nicht-Rot-Grün-Blinder - wobei eigentlich die grundsätzliche Frage auftaucht, ob nicht jeder Mensch rot anders wahrnimmt als sein Gegenüber... :o

Objektivierung heißt de facto Konsensbildung.

closs hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 10:44
Ja - weil bei Jesus einen ganz spezifischen Glauben meint. - In Deinem Beipsiel geht es mehr in Natürliches hinein - allerdings ist da die Abgrenzung zu Spirituellem schwer definierbar.
Sic!
Und je nach Standpunkt und Perspektive kann diese Abgrenzung noch schwieriger oder auch einfacher sein. Das hängt von der subjektiven Wirklichkeit ab. ;)

PeB
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#243 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von PeB » Di 12. Mär 2019, 14:00

Andreas hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 11:14
Ich unterscheide zwischen Glaube und Wissenschaft und du sagst "Richtig" - um es im nächsten Satz wieder in einen Topf zu werfen?
Ich glaube, die Dissonanz entsteht hier (für mich? für uns?) dadurch, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit einem religiösen Werk dem Glaubenden im Zweifelsfall eine Entscheidung abverlangt oder ihn dazu zwingt, ein und denselben Sachverhalt in den beiden Kontexten im ungünstigen Fall gegensätzlich zu bewerten. ;)
Ich kann beispielsweise an die "Inspiriertheit" der Bibel insofern glauben wollen, dass ich die Aussagen im NT für wahrheitsgemäß halte. Ich kann versuchen mich gleichzeitig wissenschaftliche-historischer Forschung zu öffnen. Unter Umständen entsteht eine Diskrepanz und für mich entweder die Entscheidungsfrage oder die Differenzierung auf zwei unterschiedliche Standpunkte - was man grob fahrlässig auch als schizophren bezeichnen könnte.
Deshalb habe ich das Beispiel der Vorhersage der Tempelzerstörung genannt. Nicht etwa, weil ich der HKM unterstellen wollte, das eine oder das andere zu sagen, sondern um eine grundsätzliche Frage aufzuwerfen: kann ich dem Wort vertrauen, dass Jesus diese Voraussage tatsächlich so getätigt hat? Wenn ich mir dagegen die (wissenschaftlich begründete) Spätdatierung anschaue, besteht kein Grund an die Vorhersage eines zum Zeitpunkt der Abfassung des Textes bekannten Ereignisses zu gleuben.
Ich hoffe, du verstehst, worauf ich hinaus will.

Andreas hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 11:14
Die Geschichtswissenschaft arbeitet nicht mit Vertrauen oder Misstrauen, sondern historisch-kritisch, was historisch vergleichend, unterscheidend bedeutet.
Da ich selbst Geschichtswissenschaftler bin, verstehe ich was du sagst. ;)
Ich bin aber auch Christ.
Insofern: mit den Elchen ohne Kniegelenke habe ich hinsichtlich der Einordnung keine Probleme. Die Dissonanz - wie ich es oben genannt habe - entsteht durch die zweifache Sicht aus jeweils unterschiedlicher Perspektive auf die Bibel. Das sollte verständlich sein.

Andreas hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 11:14
Du hast doch verlangt, dass man die Bibeltexte in der Wissenschaft nicht anders bewerten sollte, wie alle anderen antiken Texte. Jetzt machst du daraus ja wieder eine Frage von Vertrauen und Misstrauen. Sehr inkonsequent deine Argumentation.
Ja vielleicht. Weil ich hier in der Bredouille bin. :)
Ich glaube, ich spreche hier zwei Punkte an, die du vielleicht auch nachvollziehen kannst:
1. meine persönliche Problemstellung als Wissenschaftler UND Christ in Bezug auf die Bibeldeutung.
2. Mein Missbehagen bei manchen wissenschaftlichen Bibeldeutungen, denen man eine atheistische Parteinahme anmerkt. Wenn beispielsweise eine Quelle gegen eine andere ausgespielt wird, ohne dass dafür ein objektiver Grund vorliegt oder auch wenn aus dem (momentanen) Fehlen von Belegen für einen Sachverhalt eine der Aussage entgegengesetzte Schlussfolgerung gezogen wird, anstatt die Frage zunächst offen zu lassen.

