closs hat geschrieben:Claymore hat geschrieben:Ja, wenn deiner Meinung nach in den Geisteswissenschaften Falsifizierbarkeit nicht notwendig ist, damit sie einen Sinn machen, warum soll das nicht auch für die Naturwissenschaft gelten?
Weil es dort funktioniert. - Würde es auch (durchgehend) in den Geistesgeschichten funktionieren, würde man es genauso tun.
Also ist jetzt Falsifizierbarkeit in den Naturwissenschaften eher eine Art Luxus für dich? Was bringt der einem denn?
Nein - es hat nach wie vor nichts mit MEINEM Weltbild zu tun, sondern ist genereller Natur.
Na, die Hauptmotivation scheint schon deinem Bedürfnis, dein Weltbild zu schützen, zu entspringen.
- Allgemein gesagt: Ich will nicht, dass das, was der Fall ist, eine wissenschafts-ABHÄNGIGE Größe ist. - Da scheint in vielerlei Köpfen diesbezüglich der Schwanz mit dem Hund zu wackeln.
Das Problem ist, dass deine starke emotionale Ablehnung gegenüber den dummen bösen "Wissenschaftsgläubigen" dich nicht motiviert, dir gescheite Argumente auszudenken.
closs hat geschrieben:Er gibt mir deshalb nicht zu denken, weil auch solche Fälle längst bekannt sind. - Konkret: Die HP-Ärzte, die ich kannte, haben HP auf eher chronische Fälle angesetzt, weil sie dort ihre Vorteile sahen - ansonsten haben sie sehr genau unterschieden, wo sie was machen können und wo nicht.
Der Neurodermitiker oder der austherapierte Sonstwas waren auf dem Level, auf dem ich reinspitzen durfte, die Zielgruppe. - NICHT der Schnupfen oder der Beinbruch und sicherlich auch nicht Krebs - allenfalls begleitend. - Wie an anderer Stelle gesagt: Die HP-Szene ist qualitativ heterogen.
Mir ging es hier offensichtlich nicht um Behandlungsfehler. Sondern darum, dass zumindest bei dieser Patientin ganz klar eine Wahrnehmungsstörung vorlag (wenn man den Vorwürfen glaubt, herbeigeführt durch den HP-Arzt). Und zwar so lange bis sie die Wirklichkeit einholte.
Es gibt i.Ü.
eine Studie, nach der Alternativmedizin-Fans im Falle von Krebs eine höhere Mortalität aufweisen (weil konventionelle Behandlung verzögert oder verweigert wird). So leid es mir tut, das weist schon auf "Wahrnehmungsstörung" hin.
Es wäre wohl sinnvoll, mal jenseits moralischer Entrüstung ein Argument zu bringen, warum "Wahrnehmungsstörung" bei HP-Patienten denn eigentlich so unplausibel sind. Klar ist es nicht nett, das bei jemandem anzunehmen, aber das macht es nicht gleich falsch.
closs hat geschrieben:Ja - da gibt es in der Tat noch offene Fragen. -Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass man erstmal kategorial diese Ebenen trennt, um dann zu gucken, wo sie zusammengehören.
Nein, du wirst dich da nicht wieder herausreden.
Wenn die Naturwissenschaft sagt, dass einmal Südamerika und Afrika miteinander verbunden waren oder das Licht von Proxima Centauri 4,243 Jahre bis zur Erde benötigt (und viele weitere hunderte von seltsamen Behauptungen) ... ist das dann "ontisch"? Und wenn wir dieses alles glauben ... wie passt das damit zusammen, dass sich die Wissenschaft nicht direkt mit der Wirklichkeit beschäftigen soll?
Dies ist eine obligatorische Frage im Examen.

closs hat geschrieben:Vielen Dank.

- Wenn ich das richtig verstehe, ist das ein sauguter Text.
Gut, die Essays in der Reihe "Frage des Jahres" von John Brockman sind auf tausend Wörter begrenzt. Tiefgreifend ist was anderes.
Aber vielleicht sind seine Bücher die intelligenteste Klo-Lektüre der Welt.
closs hat geschrieben:Dasselbe in grün (sonst würde ich doch solche Beispiele nicht machen):
1) Die Wirkung von ASS ist positiv nachgewiesen ist, also ist die Behauptung "ASS wirkt nicht" ein für alle Mal falsifiziert -> ontische Aussage.
2) "HP wirkt NICHT" ist dagegen eine negative Aussage im Sinne von "Da wir keine Wirkung nachweisen können, gilt HP-Wirkung als falsifiziert" -> methodische Aussage.
Für die Grippeimpfung gilt: die wirkt dieses Jahr, aber nächstes Jahr nicht mehr. Könnte doch bei ASS genauso sein? Es braucht also zusätzliches Wissen, damit die Behauptung "ASS wirkt nicht"
ein für alle Mal falsifiziert ist.
Und dann kommt es noch auf den p-Wert der Studie an. Mit einem gängigen p = 0,05 würde sie in einem von zwanzig Fällen fälschlich die Wirksamkeit des Medikaments belegen. Welches p darf es also sein für deine "ontische Aussage"? Reicht p = 0,05 oder braucht's schon p = 0,0001?
Was bleibt also noch von deinem Begriff der "Positiv-Aussage"? Ich meine, dass man "Positiv-Aussage" nicht sinnvoll
definieren kann. Aber du kannst es mal versuchen.
