PeB hat geschrieben: ↑Di 22. Jan 2019, 20:04
So gesehen ein echter Kandidat für göttliche Sprachverwirrung, bei der dann völlig andere - unverwandte - Sprachen entstehen.
So habe ich durch die Beschäftigung mit dem biblischen Ur und dem Turmbau zu Babel wieder etwas für meine Allgemeinbildung getan. Hab ich jetzt aus der Urerzählung der Bibel gelernt, dass nach der Sintflut im 3. Jahrtausend v. Chr. die Vielfalt der Sprachen aus einer Sprache in Mesopotamien hervorgegangen ist? Dass der Homo sapiens sapiens, der wie du sagst, je nach Forschungsmeinung, vor 100.000 bis 300.000 Jahren auf den Plan trat, bis ins 3. Jahrtausend weltweit eine einzige Sprache sprach, weil Gott seit dem Turmbau zu Babel die Sprache verwirrte? Oder dass die Schöpfung der "Welt" im 5. Jahrtausend v. Chr. erschaffen wurde?
Bei aller Liebe zur Bibel - nein.
Das südbabylonische Ur Kasdim (Chaldäa) mag aus historischer Sicht tatsächlich nicht das biblische Ur in Chaldäa (Kasdim) sein. Es ist mir egal, dass die südbabalonischen Chaldäer erst im 1. Jahrtausend v. Chr. dort historisch eine Rolle spielten, weil im Kontext der biblischen Urerzählung und im weiteren Kontext des deuteronomischen Geschichtswerk plus Esra und Nehemia das historisch und geographisch falsche Chaldäa, das
theologisch richtige Chaldäa ist. Eben auch, weil es theologisch zur Erzählung vom Turmbau zu Babel passt - und theologisch zum babylonischen Exil, denn dort, im und um Babylon, dem damaligen Schmelztiegel des Polytheismus, fand der Teil der deportierten Judäer, der später wieder durch die Wüste zurück in seine Heimat ging, tatsächlich erst wirklich zum Monotheismus des Judentums von dem das Christentum ihn schließlich auch übernommen hat.
Selbst wenn diese Urerzählungen und ihre Geschichte "frei" erfunden ist, erzählen sie aus theologischer Perspektive historische Wahrheiten im Kleide des Mythos. Dazu muss man sie aber auch mythologisch lesen und nicht wörtlich-historisch, sonst verfehlen sie ihr Ziel. Theologisch macht es wenig Sinn, "göttlich" zu erklären, dass die Menschen viele unterschiedliche Sprachen sprechen und damit auch unterschiedliche Identitäten haben. Theologisch macht es dagegen sehr viel Sinn, wie im weiteren Verlauf der biblischen Erzählungen die Juden im Laufe der Geschichte dazu kamen, ihre eigene theologische Identität herauszubilden. Das Exil, Südbabylonien, Babylon sind der geographische, der historische aber vor allem der theologische Kristallisationspunkt in der Geschichte des Judentums und das schimmert schon in der biblischen Urerzählung von Kain und Abel, der Sintflut und dem Turmbau zu Babel durch - nach meinem unmaßgeblichen Verständnis.