Mag sein, dass ich in meiner Kritik hier unzulässig verallgemeinert habe und über das Ziel hinausgeschossen bin. Da hast du mich ja gut wieder eingefangen. Danke dafür. :)

Ich glaube, ich kann dir ein Beispiel für vorschnelle wissenschaftliche Schlüsse aus meiner eigenen Dissertation liefern. Ich habe mmich dort mit einer bronzezeitlichen Kulturgruppe beschäftigt, deren Trägern infolge des Fehlens von Siedlungsbelegen unterstellt wurde, sie seien nomadisierend. Natürlich kann man diesen Gedanken als Arbeitshypothese in den Ring werfen. Aber die Mehrheit der über dieses Thema forschenden hatte die Klassifizierung zu einer nomadischen Kultur seit den dreißiger Jahren zur Lehrmeinung erhoben.
Ich habe mich in meiner Arbeit dagegen gewandt und argumentiert, dass die Abwesenheit von Siedlungsbelegen nicht per se ein Beleg für Nomadentum darstellt und vorgeschlagen, die Frage offen zu lassen, bis eindeutige Belege für die eine oder die andere Aussage vorliegen. Ich habe den Umstand der fehlenden Siedlungen auf den Forschungsstand zurückgeführt.
Kaum war meine Arbeit veröffentlicht wurde tatsächlich die erste echte Siedlung dieser Kulturgruppe aufgefunden.

Was ich grob damit sagen will: historische Deutung ist - wie kaum in einer anderen Wissenschaft - extrem vom derzeitigen Forschungsstand abhängig.

Andreas hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 11:14
PeB hat geschrieben:
Mo 11. Mär 2019, 16:24
Das Beispiel Papias' zeigt es ganz gut: ich kann seine Aussagen entweder akzeptieren, zumal er sie ausdrücklich als Wahrheit beschwört, oder ich kann ihnen misstrauen, weil die nachfolgende Kirchengeschichte allemal Anlass zum Misstrauen liefert.
Nach meinem persönlichen Geschmack muss ich sagen, dass ich keinen Anlass sehe, dem Papias (zu diesem frühen Zeitpunkt der Kirchengeschichte) grundsätzlich zu misstrauen. Eher schon dem Eusebius, der Papias zitiert, aber der bei einem Falschzitat mit Reaktionen rechnen musste.
Hier pauschalisierst du wieder unzulässig, denn würdest du beim bello gallico auch so vorgehen wie bei "dem Papias", müsstest du auch das Jägerlatein über die Elche für die Wahrheit halten.
Hier irrst du:
ich kann das offensichtliche Jägerlatein bei Caesar ausblenden und Caesar trotzdem insgesamt für autentisch halten.
Ich möchte ebenso das offensichtliche "Jägerlatein" bei Papias ausblenden dürfen und Papias trotzdem in anderen Belangen als verlässliche Quelle einstufen können.
Hier sehe ich die Ungleichbehandlung zwischen den beiden historischen Quellen - falls Papias wegen seines "Jüägerlateins" grundsätzlich für unglaubwürdig erklärt wird, Caesar aber nicht.

Andreas hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 11:14
PeB hat geschrieben:
Mo 11. Mär 2019, 16:24
Letztlich bleibt es - wie vieles in den Geschichtswissenschaften - eine Wertungsfrage nach persönlicher Abwägung.
So formuliert, stimme ich dir zu. Bei der Auswertung von Quellen in den Geschichtswissenschaften darf aber der persönliche Gottesglaube bei der wissenschaftlichen Abwägung keine Rolle spielen.
Da gebe ich dir wiederum recht. Ich würde Caesar auch nicht nach Glaubensgrundsätzen bewerten.
Die Bibel ist aber nun mal (für mich) nicht nur eine wissenschaftliche Schriftquelle, sondern AUCH (für mich) eine Glaubensgrundlage. Daher die Bredouille.