Und falls du versuchst, Induktion als "methodisch"
entwerten zu wollen, aufpassen! Das ganz alltägliche Leben wird so dermaßen von der Überzeugung beherrscht, dass man sich auf Induktion verlassen kann -- man ist buchstäblich reif für die Klapsmühle wenn man diesbezüglich skeptisch wird. Wie der Held des Romans
Der Ekel von J.-P. Sartre, Antoine Roquentin, den ich bei Gelegenheit mal zitieren werde.
Da wärest Du ja noch kritischer als ich, indem Du sogar positive Befunde anzweifelst. - Also ist aus Deiner Sicht ontisch NICHTS falsifizierbar?
Ja, aus meiner Sicht ist "ontisch" nichts falsifizierbar. Ich lehne aber eigentlich das ganze Gerede von "ontisch" ab.
Das heißt nicht, dass ich "sogar positive Befunde anzweifle". Nein, ob ich zweifle oder nicht, kommt ganz auf den Einzelfall an. Ich bezweifle weder "Napoleon war nie auf dem Mond" noch "Trump hat die Queen getroffen" obwohl ich die rein theoretische Möglichkeit, dass diese Aussagen falsch sind, nicht widerlegen kann.
Richtig - aber das ist jetzt wieder eine positive Aussage: "Wasser gefriert bei 0°C" - und halt die Folgen davon. ---- "Es gibt keine anderen Wirkungsmechanismen als die, die wir kennen, ist eine negative Aussage".
Deine Unterteilung in positive und negative Aussagen akzeptiere ich nicht.
"Wasser gefriert bei 0 °C" = "Es gibt keine Wirkungsmechanismen, die Wasser bei über 0 °C gefrieren lassen"
positive Aussage = negative Aussage
Vielleicht hast Du trotzdem recht - dann ist es halt NOCH komplizierter - aber damit überholst Du mich doch nur und widerlegst mich nicht.
Wieso? Du willst doch "das methodische Wissen" entwerten -- dafür brauchst du deinen "unfehlbaren Zugang zum ontischen". Entpuppt der sich als Chimäre, war's das mit deiner Privat-Theorie.
Diese Modell-Welt ist doch ein Produkt der Erkenntnis-Theorie, oder nicht? - Entweder Deine Frage ist leicht zu beantworten (wie eben geschehen) oder ich weiß nicht, was Du damit meinst.
Nein. Vergiss es. Es ist sowieso ziemlich klar, dass es bei dir auf wissenschaftlichen Anti-Realismus (d.h. einer seltsamen Variante davon) hinausläuft.
Und wieder: Würde man Wissenschaft in erster Linie als methodische Größe verstehen und keine fordernden Ansprüche in Bezug auf das Sein/die Wirklichkeit ("ontisch") erheben, gäbe es diese Komplikationen erst gar nicht.
Ähm, ja. Aber da draußen sind die bösen Wissenschaftsgläubigen und denen ist es schnurzegal, dass sich solche Komplikationen ergeben. Da hilft dein Gejammer reichlich wenig.
Mich würden da auch gute Argumente interessieren... wenn du wider Erwarten noch welche haben solltest? (d.h. bitte mehr als einem nur "das ist anthropogen definierte Vernunft" hinknallen.)
Ein brutaler und zum Weinen lächerlicher Fall ist einer, den ich gerade neulich in einer Wissenschaftssendung gesehen - aus dem Gedächtnis:
Man könne nachweisen, dass es beim Urknall noch keine Zeit gab, sondern erst danach entstand (das glaube ich nicht nur, sondern das ist aus meiner Sicht auch zwingend aus spirituellen Gründen). - Jetzt aber kommt es: Damit sei nachgewiesen, dass es keinen Gott gäbe, weil ja vorher nicht sein könne, der Urknall also nicht geschaffen sein könne.
Das ist ein derart bewusstlos dummes Argument, dass es einem schier die Plomben aus den Zähnen zieht - hört man aber oft. - Mit NOMA wär' das nicht passiert.
... und deswegen der closs'sche Umkehrschluss: NOMA ist korrekt! Tjaja.
Diese Putzigkeiten sind nötig, um zu unterscheiden - man könnte auch sagen "Vernunft sensu Aufklärung sensu 21. Jh" - führt das weiter?
Das ist ein bisschen weniger tendenziös. Wobei natürlich die folgenden Grundprobleme bleiben: wie kann es überhaupt verschiedene "Vernünfte" geben? Wie erkennt man, dass es sich bei einer Vernunft um eine Vernunft handelt... und braucht man dafür nicht schon seine eigene Vernunft? Wie unterscheiden sich die Vernünfte genau? Wie erfährt man, was die unterschiedlichen Vernünfte zu einem Problem zu sagen haben? Wie kann man überhaupt eine bestimmte Vernunft "definieren"? Gibt es eine "richtige" Vernunft? etc.
"Technozentrisch" würde ich meine Verständnis des heutigen Verständnisses von "Vernunft" nicht bezeichnen, eher "pragmatisch"
Das ist nicht tendenziös genug!
Gib mir ein paar milloonen Euro und ich bastele Dir ein Team zusammen, das das rausfinden kann.
Die Zahl der Patienten, die sich mit individ. HP behandeln lassen - das wäre schon mal ein Anfang.
Ich habe selber schon gesucht, mit wenig Erfolg.
Außer der Praxisebene zwischen Arzt und Patienten gibt es nichts - wissenschaftlich steht HP mau da. - Kleine Einschränkung: Der Verband der deutschen HP-Ärzte spricht unter "Forschung" von erfolgreichen randomisierten Versuchen - ich kann das nur zitieren.
Ne, es ging schon um die "Praxisebene". Da lieferst du doch genauso wenig was ab.