Claymore hat geschrieben: Nein, ich empfinde bzgl. der kath. Sexualethik nichts in mir, das als Resonanzboden schwingt.
Das glaube ich Dir wirklich - einfach, weil Menschen unterschiedlich denk-formatiert sein können. - Das muss man nicht gleich religiös sehen, da reicht ein Blick in die eigene Geschichte.
Als ich erst Student und dann Lehrer war, hatte ich keinerlei schwingenden Resonanzboden für das, wie ich in meiner nächsten Phase als Wirtschafts-Mensch denken würde. - Seit ich Rentner bin, verstehe ich immer weniger, wie ich als Wirtschaftsmensch denk-formatiert war. - Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und unheimlich anpassungsfähig.
Claymore hat geschrieben:Gehe ich richtig in der Annahme, dass diese “Erkenntnis†für dich eine emotionale Reaktion ist?
Auch - aber nur insofern, dass spirituelle Erkenntnis genauso (wahrscheinlich noch mehr) emotional wie (als) reflektive Erkenntnis ist. - PRimär emotional wäre falsch.
Claymore hat geschrieben:Wenn man die katholische Sexualethik also in den Bereich “Erkenntnis mit schwingenden Resonanzböden†verortet, dann sagt man damit doch aus, dass es sich hier nicht mehr nur um ein kontroverses Thema handelt – sondern schlicht um eines, das rein subjektiv ist, also komplett “undurchsichtigâ€. D.h. es gibt nicht mal mehr eine persönliche Schlussfolgerung, die man transparent machen kann – bei normalen “kontroversen Themen†wie “Wie schädlich sind E-Zigaretten?†geht das nämlich durchaus!
Geistige Erkenntnis ist primär IMMER subjektiv - die Frage ist, ob sie sich zusätzlich intersubjektiv nachvollziehbar darstellen lässt (solche Fälle gibt es natürlich). - Üblich ist jedoch inzwischen, dass man Dinge, die jemand modellhaft intersubjektiv dargestellt hat UND (sehr wichtig!) allgemein anerkannt ist, VERTRITT (also nicht erkennt), also den eigenen, subjektiven Erkenntnis-Prozess vollkommen außen vor lässt. - Solche Leute nennen sich dann "aufgeklärt".
Claymore hat geschrieben:Das ist nun ein sehr wichtiger Punkt: Wie und wann kann man herausfinden ob etwas “ontisch wahr†ist? - Gibt es ein Kriterium nach dem man einen “Spinner†(?) wie David Icke von einem Menschen mit bloß einer anderen “Hermeneutikâ€* unterscheiden kann?
Das ist prinzipiell unmöglich - man kann immer nur glauben und hoffen, dass der eigene Ansatz authentisch ist zu dem, was der Fall ist.
Bei Naturwissenschaften gibt es nur prinzipiell, aber nicht pragmatisch dieses Problem: Man beschreibt Beobachtungen in einem Modell und kommt zu Ergebnissen - wenn diese Ergebnisse experimentell bestätigt werden können und das Modell somit irgendwann als "bewährt" gilt, kann man es pragmatisch mit "ontisch wahr" gleichsetzen. - Das geht jedoch außerhalt der Naturwissenschaft eher selten. Dort ist es angemessener, sich, erstens, bewusst zu sein, dass die eigenen hermeneutischen Vorannahmen falsch sein könnten (dieses Damoklesschwert hängt immer über einem, wenn solche Vorannahmen nicht falsifizierbar sind, was bei spirituellen Fragen eigentlich immer der Fall ist) - allein dieses Bewusstsein fehlt schon oft.
Zweitens sollte man andere hermeneutische Vorannahmen überprüfen, ob sie besser sind als die eigenen. - Drittens (aber das wäre jetzt die "fromme" Variante), sollte man um die Gabe der Unterscheidung der Geister bitten (damit sind NICHT Betttücher gemeint, die "huhu" machen.