Andreas hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 11:14
Doch genau so argumentierst du mir gegenüber und versuchst mir und anderen dadurch immer wieder einen christlichen Unglauben zu unterstellen und gehst dabei soweit Worte wie Atombombe und Antichrist in den Mund zu nehmen. Das ist weder christlich noch wissenschaftlich sondern ideologisch.
Nein bitte glaube das nicht. Es hat so gut angefangen bis hierher. :)
Du bist lediglich in die Schusslinie geraten, als ich losgeschossen habe. Nochmals: das tut mir leid.
Oben bereits gesagt: unzulässig verallgemeinert, übers Ziel hinausgeschossen. Darf ich das so stehen lassen?
Mein Angriff (unzulässig verallgemeinert, übers Ziel hinausgeschossen) galt nicht dir, sondern einer von mir unterstellten einseitigen Wissenschaft, vor die du dich schützend gestellt hast und getroffen wurdest. Sorry, sorry, sorry. :(

closs
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#244 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Di 12. Mär 2019, 17:13

PeB hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 13:13
Wie sieht es denn mit den Selbtsheilungskräften (siehe unten) aus. Nicht falsifizierbar. Sind sie also übernatürlich?
Persönlich ist aus meiner Sicht auch nicht alles Natürliche wissenschaftlich greifbar. - Dazu kommt, dass die Trennung von natürlich und über-natürlich lediglich eine Vereinbarung ist - insofern bin ich vermutlich auf Deiner Linie.

PeB hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 13:13
Daher halte ich die Trennung zwischen "übernatürlich" und "natürlich" zwar für prinzipiell gegeben, aber nicht für praktisch handhabbar
Oh - vielleicht doch nicht. - ich sehe es genau umgekehrt: Ontisch gibt es diese Trennung NICHT, auf Wahrnehmungs-/Wissenschafts-Ebene per Vereinbarung sehr wohl.

PeB hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 13:13
Anders ausgedrückt: was wir bereits heute wissen, reicht nicht aus, um die Wirklichkeit vollständig zu beschreiben.
Das ist eh meine Aussage - noch mehr: Allein der Ansatz, dass UNSER Wissen Maßstab dafür wäre, was ist, ist ein lustiger Ansatz.

PeB hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 13:13
Kann mir Jemand die Wirklichkeit meines Gottes eigentlich falsifizieren?
Geht prinzipiell nicht.

PeB hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 13:13
Offenbar ist die Beurteilung, ob etwas natürlich oder übernatürlich ist, abhängig von meiner subjektiven Erfahrung in Form meines Erkenntnisstandes.
"Vereinbarung" fände ich besser. - Denn es gibt sehr wohl subjektive Erkenntnis-Stände zu Übernatürlichem - das Problem: Unter "Erkenntnis" versteht die Wissenschaft nur das, was sie methodisch ermittelt - das Wort und dessen traditionelle Bedeutung ist aber viel älter.

PeB hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 13:13
Ich will kein Fass aufmachen, aber die "objektive Welt" ist eine verabredete Welt auf der Basis allgemein anerkannter Erkenntnisse
genau so.

PeB hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 13:13
Und je nach Standpunkt und Perspektive kann diese Abgrenzung noch schwieriger oder auch einfacher sein.
Wie gesagt: Die Frage, ob es eine ontische Abgrenzung überhaupt gibt, ist gar nicht geklärt.

Im Grunde vertrete ich hier zwei Auffassungen, was aber nicht "schizophren" zu verstehen ist, sondern dem jeweiligen Gegenüber geschuldet ist. - Denen, die sagen "Wirklichkeit ist das, was WIR nachweisen können", sage ich "Ihr Egomanen, die Ihr das, was ist, Eurer menschlichen Kompetenz unterstellen wollt" und setze deshalb entgegen: "Wirklich" ist das, was es auch ohne uns ist.

Wenn wir beide hier reden, kommen wir nämlich in ganz andere Sphären hinein, nämlich die Vermischung von Subjekt (Ich) und Objekt (Geist, Natur) sowie die Vermischung von Geist und Natur - siehe dazu Hand-Peter Dürr:
"Primär existiert nur Zusammenhang, das Verbindende ohne materielle Grundlage. Wir könnten es auch Geist nennen. Etwas, was wir nur spontan erleben und nicht greifen können. Materie und Energie treten erst sekundär in Erscheinung – gewissermaßen als geronnener, erstarrter Geist"

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#245 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Andreas » Di 12. Mär 2019, 19:09

PeB hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 14:00
Ich glaube, die Dissonanz entsteht hier (für mich? für uns? ...)
Uns beide, ja - und ich meine, wir sind nicht die einzigen mit diesem Problem.

Erst mal "Hut ab" für diesen Post im Ganzen. :D Danke dafür.
Ich glaube wir sind jetzt, nachdem wir beide unsere Anfangsschwierigkeiten "überlebt" haben, auf einem guten Weg gegenseitigen Verständnisses.