). - Aber letztlich ist eine Sisyphos-Arbeit - der hermeneutische Zirkel schickt einen immer wieder zum Ausgangspunkt zurück: "Sind Deine Annahmen wirklich richtig oder hat Du Dich nur in sie verknallt?".
Claymore hat geschrieben:Also um das jetzt noch mal festzuhalten:
Für das Wort “falschâ€: Ablehnung der Korrespondenztheorie der Wahrheit
Für das Wort “ontisch falschâ€: Annehmen der Korrespondenztheorie der Wahrheit
Interessante Frage. - Mein erster Eindruck: Da stimmen die Vorannahmen nicht

, sorry, das ist keine Ausrede.
Denn (1) was soll der Satz "Danach sind subjektive Aussagen genau dann wahr, wenn sie mit den Tatsachen in der objektiven Welt übereinstimmen (korrespondieren)", wenn man nicht weiß, was objektiv wahr ist? - Eigentlich ist das ontisch gesprochen ein Zirkelschluss: "Ich definiere subjektiv (hier gemeint als "als Mensch"), was objektiv ist und was in einer objektiven Welt Tatsache ist, und stelle dann eine Korrespondenz mit dem fest, das diese objektive Tatsache festgestellt hat". - Insofern ist Dein "falsch" für diesen Fall richtig - das funktioniert nicht.
Es ist ein für den sog. "Realismus" typisches Manöver, das Objektive zum Büttel des Subjektiven zu machen. - Man setzt zwar, dass vom menschlichen Bewusstsein unabhängige Phänomene existieren (klingt erstmal gut - das wäre der ontische Ansatz), kassiert das aber gleich wieder, indem man den Menschen zum Steuermann des Seins macht. - Das führt dann soweit, dass man einen Begriff "ontologischen Naturalismus" ermöglicht, was in etwa so widersinnig ist wie "vogelfreie Versklavung".
Weil man dann irgendwann merkt, dass das nicht funktioniert, definiert man in Neusprech Grundbegriffe um, damit es dann doch funktioniert, was zu einem Ergebnis führt, dessen Entstehung am besten durch einen der besten Witze, den ich kenne, erklärt werden kann:
Frage: "Wie sperrt ein Mathematiker einen Löwen in den Käfig?" - Antwort: "Er setzt sich selber in den Käfig und bezeichnet den durch den Käfig definierten Raum als 'außen' ". - Das ist eigentlich das, was ich die ganze Zeit sagen wollte (merke ich gerade).
Bei (2) stimmt die Korrespondenz-Theorie - ganz recht. - Aber sie bedeutet dort etwas anderes.
Claymore hat geschrieben:Falsch kann ontisch wahr sein, wahr kann ontisch falsch sein…
Nee - "Wahrnehmungs-mäßig als 'falsch' Bezeichnetes kann ontisch wahr sein und wahrnehmungs-mäßig als 'wahr' BezeuÃchnetes kann ontisch falsch sein". - So würde es stimmen.
Claymore hat geschrieben:Dir ist aber schon klar, dass 98% der Menschen “wahr†wie dein “ontisch wahr†verstehen, oder?
Ein Wissenschaftler DARF es nicht so verstehen - er muss wissen, dass er nur Modelle zu Beobachtungen der Wirklichkeit bearbeitet und nicht Beobachtungen der Wirklichkeit.
Das ist doch mein großer Kritik-Punkt in puncto "Kommunizierung von Wissenschaft". - Man darf wissenschaftliche Ergebnisse nur als Modell-Ergebnisse kommunizieren und nicht als ontische Ergebnisse (was natürlich oft zusammenfällt). - Ich könnte Dir mühelos wissenschaftlich saubere Ergebnisse zur SELBEN Fragestellung präsentieren, die komplett wiedersprüchlich sind - das ist normal. - Also: Vorsicht mit Worten wie "ontisch", wenn es um methodische Ergebnisse geht.