Ich fühle mich allerdings grade damit etwas überfordert, auf zwei Hochzeiten zu tanzen. Lass mich kurz noch mit Roland versuchen, auf einen Nenner zu kommen, wenigstens was die Begrifflichkeiten rund um die Historisch-kritische Exegese angeht. Nach Aufklärung dieser Missverständnisse können wir vielleicht dieses schwierige Thema sogar zu dritt friedlich betrachten.

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#246 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Thaddäus » Di 12. Mär 2019, 20:31

Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Andreas hat geschrieben:Dank HKM kann es heute keine Bibelfälscher mehr geben - ohne dass sie dabei auffliegen.
Für Teile der HKM mag das stimmen. Aber historisch-kritsche Exegese IST Bibelfälschung. Die Bibel ist das Buch, das von Gottes Handeln berichtet. Sie so auszulegen, als gäbe es diesen Gott gar nicht - und damit die Intention der Autoren zu missachten - erfüllt den Tatbestand der Fälschung, da hat Klaus Berger vollkommen recht.
Haha, ... lustige Logik :lol:
Tatsächlich ist genau wegen dieser Logik für Muslime die historisch-kritische Erforschung des Koran bei Todesstrafe verboten! Denn jede wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Koran unter Absehung der Offenbarung der Wahrheit durch den Propheten ist notwendigerweise Blasphemie.

Gleiches galt bis tief ins Spätmittelalter hinein natürlich auch für die christlichen Offenbarungsschriften, wobei die mittealterlichen Theologen die Weigerung der Juden, den Tischler aus Nazareth als neuen Gott zu verehren, selbstverständlich übel nahmen.
Nach dieser Logik müssen aber selbstverständlich auch die Schriften des Propheten Joseph Smith (nämlich das Buch Mormon), das Totenbuch der Ägypter, die Schriften Gautama Siddhartas genannt Buddha und alle anderen heilgen Texte, die für sich beanspruchen Offenbarungen göttlichen Ursprungs zu sein, als tatsächlich göttliche Ofenbarungsschriften ernst genommen werden. Wohlgemerkt reicht es völlig, wenn ein Autor nur behauptet prophetisch göttlichen Willen kund zu tun, da es schlechterdings keine Möglichkeit gibt, dies mit rationalen Gründen zu bezweifeln, denn genau das wird ja vehement (von dir und closs) abgelehnt. (Das ist doch korrekt, oder?)

Ziemliche Sackgasse würde ich mal sagen ... :lol:

Genau umgekehrt zur hier vorgetragenen Ansicht, war es ein eminenter wissenschaftlicher Fortschritt auf die Beliebigkeit der Behauptung, es würde von irgendwem Offenbarungswissen vorgetragen, keine Rücksicht zu nehmen und die antiken Texte als genau das zu nehmen, was sie sind, - als antike Texte und nichts weiter.

Deine und Clossens Ansicht wird völlig hinreichend widerlegt durch die Tatsache, das schlicht unterschiedliche und sich gegenseitig ausschließende heilige Offenbarungstexte exisitieren und jeder, so es ihm beliebt, behaupten kann, er verfüge über Offenbarungswissen und sei unmittelbares Sprachrohr göttlichen Willens. Es gibt nämlich keine Möglichkeit, solch behauptetes Offenbarungswissen zu bestreiten.

Wissenschaft unterscheidet sich von Nicht-Wissenschaft dadurch, dass sie prinzipiell von jedem vernünftigen Wesen in ihren Ergebnissen grundsätzlich nachvollzogen werden kann, diese Ergebnisse beliebig oft und von beliebigen (fachausgebildeten) Menschen wiederholt werden können und Voraussagen möglich werden. So wurden durch die historisch-kritische Erforschung des AT Textvarianten vorausgesagt, die durch die Funde von Qumran bestätigt wurden (nämlich Jesaja-Text-Varianten, wenn ich mich recht entsinne). Wissenschaftliche Ergebnisse müssen für vernünftige Menschen egal welchen Glaubens oder ob Atheist nachvollzogen werden können. Genau das leistet die HKM und genau darum ist sie Wissenschaft und alles andere nicht.

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#247 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Andreas » Di 12. Mär 2019, 20:53

Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Andreas hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Ja, die Redaktionskritik geht davon aus, dass wir nicht die ursprünglichen Texte haben, sondern dass die Texte von einem oder mehreren "Redaktoren" überarbeitet wurden.
Nö. Die Redaktionskritik ist ein Methodenschritt in der historisch-kritischen Methode. Manche Theologen halten das für wahrscheinlich, wissen aber: nix genaues weiß man nicht.
Wikipedia: "Die alt- und neutestamentlichen Schriften sieht die Redaktionsgeschichte als Werke verschiedener Redaktoren an, die sie mit jeweils bestimmten theologischen Interessen komponiert haben."
Das ist ziemlich gut nachvollziehbar und plausibel anhand vieler Texte und der darin dargestellten unterschiedlichen Gottesbilder begründet. Was sich wissenschaftlich nicht begründen lässt, ist, dass die Bibel von Gott inspiriert ist. Die redaktionelle Fortschreibung mancher Texte der Bibel schließt eine Inspiration durch Gott ja nicht aus. Du machst daraus ein entweder - oder. Was spricht gegen ein sowohl - als auch?
Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Christen sehen diese Schriften eben nicht als rein menschlich-interessengeleitete "Kompositionen" sondern als von Gott inspiriert an.
Manche Christen machen ein entweder - oder daraus, andere ein sowohl - als auch, andere glauben nicht oder nicht mehr an die Inspiration der Bibel durch Gott, und glauben trotzdem an Gott und trotzdem an vieles aber nicht an alles, was in der Bibel steht.
Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Es ist eben einfach eine Frage, ob man an Gott glaubt oder nicht.
Ja. Ist es eine wissenschaftliche Frage ob man an Gott glaubt? Nein. Ist das ein Grund, die Bibel nicht wissenschaftlich zu untersuchen, oder gar davor zu warnen? Ich meine: Nein.
Ich sehe deine gute Absicht für den Glauben dabei. Du machst an solchen Dingen fest, wer drin ist und wer draußen, wie Christen glauben und wie nicht. Aber warum eigentlich?

Roland hat geschrieben: Auch so eine Annahme der HKM, die konservative Theologen skeptisch sehen.
Auch bei diesen sehe ich, dass sie es nur gut meinen.

Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Andreas hat geschrieben:Die historisch-kritische Methode schreibt niemandem vor eine bestimmte Annahme zu treffen. Manche Theologen nehmen dies an, andere jenes. So geht uns Christen der Gesprächsstoff nicht aus. Ist doch fein.
Genau, ich fordere ja auch nicht, man möge die historisch-kritische Bibelforschung einstellen. Aber man muss drüber reden.
Das versuchen wir hier ja gerade. Ich versuche da nur etwas Dampf herauszunehmen.
Roland hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 12:39
Sie liefert Ergebnisse "als ob es Gott nicht gäbe".
Was erwartest du denn von einer wissenschaftlichen Herangehensweise? Weder in Form der Literaturwissenschaft noch in der Form der Geschichtswissenschaft kann die universitäre Theologie Gott untersuchen. Wenn ich mir eine solche Exegese EINES Textes der Bibel anschaue, kann ich deiner Aussage auch nicht zustimmen, weil da andauernd von Gott die Rede ist, weil diese Texte nunmal von Gott handeln. Gott ist mit keiner wissenschaftlichen Methode aus den Texten zu verbannen, denn die Texte sprechen eindeutig für, über und mit Gott.

Roland hat geschrieben:Wiki: "Wichtige Teildisziplinen der historisch-kritischen Methode sind die Textkritik, die Textanalyse, die Redaktions-, Literar-, Form- und die Traditionskritik." Und die Teildisziplin "Textkritik" ist weitgehend neutral und voraussetzungslos zu betreiben. Sammlung, Sichtung und Vergleich der Handschriften mit dem Ziel die ursprünglichen Texte zu rekonstruieren.
Wir beide verwenden unterschiedliche Begriffe für eine Sache: Du Teildisziplinen und ich Methodenschritte. Der Nachteil meines Begriffes ist, dass diese Schritte nicht immer, sogar meistens nicht, nacheinander abzuarbeiten sind, weil sie in unterschiedlicher Weise miteinander in Beziehung stehen. So können Textkritik, Literarkritik, Form- und Traditionskritik der Redaktionskritik Anhaltspunkte liefern und umgekehrt. Auch die historische Geschichtswissenschaft und die Archäologie liefern der Redaktionskritik Anhaltspunkte. Es spielen also auch andere Disziplinen in die HKM mit hinein, die nicht direkt der HKM angehören. Das ist der Nachteil deines Begriffes der Teildisziplinen der HKM. Wollen wir uns vielleicht auf "Teilaspekte" im Methodenapparat der historisch-kritischen Methode (HKM) statt Teildisziplinen und Methodenschritte einigen?

Das ist eben alles nicht so einfach und ein wenig komplex. Alle diese hier erwähnten Disziplinen sind wissenschaftliche Disziplinen und sollten es auch bleiben, meine ich. Wie stellst du dir das eigentlich vor? Eine Wissenschaft die arbeitet, als ob es Gott gäbe? Wäre das noch wissenschaftlich? Dieses "als ob es Gott nicht gäbe" gibt es nicht, weil jemand hinterrücks irgendjemandes Glauben zersetzen wollen würde, sondern weil keine dieser wissenschaftlichen Disziplinen ihrem Wesen nach eine theologische Disziplin ist, die ja davon ausgeht, dass es Gott gibt.

"Die Theologie" hat aber erkannt, dass die biblischen Texte ohne die Rückbindung an die historische Geschichte nur unzureichend zu verstehen sind. Deshalb hat sie diese Disziplinen immer mehr mit ins Boot geholt - vermutlich ohne vollständig zu überblicken, welche Schwierigkeiten sie sich damit einhandeln wird.

Aus Glauben an Gott und Vertrauen in die Bibel gingen einige Theologen mutig diesen Weg weiter, während andere Theologen aus Angst um den Glauben an Gott und Vertrauen in die Bibel verschiedene Oppositionen gegen diese Form der modernen Theologie bildeten. Im Grunde meinen es alle gut und setzen sich für dasselbe ein - nämlich den Glauben an Gott und Vertrauen in die Bibel.

Fortsetzung folgt demnächst in diesem Theater ...

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#248 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Münek » Di 12. Mär 2019, 21:28

closs hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 08:19
Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 00:55
Du hast mich falsch verstanden.
Ich habe Dich schon verstanden, aber Du mich nicht. - Mir geht es nicht um das naturalistische Argument "Die Welt ist halt" da.
"Naturalistisches Argument"? Ist die Welt für einen Gläubigen etwa NICHT existent, wo sie doch von Gott erschaffen worden ist? :lol:

Dass die Welt existiert, ist keine hermeneutische Vorannahme. Die Realität kümmert sich nicht um Setzungen. :thumbup:

closs hat geschrieben:sondern gegen das "nur". - Es ist ein Unterschied, ob man sagt "Jesus ist Mensch" oder "Jesus ist NUR Mensch".
Muslime und Juden sind der Überzeugung, dass Jesus NUR ein Mensch gewesen war. Mit dieser Auffassung schließen sie explizit eine GÖTTLICHKEIT Jesu aus, weil eine solche gegen ihren streng monotheistischen Glauben an nur EINEN Gott verstieße.

Die historisch-kritische Exegese nimmt in dieser Frage einen agnostischen Standpunkt ein. Sie äußert sich weder zur Existenz oder Nichtexistenz Gottes noch zur Göttlichkeit oder Nichtgöttlichkeit ("nur Mensch") Jesu. Das kann sie als wissenschaftliche Diziplin nicht. Deine gegenteilige Unterstellung ist aus der Luft gegriffen und entbehrt jeglicher Grundlage.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 00:55
Sage uns doch einfach, welche Setzung sie hinterfragen soll.
1) NUR Mensch.
Eine solche Setzung gibt es wie gesagt NICHT.

closs hat geschrieben:2) Naturalistische Kontinuität der geschichte.
Zu den überlieferten Wundergeschichten äußert sie sich inhaltlich NICHT. Anders der Theologe Bultmann; nach dessen PERSÖNLICHER Auffassung enthält sich Gott supranaturalistischer Eingriffe.

closs hat geschrieben:3) Rezeptions = Original (das ist verkürzt dargestellt).
Keine Ahnung, was diese Begriffe mit vermeintlichen "hermeneutischen Vorannahmen" der HKE zu tun haben sollen.

closs hat geschrieben:4) Geistiger/spiritueller Text = normaler antiker Text.
Die Bibel wie andere Texte der Antike auszulegen, ist eine Vorgabe der "Päpstlichen Bibelkommission" und hat NICHTS mit einer "hermeneutischen Vorannahme" der HKE zu tun.


closs hat geschrieben:Die HKE muss das nicht hinterfragen, sondern soll sich bewusst sein, dass das Vorannahmen/Grundlagen/Bedingungen/Setzungen sind.
Kommentar überflüssig.

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Münek
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#249 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Münek » Di 12. Mär 2019, 22:51

closs hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 08:19
Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 00:55
Die HKE interpretiert lediglich, dass es Menschen gab, die an die Göttlichkeit Jesu glaubten. Mehr ist nicht drin.
Augenwischerei. - WÄRE es so, würde der Satz heißen "Jesus hatte aus Sicht der damaligen Menschen eine Naherwartung" und nicht "Jesus hatte eine Naherwartung" (in "Eurem" Verständnis, versteht sich).
Dass die Urchristen an die Göttlichkeit Jesu glaubten, hat nichts mit seiner dem Volk verkündigten Botschaft von der nahen Ankunft des Reiches Gottes zu tun. Seine diesbezüglichen prophetischen Worte von der baldigen Gottesherrschaft gelten als authentisch.

Nicht seine Zeitgenossen schrieben ihm ein Naherwartung zu - er selbst hatte sie.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 00:55
Weißt Du eigentlich, wieviel Theologieprofessoren die Lehrbefugnis entzogen wurde, weil sie den Mut fanden, die Gültigkeit von Dogmen hinterfragten und in Zweifel zogen?
Nicht weil sie etwas hinterfragten, sondern weil sie ablehnten.
Ja und?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 00:55
Er wurde wegen seines Ausspruches bekannt: "Jesus hat das Reich Gottes angekündet und gekommen ist die Kirche."
Deswegen wurde er vermutlich nicht exkommuniziert.
Ihm wurde sein Lehramt entzogen. Exkommuniziert wurde er, weil er sich nicht dem Papst unterwerfen wollte (Stichwort Antimodernisteneid).

closs hat geschrieben:der Satz selber ist theologisch albern...
… aber historisch völlig korrekt. :thumbup:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 00:55
Historiker setzen nichts.
1) NUR Mensch
2) Naturalistische Kontinuität der geschichte
3) Rezeptions = Original (das ist verkürzt dargestellt)
4) Geistiger/spiritueller Text = normaler antiker Text
5) etc. :roll:
Ach du liebe Zeit - jetzt sind die HISTORIKER auch noch dran... Natürlich sollte man nicht die Möglichkeit per "hermeneutischer Vorannahme" ausschließen, dass beispielsweise Hitler nicht NUR Mensch, sondern ein halber Teufel war. :lol:

closs hat geschrieben:Du sprichst von oder zitierst das Wort "Immunisierung" und führst sie ständig in eigener Sache vor.
Du weißt nicht, wovon Du redest.

"Die ideologiekritischen Begriffe Immunisierungsstrategie, Selbstimmunisierung (gegen Kritik) oder auch Kritikimmunisierung sind von dem deutschen Soziologen und Philosophen des Kritischen Rationalismus, HANS ALBERT, in die Wissenschaftstheorie eingebracht worden.

Hans Albert versteht darunter - im Anschluss an Karl Popper - alle Versuche, Theorien, religiöse oder säkulare Anschauungen durch Dogmatisierung gegen unvoreingenommene, kritische Überprüfung, gegen rationale Einwände abzuschirmen (zu immunisieren), unwiderlegbar zu machen, indem man sie z.B. zu absoluten und unumstößlichen Wahrheiten erklärt."



(Quelle Wiki.)

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 00:55
Die katholischen Glaubensdogmen dürfen nicht öffentlich in Frage gestellt werden. Ein solches Verbot wäre in der HKE undenkbar.
Die Dogmen haben nichts mit der HKE zu tun - das sind rein geistige Dinge, die an ihr vorbeigehen (sollten).
Meine Aussage war, dass es im Bereich der HKE keine Dogmen und kein VERBOT gibt, ihre Resultate in Frage zu stellen oder abzulehnen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 01:49
Deine Defizite bestehen in der historisch-kritischen BIBEL-Exegese.
Das ist prinzipiell dasselbe. - In den Details hast Du allerdings recht.
Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Dann mach was. Das "Arbeitsbuch zum Neuen Testament", Conzelmann/Lindemann, 14. Auflage, bekommst Du bei Amazon gebraucht für schlappe 3,00 €.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 01:49
Ich muss nichts lesen, das Wichtigste und Wesentliche weiß ich ja. Ihr seid es, die keine Ahnung haben und nichts verstehen (Dunning-Kruger-Syndrom).
Was unsere Phase der Grundlagen-Ergründung angeht, weiß ich in der Tat genug. - Was Euch angeht, kritisiere ich nicht Eure Bohr-Kompetenz (weil ich das noch gar nicht thematisiert oder überprüft habe), sondern Eure Grundlagen-Mängel. - "Dunning-Kruger" ist dann die beliebte Spiegelung.
Is klar. :)

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 01:31
Tja - dem ist nichts hinzufügen.
Thaddäus macht IHR Ding, welches typisch 20./21. Jh. ist und nicht deshalb richtig sein muss, weil es die neueste Version ist. - Th. und ich vertreten deutlich unterschiedliche Hermeneutiken.
Was soll das? Thaddäus kritisierte Deine mangelhaften Kenntnisse im Bereich der historisch-kritischen Exegese.

closs
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#250 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Di 12. Mär 2019, 23:01

Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 21:28
Dass die Welt existiert, ist keine hermeneutische Vorannahme.
Streng genommen ist sie das - Du kannst nicht unterscheiden, ob das, was Du siehst, "echt" ist, oder nur Deine Vorstellung. - Aber das spielt hier keine Rolle.

Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 21:28
Muslime und Juden sind der Überzeugung, dass Jesus NUR ein Mensch gewesen war. Mit dieser Auffassung schließen sie explizit eine GÖTTLICHKEIT Jesu aus
Ganz normale und erlaubte Glaubens-Aussage.

Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 21:28
Die historisch-kritische Exegese nimmt in dieser Frage einen agnostischen Standpunkt ein. Sie äußert sich weder zur Existenz oder Nichtexistenz Gottes noch zur Göttlichkeit oder Nichtgöttlichkeit ("nur Mensch") Jesu. Deine gegenteilige Unterstellung ist aus der Luft gegriffen und entbehrt jeglicher Grundlage.
Falsch - denn Du hast zwar sophistisch recht, aber nicht faktisch. - Die HKE beruft sich auf das, was sie falsifizieren kann: Jesus = Mensch. - Und so interpretiert sie. - Sie kann als nicht ermitteln, wie ein spiritueller Text zu verstehen wäre, wenn Jesus göttlich wäre.

Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 21:28
Keine Ahnung, was diese Begriffe mit vermeintlichen "hermeneutischen Vorannahmen" der HKE zu tun haben sollen.
Hatten wir mehrfach. ----- Wenn man die Bibel verstehe wie einen normalen antiken Text, untersucht man wie wir das in den Literaturgeschichten auch gemacht haben: Es gibt einen Original-Text, der einem vorliegt oder nicht - liegt er NICHT vor, nimmt man bis auf Widerruf die älteste Text-Quelle als Original. - Das ist absolut bewährt und passt also.

Aber das geht nicht bei der Bibel nicht, weil die älteste Quelle nicht ein Text, sondern Jesus selbst ist - oder anders: Die älteste Text-Quelle ist bestenfalls die erste Rezeption, aber nie das Original. - Der Unterschied: Eine fünfte Rezeption kann näher am Original Jesus sein als die erste, weil der Fünfte möglicherweise das Original Jesus besser verstanden hat als der Erste. - Das ist oft NICHT so, aber halt auch oft GENAU so - Das gilt übrigems auch für Interpretationen.

Mit anderen Worten: Es ist eine ganz erhebliche Vorannahme, dass die Gleichbehandlung der Bibel mit üblichen antiken Texten der beste Weg zum angemessenen Verständnis sei.

Münek hat geschrieben:
Di 12. Mär 2019, 21:28
Die Bibel wie andere Texte der Antike auszulegen, ist eine Vorgabe der "Päpstlichen Bibelkommission" und hat NICHTS mit einer "hermeneutischen Vorannahme" der HKE zu tun.
Die Kommission kennt selbstverständlich die Vorannahmen der HKE, die den Vorteil haben, dass sie religions-neutral sind - das heißt aber eben NICHT, dass sie das Mittel der Wahl ist, wenn es um das substantielle Verständnis geht. - Die Kommission möchte die HKE als basis-Wissenschaft auf der Ebene des Wort-Verständnisses haben (und des "Rumedums" ohnehin) - das spirituelle Sinnverständnis behält sich die Theologie, für die die Kommission spricht, vor.

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